Karl Gabriel / Christian Spieß / Katja Winkler (Hg.), Die Anerkennung der Religionsfreiheit auf
dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Texte zur Interpretation eines
Lernprozesses (Katholizismus zwischen Religionsfreiheit und
Gewalt, Bd. 4), Paderborn e. a. 2013, Schöningh-Verlag, 287 S,
36,90 Euro, ISBN: 978-3-506-77406-4.
Auch knapp 50 Jahre nach seinem Ende ist das Zweite Vatikanische Konzil immer noch Gegenstand zahlreicher Veranstaltungen und theologischer Arbeiten. Gerade im, von Benedikt XVI. anlässlich der fünfzigsten Wiederkehr der Konzilseröffnung ausgerufenen, „Jahr des Glaubens“ (2013) hat es eine beachtliche Anzahl von Neupublikationen gegeben, welche sich mit dem Konzil und seinen Ergebnissen beschäftigen.
Der Sammelband von Gabriel, Spieß und Winkler zum Thema der
Religionsfreiheit auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil lässt
elementare Texte der neueren und neuesten Kirchengeschichte zu Wort
kommen, um mit deren Hilfe einen als „Lernprozess“[1] postulierten
Fortgang der katholischen Lehre in dieser Frage interpretieren zu
können. Entstanden ist dieser Band durch das Projekt
„Gewaltverzicht religiöser Traditionen“ des Exzellenzclusters Religion und Politik der
Universität Münster.
Sowohl in der Einleitung als auch in der Textauswahl legen die
Herausgeber den Fokus vor allem auf die Frage, ob die Lehre des Zweiten
Vatikanischen Konzils bezüglich der Religionsfreiheit eine
Kontinuität oder eine Diskontinuität zur bisherigen
Kirchenlehre darstellt. Dazu subsummieren sie die derzeitigen
Interpretationsmöglichkeiten unter vier große Leitlinien:
Die strikte Kontinuitätsthese schließe, so die Herausgeber, einen Bruch der Kirchenlehre generell aus. Auf das Feld der Religionsfreiheit übertragen bedeute dies, dass die Verurteilungen der Religionsfreiheit v. a. im 19. Jahrhundert nicht im Widerspruch zu ihrer Anerkennung auf dem Konzil stünden, da hier zwei unterschiedliche Dinge angesprochen würden. Während sich die Verurteilungen der Päpste Gregor XVI. und Pius IX. auf der Ebene des weltanschaulichen Bekenntnisses bewegten, sei die Erklärung des Konzils über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae (im Folgenden DH) auf einer rechtlich-politischen Ebene anzusiedeln. Demnach würden sich Texte wie Quanta cura und der Syllabus auf andere Gegenstände beziehen als DH.[2]
Die erweiterte Kontinuitätsthese rekurriert stärker auf den zeitgeschichtlichen Kontext und postuliert eine grundsätzliche Kontinuität der kirchlichen Lehre, erkennt aber an, dass die Lehre jeweils unter Berücksichtigung der historischen Situation interpretiert werden müsse. Demnach wären die scharfen Verurteilungen der Religionsfreiheit im 19. Jahrhundert als Reaktion des Lehramts auf die kirchenfeindlichen Tendenzen in Europa zu deuten, während das Konzil in einem völlig anderen zeitgeschichtlichen Kontext zu sehen sei.[3]
In ähnlicher Weise geht auch die erweiterte Diskontinuitätsthese vor, allerdings lehnt sie eine Kontinuität der kirchlichen Lehre ab, verweist aber ebenfalls auf die jeweiligen historischen Kontexte. Die These geht davon aus, dass bestimmte Gegebenheiten im Laufe der Geschichte die Haltung des kirchlichen Lehramtes bedingten und dass eine Korrektur der Lehre dann notwendig wurde, als sich auch die Rahmenbedingungen änderten.[4]
