theologie.geschichte - Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte

Axel Töllner

„Auf die neuen Verhältnisse umgestellt“ – Die Verdrängung des bayerischen Kirchenpräsidenten Friedrich Veit und die Ermächtigung seines Nachfolgers Hans Meiser zum Landesbischof im Frühjahr 1933[1]




Kirchenpräsident Friedrich Veit und der Nationalsozialismus bis 1933

Nach den für die Nationalsozialisten überaus erfolgreichen Septemberwahlen 1930 vollzog sich im gesamten Reich seit 1930/31 eine zunehmende Politisierung von Theologie und Kirche. [2] In Bayern intensivierten sich 1931 die Kontakte zwischen der NSDAP und den evangelischen Pfarrern. [3] Reichskirchliche und deutschchristliche Vorstellungen fanden unter den an der traditionellen konfessionellen Ausrichtung orientierten bayerischen Lutheranern zunächst wenig Anklang. [4]

Im Lauf dieses Prozesses gelang es den noch vergleichsweise wenigen nationalsozialistischen Geistlichen im Freistaat, die Stimmung in der gesamten Pfarrerschaft nachhaltig zu beeinflussen: Erfolgreich warb besonders der junge Münchner Vikar und engagierte Nationalsozialist Eduard Putz (1907–1990) für die Nationalsozialisten und Hitler. Putz hatte sich bereits als Student und Parteimitglied seit 1927 besonders aktiv für die Partei engagiert. Im Zeichen von Massenarbeitslosigkeit und Säkularisierungsprozessen stellte er seinen Kollegen den Nationalsozialismus mit deutlich antisemitischen Untertönen als Bollwerk gegen Bolschewismus und Liberalismus und als politischen Verbündeten des Luthertums vor. [5] Auf der Seite der NSDAP-Funktionäre war in Bayern vor allem der Bayreuther Reichstagsabgeordnete und Gauleiter Hans Schemm (1891–1935) mit seiner Strategie erfolgreich, den Nationalsozialismus gegen nationalkonservative Alternativen als Option für evangelische Wählerinnen und Wähler zu präsentieren. Dabei gelang es dem gelernten Volksschullehrer, sich als evangelischer Christ zu profilieren und Sorgen vor postchristlichen, deutsch-religiösen Strömungen innerhalb der selbst ernannten Bewegung zu zerstreuen. [6]

In diese Phase fällt eine Konfrontation, in deren Zentrum der bayerische Kirchenpräsident Friedrich Veit (1861–1948) stand: Er war ins Fadenkreuz der Nationalsozialisten geraten, nachdem er sich im Februar 1931 vor dem Evangelischen Handwerkerverein München in einem Vortrag über Schulfragen kritisch über die völkische Bewegung geäußert hatte. Veit wandte sich insbesondere gegen die Versuche, eine eigene völkische Religion zu schaffen. Daraufhin verunglimpfte Julius Streichers Blatt „Der Stürmer“ den Kirchenpräsidenten unter der Schlagzeile „Achtung! Wer kann Auskunft geben über die Abstammung des Kirchenpräsidenten D. Veit?“ [7] Die Wogen der Empörung schlugen in der Kirchenpresse, aber auch im Bayerischen Landtag hoch. [8] Nationalsozialistische Pfarrer versuchten dagegen den Vorfall zu verharmlosen. [9]

Veit hatte schon seit den frühen 1920er Jahren mit Sorge den wachsenden Grad der Politisierung der Pfarrerschaft beobachtet. [10] Ende 1931 äußerte er sich mehrfach öffentlich dazu, unter anderem in seinem traditionellen Kommentar zu kirchlichen und zeitgeschichtlichen Ereignissen in der Neuen Kirchlichen Zeitschrift, die er seit 1918 mit dem Erlanger Theologieprofessor Theodor von Zahn herausgab. [11] Veit verfolgte die Strategie, die Geistlichen dafür zu gewinnen, sich aus innerer Überzeugung und aus Liebe zum Amt selbst politische Zurückhaltung aufzuerlegen, von einem autoritären Eingreifen versprach er sich wenig, weil es in anderen Landeskirchen erfolglos geblieben war. [12] Dieser Linie blieb Veit treu: Mit einem seelsorgerlichen Wort an die Geistlichen appellierte er kurz nach der Reichspräsidentenwahl 1932 erneut an das Berufsethos der Geistlichen und ermahnte sie zu Unparteilichkeit. [13]

Veit wollte die Pfarrerschaft mit seelsorgerlichen Mitteln überzeugen, sah jedoch deutlich die Gefahren des Nationalsozialismus, auch wenn er die Dynamik der nationalsozialistischen Politisierung der Geistlichen möglicherweise unterschätzte. Mehrfach hatte er vor 1931 die völkische Bewegung und den Nationalsozialismus für die antichristlichen Elemente ihrer Ideologie kritisiert. [14] Doch die florierenden Beziehungen zwischen Nationalsozialisten und Pfarrern nährten zunehmend die Zweifel des Kirchenpräsidenten, ob ein bloßer Hinweis auf die politische Neutralität der Kirche noch ausreichend sei. [15] Dem überzeugten Anhänger der bayerischen Monarchie war die pluralistische Republik zwar fremd geblieben, [16] dennoch versuchte er pragmatisch und zielstrebig, der evangelischen Kirche im rechtsrheinischen Bayern mit einer Kirchenverfassung und einem Staatskirchenvertrag eine unabhängige Position und Einflussmöglichkeiten im neuen Staatsgefüge zu verschaffen. Bei aller Nostalgie blickte er selbstkritisch auf die Verknöcherung der Behördenkirche, die das Landesherrliche Kirchenregiment im Königreich Bayern hervorgebracht hatte. Andererseits sah er bei aller Distanz zur republikanischen Staatsordnung auch hier Chancen für kirchliche Aufbrüche und Erneuerungsprozesse durch innerkirchliche Demokratisierung. Die Politisierung der Pfarrerschaft, die sich in Bayern nahezu ausnahmslos im rechten politischen Lager vollzog, sah er vor allem als Gefahr für die Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Kirche. [17]

Seit 1931 hatten einflussreiche Kollegen wie der Münchner Dekan Friedrich Langenfaß (1880–1960) den Kirchenpräsidenten mehrfach zu einem Machtwort und einem Durchgreifen gegen politisierende Pfarrer gedrängt. [18] Langenfaß gehörte sowohl der Landessynode als auch dem Landessynodalausschuss an und zog als Mitglied dieser zwei Organe der Kirchenleitung zahlreiche Fäden im Hintergrund. Bereits im März 1929 hatte er etwa in strengster Vertraulichkeit bei dem Erlanger Theologieprofessor Paul Althaus vorgefühlt, ob er Veit in der Kirchenleitung nachfolgen wolle. Langenfaß rechnete bereits zu diesem Zeitpunkt mit einer baldigen Ablösung des Kirchenpräsidenten – wegen angeblich konkreter Probleme. [19] Den ansonsten hochgeschätzten Oberkirchenrat Hans Meiser kritisierte Langenfaß hinter vorgehaltener Hand wegen seiner defensiven Haltung zur Politisierung der Pfarrerschaft. Meiser war nach Langenfaß’ Einschätzung hauptverantwortlich dafür, dass Veit sich im Sommer 1931 nicht zu einem gemeinsamen Wort mit dem Landessynodalausschuss gegen die Agitation von nationalsozialistischen Pfarrern habe durchringen können. Sein „guter Freund Meiser, der sich hier als verhängnisvoller Cunctator erwiesen hat, hat ihn [sc. Veit] dabei nicht gut beraten“, schrieb der Münchner Dekan an Georg Merz (1892–1959). Dem Dozenten an der Kirchlichen Hochschule Bethel und früheren Münchner Studentenpfarrer war er freundschaftlich verbunden. [20] Am Nationalsozialismus störte auch Langenfaß vor allem das antichristliche Potenzial seines ideologischen Fundaments. [21] Der Weimarer Parteiendemokratie stand Langenfaß mindestens skeptisch, wenn nicht ablehnend gegenüber. Sofern er die NSDAP als Element in der politischen Parteienlandschaft sah, lehnte er eine eindimensionale und öffentliche – parteipolitische – Identifikation von Geistlichen mit ihr ab. [22]

Doch Langenfaß kannte auch ein legitimes politisches Engagement für den Nationalsozialismus. Als Dekan hatte er Eduard Putz 1931 mit seinem Vortrag über das Verhältnis von Nationalsozialismus und Kirche auch in die Münchner Pfarrkonferenz geholt. Er bescheinigte Putz, sich darin von aller Parteilichkeit und Einseitigkeit ferngehalten zu haben. [23] Gleichwohl wirkt der Vortrag nicht erst aus heutiger Perspektive als unverhohlene Werbung für den Nationalsozialismus und als Plädoyer für die Vereinbarkeit zwischen evangelischem Glauben und nationalsozialistischem Gedankengut. Putz erwähnte zwar auch problematische Elemente, was aber nur wenig daran änderte, dass er in der Spätphase der Weimarer Republik bei einer Reihe bayerischer Theologen mindestens Sympathien, manchmal auch Begeisterung für die Partei weckte, wie Björn Mensing 1998 in seiner Studie Pfarrer und Nationalsozialismus resümiert. [24]

