Thomas Bohrmann / Werner Veith / Stephan Zöller (Hgg.): Handbuch Theologie und populärer Film, Band 2, Paderborn u.a. 2009, Ferdinand Schöningh, 406 S., 39,90 EUR, ISBN 3-506-76733-2


Dieser zweite Band des Handbuchs Theologie und populärer Film schließt konzeptionell nahtlos an den Band 1 an, den ich hier 2008 rezensiert habe. Auch der Band 2 ist wieder für jede Menge Überraschungen und Einsichten gut, die zeigen, wie das populäre Kino nur so strotzt von Religion, insbesondere christlicher Religion. Bei dem "noch immer" zu verzeichnenden "Rückgang institutioneller (kirchlicher) Religiosität ... scheint doch das Bedürfnis nach religiöser Sinnorientierung in unserem Alltag entgegen aller modernen 'Entzauberungstendenzen' nach wie vor lebendig" (9).

Auch der 2. Band enthält in seinen Analaysen Untersuchungen zu Genres, zu Regisseuren, zu Figuren und diesmal zu Motiven statt wie in Band 1 zu Themen. Zierte Neo aus The Matrix das Cover von Band 1, begegnet uns diesmal Spider-Man auf dem Sprung. Etwa ein Drittel der Autorinnen und Autoren aus Band 1 schreiben auch wieder in Band 2, so dass sowohl für Kontinuität als auch für Abwechslung gesorgt ist. Auch diesmal sind katholische und evangelische Autorinnen und Autoren  gleichermaßen vertreten.

Die Genres-Analysen beginnen mit einem Beitrag Wolfgang Luleys zum Western. Luley zeigt, wie der fremde Erlöser im Sattel, aber auch der Gründungsmythos der USA film- und religionsproduktiv sind. Er verzeichnet zudem eine Menge biblischer Assoziationshöfe in verschiedenen Western. Schließlich rücken ethische Fragen in den Vordergrund wie etwa nach der interkulturellen Begegnung, nach dem Töten und Sterben aber auch nach der Homosexualität. Thomas Hausmanninger folgt den Mythen von Religion in Comicverfilmungen der USA, wobei er Superman, Sin City, Hellboy und Constantine hervorhebt. Dabei zeigt er, dass das spezifisch Jüdisch-Christliche, "dass Gott die Schöpfung aus seiner überbordenden Fülle und Liebe heraus geschaffen hat", aufgrund einer moralisierten Lesart des Christentums bzw. der Kirche hier kaum zur Geltung kommen kann. Die aufklärerische Auseinandersetzung mit diesen popkulturellen Mythen steht für ihn erst noch an. Peter Hahnen begibt sich auf die Suche nach Theologie in Filmmusical und findet sie bei Moulin Rouge, Yentl, Jesus Christ Superstar, Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat und beim Prinz von Ägypten. Sehr aufschlussreich ist der Vergleich der beiden letztgenanten Filme. "Wo Webbers JOSEPH den Gottglauben verschweigt, ist DreamWorks' Moses von einem geradezu verblüffungsfesten Glaubensglühen durchdrungen." (63) Dennoch bezeichnet Hahnen "Bibelmusicals als misslingende Katechese ... Keine noch so raffinierte Verpackung der christlichen Botschaft wird sie ihrer Widerständigkeit zum Mainstream berauben. Streng genommen ist die Sache Jesu pures Kassengift." (63f.) Dieses Urteil ist mir jedoch zu streng, weil es die Zwischentöne sowohl in den Filmen als auch in der Sache Jesu zu wenig zum Klingen bringt. Werner Veith analysiert Sportfilme. Damit leistet er zum einen einen grundlegenden Beitrag zur theologischen Wahrnehmung des Sports. Zum anderen faszinieren seine Analysen von Chariots of Fire sowie von Goal! und Goal II. Thomas Bohrmann und Matthias Reichelt beenden ihren Beitrag zur Filmkomödie mit den Worten "Happyend. Das ist ein verheißungsvoller Ausblick." (98) Dem ist nichts hinzuzufügen! Zuvor haben sie vor allem Bruce Almighty und Sister Act intensiver besprochen und anhand der fünf Kategorien des Lachens bei Peter L. Berger berühmte Filmbeispiele näher betrachtet.

