Diskussionspapier:
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die Beiträge der Gutachter und Leser bleiben in der Online-Ausgabe
der Zeitschrift dokumentiert.
Jutta Koslowski
Religion und Gewalt. Annäherungsversuche an ein unbewältigtes Problem
1. Einleitung
Im August 2015 haben Truppen der Terrormiliz »Islamischer Staat« den berühmten Baal-Schamin-Tempel in der antiken syrischen Stadt Palmyra in die Luft gesprengt. Video-Aufnahmen des Zerstörungswerkes an dem von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuften Ort wurden im Internet verbreitet.[1] Bereits zuvor waren verschiedene Statuen und Mausoleen in Palmyra vernichtet worden, und es steht zu befürchten, dass diese archäologische Stätte, die zu den bedeutendsten Zeugnissen antiker Kultur im Mittelmeerraum gehört, für immer verloren ist. Das Ausmaß der weltweiten Entrüstung angesichts dieses Gewaltaktes hielt sich in Grenzen. Zu sehr haben wir uns inzwischen daran gewöhnt, dass solche Gräueltaten verübt werden und dass wir dem machtlos gegenüberstehen. Dies gilt erst recht für Attentate auf Menschen, wie sie fast täglich von IS, Boko Haram und zahllosen anderen größeren und kleineren Terrorgruppen verübt werden.[2]
Was löst die Wahrnehmung solcher Nachrichten bei uns aus? Ein
Gefühl der Hilflosigkeit zunächst, aber auch Zorn und
Ablehnung gegenüber den fanatischen Tätern von zumeist
muslimischer Herkunft. Ist der Islam eine gewaltbereite Religion?
Dieser Gedanke macht Angst – Angst vor der eigenen Intoleranz.
Schließlich geht es nicht an, eine der etablierten Weltreligionen
grundsätzlich in Frage zu stellen. Dies könnte das friedliche
Zusammenleben zwischen Anhängern verschiedener Religionen
gefährden und die zu recht gefürchteten religiösen
Konflikte weiter verstärken.[3]
Deshalb lautet die in westlichen Medien häufig anzutreffende
Erklärungsstrategie im Hinblick auf diese Verbrechen etwa so: Die
Täter sind keine wirklichen Muslime. Sie berufen sich zu Unrecht
auf den Islam und missbrauchen ihre eigene Religion.[4] In Wirklichkeit
sind das kranke Menschen, Verrückte – und die hat es schon immer
und überall gegeben. Wir dürfen uns davon nicht irre machen
lassen und müssen ihnen gemeinsam im Namen von Vernunft und
Humanität entgegentreten.
Meiner Ansicht nach greift dieses Deutungsmuster zu kurz. Hier wird ein
drängendes Problem globalen Ausmaßes verharmlost, indem es
individualisiert und auf die persönliche Dimension reduziert wird
(„Verrückte“). Tatsächlich sind neben der
Persönlichkeitsstruktur der Täter noch zahlreiche weitere
Aspekte von Bedeutung: Wie ist es um die wirtschaftliche Situation in
jenen Ländern bestellt, wo sich Gewaltakte häufen? Welches
Bildungssystem gibt es dort und welche Zukunftsperspektiven haben die
Menschen? Wer liefert die Waffen in akute Krisenregionen, und wer
verdient daran? Darüber hinaus gebührt kulturphilosophischen
Fragen mehr Beachtung:[5]
Welche Auswirkung haben Kolonialismus,
Imperialismus und die Vorherrschaft der westlichen Kultur auf das
Selbstbewusstsein und das kulturelle Selbstverständnis der
Menschen im mittleren Osten? Welche Ohnmachtserfahrungen machen sie und
welche Möglichkeiten haben sie, diese zu kompensieren? Und nicht
zuletzt gehört zum Forschen nach den Hintergründen auch die
ehrliche Auseinandersetzung mit dem Problem von Religion und Gewalt.
Eine Abwehrhaltung – nach dem Motto „Das hat doch nichts mit Religion
zu tun!“ – ist zwar verständlich und mag beruhigend wirken, aber
sie reicht als Erklärung nicht aus.[6]
Deshalb werden hier einige
weitere Annäherungsversuche an das Problem von Religion und Gewalt
unternommen.[7] Die
folgenden Thesen sollen dabei entfaltet werden:
* Gewalttaten, wie sie von IS und anderen Terrorgruppen verübt werden, sind neben anderen Ursachen auch religiös motiviert.
* Das Verhältnis von Religion und Gewalt ist ein in der islamischen Tradition bislang nicht befriedigend gelöstes Problem. Sich dieser Frage zu stellen ist eine wichtige Zukunftsaufgabe; solange sie nicht bewältigt wird, kann ein friedliches Zusammenleben zwischen verschiedenen muslimischen Gruppen und mit Angehörigen anderer Religionen kaum gelingen.
* Mit dem problematischen Verhältnis von Religion und Gewalt steht der Islam keineswegs allein da. Auch im Christentum gibt es zahlreiche Beispiele für eine religiös motivierte Rechtfertigung von Gewalt. Dies trifft gleichfalls für das Judentum zu. Letztlich liegen die Wurzeln dieser Tradition in der Hebräischen Bibel – von Judentum und Christentum hat der Koran dieses schwierige Erbe übernommen. Diese drei monotheistischen Religionen sind gemeinsam herausgefordert, sich mit dem Problem von Religion und Gewalt zu beschäftigen.
* Hierzu bedarf es der kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Heiligen Schriften. Wir müssen gewaltverherrlichende Traditionen in unserer eigenen Überlieferung erkennen, benennen und uns mutig von ihnen distanzieren. Ein stillschweigendes Verharmlosen reicht hierfür nicht aus.
2. Können terroristische Gewaltakte religiös motiviert sein?
Die genuin religiöse Motivation terroristischer Gewaltakte wird im medialen und wissenschaftlichen Diskurs in der westlichen Welt häufig bestritten. Gewalt wird – völlig zu Recht – als Fehlform bzw. Missbrauch von Religion betrachtet. Deshalb gehen viele davon aus, dass die Religion hier ihrer selbst entfremdet und instrumentalisiert wird. Jedoch sollten wir uns klarmachen, dass auch der Missbrauch eine Form des (fehlgeleiteten) Gebrauchs von Religion darstellt. Es ist meines Erachtens nicht angemessen, den Selbstmordattentätern ihren Glauben abzusprechen. Schließlich geben sie selbst häufig Begründungen für ihre Taten ab, und diese gilt es ernst zu nehmen. Allahu akbar („Gott ist groß!“) rufen viele von ihnen,[8] bevor sie sich in die Luft sprengen, oder sie hinterlassen dieses Vermächtnis in schriftlicher Form. In Internet-Botschaften werden die Gewalttaten häufig religiös legitimiert. So sind die Tempel von Palmyra in die Luft gesprengt worden, weil sie Zeugnisse von Vielgötterei und Unglaube seien und Allah gebiete, solchen Götzendienst auszurotten.[9] Die damals 14-jährige Schülerin MALALA YOUSAFZAI wurde am 9. Oktober 2012 in Pakistan auf dem Heimweg von der Schule von Taliban aus unmittelbarer Nähe in den Kopf geschossen, weil der Koran lehre, dass der Schulbesuch für Mädchen verboten sei.[10] Die islamische Terrorgruppe Boko Haram (zu Deutsch etwa „Westliche Bildung ist Sünde“) hat im Norden Nigerias in den letzten Jahren zahlreiche Kirchen zerstört und Hunderte Christen ermordet.[11] In der Nacht vom 14. auf den 15. April 2014 wurden von ihr in der Stadt Chibok 276 Schülerinnen einer christlichen Internatsschule entführt; am 12. Mai 2014 tauchte ein fast einstündiges Bekennervideo auf, worin einige der Entführten gezeigt werden, die verschleiert Koranverse zitieren, verbunden mit der Behauptung, sie seien zum Islam konvertiert.[12][13] An einer Universität in der kenianischen Stadt Garissa wurden am 2. April 2015 148 junge Menschen durch die von Somalia aus operierende islamistische Miliz al-Shabaab hingerichtet; dabei wurde gezielt auf Christen geschossen.[14] Diese Beispiele ließen sich leider noch um viele weitere vermehren. Zuletzt sind sie in der schrecklichen Attentatsserie kulminiert, die am Abend des 13. November 2015 durch den IS in Paris verübt worden ist.[15]
In Libyen wurden im Februar 2015 21 koptische Christen durch die IS enthauptet; im April 2015 wurden dort nochmals etwa 30 Kopten enthauptet bzw. erschossen. In der halbstündigen Video-Botschaft, die dieses Verbrechen dokumentiert, heißt es: „Unsere Schlacht ist eine Schlacht zwischen Glaube und Gotteslästerung.“
Zwar gibt es auch Fälle von Verbrechen, die fanatisierte
Christen,[16] Juden,[17] Hindus[18] oder andere[19] verüben, doch werden
gegenwärtig die meisten religiös motivierten Gewalttaten von
Muslimen begangen (und richten sich vor allem gegen muslimische Opfer).
Tatsächlich gibt es in der koranischen Überlieferung viele
Anknüpfungspunkte, auf die sich die Täter berufen können
(wir werden im nächsten Abschnitt darauf zurückkommen).
Vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet stellt eine
terroristische Gewalttat einen seelischen Kraftakt dar, der zu seiner
Umsetzung besonderer Mechanismen bedarf.[20] Denn die geltenden
gesellschaftlichen Konventionen werden hier außer Geltung
gesetzt, und die Stimme des eigenen Gewissens wird übertönt.
Die normalerweise stark wirksame Tötungshemmung muss ausgeschaltet
werden. Zu dieser Enthemmung ist das Ich nur fähig, wenn es sich
gleichsam selbst entgrenzt. Gruppendynamische Prozesse spielen
hierfür eine bedeutende Rolle – aber auch eine religiös
motivierte Sanktionierung des grundsätzlich Verbotenen ist ein
wichtiger Faktor. Deshalb spielen religiöse bzw. ideologische
Motive in vielen Terrororganisationen eine zentrale Rolle (wobei
»Ideologie« hier Strukturanalogien zu
»Religion« aufweist; Ideologie ist demnach die
quasi-religiöse Überhöhung der eigenen
Überzeugungen).[21]
Zu dem fatalen Fehlschluss „Der Zweck heiligt
jedes Mittel“ kann man nur gelangen, wenn der Zweck in seiner Bedeutung
absolut gesetzt und der Sphäre der Immanenz und des
gesellschaftlichen Konsenses enthoben wird. Hierfür sind
religiöse Denkmuster besonders geeignet, weil sie per se über
die Immanenz hinaus auf die Transzendenz verweisen und von absolut
gültigen Werten ausgehen. Insofern sind religiös
geprägte Menschen stärker als andere der Gefahr von
Intoleranz und Unduldsamkeit ausgesetzt und müssen sich bewusst
damit auseinandersetzen, um diesen Versuchungen nicht zu erliegen.