Der Münchner Dekan hatte Sympathien für vaterländische und autoritäre Gedanken, doch verlangte er von einem Pfarrer, seinen Dienst ohne allzu deutliche politische  Parteilichkeit wahrzunehmen. [25] Als ärgerlich empfand er etwa einen Wahlaufruf für Hitler, den sein Amtsvorgänger Hermann Lembert (1862–1933) im Vorfeld der Reichspräsidentenwahl 1932 im Völkischen Beobachter abgegeben hatte. [26]  Kurz darauf, möglicherweise auch in direktem Zusammenhang mit Lemberts Wahlaufruf, sah sich Kirchenpräsident Veit zu einem erneuten Aufruf an die Geistlichen der bayerischen Landeskirche zu parteipolitischer Enthaltsamkeit gezwungen. [27] Da Veits Appell vom März 1932 keine nachhaltige Wirkung erzielte, verbot der Landeskirchenrat den Geistlichen am 4. Oktober 1932 schließlich doch jegliche öffentlichen parteipolitischen Stellungnahmen. [28]


Die „nationale Revolution“ von 1933 und die „Novemberrevolution“ von 1918

Wesentliche Quellen zu dem 1933 vollzogenen Wechsel an der Spitze der bayerischen Landeskirche haben Ernst Henn, Wolfgang Sommer, Friedrich Wilhelm Kantzenbach und Arne Manzeschke erschlossen. Henn erklärte den Rücktritt mit der Amtsmüdigkeit des fast 72-jährigen, vermeintlich „greisen“ Kirchenpräsidenten Friedrich Veit und der Sehnsucht nach einer führungsstarken Persönlichkeit, wie sie der gerade 52 Jahre alt gewordene Hans Meiser verkörperte. [29] Sommer konnte als erster die um 1944 / 1945 abgeschlossenen Memoiren Friedrich Veits auswerten, die 2006 aus dem Familienbesitz zugänglich geworden waren. Demnach war Veit keineswegs amtsmüde zurückgetreten, sondern wurde angegriffen und verdrängt, weil er die Kirche bewusst auf Distanz zur Euphorie über die Nationalsozialisten halten wollte. [30] Kantzenbach würdigte im Jahr 1978 als erster Veits hellsichtige Kritik des Nationalsozialismus und zählte ihn zu den wenigen Ausnahmeerscheinungen im Führungspersonal des bayerischen Protestantismus. [31] Manzeschke erklärte die Ablösung Veits und die stark politisch überformten Rufe nach einem Landesbischof im Jahr 1933 mit einer Mischung aus Amtsmüdigkeit, unerfüllten Erwartungen an eine geistliche Kirchenleitung im Amt des Kirchenpräsidenten und antidemokratisch-autoritären Traditionen in der Kirchenleitung in der Folge des Landesherrlichen Summepiskopats. [32]

Der politische Umbruch 1918/19 versetzte die meisten evangelischen Amtsträger in Krisenstimmung, die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 in Euphorie. Suchten sie 1918 mehrheitlich Distanz, so war es 1933 Nähe. Brauchte die evangelische Landeskirche nach der Absetzung des Königs 1918 ein neues Oberhaupt und eine neue Organisation, so suchte sie 1933 einen staatsnahen Kirchenführer. Der königstreu-konservative Kirchenpräsident Friedrich Veit, der als Konsistorialpräsident den Übergang vom Staatskirchentum zur unabhängigen Landeskirche moderiert hatte, schien mit seiner Skepsis gegenüber einer Anbiederung an die neue  nationalsozialistische Regierung nicht mehr in die Zeit zu passen.

Entsprechend vollzogen die bayerischen Protestanten die Umbrüche keineswegs in Äquidistanz mit: Wenige Tage nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 marschierten an verschiedenen Orten in Bayern SA-Verbände und andere Parteigliederungen auf, hissten Hakenkreuzfahnen und versuchten so, auf der Straße die Regierungsübernahme der NSDAP zu erzwingen. Am 10. März beschwerten sich zwei evangelische Nürnberger beim Landeskirchenrat in München darüber, dass Kirchenglocken den Aufmarsch auf dem Hauptmarkt begleitet hätten. Oberkirchenrat Hans Meiser (1881–1956) erklärte den Wunsch nach dem Läuten damit, „dass auch bei der Staatsumwälzung im Jahre 1918/19 die Kirchenglocken von den damaligen Machthabern in ausgedehntestem Maße in Anspruch genommen wurden“. Die Erlaubnis dazu begründete er mit der explosiven Lage und der Sorge vor „unliebsamsten Weiterungen“, falls man nicht läute. [33] 1918 und 1919 läuteten Kirchenglocken allerdings nicht, um damit gleichsam in vorauseilendem Gehorsam größeren Schaden abzuwenden. Im Gegenteil, Kirchengemeinden verweigerten das Geläute im Dienst der neuen Regierungsgewalt, wo sie nur konnten. [34] Es war sogar die Rede davon, die Glocken seien bei der Beerdigung Kurt Eisners (1867–1919) und der Ausrufung der Räterepublik „vergewaltigt“ worden. [35] Das Läuten der Kirchenglocken untermauerte und sakralisierte hoheitliche Ansprüche als Weiheakt. [36] Mussten ihn sich die Machthaber im einen Fall selbst verschaffen, ging die Initiative im anderen Fall von der Kirchenleitung aus. Dabei hatte die NSDAP in Bayern ebenso wenig ein Regierungsmandat durch Wahlen erhalten wie 1919 die Räte. Stattdessen hatte sie den geschäftsführenden BVP-Ministerpräsidenten Heinrich Held (1868–1938) nach den Reichstagswahlen am 5. März sukzessive aus dem Amt gedrängt. Den letzten Akt dazu bildete die Einsetzung Franz Xaver Ritter von Epps (1868–1946) zum Reichskommissar für Bayern durch Reichsinnenminister Wilhelm Frick (1877–1946) am 9. März 1933.

In dieser Situation wandte sich Friedrich Veit am 13. März mit einem Rundschreiben an die bayerischen Geistlichen, in dem er an seine früheren Aufrufe zu parteipolitischer Neutralität anknüpfte. Veits Rundschreiben vom 13. März 1933 fiel vergleichsweise nüchtern aus und ließ nicht erkennen, dass ihn Hitlers brachialer Feldzug gegen Kommunisten, Gewerkschafter und andere Linke nach dem Reichstagsbrand oder der Ausgang der Wahlen am 5. März zu einer radikalen Neubewertung gebracht hätten. Veit konzedierte, dass die „starken vaterländischen Kräfte“ in den aktuellen politischen Ereignissen „nicht zu verkennen“ seien, stellte dieser Würdigung der Entwicklungen im staatlichen Bereich allerdings eine Absage an eine entsprechende Politisierung im kirchlichen Bereich entgegen: Die Kirche müsse sich darauf besinnen, „daß sie das Gesetz des Handelns nicht aus der Entwicklung des zeitlichen Geschehens, sondern aus dem Grunde ihres Wesens und dem unverrückbaren Ziel ihres Wirkens zu nehmen hat“. [37] Auch unmittelbar nach der Novemberrevolution 1918 hatte Veit als damaliger Oberkonsistorialpräsident auf den Verlust der politischen und kirchlichen Ordnung zurückhaltend reagiert. [38] 1918 rief Veit die Pfarrer dazu auf, in der Krise aufbauend zu wirken. 1933 warnte er sie davor, sich von nationalem Hochgefühl mitreißen zu lassen. In beiden Fällen strich er die Unterschiede zwischen kirchlichem und weltlichem Bereich heraus und drang auf innerkirchliche Geschlossenheit.

In den Märztagen 1933 hatten sich viele evangelische Amtsträger allerdings ein positives Bekenntnis zu den neuen Machthabern gewünscht. Und wieder spielte Hans Schemm eine Schlüsselrolle. Der mit den nationalsozialistischen evangelischen Pfarrern seit 1931 ohnehin gut vernetzte Gauleiter der „Bayerischen Ostmark“ hatte sich nicht nur gegen innerparteiliche Rivalen durchgesetzt. Mit der Formel „Unsere Religion heißt Christus – unsere Politik heißt Deutschland“ hatte er sich auch als christlicher Nationalsozialist profilieren und bei vielen Evangelischen in Bayern Vertrauen wecken können. [39] Aufmerksam registrierten viele Kirchenleute, dass er bei seiner Amtsübernahme am 18. März die „Ausmerzung aller marxistischen lebensverneinenden Ziele und Bestrebungen aus dem kulturellen Leben Bayerns“ versprochen hatte. Eindruck machte auch, dass er sich dabei zu den „göttlichen Aufgaben“ des Lebens und „zur Gemeinschaft mit Gott bekannt“ hatte. [40]