In der Rubrik Regisseure werden in Band 2 Stanley Kubrick (Charles Martig), Ridley Scott (Inge Kirsner), Guillermo del Toro (Gerhard Hroß), Luc Besson (Andrea Bieler) und Sam Raimi (Matthias Wörther) unter die Lupe genommen. Ob Kubricks "Theologie des erkalteten Blicks" (108), Scotts "Geburt des Ungeheuren" (113), del Toros "Insekten und Erzengel" (132), Lucs "Unter-Welten" (143) oder Raimis "schrecklicher Klamauk" (151) – immer steht die conditio humana in bedrückender Weise auf dem Spiel, immer geht es um Entscheidungssituationen angesichts einer Übermacht des Undurchschaubaren, Schrecklichen und Totalitären. Beim Lesen könnte man fast depressiv werden – aber im Film gibt es immer wieder doch auch Hoffnungsschimmer für den zeitgenössischen Menschen in aussichtsloser Lage.

Als Figuren untersucht Martin Löwenstein den göttlichen König, Joachim Valentin das Kind, Werner Schneider-Quindeau den Reformator Luther, Thomas Bohrmann die Superhelden und Manfred Tiemann die protestantische Pfarrfamilie im Film – sehr unterschiedliche Figurenkonstellationen, jedoch immer wieder mit sehr eindrücklichen Entdeckungen.

Als Motive bringt Ulrike Vollmer Familienbilder zur Geltung, Peter Hasenberg Schuld und Sühne, Daria Pezzoli-Oligati die Apokalypse, Hans-Martin Gutmann die Auferstehung und Karl Matthias Schmidt Rezeptionen der jesuanischen Passionsgeschichte.

Überblickt man die Analysen insgesamt, so ergibt sich eine Fülle interessanter Beobachtungen zu Themen, die in der Theologie meist nur randständig begegnen, und zu Phänomenen, die von der Theologie nur selten wahrgenommen werden. Insofern ist auch der Band 2 wieder eine Lektüre wert, sowohl als Ganzes als auch als Handbuch zu bestimmten Fragestellungen. Es bleibt nicht aus, dass es hier und da zu Doppelungen kommt, sowohl bei den Filmbesprechungen als auch bei den Motiven und Themen. Der Band 2 bringt auf hohem Niveau eine Fortsetzung des ersten Bandes. Ein dritter Band ist in Planung mit einem etwas anderen Themenaufriss. Dennoch stellt sich mir die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, Genres, Regisseure, Figuren und Themen/Motive beider Bände der Übersichtlichkeit wegen in 4 Bänden untergebracht zu haben. Was mir fehlt ist eine ausdrückliche Reflexion der Wahrnehmung nicht-christlicher Religionen im Film. Das Handbuch definiert Mainstreamkino als Hollywood und nicht als Bollywood. Das mag für den deutschen Kontext in Ordnung sein, zeigt aber, dass es auf diesem Gebiet auch noch jede Menge zu tun gibt.

Abgeschlossen wird Band 2 durch einen religionspädagogischen Grundlagenartikel zum Medium Film im Religionsunterricht unter dem schönen Titel "Können wir nicht mal wieder einen Film gucken?" Thomas vom Scheidt nimmt diese Frage als religionspädagogische Ernst und unterstreicht dabei die Prägekraft von Filmen im Religionsunterricht anhand seiner eigenen Biographie. Er zeigt anhand ausgewählter Beispiele, wie Filmarbeit in bestimmten Schulstufen gelingen kann. Dabei kommen sowohl Hollywood-Filme als auch Kurzfilme und sog. nicht-fiktionale Filme wie z.B. die Dokumentarfilme des Grimme-Preisträgers Martin Buchholz zur Geltung. Der 2. Band endet schließlich mit vom Scheidts 10 Geboten zum Einsatz von Filmen im Religionsunterricht, die auch für andere pädagogische Handlungsfelder nützlich sind.

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