theologie.geschichte - Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte

Knut Wenzel, Kleine Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, Freiburg-Basel-Wien: Herder 2005, 256 Seiten, EUR 11,90


Es ist bezeichnend, dass man in dieser 2005 erschienenen »Kleinen Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils« über die Konzilsgeschichte von Giuseppe Alberigo liest: »Sie soll am Ende fünf Bände umfassen« (S. 254). Das Werk des italienischen Kirchenhistorikers liegt bereits seit 2001 vollständig vor. [1] Knut Wenzel, Oberassistent bei Erwin Dirscherl an der katholisch- theologischen Fakultät in Regensburg und derzeit Lehrstuhlvertreter für Dogmatik an der katholisch-theologischen Fakultät in Osnabrück, ist dies offenbar entgangen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass der Regensburger Privatdozent für seine »Kleine Geschichte« nur die drei bisher ins Deutsche übersetzten Bände der »Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils« benutzt hat, nicht aber die Bände vier und fünf der italienschen Ausgabe. Zwar trägt sein Buch den Titel einer »Kleinen Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils«, es ist aber alles andere als eine historische Darstellung eines der wichtigsten Ereignisse der katholischen Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts.

In über  90% des darstellenden Teils (213 von 234 Seiten) beschäftigt sich Wenzel mit der Auslegung der Konzilsdokumente. Über das Konzilsgeschehen selbst wird man nur bruchstückhaft informiert. Der Grund dafür ist in der Zielsetzung des Autors zu suchen. Er will so etwas wie die Grundlinien einer Theologie des II. Vatikanums entwerfen. Deshalb wehrt sich der Regensburger Theologe dagegen, die Dokumente des Konzils als „einfache Kompromisstexte“ anzusehen und so zu verfahren, „als könnte jede beliebige theologische oder kirchenpolitische Position sich auf das Vatikanum berufen.“ In der Auslegung der sechzehn Konzilstexte verfährt er nach dem Muster einer abgespeckten theologischen Bibelexegese: zunächst einige Bemerkungen „zur Textgeschichte“, dann die Auslegung einiger zentraler Gedanken des Textes und schließlich eine „Schlussreflexion“. Dies alles geschieht unter Absehung vom historischen Kontext. Erst im Schlusskapitel (S. 235ff.) erfährt der Leser, wie der Autor zu seiner „Theologie“ des II. Vatikanums kommt: er geht von vornherein von der „Grundüberzeugung“ aus, dass die Texte durchgängig „von einer Grundoption oder einem Ensemble aufeinander bezogener Grundoptionen“ getragen seien. Diese seien: „Die Kirche des II. Vatikanischen Konzils hat sich auf den Weg gemacht, den Menschen näher zu kommen.“ Die Texte gingen von einem „neuen Offenbarungs- und Glaubensbegriff“ aus und spiegelten schließlich „die Entdeckung und Hochschätzung der Welt als Handlungs-Ort des Menschen“ wider. Inwieweit dieser „Geist des Konzils“ seinen Ursprung nicht im „Heiligen Geist“, sondern im Zeitgeist der beginnenden sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hatte, wird dabei ausgeblendet. Selbst in den vierzehn Seiten der Einleitung, die laut Klappentext eine Darstellung der »geistes-, gesellschafts- und theologiegeschichtlichen Kontexte« des Konzils sein sollen, sucht man vergebens jegliche Analyse der historischen Situation im Übergang von der heißen Phase des Kalten Krieges Mitte der fünfziger Jahre zur Entspannungspolitik der sechziger Jahre. Die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Wandlungsprozesse in Ost und West beeinflussten seit Ende der fünfziger Jahre in beiden weltpolitischen Lagern Initiativen zu einer geistigen Neuorientierung. Dieses Klima hatte auch nachhaltige Rückwirkungen auf die Einberufung und Durchführung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dagegen versteigt sich Wenzel bezüglich der Genese des Konzils zu der absonderlichen These: »Die Kirche in ihrer alltäglichen Verfassung ist so, dass der Papst auf die Idee eines Konzils verfällt.« (S. 9) 

Eine „Geschichte“ des Zweiten Vatikanischen Konzils kann man dieses Buch also nicht nennen. Es ist aber auch keine solide systematisch-theologische Analyse, die sich des historischen Kontextes theologischer Aussagen vergewisserte. Es ist vielmehr der Versuch, eine „dogmatische“ Wissenschaft zu betreiben, deren „Ergebnisse“ nichts anderes als die „Grundüberzeugungen“ des Autors sind.

[1] Giuseppe Alberigo (Hg.), Storia del concilio Vaticano II, 5 Bde, Bologna 1995-2001

Rezensent:
August H. Leugers-Scherzberg

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