Veits letzter öffentlicher Auftritt in Bayern als Kirchenpräsident am 4. April

Veit verweigerte sich sowohl einem direkten Schulterschluss mit Kultusminister Schemm in Bayern als auch der kirchenpolitischen Tagesordnung im Reich. Dort standen ein engerer Zusammenschluss der deutschen Landeskirchen und die Gründung des neuen Amts eines Reichsbischofs an. Um zu dokumentieren, dass man die Zeichen der Zeit verstanden und zugleich das Heft des Handelns in der Hand behalten wollte, orientierte sich ein Hauptteil des deutschen Protestantismus bewusst an den politischen Zentralisierungsbestrebungen. Veit kritisierte solche Reformüberlegungen vehement. Er sprach sich dagegen aus, den Gesetzen politischer Logik zu folgen und die nach 1918 gewonnenen Freiheiten der einzelnen Landeskirchen ohne Not preiszugeben. Dies machte er unmissverständlich deutlich in einem Grundsatzreferat zur kirchlichen Lage, das er am 4. April bei einer Konferenz in München hielt, zu der er die bayerischen Dekane versammelt hatte. [41]

Der Kirchenpräsident empfand manche Maßnahmen der NS-Regierung im Bemühen um „Reinheit, Sauberkeit, Opferwilligkeit“ als durchaus lobenswert, kritisierte jedoch „die Formen und [...] Methoden“ bei „der Umgestaltung der polit. Verhältnisse“. Deshalb wollte er von seinem Standpunkt, „dass die Kirche in ihrem rechtlichen Bestand zunächst von der Umgestaltung der polit. Verhältnisse nicht berührt wird,“ nicht den Rückschluss auf eine kirchliche Gleichgültigkeit gegenüber den politischen Veränderungsprozessen zulassen. „Wir haben einen starken Eindruck davon bekommen, dass eine innerliche tiefe Bewegung durch das Volk hindurchgeht. Man mag über die Formen und über die Methoden, die man für angezeigt findet, seine verschiedene Meinung haben, man mag sich darüber seine Gedanken machen, was man mit dem Namen einer nationalen Erhebung bezeichnet. Aber man darf nicht bestreiten, dass in weiten Kreisen unseres Volkes wieder eine Erinnerung lebendig geworden ist, dass Ziele aufgetaucht sind, die vergessen gewesen sind. Wer hätte sich nicht darüber gefreut, dass unsere alte deutsche Fahne wieder zu Ehren gekommen ist.“ In der Aussprache bekräftigte Veit, dass er „die nationale Erweckung unseres Volkes“ begrüße. Er wünsche aber, „dass der Aufbruch in den Formen, die er angenommen hat, bezw. anzunehmen in Gefahr steht, nicht mehr nationale Erhebung genannt werden kann“, und wollte „nicht von einer Revolution sprechen“.

Veit war nicht naiv. Er kalkulierte am 4. April künftige Auseinandersetzungen durchaus mit ein, sah aber keine Notwendigkeit, auf die veränderten politischen Verhältnisse schon jetzt kirchlich zu reagieren. Die Deutschen Christen hatten sich zwar bei ihrer 1. Reichstagung in Berlin am 3. und 4. April öffentlichkeitswirksam als geeinte neue Kraft im deutschen Protestantismus inszeniert. [42]  Die bayerischen Deutschen Christen waren jedoch Anfang April in Bayern organisatorisch erst im Aufbau und in der Landeskirche noch keine etablierte kirchenpolitische Macht mit einer klaren ideologischen Kontur. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie der Pfarrerverein bereits längst hofiert hatte und sie durch die Übergabe der politischen Macht an die Nationalsozialisten Rückenwind erhalten hatten. [43]

Veit betrachtete die Deutschen Christen im Unterschied zu Langenfaß noch nicht als Gefahr. Der Kirchenpräsident war anders als der Münchner Dekan davon überzeugt, die Einheit der Kirche sichern zu können, ohne „unsere kirchliche Organisation einer Revision zu unterziehen“. Ebenso wenig teilte er Langenfaß’ Sorge vor einem bevorstehenden Eingreifen des Staates in die kirchliche Ordnung. Veit sah die bayerische Landeskirche ausreichend abgesichert durch Verfassung, Staats-Kirchenvertrag und Zusagen etwa von Hitler oder Schemm, wonach die bestehenden rechtlichen Verhältnisse der „Kirchen in den Ländern [...] unangetastet bleiben sollen“.

Langenfaß hatte bereits 1929 auf eine Ablösung Veits spekuliert und war Anfang April 1933 endgültig davon überzeugt, dass diese nun unbedingt und baldmöglichst erfolgen müsse. [44] In der Aussprache nach Veits Referat bezweifelte Langenfaß, dass die Einheit und Geschlossenheit der bayerischen Landeskirche noch zu retten waren und befürchtete, der neue NS-Staat könne mit Neuwahlen zu den kirchlichen Organen vom Kirchenvorstand massiv in das gewachsene Gefüge der Kirche eingreifen. Vor dem Hintergrund seiner verdeckten Bemühungen, Veit aus dem Amt zu drängen, erwecken die Einlassungen des Münchner Dekans allerdings den Eindruck eines kalkulierten Versuchs, in möglichst grellen Strichen ein Szenario zu entwerfen, in dem die aktive Umgestaltung der Kirche als zunehmend dringend notwendig erschien. Der Kirchenpräsident Veit passte offenkundig in dieses Szenario nicht hinein.

Veit sah keinen Grund, die strikte Unterscheidung von staatlichem und kirchlichem Bereich aufzugeben, und wiederholte vor den Dekanen unmissverständlich sein Credo, dass „[d]ie Kirche [...] sich aus sich heraus nach ihrem Wesen und nach ihren Zielen das Gesetz des Handelns selbst geben“ müsse. Bemerkenswerterweise illustrierte er das ausgerechnet mit dem besonders brisanten Beispiel der antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes: „Wir werden es in unserer Kirche nicht stillschweigend hinnehmen können, wenn Glieder unserer Kirche, die früher Juden waren und Jahrzehnte treue Mitglieder unserer Kirche waren, vor der Öffentlichkeit wegen ihrer Rasseabstammung gebrandmarkt werden. Die Kirche wird sich fragen müssen, ob im solchen Vorgehen nicht eine Herabwürdigung ihres Sakraments der Taufe liegt und ob sie zu diesem Vorgehen stillschweigend zusehen kann und darf. Ich nehme an, dass wir hier in den aufregenden Zeiten des Übergangs noch mancherlei zu befürchten haben, aber ich mache darauf aufmerksam, worauf wir achten müssen.“ [45] Als überzeugter Anhänger der Monarchie hatte Veit die demokratische Staatsordnung wie die meisten anderen evangelischen Kirchenführer weder begrüßt noch öffentlich verteidigt. Kaum ein deutscher Protestant in leitender kirchlicher Stellung erwog jedoch im April 1933 eine öffentliche Kritik am nationalsozialistischen Staat, weil der die Gruppe der Christen mit jüdischen Vorfahren von vornherein aus seinem Volkgemeinschaftsideal ausschloss.

Die Aussprache auf der Dekanekonferenz am 4. April verdeutlichte, dass Veit und Meiser beim Anspruch auf kirchliche Unabhängigkeit unterschiedliche Akzente setzten: Veit hielt es allein für Sache der Kirchenleitung, wie sie auf staatliche Anordnungen zur Beflaggung reagiere und empfahl äußerste Zurückhaltung bei der Beflaggung. Meiser hielt nach einer Besprechung mit Schemm die Möglichkeit eines staatlichen Zugriffs „an den Lebensnerv der evangelischen Jugend“ für durchaus gegeben, plädierte aber zunächst für kirchliche „Mäßigung und Zurückhaltung“ gegenüber der Regierung und setzte auf Kooperationsbereitschaft. Seiner Ansicht nach war es „[z]um Besten unseres deutschen Volkes [...], wenn die reichen Kräfte der evangel. Jugendbewegung aufrecht erhalten bleiben“. „Die evangelische Jugend“ hielt der Oberkirchenrat für „nationalverlässig“.

Veit wies auch die Kritik an der abwartend-distanzierten Haltung der Kirchenleitung gegenüber den neuen Machthabern zurück. Nicht politische Zurückhaltung betrachtete er als Gefahr für die Kirche, sondern den Umstand, dass einzelne bayerische Pfarrer versuchten, eigenmächtig Kontakt „mit den neuen Herren“ aufzunehmen. „Wir sind nicht ganz so untätige und ungeschickte Leute, für die man uns manchmal halten mag.“ So hatte Veit es im Unterschied zu Meiser für verfrüht gehalten, dass sich Friedrich Klingler (1882–1951), Vorsitzender des bayerischen Pfarrervereins und Pfarrer in Nürnberg, am 4. April in München mit Schemm traf, um ihn der Loyalität der bayerischen Pfarrer zu versichern und Schemms Amtsführung zu loben. Schemm habe sich für Kirchenwahlen und die Ablösung Veits ausgesprochen, berichtete Klingler wenig später. [46]


Veits Verdrängung aus dem Amt am 11. April

Bis Anfang April hatte sich eine breite Front gegen Veit gebildet: Am 21. / 22. März hatte sich das erste kirchenleitende Organ mit dem Landessynodalausschuss bereits für die Neuwahl des Kirchenpräsidenten ausgesprochen. [47] Allerdings wollte es für ein möglichst geschlossenes Vorgehen noch das Votum der Pfarrerschaft abwarten. [48]  Am 6. April schilderte Dekan Langenfaß dem erweiterten Vorstand des Pfarrervereins bei der Erörterung der Lage, der Landessynodalausschuss habe die Überzeugung, „[w]ir brauchen“ für eine flexible und einheitliche Leitung der Landeskirche „ein Ermächtigungsgesetz, und wir brauchen einen Landesbischof“. Die kontroverse Diskussion offenbarte, dass die Pfarrerschaft in erheblichem Maß kritisch gegen Veit eingestellt war. Eine gemeinsame Rücktrittsforderung gab es jedoch nicht. [49] Vertreter kirchlicher Organe und der Ministerialbürokratie, mit denen Meiser sich in den anschließenden Tagen besprach, hielten die Ablösung Veits und die „Umgestaltung der Verhältnisse“ für unumgänglich. [50]