Bei sogenannten »Offenbarungsreligionen«, zu denen der
Islam (ebenso wie Christentum und Judentum) gehört, kommt noch ein
besonderes Problem hinzu: Der Wahrheitsgehalt einer religiösen
Überzeugung muss sich letztlich nicht im intellektuellen Diskurs
intersubjektiv bewähren, sondern traditionell gilt folgende
Argumentationsstruktur: „X ist wahr, weil Gott es so offenbart hat. –
Woher wissen wir, dass Gott dies offenbart hat? – Weil Gott das
ebenfalls offenbart hat bzw. weil es in der von ihm offenbarten
Heiligen Schrift so geschrieben steht.“ Solange man von der
Verbalinspiration der eigenen Heiligen Schrift bzw. von ihrer
Unfehlbarkeit ausgeht, kommt in der Tat alles darauf an, was dort
geschrieben steht. Ein Spielraum ergibt sich lediglich dadurch, wie man
die schriftliche Überlieferung auslegt – aber je
unmissverständlicher etwa die Aufforderung zu Gewalt in der
Schrift enthalten ist, desto schwerer wird es, dieses problematische
Erbe durch Neu-Interpretation zu überwinden. Ein
eindrückliches Beispiel hierfür stellt der »Offene
Brief an al-Baghdadi und ISIS« vom 19. September 2014 dar, der
von mehr als 120 hochrangigen islamischen Religionsgelehrten aus der
islamischen Welt unterzeichnet worden ist.[22] Er setzt sich kritisch mit
dem Terror des IS auseinander und verurteilt diesen im Namen des Koran.
Zugleich wird die Problematik eines solchen Unterfangens in diesem
Dokument deutlich vor Augen geführt: Die Parteinahme gegen Gewalt
erfolgt nicht im Namen der Humanität oder der Menschenrechte,
sondern ausschließlich auf der Grundlage und innerhalb der
Grenzen des Koran. So wird zwar in aller wünschenswerten Klarheit
konstatiert: „Es ist im Islam verboten, Unschuldige zu töten. Es
ist im Islam verboten, Sendboten, Botschafter und Diplomaten zu
töten; somit ist es auch verboten, alle Journalisten und
Entwicklungshelfer zu töten. [...] Es ist eine Pflicht, die
Jesiden als Schriftbesitzer zu achten. Die Wiedereinführung der
Sklaverei ist im Islam verboten. Sie wurde durch universellen Konsens
aufgehoben. Es ist im Islam verboten, Menschen zur Konvertierung zu
zwingen. Es ist im Islam verboten, Frauen ihre Rechte zu verwehren.“[23]
Doch zugleich wird in dem Abschnitt über Körperstrafen
erklärt: „Körperstrafen sind im Koran und in den Hadithen
festgelegt und sind gemäß islamischem Recht zweifellose
Pflichten“[24] – auch
wenn sie nur unter bestimmten Bedingungen und mit
Bedacht angewendet werden sollten. Die grundsätzliche
Schwäche dieser Erklärung ist, dass sie auf einem
fundamentalistischen Verständnis des Koran beruht. Sie postuliert,
„dass alles im Koran die Wahrheit und alles in den authentischen
Hadithen des Propheten göttliche Inspiration ist. Daher ist die
geringste Missachtung einer Textstelle nicht erlaubt.“[25] Dadurch wird
eine Fundamentalkritik an einzelnen Aspekten der Überlieferung und
ein substanzieller Erkenntnisfortschritt oder gar Paradigmenwechsel im
Licht neuer Erkenntnisse ausgeschlossen.
In jedem Fall bedarf es zu solchen Erklärungen eines erheblichen
Aufwandes an Gelehrsamkeit, und es ergibt sich eine hohe Verantwortung
der religiösen Führer, ihre modernen Einsichten durch Predigt
und Unterricht unters Volk zu bringen. Wenn sie dies
vernachlässigen bzw. statt dessen eine intolerante Auffassung des
Glaubens verbreiten oder wenn es eine große Zahl von
Gläubigen mit geringem Bildungsstand gibt, dann kann eine Religion
ihr gefährliches Potenzial entfalten. Genau dies lässt sich
derzeit in Ländern wie Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien,
Libyen, Nigeria, Somalia und anderen beobachten, die sich in einem
Prozess politischer Destabilisierung befinden und in denen Wirtschaft
und Bildung unterentwickelt sind.
Seit der Zäsur, die der Terroranschlag vom 9. September 2001
bedeutet (gerade hat er sich zum fünfzehnten Mal gejährt),
ist eine intensive Debatte über den Zusammenhang von Religion und
Gewalt entstanden, und zahlreiche Bücher und Aufsätze sind zu
diesem Thema veröffentlicht worden. Die Frage, ob bzw. in welcher
Weise Religion ursächlich (mit-) verantwortlich ist für
(terroristische) Gewalt wird dabei unterschiedlich beantwortet: Das
Meinungsspektrum reicht von einseitigen Schuldzuweisungen an die
Religionen im Allgemeinen bzw. den Islam im Besonderen bis hin zu der
These, dass Gewalt nicht religiös motiviert sei (und die Religion
allenfalls sekundär zu ihrer Rechtfertigung herangezogen werde).[26]
Die gegensätzlichen Standpunkte in dieser Frage bzw. das
Bemühen um eine differenzierte Betrachtungsweise kommen bei
etlichen Publikationen bereits im Titel zum Ausdruck, z.B.:
»Religionen als Sündenböcke und
Hoffnungsträger«;[27]
»Konflikt- und Friedenspotenziale
in den Weltreligionen;[28]
»Religionen – Kraft zum Frieden oder
Ursache von Gewalt?«[29]
oder »Religionen als Friedensstifter
und Gewalterzeuger«.[30]
Dabei scheint sich im Diskurs ein Konsens
abzuzeichnen, dass Religionen im Hinblick auf das Problem von Gewalt
sowohl das Potential haben, eskalierend als auch deeskalierend zu
wirken, dass sie diesbezüglich also zutiefst ambivalent sind.[31]
Die Überzeugung von der Ambivalenz der Religionen ist bei
zahlreichen Veröffentlichungen ebenfalls am Titel abzulesen – etwa
bei dem zu diesem Thema als Standardwerk geltenden Buch von SCOTT
APPLEBY »The Ambivalence of the Sacred«.[32] Ich möchte
mich der Ambivalenzthese anschließen – jedoch betonen, dass die
Kritik an der Religion damit keineswegs entschärft wird (nach dem
Motto: Alles hat eben seine Licht- und Schattenseiten). Vielmehr bin
ich der Überzeugung, dass die Tatsache, dass Religionen
gewaltfördernd wirken können, eine große Gefahr
darstellt.[33]
Außerdem scheinen mir in der gegenwärtigen
politischen Situation die beiden Pole »Friedensstifter« und
»Gewalterzeuger« nicht gleichermaßen wirksam zu sein,
sondern das Gewaltpotential insbesondere der monotheistischen
Religionen ist besonderer Beachtung wert.
Auf die Problematik von monotheistischen Religionen hat zuerst JAN
ASSMANN mit einer Reihe von vieldiskutierten Beiträgen aufmerksam
gemacht.[34] Er hat dabei
Zustimmung, aber auch viel Widerspruch
erfahren[35] – vor allem
aus den Kreisen von Theologen und Vertretern der
Kirchen, die sich durch seine Thesen zu recht in ihrer Identität
in Frage gestellt sehen. Dies hat ASSMANN zu einigen Klarstellungen und
Präzisierungen geführt[36]
– wobei die Grundthese aufrecht
erhalten blieb, nämlich dass der Monotheismus in besonderer Weise
dazu tendiert, das Gewaltpotential der Religion zu entfalten.[37] Auch
dieser These möchte ich mich hier anschließen.
3. Ist der Islam eine gewaltverherrlichende Religion?
Der Islam ist eine weltweit verbreitete Religion mit einer 1400 Jahre währenden Geschichte, und er existiert in vielfältigsten Ausprägungen. Insofern ist er ein komplexes Phänomen und muss differenziert betrachtet werden. Die hier angestellten Überlegungen können also nur allgemeine Hinweise sein. Während der Anfangszeit, zu Lebzeiten Mohammeds (570/73–632) hat sich diese Religion vorwiegend durch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Mekka und Medina ausgebreitet; militärische Siege galten dabei als Beweis für die Unterstützung durch Gott, und Andersgläubige wurden zum Teil mit Gewalt vertrieben.[38] In späteren Jahrhunderten hat sich in jenen Gegenden, wo ein islamisches Gemeinwesen entstanden war, eine im Vergleich zur damaligen Zeit tolerante Religionspolitik etabliert: Christen und Juden wurden nicht (wie im christlichen Europa üblich) zur Bekehrung oder Auswanderung gezwungen bzw. mit dem Tod bedroht, sondern sie konnten als religiöse Minderheit in einer untergeordneten, aber rechtlich abgesicherten Stellung leben.[39] Sie galten als Schutzbefohlene (Dhimmi) und hatten dafür eine jährliche Kopfsteuer (Dschizya) zu entrichten. Als Blütezeit islamischer Toleranz und Gelehrsamkeit kann das »Goldene Zeitalter« auf der iberischen Halbinsel vom 10. bis zum 15. Jahrhundert gelten,[40] das durch die christliche Reconquista der »katholischen Könige« Ferdinand II. und Isabella I. im Jahr 1492 ein jähes Ende nahm. Auch im Osmanischen Reich wurde vom 14. bis zum 20. Jahrhundert religiösen Minderheiten wie Christen und Juden, aber auch kleineren Gruppen wie Drusen und Jesiden relative Freiheit gewährt.
Es scheint so zu sein, dass in islamischen Ländern eine tolerante
Religionspolitik am ehesten praktiziert werden kann, wenn der Islam
eine gesicherte Stellung innehat und sich die Angehörigen anderer
Religionen in einer klar untergeordneten Position befinden. Denn dann
gestalten sich die Verhältnisse so, wie es im Koran vorgesehen ist
– es besteht Übereinstimmung zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ist
dies nicht der Fall, entstehen konzeptionelle Dissonanzen und
gesellschaftliche Spannungen, die sich in Gewalt entladen können.
So ist es kein Zufall, dass der Genozid an den Armeniern, mit denen
Türken und Kurden seit Jahrhunderten zusammengelebt hatten
(wenngleich nicht ohne immer wieder aufbrechende Konflikte) sich in den
Jahren 1915–17 ereignete, also zu Beginn des Ersten Weltkrieges, als
der Untergang des Osmanisches Reiches zum Verlust der einstmaligen
Vormachtstellung im Nahen Osten führte.
