Religion und Gewalt Koslowski

Diskussionspapier:

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Jutta Koslowski


Religion und Gewalt. Annäherungsversuche an ein unbewältigtes Problem


1. Einleitung

Im August 2015 haben Truppen der Terrormiliz »Islamischer Staat« den berühmten Baal-Schamin-Tempel in der antiken syrischen Stadt Palmyra in die Luft gesprengt. Video-Aufnahmen des Zerstörungswerkes an dem von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuften Ort wurden im Internet verbreitet.[1] Bereits zuvor waren verschiedene Statuen und Mausoleen in Palmyra vernichtet worden, und es steht zu befürchten, dass diese archäologische Stätte, die zu den bedeutendsten Zeugnissen antiker Kultur im Mittelmeerraum gehört, für immer verloren ist. Das Ausmaß der weltweiten Entrüstung angesichts dieses Gewaltaktes hielt sich in Grenzen. Zu sehr haben wir uns inzwischen daran gewöhnt, dass solche Gräueltaten verübt werden und dass wir dem machtlos gegenüberstehen. Dies gilt erst recht für Attentate auf Menschen, wie sie fast täglich von IS, Boko Haram und zahllosen anderen größeren und kleineren Terrorgruppen verübt werden.[2]


Was löst die Wahrnehmung solcher Nachrichten bei uns aus? Ein Gefühl der Hilflosigkeit zunächst, aber auch Zorn und Ablehnung gegenüber den fanatischen Tätern von zumeist muslimischer Herkunft. Ist der Islam eine gewaltbereite Religion? Dieser Gedanke macht Angst – Angst vor der eigenen Intoleranz. Schließlich geht es nicht an, eine der etablierten Weltreligionen grundsätzlich in Frage zu stellen. Dies könnte das friedliche Zusammenleben zwischen Anhängern verschiedener Religionen gefährden und die zu recht gefürchteten religiösen Konflikte weiter verstärken.[3]


Deshalb lautet die in westlichen Medien häufig anzutreffende Erklärungsstrategie im Hinblick auf diese Verbrechen etwa so: Die Täter sind keine wirklichen Muslime. Sie berufen sich zu Unrecht auf den Islam und missbrauchen ihre eigene Religion.[4] In Wirklichkeit sind das kranke Menschen, Verrückte – und die hat es schon immer und überall gegeben. Wir dürfen uns davon nicht irre machen lassen und müssen ihnen gemeinsam im Namen von Vernunft und Humanität entgegentreten.


Meiner Ansicht nach greift dieses Deutungsmuster zu kurz. Hier wird ein drängendes Problem globalen Ausmaßes verharmlost, indem es individualisiert und auf die persönliche Dimension reduziert wird („Verrückte“). Tatsächlich sind neben der Persönlichkeitsstruktur der Täter noch zahlreiche weitere Aspekte von Bedeutung: Wie ist es um die wirtschaftliche Situation in jenen Ländern bestellt, wo sich Gewaltakte häufen? Welches Bildungssystem gibt es dort und welche Zukunftsperspektiven haben die Menschen? Wer liefert die Waffen in akute Krisenregionen, und wer verdient daran? Darüber hinaus gebührt kulturphilosophischen Fragen mehr Beachtung:[5] Welche Auswirkung haben Kolonialismus, Imperialismus und die Vorherrschaft der westlichen Kultur auf das Selbstbewusstsein und das kulturelle Selbstverständnis der Menschen im mittleren Osten? Welche Ohnmachtserfahrungen machen sie und welche Möglichkeiten haben sie, diese zu kompensieren? Und nicht zuletzt gehört zum Forschen nach den Hintergründen auch die ehrliche Auseinandersetzung mit dem Problem von Religion und Gewalt.


Eine Abwehrhaltung – nach dem Motto „Das hat doch nichts mit Religion zu tun!“ – ist zwar verständlich und mag beruhigend wirken, aber sie reicht als Erklärung nicht aus.[6] Deshalb werden hier einige weitere Annäherungsversuche an das Problem von Religion und Gewalt unternommen.[7] Die folgenden Thesen sollen dabei entfaltet werden:

* Gewalttaten, wie sie von IS und anderen Terrorgruppen verübt werden, sind neben anderen Ursachen auch religiös motiviert.