Während die Stimmung in der Pfarrerschaft noch uneinheitlich war, hatte sich die Kirchenleitung – namentlich Landessynodalausschuss und Landeskirchenrat – in der Ablehnung gegen Veit formiert. Nachdem der Kirchenpräsident aus Berlin von einer Sitzung zurückgekehrt war, konfrontierte ihn das Kollegium im Landeskirchenrat am 10. April mit der Bitte, „ich möge meinen für den Herbst beabsichtigten Abschied aus dem Amt schon jetzt zur Tat machen“, notierte er in seinen Memoiren. [51] Nach seinen Erinnerungen waren „weite und maßgebende kirchliche Kreise von der allgemeinen Strömung ergriffen“, die unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Bewegung „in der Überspannung des staatlichen Gedankens alle Verhältnisse des öffentlichen und privaten, des sozialen und wirtschaftlichen Lebens in ihren Machtbereich zog und, wie sich bald zeigte, auch vor der Kirche nicht halt machte“. Vor diesem Hintergrund habe ihm der Landeskirchenrat seinen Rücktritt nahe gelegt. „Ich war aufs tiefste betroffen, lehnte eine Antwort zunächst ab […]. Nach einer Nacht, in der ich nicht viel geschlafen, aber ernstlich den Rat dessen gesucht habe, der mich bisher freundlich geleitet, versammelte ich am Morgen die Kollegialmitglieder und Beamten in meinem Sprechzimmer und erklärte in einer kurzen Ansprache, daß ich entschlossen sei, mein Amt niederzulegen, das Gesuch um Versetzung in den Ruhestand der Generalsynode einreichen werde und mit sofortiger Wirkung bis zu seiner Verbescheidung einen Urlaub antrete.“


Der Kurswechsel der kommissarischen Kirchenleitung gegenüber der nationalsozialistischen Regierung

Meiser begann noch am 11. April, das weitere Vorgehen zu koordinieren; das hieß einerseits, die Vertretung des Kirchenpräsidenten zu regeln und andererseits, ein Signal nach außen abzugeben. [52] Landeskirchenrat und Landessynodalausschuss beriefen am 12. April mit dem Vizepräsidenten des Landeskirchenrats Karl Böhner (1872–1955) und Hans Meiser einen juristischen und einen theologischen Oberkirchenrat mit der Vertretung der Amtsgeschäfte. [53] Die neue Leitung verlor keine Zeit, zu dokumentieren, dass ein diametraler Kurswechsel für sie die oberste Priorität hatte, und unverzüglich und aus freien Stücken vollzog sie eine radikale Neubestimmung des Verhältnisses zum nationalsozialistischen Staat.

In anderen Landeskirchen hatte die Begeisterung über die vermeintliche Einigung der nationalen Rechten im neuen nationalsozialistischen Regime längst zu euphorischen Reaktionen führender Vertreter geführt. Hitlers Inszenierung am „Tag von Potsdam“ befeuerte endgültig nationalprotestantische Hoffnungen auf ein christliches Deutschland und erhielt mit Glockenläuten sämtlicher Potsdamer Kirchen, gottesdienstähnlichem Staatsakt in der Garnisonskirche und der Predigt des Berliner Generalsuperintendenten Otto Dibelius zur Eröffnung des neuen Reichstags kirchliche Weihen. [54]

Die Art des Kurswechsels der kommissarischen bayerischen Kirchenleitung legt den Verdacht nahe, sie habe in dieser Hinsicht einen dringenden Nachholbedarf an Loyalitätsbekundungen gesehen. Unfreiwillig dokumentierte sie damit auch die wahren Hintergründe für Veits Verdrängung aus dem Amt: Nach Meisers Ansicht musste nämlich „von Seite der Kirche nunmehr alles geschehen [...], damit man sagen könne, dass sich die Kirche auf die neuen Verhältnisse umgestellt habe“. Sonst sei „zu befürchten, dass unter Umständen der Staat gegen die Kirche mobil gemacht werde“. Langenfaß drängte auf eine sofortige „Kundgebung an die Pfarrer [...], die eine positive Stellungnahme zum neuen Staat enthalte“. [55] Noch am selben Tag versandte der Landeskirchenrat an sämtliche Geistliche die Anweisung, den bevorstehenden Geburtstag Hitlers am 20. April  zum dankbaren „Gedenken an die große Tat, die Adolf Hitler mit der Sammlung aller nationalen Kräfte vollbracht hat und im Blick auf die ungeheure Verantwortung, die in dieser Zeit auf dem Kanzler des deutschen Reiches liegt,“ zu nutzen und mit der Beflaggung kirchlicher Gebäude „die kirchliche Anteilnahme an diesem Tag zum Ausdruck“ zu bringen. [56]

Am 13. April versandte der Landeskirchenrat eine Kanzelkundgebung für den Hauptgottesdienst an Ostern. Am theologisch bedeutendsten Feiertag der Christenheit, der volle Kirchen und hohe Öffentlichkeitswirkung versprach, verband die neue Kirchenleitung die Information über Veits Rücktritt symbolkräftig mit einer lobenden Würdigung des NS-Regimes. [57] Demnach hatte Veit „aus Rücksicht auf seine Gesundheit und um die Leitung der Kirche jüngeren Händen anzuvertrauen, sein hohes Führeramt“ niedergelegt. Zugleich präsentierte sich die Kanzelkundgebung als das lang erwartete „klärende[...] Wort zu dem brausenden Geschehen um uns her“. Dem Staat attestierte sie, wieder „nach Gottes Gebot zu regieren“, und versicherte ihn darin „nicht nur des Beifalls, sondern auch der freudigen und tätigen Mitarbeit der Kirche“. Ergriffen holte die neue Kirchenleitung nach, was unter dem bisherigen Kirchenpräsidenten unterblieben war: „Mit Dank und Freude nimmt die Kirche wahr, wie der neue Staat der Gotteslästerung wehrt, der Unsittlichkeit zu Leibe geht, Zucht und Ordnung mit starker Hand aufrichtet, wie er zur Gottesfurcht ruft, die Ehe heilig gehalten und die Jugend geistlich erzogen wissen will, wie er der Väter Tat wieder zu Ehren bringt und heiße Liebe zu Volk und Vaterland nicht mehr verfemt, sondern in tausend Herzen entzündet.“ Eine vergleichbare Kundgebung hatte es zu den Regierungen zwischen 1918 und 1933 nicht gegeben. Der Anspruch der Kirchenleitung, unpolitische Äquidistanz zu den politischen Parteien in der Weimarer Republik zu halten, war einer unverhohlenen Parteinahme zugunsten der NSDAP gewichen, die sich als überparteiliche Bewegung der Volksgemeinschaft stilisierte und die übrigen Parteien als vermeintlich überkommenes Relikt der gesellschaftlichen Pluralisierung und „völkischen“ Zersplitterung diffamierte.

Die Geistlichen erhielten daneben noch eine etwas ausführlichere Stellungnahme der Kirchenleitung zum Rücktritt des Kirchenpräsidenten mit ähnlichem Tenor. Pathetisch beklagte diese, dass „[i]n schwerer Zeit der Landeskirchenrat seines Führers entbehren“ müsse und die Art und Weise seines Rücktritts „uns nur auf’s neue mit tiefster Verehrung für ihn erfüllen“ könne. Auch sie drückt die Freude angesichts „der mächtigen Bewegung“ und ihrer Dynamik und die Hoffnung auf eine durch die NS-Bewegung geförderte Renaissance der Kirchlichkeit aus. „Wir fühlen, daß es Unrecht wäre, die mannigfaltigen guten Kräfte, die durch die Bewegung entbunden wurden, nicht auch im Leben der Kirche wirksam werden zu lassen; es bedürfte nicht des sinnfälligen Beweises der zahlreichen Wiedereintritte in unserer Kirche, um uns davon zu überzeugen, daß die nationale Bewegung wertvollen Dienst auch an der Kirche zu leisten geeignet ist.“ Kurz und allgemein warnte das Rundschreiben an die Pfarrer vor der Gefahr, die „guten Kräfte der Bewegung“ könnten „von der richtigen Bahn der Betätigung abgelenkt“ werden und „der Kirche zum Schaden gereichen“. [58] Bereits Ernst Henn kamen angesichts der vorangehenden Ereignisse erhebliche Zweifel an der Aufrichtigkeit dieser Klage. [59]