Spätestens seit dieser Zeit hat nicht mehr die muslimische Welt,
sondern die »westliche Welt« eine globale Vormachtstellung
inne. Die USA gelten seit dem Ende des Kalten Krieges wirtschaftlich,
militärisch und kulturell als die »Supermacht«, der
durch Länder wie Russland und China nicht ernsthaft Konkurrenz
gemacht werden kann (und auch nicht durch Saudi Arabien oder einen
anderen Staat, der zum islamischen Einflussbereich gehört). Dies
trägt zu einem Unterlegenheitsgefühl in weiten Teilen der
islamischen Umma bei. Als Gegenreaktion werden von manchen Muslimen
militante Aspekte in der muslimischen Tradition verstärkt
hervorgehoben.[41] Die
Gefahr dabei ist: Militante Aspekte sind im Islam
in der Tat vorhanden – nicht nur im Hinblick auf seine Entstehung und
Geschichte, sondern auch in der religiösen Quellenschrift, im
Koran selbst.[42] Weil
dieser Heiligen Schrift ein überzeitlicher
normativer Charakter zukommt, erhält das Problem von Religion und
Gewalt besondere Brisanz.
Wenn man den Koran zur Hand nimmt und unvoreingenommen darin liest,
kann man den Eindruck gewinnen, dass das Thema »Kampf gegen die
Ungläubigen« darin eine bedeutende Rolle spielt. Es ist zwar
nicht das Hauptanliegen in diesem Buch (dies ist vielmehr die
Größe und Einzigkeit Gottes), aber die Auseinandersetzung
mit Andersgläubigen erscheint als eines der zentralen Motive
(gemeinsam mit dem Bekenntnis zur Barmherzigkeit Gottes, der Frage nach
Schuld und Vergebung und der Aufforderung zu einem rechtschaffenen
Leben). Entsprechend der Eigenart des Koran sind die Abschnitte, in
denen von Kampf (arabisch Dschihad), Feindschaft, Strafe und Gewalt die
Rede ist, nicht systematisch geordnet, sondern sie erscheinen über
alle Suren hinweg verstreut. So heißt es z.B. in Sure 3 (um ein
beliebiges Beispiel herauszugreifen): „Wahrlich die, welche die Zeichen
Allahs leugnen, erhalten große Strafe; denn Allah ist
mächtig und vermag zu vergelten.“ (V. 5);[43] „Den verstockten
Ungläubigen hilft bei Allah weder Reichtum noch Kinder:
Ungläubige werden Nahrung des Höllenfeuers. [...] Schon hat
sie Allah in ihren Verbrechen erfasst, und Allah ist der streng
Bestrafende. Sprich zu den Ungläubigen: Ihr sollt besiegt und in
die Hölle verstoßen werden und dort eine unselige
Lagerstätte haben.“ (V. 11–13); „Gehorcht Allah und seinen
Propheten; wendet ihr euch aber ab, so wisst, dass Allah die
Ungläubigen nicht liebt.“ (V. 33); „Die Ungläubigen werde ich
(Allah) in dieser und in jener Welt hart bestrafen, und niemand wird
ihnen helfen. [...] Die Frevler liebt Allah nicht.“ (V. 57 f.); „Wer
eine andere Religion als den Islam sucht – nie möge er sie
annehmen –, der gehört im zukünftigen Leben gewiss zu den
Verlorenen.“ (V. 86). Als weitere Verse in der gleichen Sure
ließen sich nennen: V. 87–90; V. 117; V. 119; V. 128 f.; V. 140;
V. 142; V. 150–152; V. 178; V. 196 und V. 198. Die Sure, aus denen
diese Zitate stammen, ist im Koran nicht besonders auffällig; sie
vermittelt lediglich einen Eindruck von einer gewissen Tendenz zur
Polemik, welche in diesem Buch erkennbar ist. An anderen Stellen gibt
es auch direkte Aufrufe zur Gewalt von Muslimen gegen
Andersgläubige – vor allem in Sure 9, wo es unter anderem
heißt: „Zieht in den Kampf, leicht und schwer [bewaffnet] und
kämpft mit Gut und Blut für die Religion Allahs“. (9, 41)[44]
Zwar sind diese Verse hier aus dem Zusammenhang gerissen – was aber,
wenn ein Mullah oder ein fundamentalistischer Imam dasselbe tut und sie
dazu benutzt, um Muslime zum »Heiligen Krieg« gegen die
Ungläubigen aufzurufen? Dass dies tatsächlich geschieht und
seine Wirkung nicht verfehlt, wird uns durch die Nachrichten vor Augen
geführt.
Was die Vorstellung vom Heiligen Krieg betrifft, so gibt es in der
reichen Tradition islamischer Gelehrsamkeit zahlreiche
Differenzierungen zwischen den verschiedenen Rechtsschulen. Die
wichtigste davon ist, zwischen dem sogenannten »großen
Dschihad« und dem »kleinen Dschihad«zu unterscheiden:
Der kleine Dschihad ist der Kampf mit Waffengewalt – der große
Dschihad dagegen ist der spirituelle Kampf gegen die eigenen
sündigen Gewohnheiten, und dieser wird als der eigentlich
entscheidende Kampf angesehen. Doch wird dadurch die Berechtigung, ja
Notwendigkeit, unter gewissen Umständen auch mit Waffengewalt im
Namen des Islam zu kämpfen, nicht grundsätzlich bestritten,
und so ist es möglich, dass (anerkannte oder selbsternannte)
muslimische Führer zum Kampf gegen den Westen aufrufen und dies
als »Heiligen Krieg« bezeichnen.
Nicht nur im Koran gibt es zahlreiche Aussagen, die sich als Aufruf zur
Gewalt verstehen lassen – auch in der außerkoranischen
Überlieferung gibt es solche Traditionen. So enthält der
Hadith, eine Sammlung von Aussprüchen Mohammeds, die nicht in den
Koran aufgenommen worden sind, einiges an »Sprengstoff«.
ABU HURAYRA überliefert folgendes Zitat Mohammeds: „Wer stirbt,
ohne an einem Feldzug teilgenommen zu haben und ohne sich mit dem
Gedanken zu tragen, stirbt in einer Art Heuchelei.“[45] An anderer Stelle
zitiert er den Prophet so: „Mir wurde befohlen, gegen die Menschen zu
kämpfen, bis sie sagen: Es gibt keinen Gott außer Gott
(Allah).“[46] ABD ALLAH
IBN ABI AUFA berichtet von dem Spruch: „Ihr sollt
wissen: Das Paradies liegt im Schatten der Schwerter.“[47]
Im Islam und im Koran lassen sich auch etliche Anhaltspunkte für
eine irenische Haltung finden – insbesondere in den frühen
mekkanischen Suren, die vor der Auswanderung Mohammeds nach Medina
(Hidschra) entstanden sind und einen eher spirituellen Charakter als
die späteren medinensischen Suren haben. Doch findet sich auch in
der mekkanischen Periode der Aufruf zum Frieden. Bekannt ist etwa die
Aussage: „Zwingt keinen zum Glauben, da die wahre Lehre vom Irrglauben
ja deutlich zu unterscheiden ist.“ (Sure 2, 257); sie kann als
Bekenntnis zu Toleranz und Religionsfreiheit gedeutet werden.
Ähnlich ist dieser Vers: „Einem jeden Volk gaben wir Religion und
einen offenen Weg. Wenn es Allah nur gewollt hätte, so hätte
er euch allen nur einen Glauben gegeben; so aber will er euch in dem
prüfen, was euch zuteil geworden ist. Wetteifert daher in guten
Werken, denn ihr werdet alle zu Allah heimkehren, und dann wird er euch
über das aufklären, worüber ihr uneinig wart.“ (Sure 5,
49) Hochschätzung gegenüber den anderen monotheistischen
Religionen kommt in folgenden Worten zum Ausdruck. „All denen – seien
es Gläubige, Juden, Christen oder Sabäer[48] –, wenn sie nur an
Gott glauben, an den jüngsten Tag und das Rechte tun, wird einst
Lohn von ihrem Herrn, und weder Furcht noch Traurigkeit wird über
sie kommen.“ (Sure 2, 63) Noch weiter geht die Behauptung, dass alle
Anhänger der abrahamitischen Religionen letztlich an den gleichen
Gott glauben: „Mit den Schriftbesitzern [Juden und Christen] streitet
nur auf anständige Weise, nur die Frevler unter ihnen seien
ausgenommen, und sagt: »Wir glauben an das, was uns, und an das,
was euch offenbart worden ist. Allah, unser Gott und euer Gott, ist nur
einer, und wir sind ihm ganz ergeben.«“ (Sure 29, 47).
Manche dialogbereite Muslime bezeichnen deshalb den Islam als „eine
Religion der Spiritualität, Ethik, Vernunft, Gerechtigkeit und
Toleranz“.[49] Obgleich
dies zweifellos in bester Absicht geschieht, ist
es meiner Auffassung nach wenig hilfreich, weil die problematischen
Aspekte nur überwunden werden können, indem man sie offen
anspricht und kritisch betrachtet – nicht wenn man sie verleugnet und
verdrängt. HEINZ-GÜNTHER STOBBE kommt in seinem informativen
und differenzierten Werk zum Thema »Religion, Gewalt und
Krieg« zu dem Schluss: „Nicht der »Krieg gegen den
Terrorismus« wird diese Krankheit des Geistes heilen, sondern
allein, wenn überhaupt, der Islam. Es ist die Gemeinschaft der
Muslime, die den islamischen Extremismus als ihre gefährlichste
Bedrohung begreifen lernen muss, anstatt sein mörderisches Treiben
»mit klammheimlicher Freude« zu begleiten. Ihr Heiliger
Krieg wäre einer mit theologischen und geistlichen
»Waffen«, den einzigen, die einer friedfertigen Religion zu
Gebote stehen.“[50] Ein
beeindruckendes Beispiel für die
Bereitschaft zu innerislamischer Selbstkritik hat jüngst NAVID
KERMANI in seiner viel beachteten Dankesrede zur Verleihung des
Friedenpreises des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche in
Frankfurt gegeben.[51]
4. Ist das Christentum eine gewaltverherrlichende Religion?
Diese Frage mag für einige provozierend wirken: Das Christentum gilt doch als die »Religion der Nächstenliebe«, und Jesus war zweifellos kein »Hassprediger«. Jedoch ist bei der Auseinandersetzung mit der schwierigen Frage nach Religion und Gewalt jede Überheblichkeit gegenüber anderen Religionen unangebracht und die Bereitschaft zur Selbstkritik notwendig.
Gewiss treten Christentum und Kirche gegenwärtig vor allem als
spirituelle und caritative Instanzen in Erscheinung. Aber ein Blick
zurück in die Geschichte des christlichen Abendlandes belehrt uns,
dass es hierzulande früher nicht humaner zuging als andernorts
noch heute. Fast alles, was in muslimisch geprägten Kulturen als
rückständig kritisiert wird, war in noch nicht allzu ferner
Vergangenheit bei uns gang und gäbe: ob es um die Verschleierung
von Frauen geht oder um Gewalt in der Ehe, um die Verweigerung von
Frauenrechten, um Körperstrafen, Todesstrafe oder um Sklaverei –
die Ähnlichkeiten zwischen Orient und Okzident sind bemerkenswert.