* Das Verhältnis von Religion und Gewalt ist ein in der islamischen Tradition bislang nicht befriedigend gelöstes Problem. Sich dieser Frage zu stellen ist eine wichtige Zukunftsaufgabe; solange sie nicht bewältigt wird, kann ein friedliches Zusammenleben zwischen verschiedenen muslimischen Gruppen und mit Angehörigen anderer Religionen kaum gelingen.

* Mit dem problematischen Verhältnis von Religion und Gewalt steht der Islam keineswegs allein da. Auch im Christentum gibt es zahlreiche Beispiele für eine religiös motivierte Rechtfertigung von Gewalt. Dies trifft gleichfalls für das Judentum zu. Letztlich liegen die Wurzeln dieser Tradition in der Hebräischen Bibel – von Judentum und Christentum hat der Koran dieses schwierige Erbe übernommen. Diese drei monotheistischen Religionen sind gemeinsam herausgefordert, sich mit dem Problem von Religion und Gewalt zu beschäftigen.

* Hierzu bedarf es der kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Heiligen Schriften. Wir müssen gewaltverherrlichende Traditionen in unserer eigenen Überlieferung erkennen, benennen und uns mutig von ihnen distanzieren. Ein stillschweigendes Verharmlosen reicht hierfür nicht aus.



2. Können terroristische Gewaltakte religiös motiviert sein?

Die genuin religiöse Motivation terroristischer Gewaltakte wird im medialen und wissenschaftlichen Diskurs in der westlichen Welt häufig bestritten. Gewalt wird – völlig zu Recht – als Fehlform bzw. Missbrauch von Religion betrachtet. Deshalb gehen viele davon aus, dass die Religion hier ihrer selbst entfremdet und instrumentalisiert wird. Jedoch sollten wir uns klarmachen, dass auch der Missbrauch eine Form des (fehlgeleiteten) Gebrauchs von Religion darstellt. Es ist meines Erachtens nicht angemessen, den Selbstmordattentätern ihren Glauben abzusprechen. Schließlich geben sie selbst häufig Begründungen für ihre Taten ab, und diese gilt es ernst zu nehmen. Allahu akbar („Gott ist groß!“) rufen viele von ihnen,[8] bevor sie sich in die Luft sprengen, oder sie hinterlassen dieses Vermächtnis in schriftlicher Form. In Internet-Botschaften werden die Gewalttaten häufig religiös legitimiert. So sind die Tempel von Palmyra in die Luft gesprengt worden, weil sie Zeugnisse von Vielgötterei und Unglaube seien und Allah gebiete, solchen Götzendienst auszurotten.[9] Die damals 14-jährige Schülerin MALALA YOUSAFZAI wurde am 9. Oktober 2012 in Pakistan auf dem Heimweg von der Schule von Taliban aus unmittelbarer Nähe in den Kopf geschossen, weil der Koran lehre, dass der Schulbesuch für Mädchen verboten sei.[10] Die islamische Terrorgruppe Boko Haram (zu Deutsch etwa „Westliche Bildung ist Sünde“) hat im Norden Nigerias in den letzten Jahren zahlreiche Kirchen zerstört und Hunderte Christen ermordet.[11] In der Nacht vom 14. auf den 15. April 2014 wurden von ihr in der Stadt Chibok 276 Schülerinnen einer christlichen Internatsschule entführt; am 12. Mai 2014 tauchte ein fast einstündiges Bekennervideo auf, worin einige der Entführten gezeigt werden, die verschleiert Koranverse zitieren, verbunden mit der Behauptung, sie seien zum Islam konvertiert.[12][13] An einer Universität in der kenianischen Stadt Garissa wurden am 2. April 2015 148 junge Menschen durch die von Somalia aus operierende islamistische Miliz al-Shabaab hingerichtet; dabei wurde gezielt auf Christen geschossen.[14] Diese Beispiele ließen sich leider noch um viele weitere vermehren. Zuletzt sind sie in der schrecklichen Attentatsserie kulminiert, die am Abend des 13. November 2015 durch den IS in Paris verübt worden ist.[15]