Noch vor dem Kirchlichen Amtsblatt veröffentlichte das Evangelische Gemeindeblatt für München Veits Rücktrittserklärung am 23. April. [60] Ähnlich unehrlich wie die Erklärungen der Kirchenleitung wirkt auch der Kommentar von Dekan Langenfaß, der sich besonders früh für eine Ablösung Veits ausgesprochen und unmittelbar nach Veits Ablösung eine Loyalitätserklärung gegenüber dem NS-Regime gefordert hatte. So mutet es nahezu dreist an, wie Langenfaß, stellvertretend für die evangelischen Münchnerinnen und Münchner, von „aufrichtigem Schmerz und herzlicher Teilnahme“ schrieb, mit der Veits Schritt wie überall auch in der Münchner Gemeinde aufgenommen worden sei. Heuchlerisch klingen die vermeintlichen Respektsbekundungen des Münchner Dekans, Veits Gründe seien zu „achten“ und zu „ehren“, und man müsse ihm „von Herzen dafür dankbar sein, daß er in selbstloser Treue und Hingabe an seine Kirche bis ins hohe Alter hinein die Last seines sorgenvollen und verantwortungsschweren Amtes getragen hat“. Unaufrichtig wirken die Verweise auf Veits Führungsstärke und seine Verdienste um die Überführung der Landeskirche in geordnete Verhältnisse nach dem „Umsturz des Jahres 1918“, da der Münchner Dekan doch seit langem Zweifel an Veits Durchsetzungskraft gesät hatte. In dieser Strategie drückte sich jedenfalls nur wenig Wertschätzung für den Mann aus, dessen langjährige Münchner Amtstätigkeit Langenfaß nun als eine „besondere[...] Ehre [...] und [...] große Freude“  für die Münchner Gemeinde bezeichnete. „Wir bitten Gott, daß Er die Gesundheit des Herrn Kirchenpräsidenten wieder festigen wolle und ihn noch recht lange als ein hochverehrtes und geliebtes Gemeindeglied in unserer Mitte weilen lasse.“ [61]

Der Kanzelkundgebung und dem Rundschreiben an die Pfarrer vom 13. April folgte wenig später ein weiterer Beschluss, der zeigte, wie sich die Entscheidungsträger aktiv auf die neuen Verhältnisse umgestellt hatten: Für die nationalsozialistischen Pfarrer war es gleichsam der Ritterschlag, dass ihre Delegierten von den Vertretern des Landeskirchenrats und des Pfarrervereins zu offiziellen Beratungen über die künftigen Schritte herangezogen wurden. Deren Einbeziehung und Aufwertung hatte Veit bisher stets abgelehnt. Am 19. April beschlossen die Beteiligten einmütig, die Landessynode solle „unverzüglich einen neuen Kirchenpräsidenten als Landesbischof wählen“, der „durch ein Ermächtigungsgesetz mit besonderen Vollmachten ausgestattet werden“ sollte, „da die gegenwärtige Lage eine bewegliche, einheitliche Führung erfordere“. [62]

Hitlers Ernennung des Königsberger Wehrkreispfarrers Ludwig Müller (1883–1945) zum „Bevollmächtigten für die Angelegenheiten der evangelischen Kirchen“ am 25. April hatte klar gemacht, dass Hitler eine gleichgeschaltete Reichskirche wünschte. [63]  Bei Meiser verstärkte sich in den Besprechungen im Kirchenbundesamt und Kirchenbundesrat in Berlin daher der Eindruck eines großen zeitlichen Drucks. So drängte er noch von Berlin aus telefonisch auf eine Verkürzung der Vakanz und die Vorverlegung der Synode auf den 3. bis 5. Mai. [64]


Die Wahl Hans Meisers zum Kirchenpräsidenten und seine Ermächtigung als Landesbischof bei der Landessynode in Bayreuth am 4. Mai

Am 4. Mai wählte die Landessynode in Bayreuth Hans Meiser und berief ihn zum Landesbischof. [65] Der Präsident der Landessynode, der Fürther Oberregierungsrat Robert Bracker (1877–1970), enthielt den Synodalen allerdings einen Brief Wilhelm Freiherr von Pechmanns (1859–1948) vor. Der ehemalige Präsident der Landessynode, langjähriger Kirchenvorsteher von München und einer der bedeutendsten Nichttheologen in der evangelischen Kirche im Reich überhaupt, warnte darin die Synode eindringlich vor einer Änderung ihrer bestehenden Ordnung. Wie Veit sah auch Pechmann 1933 anders als 1918 keine inneren Gründe dafür, Eingriffe vorzunehmen, sondern lediglich äußeren Druck, auch durch politisierte Pfarrer. „Nun, meine hochwürdigen und hochverehrten Herren: vor solcher Nötigung kann und darf die Kirche nicht einen Schritt zurückweichen, wenn anders sie Kirche bleiben, wenn sie nicht der tödlichen Gefahr unterliegen will, daß sie ihrer Sendung untreu und zum Dienste daran untauglich werde.“ [66] Langenfaß rechtfertigte die Zurückhaltung des Briefs gegenüber Pechmann damit, man habe ihn deshalb nicht weitergegeben, um seinen herausragenden Ruf im deutschen Protestantismus nicht zu beschädigen. [67]

Stattdessen sah der 1. stellvertretende Vorsitzende Friedrich Klingler in seiner Eröffnungsrede am 3. Mai eine sich seit dem Herbst 1932 in „Äußerungen verantwortlicher Staatsmänner“ anbahnende „Abkehr von der in unserem Staate mehr und mehr zum Durchbruch gelangten materialistischen Weltanschauung“ und eine Hinwendung zum „christlichen Staatsideal“. Pathetisch beschwor er die welthistorische Dimension des „Tags von Potsdam“ am 21. März als endgültigen „Aufbruch des deutschen Volkes unter der Losung der Heimkehr zur göttlichen Weltordnung“ und als Datum, an dem „eine dem Allmächtigen sich verpflichtet fühlende Staatsregierung die Einigung des bisher zerrissenen deutschen Volkes vollzog“. [68] Klingler dankte der Kirchenleitung ausdrücklich für ihren „Ostererlaß“, der ausgedrückt habe, was „weiteste Kreise“ bewege und deshalb „ein tausend- und abertausendfaches, freudiges Echo gefunden“ habe. [69]

Am Folgetag stimmten Bracker und Klingler Oden auf Führungsstärke, Weitblick, Scharfsinn und Tatkraft des zurückgetretenen Kirchenpräsidenten an. [70] Vor dem Hintergrund der zuvor hymnisch begrüßten Kurswechsel in Staat und Kirche und den unterschlagenen Warnungen Pechmanns mutet der öffentliche Auftritt beider in den Prozess involvierten Vertreter des Synodenpräsidiums ähnlich dubios an wie die unmittelbar nach Veits Rücktritt veröffentlichten Verlautbarungen der kommissarischen Kirchenleitung.

Es war Friedrich Langenfaß, der als Vertreter des Rechtsausschusses bei den Synodalen mit einer Inaugurationsrede derart eindrücklich für das Amt des Landesbischofs warb, dass die Synode im Gefühl „der Größe dieser Stunde und des Ernstes des Augenblicks sowie [um] des Gesamteindrucks willen“ die Gesetzesvorlage ohne Debatte annahm. [71] Langenfaß zeigte sich zutiefst ergriffen von dem „Umbruch und Aufbruch dieses unseres Volkes in unerhörten, gewaltigen Ausmaßen“. Damit sah er den Rahmen für die Entscheidungen der Kirche gesetzt: „Die Führer des neuen Reiches, die Führer unserer bayerischen Heimat fordern von der Kirche den Einsatz ihrer ganzen Kraft und des besonderen, ihr von Gott anvertrauten Gutes.“ Das Volk erwarte von der Kirche, dass sie „klar und schlicht, aber auch unerschütterlich und in Vollmacht Gottes Willen“ verkündige, „damit es eine unverrückbare Richtschnur habe, Gottes Gnade und Barmherzigkeit“ zeige, „damit es auf fester Grundlage stehe, von Gottes Hilfe und Beistand Zeugnis“ ablege, „damit es sein ernstes, großes und schweres Werk getrost und freudig anfange und fortführe“. Der Landesbischof sei mit der hohen Erwartung konfrontiert, „[d]aß er entschlossen, kraftvoll und zielsicher an sein Werk gehe und ein freudiger und mutiger Führer unseres Volkes sei“. [72]

Der Synodale Hans Liermann (1893–1976), Kirchenrechtsprofessor aus Erlangen, rechtfertigte das Ermächtigungsgesetz mit den Außenbeziehungen des Landesbischofs: „Es gilt bei den Verhandlungen mit Reich und Staat und mit anderen Landeskirchen, welche auf die irgendwie geartete Bildung einer Reichskirche hinauslaufen, aktionsfähig zu sein. Diese außerordentlichen Aufgaben lassen sich nur in außergewöhnlichen Formen erledigen.“ [73] Die Person Meisers gewährleistete für Liermann, dass er von seinen Vollmachten „sicherlich keinen unnötigen Gebrauch machen“ werde. [74] Folgerichtig verabschiedete die Landessynode am 4. Mai einstimmig das „Gesetz über die Ermächtigung des Landesbischofs zum Erlaß von Kirchengesetzen“ und übertrug als erste deutsche Landeskirche ihrem Bischof in dieser Art weitreichende legislative Kompetenzen. [75] Die Landessynode hielt es angesichts der aktuellen politischen Dynamik und der „starke[n] Verknüpfung der kirchlichen Belange mit dieser Entwicklung“ für das geeignete Instrument, „der Leitung der Evang.-Luth. Landeskirche eine weitgehende Freiheit und Beweglichkeit des Handelns einzuräumen“. [76]