Die strikte Diskontinuitätsthese indes lehnt den Rekurs auf den geschichtlichen Kontext ab und geht klar von einem Bruch innerhalb der Lehre aus, da sich die jeweiligen Äußerungen deutlich widersprechen. Die Herausgeber sprechen davon, dass diese These sowohl von konservativen als auch von progressiven Theologen vertreten wird. Während die Konservativen eine Abkehr von der unwandelbaren katholischen Lehre beklagen, sehen die Progressiven v. a. in DH einen längst fälligen Paradigmenwechsel, mit dem sich die katholische Kirche der modernen Welt zuwendet.[5]
Ausgehend von diesen vier großen Linien scheinen sich die Herausgeber in ihrer persönlichen Auseinandersetzung vor allem auf die beiden erweiterten Thesen zu stützen, auch wenn dies nicht explizit ausgesprochen wird. Dabei gehen sie von einer „Pluralität unterschiedlicher möglicher Orientierungen innerhalb des Katholizismus, innerhalb der Theologie, innerhalb schließlich auch der lehramtlichen Verkündigung“[6] aus, die je nach Einfluss auch den theologischen Mainstream und die Lehre der Päpste verändern könne. Dies sei dann aber nicht als Bruch mit der Tradition, sondern als „selbstverständliche Dynamik der Traditionsentwicklung“ und damit als „Kennzeichen des viele Tendenzen umfassenden, pluralen Charakters des Katholizismus“ zu verstehen [7].
All diese Ausführungen sind insgesamt überzeugend und geben einen leicht verständlichen Überblick über die derzeitige Diskussion um DH und seinen Stellenwert innerhalb der Lehrtradition. Allerdings wäre es wünschenswert, die jeweiligen Aussagen mit einschlägigen Quellen oder zumindest mit Angaben zu weiterführender Literatur zu versehen. Gerade der fachkundige Leser hätte so tiefer in die Materie eindringen können, bleibt aber hier nur auf das letztlich unbelegte Urteil der Autoren verwiesen. Eine weitergehende Beschäftigung mit dieser wichtigen Frage wird dadurch erschwert.
Der Einleitung folgen nun die einzelnen Texte, die jeweils mit einer
kurzen Einführung der Herausgeber versehen sind.
Der erste Text ist Dignitatis humanae
selbst, sowohl im lateinischen Original als auch in der
Übersetzung des Enchiridion symbolorum von Denzinger und
Hünermann. Der Abdruck des Textes ist eine kluge Entscheidung,
denn auf diese Weise hat der Leser die Gelegenheit sich vor der
Lektüre der anderen Abhandlungen mit dem Kerntext, um den es ja
überhaupt geht, noch einmal inhaltlich auseinanderzusetzen. Dies
erleichtert das Verständnis der folgenden Artikel erheblich. Die
dem Text beigegebene Einführung behandelt vor allem die
historische Brisanz der Erklärung und den Kernpunkt, dass DH nicht
eine theologische, sondern eine politisch-rechtliche Antwort auf die
Frage der Religionsfreiheit zu geben versucht. So sehr diese
Feststellung das Verständnis des Sinns von DH auch
begünstigt, reicht die knapp zwei Seiten umfassende
Einführung aber nicht aus, alle wesentlichen inhaltlichen Fragen
zur Konzilserklärung über die Religionsfreiheit zu erfassen
und zu beantworten. Es fehlt ein Bezug zu den in der Einleitung
vorgestellten Thesen bzgl. der Kontinuität oder
Diskontinuität mit der kirchlichen Tradition.In der Folge wird es
daher auch vermieden, Stellung zu der Frage zu beziehen, ob das Konzil
mit dieser Erklärung einen Traditionsbruch vollzogen hat oder
nicht. Dieser Mangel resultiert vor allem aus dem Fehlen einer
historischen Kontextualisierung. Gerade die in der Einleitung genannten
Erweiterungsthesen rekurrieren auf die geschichtlichen Gegebenheiten
und Zusammenhänge und könnten hier in direktem Bezug eine
Antwort auf die Kontinuitätsfrage liefern. Es ist daher
verwunderlich, dass die Herausgeber auf diese Bezugnahme verzichten.