Zwar kann man einwenden, dass sich die Phänomene nicht einfach
vergleichen lassen, weil es sich um unterschiedliche Kulturkreise in
verschiedenen Jahrhunderten handelt. Auch wird manchmal behauptet, dass
die Anwendung von Gewalt in früheren Zeiten weiter verbreitet und
daher weniger anstößig gewesen bzw. mit einem anderen
Maßstab zu bewerten sei. Dennoch ist daran festzuhalten, dass aus
Sicht der Opfer Gewaltanwendung stets abgelehnt wird und es hierbei
einen unversalen und diachronen Konsens gibt.
Was hat das nun mit Religion zu tun? Die genannten Missstände
waren in der mittelalterlichen Gesellschaft nicht einfach nur
vorhanden, sondern sie wurden von der Religion (in diesem Fall vom
Christentum) ideologisch legitimiert, ja sogar systematisch
befördert. Die verhängnisvolle Rolle, welche die Kirche im
Zusammenhang mit Bücherzensur, Inquisition und Ketzerverfolgung
gespielt hat, ist bekannt. Gerechtfertigt wurde das gewaltsame Vorgehen
gegen Andersgläubige mit dezidiert theologischen Argumenten, wie
sie etwa von dem Dominikaner HENRICUS INSTITORIS (um 1430–1505) in
seinem Buch „Der Hexenhammer“ (Malleus Maleficiarum) vorgebracht
wurden.[52] Auf den
Fahnen der Kreuzritter, die das Heilige Land
militärisch zurückerobern wollten, stand geschrieben Deus lo
vult („Gott will es!“), und noch im 1. Weltkrieg war auf deutschen
Kanonen die Inschrift eingraviert „Mit Gott für König und
Vaterland“, und Geistliche auf allen Seiten der Front segneten die
Waffen. Diese Beispiele sind Hinweise darauf, dass die Religion (in
diesem Fall das Christentum) als einer der ursächlichen bzw.
verstärkenden Faktoren für Gewalt wirksam werden kann.
Das Verhältnis von Religion und Gewalt hat viele Facetten. Bei
manchen altehrwürdigen Kirchen muss man erschrecken über das
Ausmaß an Brutalität, das sich in ihrem Bildprogramm
vermittelt. In katholischen Kirchen sieht man vorzugsweise
Darstellungen von Heiligen; diese sind nicht zuletzt dadurch
qualifiziert, dass sie für ihren Glauben eines gewaltsamen Todes
gestorben sind (immerhin: sie sind nicht Täter, sondern Opfer),
und dargestellt sind sie mit ihren charakteristischen Attributen –
zumeist Folterwerkzeugen. Da kann man bisweilen die Heilige AGATHA VON
CATANIA sehen, wie sie die beiden Brüste, die ihr abgeschnitten
wurden, auf einem silbernen Tablett vor sich her trägt; gemeinsam
mit LUCIA, der die Augen ausgerissen wurden (nachdem sie bereits
verbrannt und mit siedendem Öl übergossen worden war und man
ihr mit einem Schwert die Kehle durchgeschnitten hat); daneben den
Heiligen SEBASTIAN, durchbohrt von Pfeilen, KATHARINA, die mit dem Rad
gefoltert wurde usw.[53]
Wenn es sich um eine evangelische Kirche
handelt, stellt sich das Problem in einer zwar gewandelten, aber nicht
weniger gravierenden Weise dar: Statt vieler verschiedener
Heiligenbilder steht hier Jesus am Kreuz im Mittelpunkt, der ja auf
besonders grausame Weise getötet worden ist und dessen gewaltsamer
Tod ins Zentrum des christlichen Glaubens gehört. Dadurch bekommt
die Botschaft des Christentums einen gewissermaßen martialischen
Charakter – das Problem von Religion und Gewalt ist jedenfalls
präsent. So manche Kirche dürfte man mit Kindern eigentlich
gar nicht betreten; ihre künstlerische Ausgestaltung ist nicht
»jugendfrei« – nur haben wir uns inzwischen an den Anblick
des Gefolterten gewöhnt. Wir sind dagegen abgestumpft (eine
verständliche Schutzreaktion) und vermögen den Skandal meist
gar nicht mehr wahrzunehmen, der darin liegt, einen zu Tode Gemarterten
zu verehren.[54] Was,
wenn auf dem Altar einer Religionsgemeinschaft die
lebensechte Abbildung eines auf dem elektrischen Stuhl Hingerichteten
in seinen letzten Zuckungen zu sehen wäre? Wir würden wohl
abgestoßen sein und uns wegen der Pietätlosigkeit
empören, die darin liegt.[55]
Zwar ist Jesus der Gewalt zum Opfer gefallen – aber Gott wird in der
christlichen Kirche auch als Täter, als Verursacher von Gewalt
betrachtet: Kaum eine mittelalterliche Kirche ohne eine Darstellung des
»Weltgerichts«. Das Schicksal der von Gott zur ewigen
Höllenpein Verdammten wird dort anschaulich gezeigt. Diese
Beobachtung führt uns mitten hinein in die Theologie. Ich stelle
die These auf, dass die Lehre von Gott als Richter in Verbindung mit
der ewigen Verdammnis eine wesentliche Ursache für das
problematische Verhältnis von Religion und Gewalt im Christentum
ist. Denn Gott kommt natürlich eine Vorbildfunktion für die
Gläubigen zu. Wenn er all diejenigen Menschen, die anders oder
»falsch« an ihn glauben, bestrafen und quälen (lassen)
darf – dann liegt die Schlussfolgerung nahe, dass auch seine
Anhänger damit ein gutes Werk tun. Dass dies nicht nur eine
hypothetische Spekulation ist, hat sich in der Geschichte gezeigt.
Daraus folgt: Wir sollten uns von der Vorstellung eines vernichtenden
göttlichen Strafgerichts ausdrücklich distanzieren (und sie
nicht einfach nur stillschweigend auf sich beruhen lassen, wie es heute
zumeist geschieht), wenn wir der Gefahr religiös motivierter
Gewalt entgegentreten wollen.
Aber woher kommt die Vorstellung von Gott als Richter und Rächer
überhaupt? Die Antwort auf diese Frage erfordert noch mehr
Ehrlichkeit und Mut, denn sie rührt an das, was vielen Christen in
ihrem Glauben das Heiligste ist – die Heilige Schrift. Leider ist es
so, dass diese Quelle unserer Religion eine Fülle von
gewaltverherrlichenden Aussagen enthält, vor allem in der
Hebräischen Bibel (dem sogenannten Alten Testament).[56] Gewalt wird
hier nicht nur explizit bejaht, sondern – verhängnisvoller noch –
als selbstverständliche Denkvoraussetzung weithin anerkannt.
Daneben gibt es freilich auch wichtige gegenläufige Traditionen,
vor allem bei einigen Propheten, wo Unrecht radikal angeprangert und
die Vision einer gerechten Welt entworfen wird. Wenn hier Kritik an
bestimmten Überlieferungen in der Hebräischen Bibel
geübt wird, dann erfolgt dies keineswegs in antijudaistischer
Tendenz, sondern in Anknüpfung an entsprechende Ansätze im
Reformjudentum und in der liberalen jüdischen Theologie. Was den
problematischen Zusammenhang von Religion und Gewalt betrifft, so
sitzen alle Angehörigen der abrahamitischen Religion in einem Boot
und es geht nicht an, einseitige Schuldzuweisungen vorzunehmen – das
ist die These, die hier vertreten wird. Zugleich bin ich davon
überzeugt, dass wir im ökumenischen und interreligiösen
Dialog inzwischen über das Stadium der Diplomatie hinaus gekommen
sind, wo die »Nichteinmischung in fremde Angelegenheiten«
höflich vermieden wurde – wir sind die engagierte Stellungnahme im
Namen der Freiheit nicht nur uns selbst, sondern auch den anderen
schuldig. Mit einer grundsätzlichen Abwertung des Alten Testaments
im Sinn von MARCION und HARNACK oder gar der NS-Ideologie hat das
nichts zu tun.
Eine der gefährlichsten Geschichten in der Bibel ist die bekannte
Erzählung vom »Glaubensgehorsam« Abrahams (Gen 22,
1–19). Dieser »Stammvater unseres Glaubens« wird von Gott
„geprüft“: Er soll Gott seinen Sohn Isaak opfern. Die Vorstellung,
dass ein Fanatiker um der Religion willen nicht nur einen Mord begeht,
sondern dazu noch an einem unschuldigen, wehrlosen Kind – ja an seinem
eigenen Kind; dass er es fesselt, dann mit einem Messer niedersticht
und den Leichnam schließlich auf einem Altar verbrennt; dass er
dies mit der Wahnvorstellung zu rechtfertigen sucht, Gott habe ihm dies
befohlen... dies übersteigt an Grausamkeit sogar noch, was wir von
Terrorgruppen wie IS bisher zu sehen bekommen haben.
Vielleicht fühlt sich jetzt mancher irritiert und wendet ein: Wie
kann man den überlieferten Text der Bibel so unvermittelt neben
die Gräueltaten von Terroristen stellen? Werden hier nicht
völlig verschiedene Ebenen unzulässig miteinander vermischt?
Zeitstufen, zwischen denen Jahrtausende liegen, in denen sich das
ethische Bewusstsein der Menschheit zweifellos gewandelt hat... Kann
man zwei so unterschiedliche Kulturkreise wie denjenigen des Alten
Orient mit einer postmodernen Gesellschaft vergleichen? Und
schließlich ist zu beachten, dass es zwischen einem literarischen
Text wie Gen 22 und Medienberichten über terroristische
Gewalttaten fundamentale Unterschiede gibt, die eine jeweils eigene
Hermeneutik erfordern. Gewiss sind wir Theologen geschult darin, unser
problematisches Erbe zu verwalten, indem wir die Absicht des
Erzählers dahingehend deuten, dass es hier nicht um den Versuch
des blutigen Ritualmords an einem unschuldigen Kind geht, sondern um
das unbedingte Vertrauen zu Gott. Dennoch möchte ich diese
Geschichte hier ganz bewusst aus einer anderen Perspektive beleuchten
und mit zeitgenössischen Terrorakten kontrastieren, um auf die in
ihr angelegte Gefahr der Verbindung von unbedingtem Glaubensgehorsam,
Fanatismus und Gewaltbereitschaft aufmerksam zu machen und eine bislang
wenig beachtete Spur ihrer Wirkungsgeschichte aufzudecken. Die Zeiten
mögen sich ändern – das Grundproblem bleibt bestehen.
