Amy-Diana Colin, Edith Silbermann (Hgg.), Paul Celan – Edith Silbermann. Zeugnisse einer Freundschaft. Gedichte, Briefwechsel, Erinnerungen,  München, Wilhelm Fink Verlag 2010, 366 S., 39,90 EUR, ISBN: 978-3-7705-4842-2


Paul Celan – Edith Silbermann. Zeugnisse einer Freundschaft ist ein Dokumentationsband, der – wie der Untertitel bereits präzisiert – persönliche Erinnerungen Edith Silbermanns, Bild- und Briefzeugnisse sowie Gedichte Paul Celans aus seinen Bukowinaer Jugendjahren versammelt. Zusätzlich ist dem Band eine CD mit Tonbandaufzeichnungen von Rezitationen Edith Silbermanns von Gedichten Celans beigefügt. Der Band ist in vier Teile gegliedert, wobei der vierte Teil in der CD besteht.

Ein erster Teil, „Erinnerungen, Legenden“ überschrieben, enthält eine ca. 25 Seiten umfassende Aufzeichnung Edith Silbermanns zu ihren Kindheits- und Jugenderinnerungen mit Paul Celan in Czernowitz, die mit dem Jahr 1944 endet, sowie umfangreiches Bildmaterial, überwiegend aus der Czernowitzer Zeit. In einem zweiten Teil sind sämtliche Gedichte Celans, von denen sich Handschriften in der Sammlung Edith Silbermanns befinden, in Transkription und Faksimile reproduziert und editorisch erfasst. Ein dritter und letzter Teil dokumentiert die Korrespondenz zwischen Paul Celan und dem Ehepaar Edith Horowitz-Silbermann und Jacob Silbermann. Ergänzend sind drei Briefe von Gustav Chomed an Edith Silbermann beigefügt, in denen Chomed über seine Freundschaft mit Paul Celan Auskunft gibt. Dem Briefwechsel ist ein kommentiertes Personenverzeichnis beigegeben, das bio-bibliographische Angaben enthält und besonders hinsichtlich der weniger bekannten Personen sehr hilfreich ist.

Silbermanns Erinnerungen geben einen recht guten Einblick in die Lebensumstände und das intellektuelle Umfeld von Celans Czernowitzer Jungendjahren, es bleibt jedoch zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um die subjektiv gefärbten Erinnerungen einer Einzelperson handelt.

Für die Celan-Forschung wertvoll sind die in Faksimile reproduzierten und in ihren Varianten gegenüber der Textgestalt der Historisch-kritischen Ausgabe dokumentierten Manuskripte vieler früher Gedichte Celans.

Zwar sind die Textträger der in der Sammlung Silbermann enthaltenen Gedichte im Variantenapparat der Historisch-kritischen Ausgabe erfasst, jedoch lagen den Herausgebern diese Manuskripte offensichtlich nur in sehr schlechter Fotokopie vor (siehe die wiederholten Anmerkungen im Variantenapparat der HKA), so dass diese bisher nur höchst ungenau dokumentiert waren. Nicht wenige in der Historisch-kritischen Ausgabe undokumentiert gebliebene Varianten sowie falsche Lesarten, die sich im Variantenapparat der HKA finden, sind dokumentiert und korrigiert. Aufgrund der sehr guten Faksimile-Reproduktionen lässt sich die Textgestalt der Manuskripte aus der Sammlung Silbermann auch für den Leser selbst nachvollziehen. Einige Gedichte sind nach Aussage Edith Silbermanns von Paul Celan in ihrem Elternhaus verfasst worden. Eine genaue Datierung wird jedoch nicht gegeben, auch gibt es keine weiteren Belege dafür, dass es sich bei den Manuskripten aus Silbermanns Besitz um die ältesten Textzeugen handelt.

Der knappe, gerade dreizehn Briefe umfassende Briefwechsel zwischen Paul Celan und Edith Silbermann stammt aus den Jahren 1963–65. Die Themen der Briefe drehen sich überwiegend um die Bemühungen der sich zu dieser Zeit in Wien aufhaltenden Silbermanns um eine Einreise- und Aufenthaltserlaubnis in die Bundesrepublik Deutschland, bei denen Celan versucht, behilflich zu sein, sowie um Publikationsmöglichkeiten für Edith Silbermann und einen befreundeten Dichter, Tudor  Arghezi, wobei sich Celan ebenfalls bei seinem Verleger für sie  zu verwenden versucht.