Der zweite Text dieses Buches ist eine Ansprache Papst Pius XII. an den
Verband der katholischen Juristen Italiens vom 6. Dezember 1953, auch
gemeinhin als „Toleranzansprache“ bezeichnet. Sie steht ganz im Zeichen
der Auffassung von Religionsfreiheit durch Leo XIII., der hierzu das
„These-Hypothese-Modell“ des 19. Jahrhunderts weiterentwickelte. Diesem
zufolge bleibt das anzustrebende Ideal der katholische Staat, der auf
die religiöse Wahrheit gegründet ist (These). Dennoch
können, um größeres Übel wie Unruhen und Unfriede
zu vermeiden, andere Religionen toleriert werden. Auch Pius XII.
bedient sich dieses Modells und bleibt bei der Haltung der katholischen
Kirche, wonach das Recht der Wahrheit vor dem Recht des Menschen steht.
Die Einführung zu diesem, vor allem mit Blick auf die Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils bedeutsamen, Text arbeitet genau diesen Kern gut und verständlich heraus und versucht, anders als bei DH, eine, wenn auch nur oberflächliche, geschichtliche Einordnung. Leider wird es aber vermieden, auch auf andere Facetten dieses Textes einzugehen, was aber, mit Blick auf den zu interpretierenden Lernprozess, wichtig gewesen wäre. Gerade in den Ausführungen des Papstes wird nämlich besonders deutlich, dass er in erster Linie nicht den rechtlichen Charakter der Religionsfreiheit im Bezug zum These-Hypothese-Modell sieht, sondern den inneren Charakter jedes Menschen. Anders als seine Vorgänger v. a. im 19. Jahrhundert sagt Pius XII. nämlich, dass nicht einmal Gott den Befehl zur Annahme des katholischen Glaubens geben könne, da dies „im Widerspruch zu seiner absoluten Wahrhaftigkeit und Heiligkeit“ stehen würde.[8] Auffallend ist dabei auch, dass Pius XII. erst im zweiten Teil und in deutlich reduziertem Maße von staatsrechtlichen Folgen der Religionsfreiheit spricht und sich jeweils auf die freiwillige Annahme des Katholizismus bezieht. Auch wenn er hierbei immer noch dem alten Modell verhaftet bleibt, so hat sich anscheinend doch schon ein Paradigmenwechsel vollzogen, der im Wesentlichen auf die Würde des Menschen abzielt, die das Zweite Vatikanische Konzil, freilich unter ganz anderen Vorzeichen, wieder aufnehmen sollte.
Dass gerade dieser Aspekt von den Herausgebern nicht
berücksichtigt wurde, schmälert die Absicht des Buches,
„Texte zur Interpretation eines Lernprozesses“ zu liefern, erheblich.
Der dritte Text dieses Buches ist die ebenso berühmte wie
berüchtigte Enzyklika „Quanta cura“ Pius IX. aus dem Jahr 1864.
Dass diese Schrift in den Kanon des Buches aufgenommen wurde, ist eine
richtige Entscheidung gewesen, da sie die grundlegende Haltung der
Päpste des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zur
Religionsfreiheit in komprimierter Form enthält. Die Herausgeber
postulieren, dass sich Pius IX. grundsätzlich und umfassend gegen
die liberalen Freiheitsrechte, den Laizismus und die Trennung von
Kirche und Politik ausspricht, ohne eine Einschränkung
vorzunehmen. Daraus wird dann gefolgert, dass die häufig
vorgebrachten Relativierungen, etwa der Papst habe nur die
antireligiöse Stoßrichtung des Liberalismus, die die
Ausübung der Religion generell in Frage stellt, verurteilt, oder
der Papst habe sich deshalb nur in diesem scharfen Ton
geäußert, weil der Säkularismus, den er verurteilt,
ebenso scharf gegen die Kirche vorgegangen sei, nicht haltbar seien.