Möglicherweise ist die Geschichte von der »Bindung
Isaaks«, der Akedah (wie sie in der jüdischen Tradition
genannt wird, um das harte Wort »Opfer« zu vermeiden) auch
Ausdruck einer – Gottseidank – überwundenen kulturellen und
religiösen Entwicklungsstufe (ähnlich wie etwa der
Kannibalismus). Nur: Auch heute noch wird diese Erzählung in
unzähligen Predigten so gedeutet, dass Abraham mit seinem
»bedingungslosen Gehorsam« ein Vorbild für uns sei;
als Gott seine Entschlossenheit sah, habe Abraham die Prüfung
bestanden und der Vollzug des Kindesopfers sei nicht mehr nötig
gewesen; deshalb habe Gott in letzter Sekunde eingegriffen und anstelle
des Isaak einen Widder geschickt, der dann auf dem Altar verbrannt
worden sei. Diese Deutung schließt sich an die Worte im
biblischen Text an, wo es heißt: „Der Engel des Herrn [...]
sprach: Ich schwöre bei mir selbst, spricht der Herr, deshalb,
weil du das getan und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht
vorenthalten hast, darum werde ich dich reichlich segnen“. (Gen 22, 16
f.)[57] Dennoch ist eine
solche Interpretation unzumutbar. Die einzige
Auslegung, welche diesen Text meiner Überzeugung nach
erträglich macht, ist diese: Wenn es wirklich so war, dass Gott
Abraham prüfen wollte, dann nicht seinen Glaubensgehorsam, sondern
seinen Glaubensmut. Die Antwort, die Abraham Gott hätte geben
müssen, wäre ein Nein gewesen: „Was auch immer du mir
befehlen magst, ich werde mein Kind nicht töten!“ Vielleicht hat
Gott deshalb bis zum letzten Moment abgewartet, weil er – vergeblich –
auf dieses Nein gehofft hat; als Abraham bei der Prüfung versagte,
hat Gott schließlich selbst das nötige Wort gesprochen und
damit die entscheidende Wendung gebracht. „Da rief ihm der Engel des
Herrn vom Himmel her zu und sprach: Abraham, Abraham! Und er sagte:
Hier bin ich! Und er sprach: Strecke deine Hand nicht aus nach dem
Jungen und tu ihm nichts!“ (Gen 22, 11 f.)
Übrigens: Die Erzählung von Abrahams Opfer ist nicht nur im
Judentum und Christentum bekannt. Der Islam hat sie aus der
Überlieferung dieser beiden Religionen übernommen, und sie
spielt dort eine bedeutende Rolle. Der Felsendom in Jerusalem (nach
Mekka und Medina die drittheiligste Stadt im Islam) soll über dem
Felsen erbaut worden sein, auf dem Abraham seinen Altar errichtet
hatte. Das »Opferfest«, bei dem Abrahams Tat gedacht wird,
ist das höchste unter den (nicht sehr zahlreichen) islamischen
Festen. Zur Erinnerung an das Tier, das Abraham schließlich
anstelle seines Sohnes getötet hat, wird in jeder Familie ein
Schaf geschlachtet – oft eigenhändig, im Hof vor dem Haus. Auch
wenn es sich dabei um ein fröhliches Fest handelt und dabei nicht
die Schlachtung, sondern das gemeinsame Essen im Mittelpunkt steht,
könnte dieses blutige Ritual in Verbindung mit der archaischen
Überlieferung der Religion möglicherweise eine pychologische
Wirkung auf die Beteiligten ausüben und als Archetyp für die
»rituelle Schlachtung« von unschuldigen Opfern um des
wahren Glaubens willen fungieren.[58]
»Gott fordert Opfer – und wir
müssen sie ihm bringen, ohne wenn und aber«: mit diesem
schwierigen Erbe müssen sich Judentum, Christentum und Islam (die
drei »abrahamitischen Religionen«) gemeinsam
auseinandersetzen.
Nur noch ein paar Beispiele zum Thema Religion und Gewalt in der Bibel:
Wunderschön sind die bekannten Verse aus dem 139. Psalm.
„Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am
äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich
führen und deine Rechte mich halten.“ (Ps 139, 9 f.)[59] Weniger
bekannt und schön ist, was sonst noch dort steht: „Ach Gott,
wolltest du doch die Gottlosen töten! [...] Sollte ich nicht
hassen, Herr, die dich hassen, und verabscheuen, die sich gegen dich
erheben? Ich hasse sie mit ganzem Ernst; sie sind mir zu Feinden
geworden.“ (V. 19.21.22) In ähnlicher Weise, wie man in
zahlreichen Kirchengebäuden Abstoßendes findet, so kann man
auch viele Psalmen nur in Auswahl beten. In Ps 137 heißt es am
Schluss: „Tochter Babel, du Verwüsterin! Glücklich, der dir
vergilt dein Tun, das du uns angetan hast. Glücklich, der deine
Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert!“ (Ps 137, 8.9)
Über den König Josia wird berichtet, wie er das Land Juda
»vom Götzendienst gereinigt« hat: die Heiligtümer
anderer Religionen hat er systematisch zerstört (2. Chron 34, 3).
Wie so oft blieb es nicht bei der Gewalt gegen Sachen; sie eskalierte
zum Mord: „Und die geschnitzten und gegossenen Bilder zerschlug und
zermalmte er und streute sie auf die Gräber derer, die ihnen
geopfert hatten. Und die Gebeine der Priester verbrannte er auf ihren
Altären.“ (V. 4) Auch hier wird die religiös motivierte
Gewalt ausdrücklich gutgeheißen: „Er tat, was recht war in
den Augen des Herrn.“ (V. 2)
Schrecklich ist auch die Geschichte vom Prophet Elia und den Priestern
des Gottes Baal (1. Kön 18, 21–46). Elia hat auf dem Berg Karmel
ein »Gottesurteil« erzwungen: In einem religiösen
Wettstreit sollte jede Partei einen Altar bauen und darauf ein Opfer
vorbereiten. Jedoch sollte niemand Feuer daran legen, sondern der
»wahre Gott« sollte Feuer vom Himmel senden und so seine
Anhänger bestätigen. „Da fiel Feuer vom Herrn herab und
verzehrte das Brandopfer [Elias] und das Holz und die Steine und die
Erde; und das Wasser, das im Graben war, leckte es auf. Als das ganze
Volk das sah, da fielen sie auf ihr Angesicht und sagten: Der, Herr, er
ist Gott! Der Herr, er ist Gott! Und Elia sagte zu ihnen: Packt die
Propheten des Baal, keiner von ihnen soll entkommen! Und sie packten
sie. Und Elia führte sie hinab an den Bach Kischon und schlachtete
sie dort.“ (V. 38–40)
Dies soll genügen, um aufzuzeigen, dass das Problem von Religion
und Gewalt in der Bibel grundgelegt ist. Nicht nur im Alten sondern
auch im Neuen Testament finden sich problematische Aussagen hierzu. So
gibt es in den Evangelien eine breite Tradition, welche die Rache
beschreibt, die Gott beim Jüngsten Gericht an seinen Feinden
nehmen wird – diese Worte stammen angeblich aus dem Mund Jesu. Dort
heißt es in der Endzeitrede über den »bösen
Knecht«: „Dann wird der Herr dieses Knechts kommen an einem Tage,
an dem er’s nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt,
und er wird ihn in Stücke hauen lassen und ihm sein Teil geben bei
den Heuchlern; da wird sein Heulen und Zähneklappern.“ (Mt 24, 50
f.)[60] Und wenig
später spricht Gott sein Urteil über
diejenigen, die er verdammt: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das
ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Und sie
werden hingehen zur ewigen Strafe...“ (Mt 25, 41.46)[61] An anderer
Stelle wird die ewige Höllenstrafe anschaulich beschrieben, die
Gott seinem erklärten Feind, dem Satan, und allen Verdammten
bereitet: „Und der Teufel, der sie verführte, wurde geworfen in
den Pfuhl von Feuer und Schwefel, wo auch das Tier und der falsche
Prophet waren; und sie werden gequält werden Tag und Nacht, von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Und wenn jemand nicht gefunden wurde in dem Buch
des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl.“ (Offb 20,
10.15)[62] Bekanntlich
sind diese Vorstellungen in das Bildprogramm
zahlloser Kirchen des Mittelalters eingegangen, die oft schon
außen an ihrem Portal oder aber als überdimensionale Fresken
an der Eingangswand detaillierte Darstellungen des Jüngsten
Gerichts zeigen und so bis heute fortwirken.
Der Glaube an ein göttliches Gericht erfüllt freilich auch
eine wichtige Funktion: Für diejenigen, die unter Ungerechtigkeit
leiden, ist der Gedanke tröstlich, dass es – wenn schon nicht in
dieser Welt – am »jüngsten Tag« Gerechtigkeit geben
wird. Die Unterdrückten aller Jahrhunderte hoffen auf Gott als
Richter. Aus dieser Perspektive ist es bedeutsam, dass Gott nicht
einfach alle Schuld vergibt und Tätern wie Opfern
gleichermaßen Erlösung schenkt, sondern dass zuvor alle
(Un-)Taten aus dem Dunkel der Geschichte ans Licht gebracht werden.
Dieses Bedürfnis kommt in der Vorstellung zum Ausdruck, wonach ein
Engel die Verstorbenen vor den Richterstuhl Gottes geleitet und dort
ihre guten und schlechten Taten in zwei Waagschalen gegeneinander
abwiegt. Eine andere Überlieferung besagt, dass alle Taten der
Menschen (auch die verborgensten) vor Gott in einem Buch festgehalten
werden und dass jeder nach seinem Tod darüber Rechenschaft ablegen
muss. So bedeutsam diese Überlieferungen auch sein mögen: Ich
bin davon überzeugt, dass es möglich und notwendig ist, sie
mit dem Glauben an Gottes allversöhnende Gnade zu verbinden – und
damit die Lehre des Kirchenvaters ORIGENES (185– um 254) von der
apokatastasis panton (der »Wiederbringung aller Dinge«),
die von der Alten Kirche als Häresie verurteilt worden ist, zu
rehabilitieren. Weder geht es darum, leichtfertig Vergebung zu
predigen, noch kann der Glaube an ewige Verdammnis überzeugen.
Denn alle Verbrechen der Menschen – so schwerwiegend sie auch sein
mögen – werden innerhalb der Begrenzung von Raum und Zeit
begangen; deshalb widerspräche es der Gerechtigkeit Gottes, wenn
er darüber eine »ewige« Strafe verhängen
würde. Straftat und Strafe würden dann verschiedenen
Dimensionen zugehören. Das Ausmaß der Strafe würde
dasjenige der Straftat kategorial übersteigen, und Gott würde
dabei nicht gnädig handeln, sondern ungnädig, ja ungerecht.
Darum muss nach der gewissenhaften Gerichtsverhandlung vor dem
Richterstuhl Gottes am Ende die Versöhnung stehen, und es ist
Aufgabe der Theologie, beides zusammen zu denken.