Der oberste Kirchenjurist der Landeskirche, Oberkirchenrat Hans Meinzolt (1887–1967), hatte sich für sein „Gesetz über die Ermächtigung des Landesbischofs zum Erlaß von Kirchengesetzen“ erstaunlich unbekümmert an den Formulierungen des ‚Ermächtigungsgesetzes‘ „zur Behebung der Not von Volk und Reich“ vom 23. März orientiert. [77] Umstritten ist, inwieweit auch das bayerische Ermächtigungsgesetz vom 28. April Pate stand, da es erst Ende Mai veröffentlicht wurde. [78] Das „Gesetz über die Ermächtigung des Landesbischofs zum Erlaß von Kirchengesetzen“ eröffnete dem Landesbischof, „Kirchengesetze außer in dem in der Kirchenverfassung vorgesehenen Verfahren auch [...] nach Anhörung des Landessynodalausschusses“ zu erlassen. [79] „Die vom Landesbischof nach Art. 1 erlassenen Gesetze können von der Kirchenverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung der Landessynode, des Landessynodalausschusses, des Kirchenpräsidenten und des Landeskirchenrats als solche zum Gegenstand haben.“ [80] Die zunächst vorgesehene zeitliche Befristung des Gesetzes bis zum 30. Juni 1934 hob die Landessynode am 12. September 1933 auf. [81] Mit ihrer Entscheidung zugunsten eines bischöflichen „Ermächtigungsgesetzes“ hatte die bayerische Landessynode nicht nur nach außen ein deutliches Signal gesetzt, dass sie im Gleichschritt mit der nationalsozialistischen Staatsführung die kirchliche Selbstständigkeit wahren wollte. Sie lieferte auch eine innerkirchliche Blaupause für die Strategie einer Synchronisierung mit dem Staat bei gleichzeitiger Behauptung des Anspruchs auf ihr Selbstbestimmungsrecht gegenüber reichskirchlichen Vereinheitlichungsbestrebungen. Diese wirkte kurzfristig, als der württembergische Landeskirchentag dem bayerischen Modell folgte, ihrem Kirchenpräsidenten Theophil Wurm bereits am 15. Mai mit einem „Ermächtigungsgesetz“ weitreichende Kompetenzen und am 30. Juni den Titel eines Landesbischofs übertrug. [82] Mittelfristig blieben die Vertreter des „bischöflichen“ Flügels der Bekennenden Kirche diesem Muster bei ihrer Behauptungsstrategie im NS-Staat treu.

In seiner Berichterstattung über die Synode im Gemeindeblatt blieb Langenfaß seiner bisherigen öffentlichen Strategie treu, die sich mit seinen Aktivitäten hinter dem Rücken des Kirchenpräsidenten schwer in Einklang bringen lässt: Überschwänglich schilderte er die Lobeshymnen Brackers auf Veits Verdienste und das Bedauern über seinen Rücktritt mit einem Seitenblick auf München: „Aber wir verstehen es, daß er nunmehr, wo ganz neue und große Aufgaben zu erfüllen sind, seinen Hirtenstab in andere Hände gelegt hat. [...] So verwunderlich es uns also gewesen sein mag, daß wir durch den Herrn Kirchenpräsidenten selber an sein Lebensalter erinnert wurden, so erfreulich ist es für die Münchner Gemeinde, daß er nunmehr wieder ganz der Unsrige wird: von der Bürde seines hohen Amtes befreit, gehört er nun wieder ganz uns.“ [83]


Friedrich Veits Rückblicke auf seine Ablösung

Trotz der Kränkung blieb Veit selbst seiner Kirche loyal verbunden und empfand im Rückblick keine Bitterkeit, wie er in seinen Memoiren schrieb: „Jedes Jahr, wenn der 11. April wiederkehrt, ist er mir ein Tag stiller Trauer, aber auch williger Beugung unter Gottes treue Hand. So schied ich aus dem Amte.“ [84] Am 4. Oktober 1933 äußerte Veit sich gegenüber seinem Freund Pechmann kritisch über den selbst gewählten Weg der Landeskirche: „Wenn ich nun mit ansehe, wie einer von den alten Mitarbeitern um den andern ausgebootet wird, danke ich Gott, daß er mir zu einer Zeit, wo man mich noch beruhigen und mir sagen wollte: es wird gar nicht viel anders werden, die Kraft gegeben hat, die Wirklichkeit zu sehen und es abzulehnen, Stück für Stück wieder abzutragen, was man selbst mit hat bauen dürfen. Schon die letzte Sitzung Anfang April in Berlin zeigte mir, daß ich ziemlich allein dastehe, und in raschem Ablauf haben sich dann die Dinge vollzogen.“ [85]

Nach außen blieb Veit loyal, aber mehrere Briefe an Freunde aus den Jahren 1933 und 1934 zeigen, dass Veit die Entwicklung der Landeskirche aufmerksam wahrnahm und die Signale kritisierte, die sie mit ihren Verbeugungen vor dem Nationalsozialismus in Wort und Tat aussandte. Ende Juli 1934 schrieb Veit, die Verantwortlichen hätten die Errungenschaften nach der Revolution freiwillig preisgegeben und „unter der Losung ‚der neuen Regierung darf man keine Schwierigkeiten machen‘ sich erst im kleinen und bald in größeren Dingen der Entschlossenheit zum Widerstand am Anfang“ begeben. [86]

Der einzige evangelische Kirchenpräsident Bayerns durchschaute bereits zu Beginn der NS-Herrschaft, wie die Entscheidungen der Meinungsführer und kirchenleitenden Organe der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Bayern im Frühjahr 1933 den Handlungsspielraum der Kirche selbstständig verringerten: Sie hatten unter dem Eindruck der neuen nationalsozialistischen Herrschaft ihre Organisation tiefgreifend verändert und dabei ihre kirchenleitende Struktur auf ein Bischofsamt hin profiliert, das die bisherigen leitenden Organe in Anlehnung an den Staat mit nie dagewesenen Vollmachten ausstattete.

Der durch das „Ermächtigungsgesetz“ mit einem besonderen Amtscharisma ausgestattete Landesbischof konnte aber auch als Person weite Teile der Amtsträger und Gemeindeglieder von sich überzeugen. [87] Zugleich verlieh die kirchliche Adaption des nahezu wortgleichen staatlichen Ermächtigungsgesetzes der gesetzlichen Bevollmächtigung des Reichkanzlers noch nachträglich höhere Weihen und signalisierte ein hohes Maß an Übereinstimmung von politischer und evangelisch-kirchlicher Führung. [88] Dabei knüpften die Entscheidungsträger trotz der höchst problematischen historischen Realität des landesherrlichen Kirchenregiments an staatskirchliche Traditionen an, die Staat und Kirche in symbiotischer Beziehung zueinander sahen. [89] Nach den Erfahrungen als staatsfreie Kirche nach 1918 sahen sich die maßgeblichen Akteure in den leitenden Ämtern nicht mehr als Beamte einer staatlichen Behörde, sondern wollten die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern als selbstbewusste Gestaltungsmacht präsentieren, die aus eigener Entscheidung dem NS-Regime entgegenarbeiten und selbstbestimmt ihren Beitrag zur Formierung einer christlichen deutschen Volksgemeinschaft leisten konnte. [90] Mit dieser Strategie manifestierten sie zugleich die Euphorien zahlreicher deutscher Protestanten im Jahr 1933 und trugen so zur Festigung des nationalsozialistischen Regimes bei.