Zur Untermauerung dieser These werden dann vereinzelte Auszüge aus
dem Syllabus angeführt, die allerdings ohne tiefergehende Analyse
und ohne Einbindung in den Gesamtkontext benutzt werden. Auch die
Tatsache, dass eine historische Kontextualisierung, v. a. der Wandel
Pius IX. vom Reformer und liberal eingestellten Papst hin zu einem
Reaktionär und Antimodernisten unterbleibt, macht die o. g.
Aussage zumindest angreifbar. Denn es steht außer Frage, dass die
geschichtlichen Umstände, gerade im Italien des 19. Jahrhunderts,
mitsamt der antireligiösen Einstellung des Liberalismus
maßgeblich zur ablehnenden Haltung der Amtskirche geführt
und so auch die Enzyklika beeinflusst haben. Insofern wäre eine
eingehendere Analyse der geschichtlichen und textredaktionellen
Umstände wünschenswert gewesen. So bleibt diese
Einführung letztlich nur eine Forschungsmeinung unter vielen, der
es zudem an fundierten Belegen mangelt.
Während die ersten drei Texte des Buches lehramtliche Texte sind,
folgen nun zehn Artikel, die sich eher wissenschaftlich mit der
Religionsfreiheit auseinandersetzen, auch wenn sich mit Papst Benedikt
XVI. und Kardinal Walter Kasper zwei hochrangige Vertreter der
Amtskirche unter den Autoren befinden. Sie alle im Einzelnen zu
besprechen würde den Rahmen sprengen, daher erfolgt hier nur eine
Auswahl der nennenswertesten Artikel.
Als besonders interessant und aufschlussreich erscheint der Aufsatz des
Jesuiten John C. Murray „Über die Religionsfreiheit“, den er noch
während des Konzils schrieb und der nicht nur die Haltung des
amerikanischen Episkopats zur Religionsfreiheit repräsentiert,
sondern auch den Anstoß für die Anerkennung der
Religionsfreiheit durch das Konzil gegeben haben soll. Ob diese
Behauptung wirklich zutrifft, ist mit der Einführung leider nicht
abschließend zu klären, da auch hier auf präzise
Quellenangaben und eine eingehendere historische Betrachtung verzichtet
wurde. Aufschlussreich ist hingegen die Biographie Murrays, gegen den
das kirchliche Lehramt aufgrund seiner Thesen zur Religionsfreiheit ein
Publikationsverbot verhängte, der dann aber doch ab der zweiten
Sitzungsperiode des Konzils als Berater eingeladen wurde. Die beiden
Kernthesen der Abhandlung Murrays werden gut herausgearbeitet, dass
nämlich die Verurteilungen der Päpste des 19. Jahrhunderts
wesentlich von den antireligiösen und antikirchlichen
Strömungen herrührten (strategisches Motiv) und dass liberale
Menschenrechte wie die Religionsfreiheit aufgrund der
Gottesebenbildlichkeit in der Menschenwürde begründet seien
(systematisches Motiv). Leider unterlassen es die Herausgeber in der
Folge dann, vor allem das strategische Motiv mit den Ausführungen
der Einführung zu Quanta cura
ins Gespräch zu bringen. Dies wäre, da man dort die
Relativierungen bzgl. Quanta cura ablehnt,
gerade für die Frage nach einem Lernprozess spannend gewesen.
Besondere Erwähnung soll auch die Rede Papst Benedikts XVI. vom
22. Dezember 2005 vor dem Kardinalskollegium finden. Sie
beschäftigt sich vorrangig mit der Interpretation des Konzils
insgesamt und exemplarisch mit dem Thema der Religionsfreiheit.
