theologie.geschichte - Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte

Passa-Haggada zum Gedenken an den Holocaust. Künstlerische Gestaltung und Einleitung von David Wander. Kalligrafie und Mikrografie von Yonah Weinrib, herausgegeben von Peter von der Osten-Sacken und Chaim Z. Rozwaski unter Verwendung der deutschen Übersetzung der Haggada von David Cassel, mit Erläuterungen und einem Begleitheft, Berlin 2010, Verlag des Instituts Kirche und Judentum, hebr./dt. Text 119 S. , 46 farbige Abb. , 41 S. Begleitheft, 23,80 EUR, ISBN 978-3-923095-98-8


Wer sich diesem Buch zuwendet, braucht Ruhe. Und in der Tat: Das Buch verdient erhöhte Aufmerksamkeit, damit sich dem/der Leser/in die Feinheiten erschließen.

Die Idee, eine Passa-Haggada zum Gedenken an den Holocaust zu schaffen, wurde von den beiden in Polen geborenen Überlebenden der Schoah, Zygfryd und Helene Wolloch, im Jahr 1974 dem jungen Künstler und Drucker David Wander erstmals unterbreitet (Vorwort S. 5). Dreizehn Bilder in Pastellfarben zeichnete David Wander. Zusammen mit dem Rabbiner und Kalligraphen Yonah Weinrib entstanden die Textseiten, die von David Wander illustriert wurden. Beim Text der Haggada handelt es sich um den traditionellen Text, der am Seder-Abend benutzt wird.

Nachdem das Projekt zunächst in einem Exemplar fertig gestellt und in New York ausgestellt worden war, wurden bis 1985 250 handgedruckte, signierte und nummerierte Exemplare unter der Schirmherrschaft der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem hergestellt.

2008 wurde auf Initiative von Peter von der Osten-Sacken, des früheren Leiters des Instituts Kirche und Judentum der Humboldt-Universität zu Berlin damit begonnen, die jetzt vorliegende hebräisch-deutsche Ausgabe zu produzieren und mit einem Begleitheft zu versehen. Das Begleitheft wurde von Rabbiner Dr. Chaim Rozwaski und Prof. Dr. Peter von der Osten-Sacken verfasst. Es enthält Hinweise zum Verständnis der Bilder, des Ablaufs und der Details des Seder-Abends. Dabei werden diejenigen, die mit der Passa-Haggada grundsätzlich vertraut sind, in die Besonderheiten der Wolloch-Haggada und deren Bilder eingeführt, diejenigen, für die letzteres nicht gilt, erhalten daneben grundlegende Informationen zum Verständnis des Seder-Abends. Jedoch nicht nur im Begleitheft, sondern auch schon innerhalb der Haggada selbst sind auf den Seiten mit der deutschen Übersetzung Erläuterungen zu finden und werden Bezüge zwischen dem biblischen Exodus und den Geschehnissen des 20. Jahrhunderts hergestellt.

Die Besonderheit des Buches besteht darin, dass traditionelle Motive, die den Seder-Abend als Erinnerung an den Auszug aus Ägypten kennzeichnen, mit Erfahrungen aus und dem Gedenken an den Holocaust ganz eng miteinander verwoben werden. „David Wanders Illustrierung der Haggada ist monumental, sie erfasst das Wesen des Holocausts und des Exodus aus Ägypten. Wander verknüpft beide und ruft das Gefühl hervor, dass sie ein und dasselbe sind.“ (Chaim Rozwaski im Begleitheft S. 7)

David Wander hatte von Zygfryd Wolloch bei Übernahme des Auftrags zur Herstellung der Haggada völlige Freiheit in der Gestaltung der Bilder bekommen, allein - es sollte an einer Stelle ein Vergissmeinnicht auf einem Bild zu sehen sein (Vorwort S. 6). Vier solcher Vergissmeinnicht erscheinen am Ende der Seder-Feier im engeren Sinn als eine das Gebet „Jischtabbach Schimcha“ (Gepriesen werde Dein Name) umrahmende Ranke. Unten auf der Seite ist der Kiddusch-Becher zu sehen. In dem dazu gehörenden Segensspruch wird Dank gesagt für den Weinstock, die Frucht des Weinstocks, den Ertrag des Feldes und die Gabe des Landes. Oben berühren sich die Ranken mit den zwei schematisch dargestellten Bundestafeln des Dekalogs. Für mich kommt darin Gottes Bundestreue (seine „Gerechtigkeit“) mustergültig zum Ausdruck.

Das letzte Bild der Wolloch-Haggada veranschaulicht das Partisanenlied „Sog nit keyn mol“, das Peter von der Osten-Sacken übersetzt hat. Handelt es sich auf den ersten Blick um einen brennenden Baum, so zeigt näheres Hinsehen, dass die sieben Flammen die Form eines siebenarmigen Leuchters, der Menora, des Symbols des Staates Israel abgeben - entsprechend der letzten Strophe des Partisanenliedes: „Sag nie, du gehst den letzten Weg, / auch wenn bleierner Himmel das Blau verdeckt. / Noch kommen wird unsre ersehnte Stunde, / da unser Schritt hallt in die Runde: Wir sind da!“ (S. 114)

Es handelt sich um ein beeindruckendes Werk, um sensible und aufschlussreiche Erläuterungen, um nahe gehende Bilder, kurzum: den Herausgebern ist herzlich zu danken, dass sie dieses Werk dem deutschen Lesepublikum zugänglich gemacht haben. Ihm sind viele aufmerksame Benutzer zu wünschen.


Zum Rezensenten:
Dr. Wolfgang Kraus, geb. 1955, ist Professor für Neues Testament an der Universität des Saarlandes.





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