Natürlich gibt es im Christentum viele und gewichtige Stimmen, die
zum Frieden aufrufen und die im Lauf der Geschichte eine segensreiche
Wirkung entfaltet haben.[63]
Hierfür haben wiederum Traditionen aus
dem Alten Testament inspirierend gewirkt (z.B. Jes 2, 4: „Und er [Gott]
wird richten zwischen den Nationen und für viele Völker Recht
sprechen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden
und ihre Speere zu Winzermessern. Nicht mehr wird Nation gegen Nation
das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.“).
Mehr noch gilt dies für das Neue Testament als Quelle für den
christlichen Glauben. So wird die Bergpredigt, die programmatische
Botschaft Jesu, mit den Seligpreisungen eröffnet, wo es
heißt: „Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden
das Land erben. [...] Glückselig die Friedensstifter, denn sie
werden Söhne Gottes heißen.“ (Mt 5, 5.9) Jesus hat sich
gegen seine Verhaftung und seinen gewaltsamen Tod nicht gewehrt und
seinen Jünger PETRUS, der ihn verteidigen wollte,
zurückgewiesen: „Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort! Denn
alle, die das Schwert nehmen, werden durchs Schwert umkommen.“ (Mt 26,
52) Und der Apostel PAULUS mahnt alle Christen: „Wenn möglich, so
viel an euch ist, lebt mit allen Menschen in Frieden.“ (Röm 12,
18) Auch wenn diese Beispiele in ihrer je unterschiedlichen Art hier
nicht exegetisch gewürdigt werden können, seien sie doch in
Erinnerung gebracht, um das irenische Potential der christlichen
Überlieferung anzudeuten.
5. Wie kann das Problem von Religion und Gewalt zukünftig überwunden werden?
Insgesamt haben sowohl das Judentum[64] als auch das Christentum ein problematisches Erbe aus der Bibel übernommen – und der Islam hat es von beiden Religionen geerbt. Wenn sich muslimische Terroristen auf den Koran berufen, so tragen wir Christen in gewissem Maß Mitverantwortung dafür.[65] Juden, Christen und Muslime – jene drei monotheistischen Religionen, die aus der biblischen Überlieferung heraus entstanden sind – sollten sich gemeinsam darum bemühen, die gewaltverherrlichenden Tendenzen in ihrer Tradition zu überwinden.
Der erste Schritt besteht darin, ein kritisches Verhältnis zur
eigenen Überlieferung einzunehmen – sowohl in Bezug auf die
Geschichte als auch im Hinblick auf die schriftlichen Quellen. Solange
die Heilige Schrift als unantastbar gilt, ist es schwer möglich,
inneren Abstand zu ihr zu gewinnen und sich von einzelnen Aspekten zu
distanzieren. Die christliche und auch die jüdische Theologie
haben mit der Methode der »historisch-kritischen Exegese«
des Bibeltextes bereits seit etwa 200 Jahren Erfahrungen gesammelt.[66]
Dabei hat sich gezeigt, dass der Verzicht auf den
Unfehlbarkeitsanspruch der Offenbarung durchaus die Gefahr von
Verunsicherung oder gar Identitätsverlust in sich birgt; in der
Tat stellt sich die Frage, welche Gewissheit der Glaube noch vermitteln
kann, wenn er keine absolute Norm ist, sondern seinerseits der Kritik
der Vernunft unterworfen wird. Dennoch führt dies nicht zur
Selbstauflösung von Religion, sondern lässt die Frage nach
der Wahrheit lediglich in jener Komplexität erscheinen, die ihr
gebührt.
Ein kritisches Verhältnis zur eigenen Überlieferung einnehmen
– das bedeutet in Bezug auf das Problem von Religion und Gewalt: Juden,
Christen und Muslime sollen aufmerksam wahrnehmen, wo Gewalt im Namen
ihrer Religion bejaht wird – sei es physische Gewalt in Form von Kampf
und Krieg, sei es psychische Gewalt durch Glaubenszwang, Zwangstaufe,
Zwangspredigt, Drohbotschaften, Unterdrückung und Verfolgung von
Andersgläubigen, Verbot von Religionswechsel, Bevorzugung einer
einzigen Religionsgemeinschaft, Intoleranz u.a.m. Wir müssen uns
bewusst werden, wo solche Gewaltförmigkeit – explizit oder
implizit, mehr oder weniger subtil – gefördert wird in unseren
Heiligen Schriften, in theologischen Werken, Katechismen und
Schulbüchern, in unseren Gebeten und Liedern, in Kunst und
Folklore. Wir müssen uns ebenso bewusst werden über den
Zusammenhang zwischen unserem Gottesbild und dem Gewaltpotenzial der
Religion, wobei hier komplexe Wechselwirkungen bestehen: Ein
gewalttätiges Gottesbild kann die zwischenmenschliche Aggression
erhöhen; zugleich können menschliche Gewaltvorstellungen auf
Gott projiziert werden und dann wieder auf die Gesellschaft
zurückwirken.
Eine Reflexion dieser Prozesse sowie ein intensiver Diskurs
darüber sind notwendig, um sich in einem nächsten Schritt
emanzipieren zu können. Wichtig ist dabei, dass die
Zurückweisung gewaltförmiger Traditionen ausdrücklich
vorgenommen wird. Dies sei am Beispiel der oben genannten
Erzählung von der Opferung Isaaks durch Abraham verdeutlicht: Es
reicht nicht aus, in einer Predigt oder Abhandlung über diesen
Bibeltext das Thema »Gewalt« zu umgehen und sich auf
weniger anstößige Aspekte zu konzentrieren (etwa die
Bereitschaft, alles loszulassen und Gott ganz zu vertrauen). Die
Gläubigen haben ein Recht darauf, zu erfahren, woran sie bei einer
Geschichte wie dieser sind und was davon zu halten ist. Es ist nicht
die Aufgabe von Theologen, die Religion gegen Kritik in Schutz zu
nehmen; sie sollten eher aufzeigen, wie die Schrift bei Bedarf verneint
und dennoch (oder gerade so, indem wir uns ernsthaft mit ihr
auseinandersetzen) geachtet werden kann.
Schließlich werden wir in Bezug auf das problematische
Verhältnis von Religion und Gewalt nur Fortschritte machen
können, wenn wir – möglichst gemeinsam – ein klares
Bekenntnis zur Gewaltfreiheit aussprechen.[67] Ein solches Bekenntnis ist
nicht gleichbedeutend mit Pazifismus, der sich auf den Bereich des
Politischen bezieht. Wohl aber hat es zur Voraussetzung, das der
Grundsatz der Religionsfreiheit anerkannt wird. Dann kann sich die
Hoffnung erfüllen, die HANS KÜNG mit seinem »Projekt
Weltethos« verbunden hat, nämlich dass die Religionen einen
genuinen Beitrag zum Weltfrieden leisten.[68]
Zur Autorin:
Jutta Koslowski, geb. 1968, Dr. theol., Studium der Theologie, Philosophie und Judaistik in München, Tübingen und Oxford, evangelische Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Lehrbeauftragte für Ökumenische Theologie und Interreligiösen Dialog an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg.
[1] Vgl. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/palmyra-is-veroeffentlicht-fotos-der-tempel-zerstoerung-13768950.html (14.10.2016).
[2] Zum Problem des IS vgl. LOHLKER, RÜDIGER: Die Gewalttheologie des IS: Gewalt, Kalifat und Tod. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 70–98; LOHLKER, RÜDIGER: Theologie der Gewalt. Das Beispiel IS, Wien 2016; SCHNECKENER, ULRICH: Al-Qaida – Terror im Namen Gottes? Religion und transnationler Terrorismus. In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 85–97; zum Phänomen von Selbstmordattentätern vgl. CROITORU, JOSEPH: Der Märtyrer als Waffe. Zur Geschichte und Evolution des Selbstmordattentats. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 54–64; KIPPENBERG, HANS: Die Hamburger Zelle und die Vorbereitung des Kriegszugs. Die geistliche Anleitung für den 11. September. In: DERS.: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008, S. 171–182 und 231–235; SOFSKY, WOLFGANG: Bis in den Abgrund. Held, Märtyrer und Terrorost in einem: Der Selbstmordattentäter. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 65–69.
[3] Zum Gefahrenpotential des Islamismus in Deutschland vgl. PFAHL-TRAUGHBER, ARMIN: Vom Aufbau von Parallelgesellschaften bis zur Durchführung von Terroranschlägen. Das Gefahren- und Konfliktpotential des Islamismus in Deutschland. In: HILDEBRANDT, MATHIAS/BROCKER, MANFRED (Hg.): Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen, Wiesbaden 2005, S. 153–177; SCHIFFAUER, WERNER: Reislamisierung und Radikalisierung. Zur inneren Dynamik des Islam in Deutschland. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 269–289.
[4] So erklärte etwa der deutsche Innenminister THOMAS DE MAIZIÈRE nach dem verheerenden Anschlag auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo: „Terroristische Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun.“ S. https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_Charlie_Hebdo; http://www.sueddeutsche.de/politik/innenminister-de-maizire-zum-angriff-auf-charlie-hebdo-terroristische-anschlaege-haben-nichts-mit-dem-islam-zu-tun-1.2294940 (14. 10. 2016).
[5] Vgl. hierzu den vielbeachteten und umstrittenen Beitrag von HUNTINGTON, SAMUEL: The Clash of Civilizations? In: Foreign Affairs, Jg. 72, 1993, S. 22–49; sowie DERS.: Der Kampf der Kulturen. The Clash of Civilizations. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München 1996.
[6] Zur kontroversen Diskussion um die religiöse Motivation terroristischer Gewalt vgl. WALDMANN, PETER: Wie anfällig sind Religionen für Gewalt? Ein Zwischenresümee des Diskussionsstandes. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 395–426; WALDMANN, PETER: Wie religiös ist der »religiöse Terrorismus«? In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 99–109. WALDMANNs differenzierte Analyse führt zu dem Ergebnis: „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es durchaus genuin religiös inspirierte Gewalt, auch religiösen Terrorismus, gibt, dessen Umfang man jedoch nicht überschätzen sollte, da Religionen in gewissen Situationen nicht nur die Lizenz zum Töten geben, sondern als Systeme eigener Art auch Hindernisse und Restriktionen hervorbringen, die den Gewalteinsatz limitieren.“ (A.a.O., S. 106)
[7] Vgl. als grundlegende Monographien zum Thema u.a.: APPLEBY, R. SCOTT: The Ambivalence of the Sacred. Religion, Violence, and Reconciliation, Lanham 2000; ASSMANN, JAN: Die mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München 2003; BECK, ULRICH: Der eigene Gott. Von der Friedensfähigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen, Frankfurt 2008; DELGADO, MARIANO (Hg.): Friedensfähigkeit und Friedensvisionen in Religionen und Kulturen, Stuttgart 2012; ENNS, FERNANDO/WEIßE, WOLFRAM (Hg.): Gewaltfreiheit und Gewalt in den Religionen. Politische und theologische Herausforderungen (Religionen im Dialog, Bd. 9). Münster/New York 2016; GIRARD, RENÉ: Das Heilige und die Gewalt, Zürich 1987; GNÄNDINGER, FRANZISKA/KELLER, MANFRED/WIEGRÄBE, WINFRIED (Hg.): Religion – Friede oder Gewalt? (Evangelische Hochschul-Dialoge, Bd. 2), Berlin 2008; HEMPELMANN, REINHARD (Hg.): Religionen und Gewalt (EZW-Texte, Nr. 167), Berlin 2002; HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006; HILDEBRANDT, MATHIAS/BROCKER, MANFRED (Hg.): Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen, Wiesbaden 2005; JUERGENSMEYER, MARK: Terror in the Mind of God. The Global Rise of Religious Violence, Berkley/London 2001; KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003; KIPPENBERG, HANS: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008; OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008; RÖHRICH, WILFRIED: Die Macht der Religionen. Glaubenskonflikte in der Weltpolitik, München 2004; SCHIEDER, ROLF: Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008; SCHREINER, KLAUS (Hg.): Heilige Kriege. Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendungen: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich, München 2008; SLOTERDIJK, PETER: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen, Frankfurt 22008; STOBBE, HEINZ-GÜNTHER: Religion, Gewalt und Krieg. Eine Einführung, Stuttgart 2010; WALTER, PETER (Hg.): Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott (Quaestiones disputatae, Bd. 216), Freiburg 2005; WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015; ZINSER, HARTMUT: Religion und Krieg, Paderborn 2015.