Benedikt XVI. geht dabei von der Unterscheidung zwischen einer
Hermeneutik der Diskontinuität und einer Hermeneutik der Reform
aus. Er ordnet sich selbst der Hermeneutik der Reform zu und definiert
diese als Programm, das die überkommene kirchliche Lehre
substanziell bewahrt, aber auch eine historische
Wandlungsfähigkeit in der Formulierung beinhaltet, welches ein
statisches Verständnis von einer unwandelbaren Lehre der Kirche
ausschließt. Daraus folgert Benedikt, dass die Reformen des
Konzils gerade nicht einen Traditionsbruch bedeuten, sondern eine
zeitgemäße Übertragung der Lehren in die moderne Zeit.
Von den Herausgebern wurde diese, von Benedikt sehr schlüssig dargelegte, Kernthese gut und kompakt vorgestellt. Allerdings mangelt es auch hier an der historischen Betrachtungsweise, ohne die eine Einordnung des Textes in den postulierten Lernprozess nicht möglich ist. So wäre zu fragen, inwiefern sich der Konzilsperitus Joseph Ratzinger und der „Papst Ratzinger“ in ihren Ausführungen zur Religionsfreiheit ähneln bzw. unterscheiden. Dies hätte nicht nur den interessanten Nebeneffekt, den Lernprozess auf eine bedeutende Figur der neueren Kirchengeschichte auszuweiten, sondern hätte auch durch die Kenntnisse über Ratzingers grundsätzliche Haltung in dieser Frage die Interpretation der Rede erheblich erleichtert. Schließlich hätte man sich auch eine kritischere Herangehensweise an den Text gewünscht. Statt einer genaueren Analyse der einzelnen Punkte Benedikts, die fraglos auch argumentative Schwachstellen enthalten, begnügt man sich mit einer knappen Zusammenfassung und lässt den Leser mit der Interpretation allein.
Auch die Platzierung des Textes im Gesamtband ist nicht unmittelbar
einsichtig. Von allen Beiträgen ist er der jüngste und stellt
somit, im Kontext dieses Werkes, den chronologischen Abschluss der
momentanen Diskussion dar. Dennoch wird er in der Reihenfolge an
fünfter Stelle abgedruckt. Dadurch verschwimmt der Charakter eines
Lernprozesses, der naturgemäß eine chronologische Sammlung
verlangt hätte.
Ein letzter, besonders hervorzuhebender, Artikel ist jener von Reinhold
Sebott mit dem Titel „Dignitatis humanae und Quanta cura. Die
Verurteilung der Religionsfreiheit vor dem Zweiten Vatikanischen
Konzil“. Auch dieser, 1998 erschienene, Aufsatz beschäftigt sich
mit der Frage der Kontinuität der kirchlichen Lehre, macht dies
aber konkret an den beiden maßgeblichen kirchlichen Dokumenten
bzgl. der Freiheitsfrage in der neueren Kirchengeschichte fest.
Im direkten Vergleich von DH und Quanta cura kommt Sebott zu dem
Schluss, dass ein inhaltlicher Widerspruch vorliegt, der aber in Bezug
auf die Frage nach der Kontinuität dahin gehend gelöst werden
kann, dass Quanta cura nicht als unfehlbar qualifiziert werden kann und
daher keine ordentliche Lehrmeinung der Kirche darstellt. Sebotts
Begründung für diese These bleibt leider äußerst
vage und teilweise durch nicht übersetzte lateinische Passagen
sowie bloße Aneinanderreihungen von Zitaten unverständlich.
Die Einführung geht auf dieses Problem nicht ein, sondern bleibt
bei einer bloßen Zusammenfassung der sicherlich interessanten
Aussagen. Insofern lässt sich hier sagen, dass der Text durchaus
gut gewählt ist, seine Relevanz dem Leser aber durch die
Einführung nicht erschlossen wird.