Anmerkungen

[1]Der Aufsatz bietet eine überarbeitete Version des Vortrags „... auf die neuen Verhältnisse umgestellt“, gehalten auf dem Studientag „Katholiken, Protestanten und die ‚Machtergreifung‘“ in der Evangelischen Akademie Tutzing in Kooperation mit dem Münchner Arbeitskreis Katholizismus-/Protestantismusforschung und der Evangelischen Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau am 3.3.2013. Für Hinweise und Anregungen zum Manuskript danke ich Prof. Dr. Wolfgang Sommer, Neuendettelsau.
[2] Vgl. Klaus Scholder, Die Kirchen und das Dritte Reich. Band 1: Vorgeschichte und Zeit der Illusionen 1918–1934, München 2000 [Taschenbuchausgabe], S. 244–272.
[3] Vgl. Franz Kühnel, Hans Schemm. Gauleiter und Kultusminister (1891–1935) (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 37), Nürnberg 1985, S. 187–189; Björn Mensing, Pfarrer und Nationalsozialismus. Geschichte einer Verstrickung am Beispiel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Bayreuth 21999, S. 102–124.
[4] Vgl. dazu Helmut Baier, Die Deutschen Christen Bayerns im Rahmen des bayerischen Kirchenkampfes (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 46), Nürnberg 1968, S. 39f. Zur Formierung solcher Kreise in Thüringen im Jahr 1931 vgl. Oliver Arnhold: „Entjudung“ – Kirche im Abgrund. Die Thüringer Kirchenbewegung Deutsche Christen 1928–1939 (Studien zu Kirche und Israel 25/1), Berlin 2010, S. 60–67.
[5] Vgl. dazu Mensing, Pfarrer, S. 129–131; Berndt Hamm, Einstellungen bayerischer Lutheraner zum Nationalsozialismus, in: Ders., Harry Oelke, Gury Schneider-Ludorff, (Hg.): Spielräume des Handelns und der Erinnerung. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern und der Nationalsozialismus (Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte B 50), Göttingen 2010, S. 71–98, hier: S. 72f.
[6] Vgl. dazu Kühnel, Schemm, S. 194–244; Mensing, Pfarrer, S. 129–137.
[7] Vgl. dazu Mensing, Pfarrer, S. 125 mit Anm. 305 und ders., „Hitler hat eine göttliche Sendung“. Münchens Protestantismus und der Nationalsozialismus, in: Mensing, Björn, Prinz, Friedrich (Hg.): Irrlicht im leuchtenden München? Der Nationalsozialismus in der „Hauptstadt der Bewegung“, Regensburg 1991, S. 92–123, hier: S. 104, vgl. daneben, S. 92f. Veit blickte 1932 in seinem Neujahrsartikel darauf zurück. Vgl. „Zum neuen Jahre“, in: Neue Kirchliche Zeitung [NKZ] 43 (1932), S. 1–15, hier: S. 5f.
[8] Friedrich Langenfaß an Theodor Heckel vom 5.3. und 11.3.1931. Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern [LAELKB], Nachlass Langenfaß, Friedrich 101/41-7; Protokoll der 103. Landtagssitzung vom 4.3.1931, S. 199. URL: http://geschichte.digitale-sammlungen.de/landtag1919/seite/bsb00008699_00223 (Aufruf vom 24.1.2014).
[9] Kühnel, Schemm, S. 206.
[10] Vgl. dazu Wolfgang Sommer, Das Wirken von Kirchenpräsident Friedrich Veit im Spiegel seiner Beiträge in der Neuen Kirchlichen Zeitschrift, in: Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte [ZBKG] 80 (2011), S. 158–182, hier: S. 168f. u.ö. Vgl. daneben LAELKB, Landerskirchenrat [LKR] XV, 1665a, Bd. 1.
[11] Zum neuen Jahre, in: NKZ 43 (1932), S. 1–15, hier bes. S. 5. Vgl. dazu Sommer, Wirken, S. 177.
[12] 3. Sitzung des Landessynodalausschusses am 11.12.1931. LAELKB, LKR 3075.
[13] Druck bei Friedrich-Wilhelm Kantzenbach, Der Einzelne und das Ganze. Teil I. Pfarrerschaft und Kirchenleitung in Bayern in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (1930–1934), in: ZBKG 47 (1978), S. 106–228, hier: S. 131f.
[14] Undatiertes Typoskript „Völkische Religion“. LAELKB, Nachlass Veit, Friedrich 101/12-2; ähnlich NKZ 43 (1932), S. 1–15 u.ö. Vgl. dazu Wolfgang Sommer, Friedrich Veit. Ein konservativer Kirchenpräsident in der Weimarer Republik und seine Abwehr des Nationalsozialismus, in: ZBKG 76 (2007), S. 233–269 [= Sommer, Veit 2007].
[15] Zum neuen Jahre, in: NKZ 43 (1932), S. 11.
[16] Memoiren „Aus meinem Leben“, Druck bei Wolfgang Sommer, Friedrich Veit. Kirchenleitung zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus (Arbeiten zur Kirchengeschichte Bayerns 90), Neustadt/Aisch 2011 [= Sommer, Veit 2011], S. 123.
[17] Vgl. dazu Sommer, Wirken, bes. S. 164–166. Zur einseitig rechtsradikalen Politisierung der bayerischen Pfarrerschaft vgl. Mensing, Pfarrer, S. 72–146.
[18] Vgl. dazu auch Mensing, Pfarrer, S. 133f.
[19] Gotthard Jasper, Paul Althaus (1888–1966): Professor, Prediger und Patriot in seiner Zeit, Göttingen 2013, S. 147, Anm. 26. Diesen Hinweis verdanke ich Prof. Wolfgang Sommer, Neuendettelsau.
[20] Langenfaß an Georg Merz vom 8.3.1932. LAELKB, Nachlass Langenfaß 101/41-9.
[21] Langenfaß an Heckel vom 5.3. und 11.3.1931. LAELKB, Nachlass Langenfaß 101/41-7.
[22] Langenfaß an Merz vom 8.3.1932: LAELKB, Nachlass Langenfaß 101/41-9.
[23] Langenfaß an Dr. Simbeck vom Bayerischen Bauern- und Mittelstandsverband vom 23.1.1931. LAELKB, Nachlass Langenfaß 101/41-8. Vgl. daneben Eduard Putz, „Der Nationalsozialismus als Frage für die Christen“, in: Freimund's kirchlich-politisches Wochenblatt für Stadt und Land 77 (1931), S. 40–44, im Frühjahr 1933 leicht aktualisiert veröffentlicht unter dem Titel „Der Nationalsozialismus – eine Frage an Kirchenvolk und Theologie“, in: Korrespondenzblatt für die Evangelisch-Lutherischen Geistlichen in Bayern r. d. Rh. [KorrBl] 38 (1933), S. 180–183 u. 195–200. Vgl. dazu Mensing, Pfarrer, S. 129.
[24] Vgl. Mensing, Pfarrer, S. 49, 97, 129–132.
[25] Langenfaß an Heckel vom 5.3. und 11.3.1931. LAELKB, Nachlass Langenfaß 101/41-7. Vgl. Mensing, Pfarrer, S. 133–135. Zu Langenfaß’ politischer Einstellung vgl. Mensing, Hitler, S. 103f.
[26] Mensing, Hitler, S. 105; Mensing, Pfarrer, S. 118.
[27] Druck bei Kantzenbach, Einzelne, S. 131f.
[28] Vgl. Sommer, Veit 2011, S. 95.
[29] Ernst Henn, Führungswechsel, Ermächtigungsgesetz und das Ringen um eine neue Synode im bayerischen Kirchenkampf, in: ZBKG 43 (1974), S. 325–443.
[30] Sommer, Veit 2007.
[31] Kantzenbach, Einzelne.
[32] Arne Manzeschke, Persönlichkeit und Führung. Zur Entwicklung des evangelischen Bischofsamtes in Bayern zwischen Novemberrevolution und Machtergreifung, Nürnberg, 2000, hier bes.: S. 227 mit S. 424, Anm. 39, S. 259f., 298–302. Zu Meisers Rolle als Kronprinz vgl. auch Nora Andrea Schulze, „Ein ganz und gar landeskirchlich verwurzelter Pfarrer“. Hans Meiser in Kaiserreich und Weimarer Republik 1881–1933, in: Gerhart Herolt, Carsten Nicolaisen (Hg.), Hans Meiser (1881–1956). Ein lutherischer Bischof im Wandel der politischen Systeme, München 2006, S. 11–31, hier: S. 21.
[33] Undatiertes Konzept. LAELKB, LKR XV, 1665a, Band 3. Im März 1919 kritisierte Meiser das Läuten 1918/19. Manuskript „Die gegenwärtige kirchl. Lage der prot. Landeskirche i. Bayern r. d. Rhs.“ vom 13. (23.?) 3. 1919. LAELKB, Nachlass Meiser, Hans 101/36-22.
[34] Vgl. z.B. KorrBl 43 (1919), S. 69; Kirchenbote für die evangelische Gemeinde München v. 11.5.1919; Synodalbericht des Dekans Kirchenrat Friedrich Ringler vom Dekanat München II vom 21.5.1919. LAELKB, Oberkonsistorium München [OKM] 2984.
[35] Synodalbericht von Kirchenrat Friedrich Ringler, Dekan des Kirchenbezirks München II vom 21.5.1919. LAELKB, OKM 2984.
[36] So läuteten die Kirchenglocken selbstverständlich, wenn ein Mitglied des bayerischen Königshauses oder der Hohenzollerschen Kaiserfamilie starb, aber auch 1939 bei Hitlers 50. Geburtstag. Vgl. z.B. Evangelisches Gemeindeblatt für München und Umgebung [EGM] 30 (1921), S. 131; Amtsblatt für die evangelisch-lutherische Landeskirche in Bayern rechts des Rheins [ABlB] 25 (1939), S. 67.