[8] So berichteten etwa überlebende Augenzeugen des Attentats auf die Redaktion des französischen Karikatur-Magazins Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 durch die beiden mit al-Quaida im Jemen verbundenen Brüder Saïd und Chérif Kouachi, diese haben Allahu akbar gerufen, während sie wild um sich schossen; vgl. http://www.sueddeutsch e.de/panorama/ueberlebender-schildert-anschlag-es-war-barbarisch-1.2296682 (14. 10. 2016).
[9] Vgl. http://www.tagesschau.de/ausland/syrien-is-palmyra-101.html (14. 10. 2016); http://www.spiegel.de/video/palmyra-is-veroeffentlicht-video-aus-weltkulturerbestaette-video-1580431.html (14. 10. 2016).
[10] Vgl. YOUSAFZAI, MALAL/LAMB, CHRISTINE: Ich bin Malala. Das Mädchen, das die Taliban erschießen wollten, weil es für das Recht auf Bildung kämpft, München 2013; https://de.wikipedia.org/wiki/Malala_Yousafzai (14. 10. 2016).
[11] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Boko_Haram (17. 10. 2016).
[12] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Massenentführung_nigerianischer_Schülerinnen_2014 (17. 10. 2016); http://www.spiegel.de/politik/ausland/nigeria-islamisten-ueberfallen-schule-und-verschleppen-maedchen-a-964577.html (17. 10. 2016).
[13] Vgl. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afrika/neues-is-video-zeigt-massaker-an-christen-13546804.html (17. 10. 2016); https://koptisch.wordpress.com/2015/04/19/massaker-des-is-in-libyen-an-30-athiopischen-christen/ (17. 10. 2016).
[14] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_das_Garissa_University_College (17. 10. 2016); http://www.tagesspiegel.de/politik/terror-in-kenia-fast-150-tote-bei-angriff-auf-uni-in-garissa/11591012.html (17. 10. 2016).
[15] Vgl. http://www.zeit.de/thema/anschlaege-in-paris (18. 10. 2016); http://www.spiegel.de/politik/ausland/attentaeter-von-paris-was-wir-ueber-die-terroristen-wissen-a-1063031.html (18. 10. 2016).
[16] Man denke etwa an den Bombenanschlag des christlichen Fundamentalisten ERIC RUDOLPH am 27. Juli 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta und an die Terrorgruppe Army of God; vgl. auch HOPPE, THOMAS: Krieg und Gewalt in der Geschichte des Christentums. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 25–43 und 130–132; KIPPENBERG, HANS: Amerikanische Protestanten bereiten den endzeitlichen Kriegsschauplatz in Palästina vor. In: DERS.: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008, S. 145–160 und 228–231; KLIMMECK, BARBARA: Katholizismus, Gewalt und Militärdiktatur in Argentinien. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 219–245; BREMER, THOMAS: Geistliche Würdenträger und politische Macht. Orthodoxie in Russland. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 247–265.
[17] Bekannt ist etwa das furchtbare Attentat von BARUCH GOLDSTEIN in der Grabhöhle Abrahams in Hebron am 25. Febraur 1994 oder die Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten YITZCHAK RABIN durch den jüdischen Fundamentalisten JIGAL AMIR am 4. Dezember 1995; vgl. auch KIPPENBERG, HANS: Israels Kriege der Erlösung. In: DERS.: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008, S. 101–122 und 221–225.
[18] Ein trauriger Meilenstein war u.a. die gewalttätige Zerstörung der Babri-Moschee im nordinischen Ayodhya am 6. Dezember 1992 durch fanatisierte Hindus; vgl. auch MEISIG, KONRAD: Krieg und Gewalt im Hinduismus. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 67–82 und 132 f.
[19] Vgl. z.B. SCHMITHAUSEN, LAMBERT: Zum Problem der Gewalt im Buddhismus. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 83–98 und S. 133–138.
[20] Vgl. STAFFORD-CLARK, DAVID/SMITH, ANDREW C.: Psychiatrie. Ein Kompendium, Stuttgart 21991,S. 141–147; EIBL-EIBESFELDT, IRENÄUS: Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten, München 41982, S. 98–101. Vgl. auch ICD-10-GM-2015, F 60.2: Dissoziale Persönlichkeitsstörung.
[21] Vgl. HILDEBRANDT, MATHIAS: Einleitung. In: Ders.: Säkularisierung und Resakralisierung in westlichen Gesellschaften. Ideengeschichtliche und theoretische Perspektiven, Wiesbaden 2001, S. 9–28; HAUSMANNINGER, THOMAS: Ideologie, Ideologiekritik. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Hg. KASPER, WALTER, Bd. 5, Freiburg 2006, Sp. 402 f.
[22] Offener Brief an al-Baghdadi und ISIS. In: http://madrasah.de/leseecke/islam-allgemein/offener-brief-al-baghdadi (18. 10. 2016).
[23] Ebd., Kurzfassung [dem Haupttext vorangestellt], Nr. 6–7 und Nr. 11–14.
[24] Ebd., Nr. 17.
[25] Ebd., Nr. 1.
[26] Einen Überblick zu dieser Diskussion bietet SCHIEDER, ROLF: Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008, S. 48–125, der sich u.a. mit der Instrumentalisierungsthese, der Modernisierungsthese, der Monotheismusthese, der Induktionsthese und der Apokalyptikthese auseinandersetzt. ANDREAS HASENCLEVER unterscheidet vier unterschiedliche Grundpositionen zum Zusammenhang von Religion und Gewalt, nämlich Enthusiasten, Kritiker, Ambivalenztheoretiker und Skeptiker: „Während die Kritiker meinen, dass Religionen gefährlich seien, weil Glaubensdifferenzen immer wieder Kriege provozieren, argumentieren Enthusiasten, dass Religionen richtig verstanden dem Frieden dienen. Eine vermittelnde Position zwischen Kritikern und Enthusiasten vertritt der amerikanische Theologe SCOTT APPLEBY [...] (Ambivalenzthese). Schließlich lässt sich in der Debatte noch eine skeptische Position identifizieren, die vor allem in den Sozialwissenschaften vertreten wird. Hier halten viele Religionen für sekundär: Wenn es um Krieg und Frieden gehe, so seien materielle Faktoren wie Staatsverfassung oder Wirtschaftsleistung ausschlaggebend.“ HASENCLEVER, ANDREAS: Die Menschen führen Krieg und die Götter bleiben im Himmel. Überlegungen zur Religion als Friedenskraft. In: DELGADO, MARIANO (Hg.): Friedensfähigkeit und Friedensvisionen in Religionen und Kulturen, Stuttgart 2012, S. 17–38, hier S. 17 f. – Vgl. auch HÄRING, HERMANN: Konflikt- und Gewaltpotentiale in den Weltreligionen? Religionstheoretische und theologische Perspektiven. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 13–45; HILDEBRANDT, MATHIAS: Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen. In: HILDEBRANDT, MATHIAS/BROCKER, MANFRED (Hg.): Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen, Wiesbaden 2005, S. 9–31.
[27] LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254.
[28] HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006.
[29] SUNDERMEIER, THEO: Religionen – Kraft zum Frieden oder Ursache von Gewalt? In: GNÄNDINGER, FRANZISKA/KELLER, MANFRED/WIEGRÄBE, WINFRIED (Hg.): Religion – Friede oder Gewalt? (Evangelische Hochschul-Dialoge, Bd. 2), Berlin 2008, S. 11–24.
[30] OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008.
[31] Vgl. LEINER, der bei seiner Analyse der vier oben genannten Grundoptionen (Enthusiasten, Kritiker, Ambivalenztheoretiker und Skeptiker) zu dem Schluss kommt: „Alle Positionen haben in einem bestimmten Bereich recht. Im Bereich allgemeiner Aussagen kann die Wahrheit nur die Synthese aller vier Positionen sein. Nur eine Theorie, welche die Wahrheitsmomente aller vier Positionen zu integrieren vermag, ist geeignet, eine einigermaßen umfassende Sicht der Thematik Gewalt und Religion zu vermitteln. Führt man eine solche Synthese durch, dann ergibt sich als logisches Ergebnis eine schwache Ambivalenzthese. Zu dieser Auffassung [...] gelangt man durch folgende Überlegung: Die Synthese einer kritischen und einer enthusiastischen Position führt logisch zu einer ambivalenten Sicht, und diese wiederum führt, mit der skeptischen Sicht verbunden, zu dem Ergebnis, dass Religionen im Hinblick auf Gewalt ambivalent sind, aber nicht immer relevant werden.“ LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254, hier S. 242.
[32] APPLEBY, R. SCOTT: The Ambivalence of the Sacred. Religion, Violence, and Reconciliation, Lanham 2000. Vgl. ebenso KÖRTNER, ULRICH: Religion und Gewalt. Zur Lebensdienlichkeit von Religion in ihrer Ambivalenz. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 99–140; LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254; OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008.
[33] Hier schließe ich mit an HARTMUT ZINSER an, der Religionen als tendenziell „belliziös“ bezeichnet und die These vertritt, „daß Religionen und Kriege auf das Innigste verschlungen und verknüpft sind. [...] Alle Religionen sind nicht friedfertig, ihnen mußte die Friedensliebe aufgedrängt werden.“ ZINSER, HARTMUT: Religion und Krieg, Paderborn 2015, S. 9 und 14.