Blickt man auf die anderen ausgewählten Texte, ergibt sich ein ähnlich ambivalentes Bild. Positiv zu bewerten ist die Wahl der Autoren. So kommen nicht nur Theologen zu Wort, sondern mit Ernst-Wolfgang Böckenförde auch ein Historiker, Staatstheoretiker und ausgewiesener Kenner der Materie.
Hinzu kommen weitere interessante Sichtweisen auf die Religionsfreiheit, etwa im Artikel von Arthur Fridolin Utz, der die Religionsfreiheit konkret aus der katholischen Sicht beleuchtet und dabei nicht nur kirchengeschichtlich, sondern auch systematisch argumentiert. Ebenso lesenswert sind die eher staatsrechtlichen bzw. staatsphilosophischen Abhandlungen von Josef Isensee, Pietro Pavan und Augustin Bea, die den theologischen Argumentationsrahmen verlassen und sich eher auf die Felder der Politik und der Gesellschaft wagen.
Ebenfalls gut gewählt ist der Beitrag von Kardinal Walter Kasper, der die „Religionsfreiheit als theologisches Problem“ auffasst und dies mit Hilfe der Trennung einer besonderen verfassungsrechtlichen von einer allgemeinen theologischen Perspektive zu lösen versucht.
Problematisch bleiben über das gesamte Werk hinweg die
Einführungstexte, die, wenn überhaupt, nur sehr
oberflächlich die zum Verständnis der Artikel nötigen
historischen Hintergrundinformationen liefern. Sie fassen zwar fast
immer die Kerngedanken der Autoren prägnant zusammen und sind
insofern eine wertvolle Verständnishilfe, bleiben aber oftmals bei
einer bloßen Inhaltsangabe ohne jegliche kritische
Herangehensweise. Gerade dies wäre aber für die
Interpretation eines Lernprozesses dringend notwendig gewesen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Band aufgrund der
Textauswahl als durchaus beachtenswerter Beitrag zur derzeitigen
Diskussion um DH und die Interpretation des Zweiten Vatikanischen
Konzils betrachtet werden kann. Man hätte sich jedoch, gerade weil
es sich bei der Religionsfreiheit um ein viel diskutiertes Thema
handelt, nicht nur mit bloßen Zusammenfassungen der Texte
begnügen dürfen, sondern handfeste Analysen und kritische
Bezüge der Texte untereinander und mit den in der Einleitung
angesprochenen Thesen vornehmen müssen. So bleibt der Band
lediglich eine Sammlung von Artikeln, mit deren Inhalt der Leser
weitgehend allein gelassen wird. Zudem erschweren eine, der Textauswahl
geschuldete, inhaltliche Redundanz sowie die fehlende Chronologie beim
Abdruck der Texte eine eigenständige Interpretation der
Aufsätze als Teil eines Lernprozesses. Für Theologen mag
daher das Werk, trotz fehlender Quellen- und Literaturangaben, ein
guter Fundus für weitere Forschungen sein. Für theologische
Laien ist das Buch aber aus den genannten Gründen nicht zu
empfehlen.
Zum Rezensenten:
Christian Dahlke, geb. 1985, studierte von 2007-2011 kath. Theologie
und Geschichte an der Universität des Saarlandes. Derzeit ist er
als Studienrat im saarländischen Schuldienst tätig und
bereitet eine Dissertation im Bereich der Neueren Geschichte vor.
Anmerkungen:
[1] Karl Gabriel /
Christian Spieß / Katja Winkler (Hg.), Die Anerkennung der Religionsfreiheit auf
dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Texte zur Interpretation eines
Lernprozesses (Katholizismus zwischen Religionsfreiheit und
Gewalt, Bd. 4), Paderborn e. a. 2013, S. 11.
[2] Ebd., S. 10.
[3] Ebd., S. 10f.
[4] Ebd., S. 11.
[5] Ebd., S. 11f.
[6] Ebd., S. 12.
[7] Ebd., S. 12.
[8] Ebd., S. 43.
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