[37] Zu euphorischen wie mahnenden Stimmen vgl. Scholder, Kirchen, S. 317–337, der in den abwägenden Worten eines Theophil Wurm die ambivalente Haltung zwischen hellsichtiger Wahrnehmung der Gleichschaltungsgefahren und der Selbstfixierung, die bestimmte Probleme ausblendete, erkannte, vgl. ebd., S. 328f. Zum Anschwellen der euphorischen Stimmen nach der Reichstagswahl vom 5. März vgl. Mensing, Pfarrer, S. 147.
[38] ABlB 5 (1918), S. 325.
[39] Vgl. dazu Manfred Gailus, „Nationalsozialistische Christen“ und „christliche Nationalsozialisten“. Anmerkungen zur Vielfalt synkretistischer Gläubigkeiten im „Dritten Reich“, in: Ders., Hartmut Lehmann (Hg.), Nationalprotestantische Mentalitäten in Deutschland (1870–1970). Konturen, Entwicklungslinien und Umbrüche eines Weltbildes (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institut für Geschichte 214), Göttingen 2005,  223–261. Vgl. daneben Kühnel, Schemm, S. 188f., 207f., 229. Schemms Vereinnahmung Luthers und umgekehrt Meisers Werben um den Nationalsozialismus im Kontext des 450. Geburtstag des Reformators beleuchtete jüngst Björn Küllmer, Die Inszenierung der Protestantischen Volksgemeinschaft – Lutherbilder im Lutherjahr 1933, Berlin 2012, S. 84–87, 93–97.
[40] Helmut Baier, Ernst Henn, Chronologie des bayerischen Kirchenkampfes 1933–1945 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 47), Nürnberg 1969, S. 2.
[41] Dekanekonferenz vom 4.4.1933. LAELKB, LKR 3075. Die folgenden Zitate stammen, soweit nicht anders gekennzeichnet, aus dieser Quelle. Sie umfasst sowohl eine Niederschrift von Veits Referat als auch der anschließenden Aussprache.
[42] Vgl. dazu Scholder, Kirchen, S. 412–417. Für Bayern vgl. Helmut Baier, Die Deutschen Christen Bayerns im Rahmen des bayerischen Kirchenkampfes (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 46), Nürnberg 1968, S. 41–48.
[43] Vgl. dazu Baier, Christen, S. 41–48.
[44] Vgl. Jasper, Althaus, S. 147, Anm. 26; s. dazu weiter oben. Möglicherweise war Langenfaß bereits über das entsprechende Ergebnis der Unterredung des Vorsitzenden des Pfarrervereins mit Kultusminister Schemm unterrichtet, das ebenfalls am 4. April stattfand, s. dazu weiter unten.
[45] Ähnlich argumentierte auch Veits Freund Wilhelm Freiherr von Pechmann vgl. Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Widerstand und Solidarität der Christen in Deutschland 1933–1945. Eine Dokumentation zum Kirchenkampf aus den Papieren des D. Wilhelm Freiherrn von Pechmann, Neustadt (Aisch) 2000 (= Nachdruck, hg. von Dieter Haack), S. 36f. u.ö. Zu Pechmann insgesamt vgl. Wolfgang Sommer, Wilhelm Freiherr von Pechmann. Ein konservativer Lutheraner in der Weimarer Republik und im nationalsozialistischen Deutschland, Göttingen 2010. Bei Veit und Pechmann verbanden sich Kritik an den antisemitischen Maßnahmen des nationalsozialistischen Staates mit Kritik an Bestrebungen zu einem reichskirchlichen Zusammenschluss und Befürchtungen vor einem Verlust der Unabhängigkeit des lutherischen Bekenntnisses. Vgl. dazu Sommer, Veit 2007, S. 263.
[46] Protokollbuch Pfarrerverein 1924ff. LAELKB, Vereine I/20, 51, zitiert nach Helmut Baier, Der Pfarrerverein im „Dritten Reich“, in: Konrad Kressel, Klaus Weber (Hg.), 100 Jahre Pfarrerverein in Bayern. 1891–1991. Stationen und Aufgaben, Nürnberg 1991, S. 34–44, hier: S. 35. Vgl. dazu auch Sommer, Veit 2007, S. 264.
[47] Vgl. dazu Sommer, Veit 2007, S. 265; daneben Mensing, Pfarrer, S. 160.
[48] Protokollbuch Pfarrerverein 1924ff. LAELKB, Vereine I/20, 51, zitiert nach Helmut Baier, Landesbischof Meiser und sein Umfeld. Netzwerke kirchenleitenden Handelns, in: Hamm, Oelke, Schneider-Ludorff, Spielräume, S. 99–119, hier: S. 100.
[49] Protokollbuch Pfarrerverein 1924ff. LAELKB, Vereine I/20, 51, zitiert nach Baier, Pfarrerverein, S. 35; Sommer, Veit 2007, S. 264.
[50] Amtstagebuch Meiser, zitiert nach Sommer, Veit 2007, S. 266.
[51] Memoiren „Aus meinem Leben“, S. 257. LAELKB, Nachlass  Veit 101/12-17, zitiert nach Sommer, Veit 2011, S. 101. Hieraus auch die folgenden Zitate.
[52] Vgl. Henn, Führungswechsel, S. 341.
[53] Vgl. ebd, S. 342.
[54] Vgl. Scholder, Kirchen, S. 316f., 322–325, 331f., 336 u.ö.; daneben Frank Becker,  Protestantische Euphorien. 1870/71, 1914 und 1933, in: Gailus, Lehmann, Mentalitäten, S. 19–44, hier: S. 37–40.
[55] Vgl. Henn, Führungswechsel, S. 343.
[56] LKR an sämtliche Geistliche vom 12.4.1933. LAELKB, BayD München I, 6.
[57] Schreiben vom 13.4.1933. LAELKB, BayD München I, 6. Hieraus auch die folgenden Zitate.
[58] Schreiben vom 13.4.1933. LAELKB, BayD München I, 6.
[59] Henn fragte: „War es jedoch ganz ehrlich einzufügen: ‚In schwerer Zeit muß der Landeskirchenrat seines Führers entbehren?‘“; Führungswechsel, S. 344.
[60] EGM 42 (1933, v. 23.4.), S. 197. Vgl. ABlB 20 (1933, v. 27.4.), S. 47.
[61] EGM 42 (1933), S. 197.
[62] KorrBl 58 (1933), S. 173f., zitiert nach Henn, Führungswechsel, S. 348.
[63] Vgl. Manzeschke, Persönlichkeit, S. 264.
[64] Vgl. Henn, Führungswechsel, S. 354.
[65] Vgl. dazu Verhandlungen der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern r. d. Rhs. Synodalperiode 1930–36. Außerordentliche Tagung in Bayreuth 3.–5. Mai 1933 (Tagung VI). [= Tagung VI]
[66] Schreiben vom 1.5.1933. Druck bei Kantzenbach, Widerstand, S. 40–42, hier: S. 41.
[67] Sommer, Pechmann, S. 138.
[68] Tagung VI, S. 15f.
[69] Ebd., S. 16.
[70] Ebd., S. 20–22.
[71] Ebd., S. 25–27.
[72] Ebd., S. 25.
[73] Ebd., S. 27.
[74] Ebd., S. 28.
[75] Ebd., S. 22–29. Vgl. dazu Baier, Landesbischof, S. 101.
[76] Tagung VI, S. 8.
[77] Henn, Führungswechsel, S. 360.
[78] Henn, ebd., sieht nur das Reichsgesetz als vorbildlich an, Helmut Baier auch das bayerische Gesetz, Landesbischof, S. 101.
[79] Art. 1, ABlB 20 (1933, v. 11.5.), S. 54.
[80] Art. 2, ABlB 20 (1933), S. 54. Vgl. dazu „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich (Ermächtigungsgesetz)“ vom 23.3.1933, Reichsgesetzblatt I, 1933, S. 14.
[81] Vgl. ABlB 22 (1935, v. 30.10.), S. 143.
[82] Theophil Wurm (Kirchenpräsident und Landesbischof 1933), URL: http://de.evangelischer-widerstand.de/?#/menschen/Wurm/D5431 (Aufruf 23.10.2014).
[83] EGM 42 (1933, v. 14.5.), S. 227.
[84] Zitiert nach Sommer, Veit 2011, S. 101. Veits Enkelin meinte im Jahr 1986, der Rückstritt war der einzige Anlass, „daß seine Familie ihn weinen sah“, zitiert nach Manzeschke, Persönlichkeit, S. 264.
[85] Zitiert nach Sommer, Veit 2007, S. 268.
[86] Zitiert nach ebd., S. 268.
[87] Das trug entscheidend dazu bei, dass er 1934 sein Amt gegenüber den deutschchristlichen Gleichschaltungsbestrebungen behaupten konnte. Darauf deuten die persönlichen Huldigungen gerade im Krisenherbst 1934 hin, die in Meisers Absetzung und Hausarrest im Oktober gipfelten. Vgl. die zahlreichen Solidaritätsadressen von Pfarrern und Gemeindegliedern in LAELKB, Bayerisches Dekanat München I, 8; Carsten Nicolaisen, „... unseres Führers allergetreueste Opposition“. Hans Meiser als bayerischer Landesbischof im „Kirchenkampf“ 1933–1945, in: Herolt, Nicolaisen, Meiser, S. 32–52, hier: S. 41–45.
[88] Manzeschke, Persönlichkeit, S. 274f.
[89] Vgl. dazu ebd., S. 54–64.
[90] Das drückte sich dann etwa im Versuch aus, mithilfe einer volksmissionarischen Initiative und unter anfänglicher Instrumentalisierung der bayerischen Deutschen Christen seit Herbst 1933 die Teile der Bevölkerung zu rechristianisieren, die ihr seit dem 19. Jahrhundert abhanden gekommen waren. Vgl. dazu Ernst Henn, Die bayerische Volksmission im Kirchenkampf, in: Zeitschrift für Bayerische Kirchengeschichte 38 (1969), S. 1–106; Axel Töllner, Eine Frage der Rasse? Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, der Arierparagraf und die bayerischen Pfarrfamilien mit jüdischen Vorfahren im ‚Dritten Reich‘ (Konfession und Gesellschaft 36), Stuttgart 2007, S. 121–131.



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