theologie.geschichte - Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte

Elisabeth Dieckmann/ Clauß Peter Sajak ( Hg.), Weißt du, wer ich bin? Initiativen und Projekte für das interreligiöse und interkulturelle Lernen (Forum Religionspädagogik interkulturell, Bd. 24), Münster 2014, LIT-Verlag, 208 S., 24,90 €, ISBN 978-3-643-12299-5


Religionsdialog ist nicht nur etwas für die hohen Repräsentanten religiöser Gemeinschaften und Wissenschaftler; Religionsdialog spielt sich auf vielen Ebenen ab – auch denen der Gremienarbeit und der ganz kleinen, lokalen Initiativen. Um die letzten beiden geht es in dem vorliegenden Band.

Mit der Initiative „Weißt du, wer ich bin?“ wurden acht Jahre lang lokale Dialoginitiativen zwischen Judentum, Christentum und Islam mit kleineren Geldbeträgen unterstützt. Dies ist ein doppelter Erfolg: Dass sich jüdische, christliche und muslimische Dachverbände zusammentun (ACK, ZMD, DiTiB, ZJD), um gemeinsam lokale Gruppen mit Geld zu unterstützen, ist an sich schon wert, hervorgehoben zu werden. Umso erfreulicher ist es, dass im Laufe der Zeit mehr als 100 Initiativen beteiligt waren.

Angesichts dessen stellen sich die Aufsätze des Bandes einer zweifachen Aufgabe: erstens dieses „Projekt einer ausführlichen Evaluation zu unterziehen“ (4) und zweitens zu ermutigen, „aufeinander zuzugehen und sich dabei von  den ... vorgestellten ... Initiativen inspirieren zu lassen“ (5).

Elisabeth Dieckmann übernimmt es, ausführlich die Entwicklung der Gremienarbeit vornehmlich aus der Sicht der ACK zu beschreiben (7-30). Sie beginnt mit den siebziger Jahren, Initiativen für die Integration von Migranten und  dem „Tag des ausländischen Mitbürgers“, um dann konkret die Vorgeschichte  von „Weißt du, wer ich bin?“ seit den 90er Jahren aufzurollen, Veröffentlichungen und auch Fehlschläge zu nennen. Zwischen den Zeilen ahnt man hier und dort, dass die Prozesse unter den Trägervereinen, den Religionsgemeinschaften und auch zwischen den Persönlichkeiten nicht immer einfach waren. Die Darstellung bleibt dabei jedoch zurückhaltend, sachlich und informierend.

Dieses Zusammenspiel in den Gremien wird im Beitrag von Anna Vennemann auf der Grundlage von vier Interviews genauer untersucht (49-102). Dabei bleibt die methodische Gründung in der qualitativen Inhaltsanalyse zwar ein kaum nachvollziehbares Etikett, lesenswert sind jedoch auf die Interviews gestützte Deskriptionen der Höhen und Tiefen im Dialog von Ausschussmitgliedern und  Geschäftsführerin. Dabei werden ungeschminkt Probleme benannt – für Einsteiger in die interreligiöse Gremienarbeit eine instruktive Lektüre. Die Verbesserungsvorschläge bleiben sicherlich methodenbedingt begrenzt: teils gelten sie nicht nur für dieses Gremium (z.B. „Die Festlegung von gewissen Verbindlichkeiten“, 95f), andere spiegeln eher die Unerfahrenheit der Autorin in der Gremienarbeit (Vorschlag eines Bewerbungsverfahrens zur Besetzung eines Gremiums von Ehrenamtlichen im Religionsdialog, 90f).

Zwischen den beiden Ausführungen zur Administration schießt C.-P. Sajak einen Artikel zum trialogischen Wettbewerb der Herbert-Quandt-Stiftung ein (31-47) und formuliert (schulisch geprägte) Kompetenzen für den Dialog, im Anschluss an eine vorangegangene Veröffentlichung. Diese Kompetenzen werden dann im Beitrag von Anna Fragnelli für die Evaluation der Abschlussberichte der lokalen Initiativen aufgenommen (103-152). Im Spiegel dieser Berichte stellt die Autorin dar, wie in den geförderten Projekten jeweils in Bezug auf unterschiedliche „Kompetenzbereiche“ gearbeitet wurde. Dabei werden sowohl schlichte Grillfeste von Jugendlichen wie ausgereifte Konzepte eines Kindergartens dargestellt. Faktisch geht es dabei weniger um eine streng genommene „Evaluation“, sondern um eine gut lesbare Sichtung der vorliegenden Berichte nach dem Schema der besagten Kompetenzen. Zum Abschluss stellt die Verfasserin in Frage, ob dieses Schema mit schulischem Ursprung geeignet war, auch weitergehende Aspekte wie regionale Organisation und Pressearbeit zu fassen.

Anne Bendler (153-198) konzentriert sich im abschließenden Aufsatz auf inhaltliche Klärungen zur Dialogarbeit in Kindertagesstätten.  Die Darstellung der Erwartungen für die Lernprozesse ist dabei zum Teil erstaunlich weit von der Zielgruppe entfernt („Somit erlangen sie [scl. die Kindergartenkinder, K.M.] einen abgeklärten, reflektierten Standpunkt in Bezug auf Religion ... eine aktive und reflektive Toleranz“, 170, „Mit dem interreligiösen Lernen stößt ein Kind zur Mitte der eigenen Religion vor ...“, 172).

Im Blick auf die oben genannten Kompetenzen werden darauf 10 Projektvorschläge aus einem Materialheft der Aktion vorgestellt, wobei sich im Fazit die unübersehbare Fehleinschätzung von Kindergartenkindern wiederholt („Jedoch ist es nicht immer [sic!] gegeben, dass die Kinder die Bedeutung der drei abrahamischen Religionen für die europäische Kulturgeschichte darstellen oder Formen ... der Zusammenarbeit  mit Institutionen außerhalb der Kita und dem lokalen Umfeld entwickeln“, 196).

Interessant wäre für den Band sicherlich eine Gesamtliste der Initiativen gewesen sowie eine Klärung, aus welchen Gebieten in Deutschland die eingereichten und die später geförderten Projekte stammten, warum bestimmte Regionen erreicht oder nicht erreicht wurden. Dies hätte den insgesamt eher deskriptiven als evaluativen Charakter ergänzen können.

Drei Viertel des Bandes sind durch eine offensichtliche Studierendensicht geprägt. Einerseits spiegeln deren Artikel die Unerfahrenheit der Autorinnen mit Methoden, Gremienarbeit, Kindertagesstätten und interreligiösen Regionaldialogen, andererseits besticht (besonders bei Vennemann) die damit verbundene Offenheit, Probleme in interreligiösen Gremien beim Namen zu nennen, die sonst kaum in Schriftsätzen erfahrenerer Autoren zu finden sind.


Zum Rezensenten:
Dr. Karlo Meyer, geb. 1968, ist Professor für Religionspädagogik an der Fachrichtung Evangelische Theologie der Universität des Saarlandes.





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