Man darf an den Briefwechsel keinesfalls die Erwartungen knüpfen, die man mit den jüngst erschienen Briefwechseln Celans mit Ingeborg Bachmann oder Klaus und Nani Demus verband. Reicher wäre der Briefwechsel sicher ausgefallen, wenn er – wie von Silbermann ursprünglich geplant – in einem Sammelband zusammen mit anderen Korrespondenzen Celans mit Czernowitzer Jugendfreunden erschienen wäre.

Höchst befremdlich wirkt, in welcher Ausführlichkeit Unstimmigkeiten mit dem Suhrkamp-Verlag ausgebreitet werden, die im Wesentlichen auf Kränkungen der Autorin über den Umstand beruhen, dass der Verlag Edith Silbermann nicht an der Herausgabe des Bandes der Historisch-kritischen Ausgabe zu Celans Frühwerk beteiligt hatte (Vgl. S. 118–125). Die eingehende Schilderung der Auseinandersetzung zwischen der Autorin und dem Suhrkamp-Verlag wiederholt sich noch einmal im Kommentar zum Briefwechsel. So ist das Scheitern der Herausgabe des Briefwechsels zwischen Celan und seinen Czernowitzer Jugendfreunden darauf zurückzuführen, dass Edith Silbermann und Marina Dmitrieva-Einhorn, die das Projekt gemeinsam planten, die Edition selbst übernehmen wollten und die vom Suhrkamp-Verlag vorgeschlagene Herausgeberin Barbara Wiedemann nicht akzeptierten. (Vgl. S. 260–264). Die Kritik trifft dabei nicht nur die Verleger, sondern ist auch gegen Paul Celans Sohn, Eric Celan gerichtet. So schreibt die Mitherausgeberin Colin: „Es traf Edith Silbermann schwer, dass ausgerechnet der Sohn ihres Jugendfreundes ihr das Recht verweigerte, ihren Briefwechsel mit seinem Vater zu veröffentlichen. Briefe, in denen Celan betonte, welchen Dank er ihr, ihren Eltern und ihrem Mann, Jacob Silbermann, schuldete. Sie war befremdet, weil Eric Celan in Zusammenarbeit mit seinem Mitherausgeber Bertrand Badiou und auch Barbara Wiedemann, die für die deutsche Übersetzung der Anmerkungen zuständig war, im Jahre 2001 in der Korrespondenz Paul Celans mit Gisèle Celan-Lestrange eine abfällige Bemerkung des bereits jähen und extremen Stimmungswechseln unterworfenen Lyrikers kommentarlos und ohne Rücksicht auf Persönlichkeitsschutz über sie publiziert hatte und ihr nun die Möglichkeit nahm, das verzerrte Bild zu berichtigen, das durch diese Veröffentlichung entstanden war. Sie verzichtete darauf, Eric Celan für diese Verunglimpfung ihrer Person vor Gericht zu bringen.“ (S. 263). Sätze wie dieser erwecken den Anschein, der Herausgeberin Silbermann sei es in erster Linie darum gegangen, ihre eigene Person und ihre besondere Beziehung zu Paul Celan herauszustreichen und den abschätzigen Äußerungen Celans über sie und ihren Ehemann ein anderes Bild ihrer Beziehung entgegenzusetzen.[1] Über die gesamte Lektüre des Buches hinweg kann man sich dem Eindruck nicht entziehen, die Herausgeberin Silbermann rücke sich selbst sehr stark in den Fokus der Schilderungen.

Ein diskreterer Umgang mit den Konflikten zwischen der Herausgeberin und dem Suhrkamp-Verlag wäre dem Buch zu gute gekommen.


[1] Die drastischste Äußerung Celans über die Silbermanns findet sich in einem Brief vom 19.1.1965 an seine Frau Gisèle, in dem er schreibt: „Um ein Uhr die Silbermanns. Er, ein wenig besser, redet lang und breit über Kraus. Ich sage, was ich denke. Der unglaubliche Abschnitt aus dem ‚Merkur‘, den ich ihm zeige, ruft keine Reaktion hervor. Sie: Dummheit vor allem, das Kleinbürgertum mit mal hohen, mal flachen Absätzen.“ (Paul Celan – Gisèle Celan-Lestrange. Briefwechsel, hrsg. u. kommentiert v. Bertrand Badiou in Verb. m. Eric Celan, Anm. übersetzt v. Barbara Wiedemann, Frankfurt am Main 2001, Bd. 1, Nr. 196, S. 179.)


Zur Rezensentin:

Yvonne Al-Taie, M.A., geb. 1980, ist Doktorandin in Germanistischer Literaturwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozialethik an der Universität des Saarlandes.

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