[34] ASSMANN, JAN: Martyrium, Gewalt, Unsterblichkeit. Die Ursprünge eines religiösen Syndroms. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 122–147; ASSMANN, JAN: Monotheismus und die Sprache der Gewalt. In: WALTER, PETER (Hg.): Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott (Quaestiones disputatae, Bd. 216), Freiburg 2005, S. 18–38; ASSMANN, JAN: Die mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München 2003.
[35] Vgl. zusammenfassend u.a. SCHIEDER, ROLF: Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008, S. 69–88.
[36] Vgl. ASSMANN, JAN: Monotheismus und Gewalt. In: www.perlentaucher.de/cdata/K5/T29/A8079/janassmann.pdf (19. 10. 2016).
[37] Vgl. auch BECK, ULRICH: Der eigene Gott. Von der Friedensfähigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen, Frankfurt 2008; SLOTERDIJK, PETER: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen, Frankfurt 22008; WALTER, PETER (Hg.): Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott (Quaestiones disputatae, Bd. 216), Freiburg 2005.
[38] Vgl. SCHIMMEL, ANNEMARIE: Der Islam. Eine Einführung, Stuttgart 1990.
[39] Vgl. LEWIS, BERNARD: Die Juden in der islamischen Welt. Vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, München 1987; DERS.: Die Welt der Ungläubigen. Wie der Islam Europa entdeckte, Frankfurt 1987.
[40] Vgl. BARRUCAND, MARIANNE/BEDNORZ, ACHIM: Maurische Architektur in Andalusien, Köln 1992.
[41] Dazu kommen in etlichen islamisch geprägten Ländern weitere Faktoren erschwerend hinzu; etwa ein unzureichendes Bildungssystem, geringe Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung, Waffenlieferungen aus dem Ausland in akute Krisenregionen u.a.m.
[42] Vgl. KHOURY, ADEL THEODOR: Krieg und Gewalt im Islam. In: DERS. /GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 45–65 und S. 132; KRÄMER, GUDRUN: Gewaltpotentiale im Islam. In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 239–247; SCHIRRMACHER, CHRISTINE: Der Islam über den Frieden, den Jihad und das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen. In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 259–275.
[43] Koranverse werden hier und im folgenden zitiert nach der Übersetzung von LUDWIG ULLMANN, sofern nicht anders vermerkt. Auf der Problem der Koran-Übersetzung sei ausdrücklich hingewiesen: Viele Muslime betonen, dass seine authentische Bedeutung nur in der arabischen Original-Sprache erfasst werden kann.
[44] Vgl. auch Sure 2, 191; 8, 12; 8, 39; 9, 5; 9, 29; 9, 39; 9, 52; 9, 60; 9, 123; 8, 12; 8, 39; 33, 25 u.a.m.
[45] So sprach der Prophet. Worte aus der islamischen Überlieferung, Hg. KHOURY, ADEL THEODOR, Gütersloh 1988, S. 284.
[46] Ebd., S. 289.
[47] Ebd., S. 285.
[48] Eine christliche Sondergruppe der damaligen Zeit.
[49] RAMEZANI, REZA: Der Islam – Eine Religion der Spiritualität, Ethik, Vernunft, Gerechtigkeit und Toleranz. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 43–56; vgl. mit ähnlich apologetischer Tendenz ABDOLDJAVAD, FALATURI: Toleranz und Friedenstraditionen im Islam. In: DERS.: Der Islam im Dialog. Aufsätze, Köln 41992, S. 75–97.
[50] STOBBE, HEINZ-GÜNTHER: Religion, Gewalt und Krieg. Eine Einführung, Stuttgart 2010, S. 323.
[51] KERMANI, NAVID: Über die Grenzen – Jacques Mourad und die Liebe in Syrien. Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 18. Oktober 2015. In: www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media/php/1290/2015 Friedenspreis Reden.1611966.pdf (19. 10. 2016). Darin konstatiert er: „Es sind nicht nur die schrecklichen Nachrichten und noch schrecklicheren Bilder aus Syrien und dem Irak, wo der Koran noch bei jeder Schweinetat hochgehalten und bei jeder Enthauptung „Allahu akbar“ gerufen wird. Auch in so vielen anderen, wenn nicht den meisten Ländern der muslimischen Welt berufen sich staatliche Autoritäten, staatsnahe Institutionen, theologische Schulen oder aufständische Gruppen auf den Islam, wenn sie das eigene Volk unterdrücken, Frauen benachteiligen, Andersdenkende, Andersgläubige, anders Lebende verfolgen, vertreiben, massakrieren. Unter Berufung auf den Islam werden in Afghanistan Frauen gesteinigt, in Pakistan ganze Schulklassen ermordet, in Nigeria Hunderte Mädchen versklavt, in Libyen Christen geköpft, in Bangladesch Blogger erschossen, in Somalia Bomben auf Marktplätzen gezündet, in Mali Sufis und Musiker umgebracht, in Saudi-Arabien Regimekritiker gekreuzigt, in Iran die bedeutendsten Werke der Gegenwartsliteratur verboten, in Bahrein Schiiten unterdrückt, im Jemen Sunniten und Schiiten aufeinander gehetzt.“ (Ebd., S. 2)
[52] KRAMER, HEINRICH: Der Hexenhammer. Malleus Maleficiarum. Kommentierte Neuübersetzung, Hg. JEROUSCHEK, GÜNTER/BEHRINGER, WOLFGANG, München 2000 [Erstveröffentlichung 1486].
[53] Vgl. KELLER, HILTGART: Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst, Hg. WOLF, NORBERT, Stuttgart 112010.
[54] In der Entstehungszeit des Christentums hat man daran durchaus Anstoß genommen; vgl. 1. Kor 1, 18–29.
[55] Zur grundlegenden Diskussion über den Zusammenhang zwischen Heiligkeit und Gewalt vgl. GIRARD, RENÉ: Das Heilige und die Gewalt, Zürich 1987; HAFNER, JOHANN EVANGELIST: Victim und Sacrifice. Girards Opfertheorie und ihre Anwendung auf Texte des Hinduismus, des Judentums und des Christentums. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 77–104.
[56] Vgl. MÜLLER, HANS-PETER: Krieg und Gewalt im antiken Israel. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 11–23 und 125–130.
[57] Bibelstellen werden hier und im folgenden nach der Revidierten Elberfelder Übersetzung zitiert, sofern nicht anders vermerkt.
[58] Vgl. LEINER, der in seinem Beitrag »Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz des Religiösen in Gewaltkonflikten« acht verschiedene methodische Ansätze unterscheidet, mit deren das Verhältnis von Religion und Gewalt untersucht werden kann; einer davon bezieht sich auf die Analyse von religiösen Praktiken: Dieser „Zugang besteht darin, religiöse Praktiken und Praktiken der Gewalt zu beschreiben und Analogien und Verbindungen aufzuzeigen. Zwischen Opferritualen und Gewaltpraktiken können beispielsweise Analogien und unter Umständen sogar Verbindungen und Übergänge festgestellt werden.“ LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254, hier S. 238.
[59] Luther-Übersetzung.
[60] Luther-Übersetzung.
[61] Luther-Übersetzung.
[62] Luther-Übersetzung.
[63] Vgl. WEINGARDT, MARKUS: Religion als politischer Faktor zur Gewaltüberwindung. In: ENNS, FERNANDO/WEIßE, WOLFRAM (Hg.): Gewaltfreiheit und Gewalt in den Religionen. Politische und theologische Herausforderungen (Religionen im Dialog, Bd. 9), Münster/New York 2016, S. 95–104; als aktuelles Beispiel im Zusammenhang mit dem Islam vgl. BENKE, CHRISTOPH: »Hingegeben, nicht genommen«. Zeugen für Christus im muslimischen Algerien. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015.
[64] Auf das die jüdische Religion kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, jedoch ließen sich hier Parallelen aufzeigen: Von der kriegerischen Überlieferung in der Hebräischen Bibel war oben bereits die Rede; außerdem finden sich gewaltförmige Denkmuster auch bei hochverehrten jüdischen Denkern wie etwa dem berühmten Religionsphilosoph MAIMONIDES (1135/38–1204). In seinem Hauptwerk Mishne Thora schreibt er z.B.: „If a heathen strikes a Jew — an offense for which he deserves death, no matter how slight the wound he inflicts – he is put to death (by the court). [...] A heathen who busies himself with the study of the Law deserves death, [...] The general principle is: none is permitted to introduce innovations into religion or devise new commandments.“ (MAIMONIDES: The Code of Maimonides [Mishne Torah], Bd. 14: The Book of Judges, Hg. HERSHMAN, ABRAHAM (Yale Judaica Series, Bd. 3), New Haven 1949, S. 236 f.). Manche militanten Anhänger des Judentums schrecken vor Gewalt nicht zurück und führen dabei eine religiös motivierte Legitimation für ihre Straftaten an, die den Argumenten anderer Fundamentalisten ähnlich ist. Auf der anderen Seite gibt es auch im Judentum eine aktive Friedensbewegung, die sich nicht zuletzt aus religiösen Quellen speist. In Israel ist dies z.B. Shalom Achshav (engl. Peace Now, dt. Frieden Jetzt), deren Mitglieder sich dafür engagieren, „einen gerechten Frieden und eine historische Versöhnung mit dem palästinensischen Volk wie den arabischen Nachbarn zu erreichen“ (aus der Präambel, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schalom_Achschaw; 20. 10. 2016). Vgl. auch OZ, AMOS: Friede und Liebe und Kompromiß. Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 4. Oktober 1992. In: www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media/php/1290/1992_oz.pdf (20. 10. 2016).
[65] Vgl. RHONHEIMER, MARTIN: Töten im Namen Allahs. Gewalt und theologische Tradition im Islam und Christentum. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 18–41; SCHREINER, KLAUS (Hg.): Heilige Kriege. Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendungen: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich, München 2008.
[66] Inspiriert von SEMLER, JOHANN SALOMO: Abhandlung von freier Untersuchung des Canon, 4 Bde., Hg. SCHEIBLE, HEINZ (Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte, Bd. 5, Gütersloh 21980 [Erstveröffentlichung 1771–75].
[67] Vgl. ZINSER, der seine Monographie über Gewalt und Krieg mit dem Fazit beschließt: „Es wird darauf ankommen, von den Religionen, ihren Anhängern und Amtsträgern zu fordern, daß sie eindeutig und ohne Einschränkung Krieg und allen mit militärischen Mitteln geführten Kampf abweisen und dies vor allem auch gegen Positionen und Gruppen ihrer eigenen Religion öffentlich vertreten. Religionen könnten damit zu einer friedensstiftenden Instanz werden.“ ZINSER, HARTMUT: Religion und Krieg, Paderborn 2015, S. 191.
[68] KÜNG, HANS: Projekt Weltethos, München 131996; Parlament der Weltreligionen: Erklärung zum Weltethos. In: KÜNG, HANS/KUSCHEL, KARL-JOSEF (Hg.): Erklärung zum Weltethos. Die Deklaration des Parlaments der Weltreligionen. München 1993, S. 13–45.
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