In Libyen wurden im Februar 2015 21 koptische Christen durch die IS enthauptet; im April 2015 wurden dort nochmals etwa 30 Kopten enthauptet bzw. erschossen. In der halbstündigen Video-Botschaft, die dieses Verbrechen dokumentiert, heißt es: „Unsere Schlacht ist eine Schlacht zwischen Glaube und Gotteslästerung.“


Zwar gibt es auch Fälle von Verbrechen, die fanatisierte Christen,[16] Juden,[17] Hindus[18] oder andere[19] verüben, doch werden gegenwärtig die meisten religiös motivierten Gewalttaten von Muslimen begangen (und richten sich vor allem gegen muslimische Opfer). Tatsächlich gibt es in der koranischen Überlieferung viele Anknüpfungspunkte, auf die sich die Täter berufen können (wir werden im nächsten Abschnitt darauf zurückkommen).


Vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet stellt eine terroristische Gewalttat einen seelischen Kraftakt dar, der zu seiner Umsetzung besonderer Mechanismen bedarf.[20] Denn die geltenden gesellschaftlichen Konventionen werden hier außer Geltung gesetzt, und die Stimme des eigenen Gewissens wird übertönt. Die normalerweise stark wirksame Tötungshemmung muss ausgeschaltet werden. Zu dieser Enthemmung ist das Ich nur fähig, wenn es sich gleichsam selbst entgrenzt. Gruppendynamische Prozesse spielen hierfür eine bedeutende Rolle – aber auch eine religiös motivierte Sanktionierung des grundsätzlich Verbotenen ist ein wichtiger Faktor. Deshalb spielen religiöse bzw. ideologische Motive in vielen Terrororganisationen eine zentrale Rolle (wobei »Ideologie« hier Strukturanalogien zu »Religion« aufweist; Ideologie ist demnach die quasi-religiöse Überhöhung der eigenen Überzeugungen).[21] Zu dem fatalen Fehlschluss „Der Zweck heiligt jedes Mittel“ kann man nur gelangen, wenn der Zweck in seiner Bedeutung absolut gesetzt und der Sphäre der Immanenz und des gesellschaftlichen Konsenses enthoben wird. Hierfür sind religiöse Denkmuster besonders geeignet, weil sie per se über die Immanenz hinaus auf die Transzendenz verweisen und von absolut gültigen Werten ausgehen. Insofern sind religiös geprägte Menschen stärker als andere der Gefahr von Intoleranz und Unduldsamkeit ausgesetzt und müssen sich bewusst damit auseinandersetzen, um diesen Versuchungen nicht zu erliegen.


Bei sogenannten »Offenbarungsreligionen«, zu denen der Islam (ebenso wie Christentum und Judentum) gehört, kommt noch ein besonderes Problem hinzu: Der Wahrheitsgehalt einer religiösen Überzeugung muss sich letztlich nicht im intellektuellen Diskurs intersubjektiv bewähren, sondern traditionell gilt folgende Argumentationsstruktur: „X ist wahr, weil Gott es so offenbart hat. – Woher wissen wir, dass Gott dies offenbart hat? – Weil Gott das ebenfalls offenbart hat bzw. weil es in der von ihm offenbarten Heiligen Schrift so geschrieben steht.“ Solange man von der Verbalinspiration der eigenen Heiligen Schrift bzw. von ihrer Unfehlbarkeit ausgeht, kommt in der Tat alles darauf an, was dort geschrieben steht. Ein Spielraum ergibt sich lediglich dadurch, wie man die schriftliche Überlieferung auslegt – aber je unmissverständlicher etwa die Aufforderung zu Gewalt in der Schrift enthalten ist, desto schwerer wird es, dieses problematische Erbe durch Neu-Interpretation zu überwinden. Ein eindrückliches Beispiel hierfür stellt der »Offene Brief an al-Baghdadi und ISIS« vom 19. September 2014 dar, der von mehr als 120 hochrangigen islamischen Religionsgelehrten aus der islamischen Welt unterzeichnet worden ist.[22] Er setzt sich kritisch mit dem Terror des IS auseinander und verurteilt diesen im Namen des Koran. Zugleich wird die Problematik eines solchen Unterfangens in diesem Dokument deutlich vor Augen geführt: Die Parteinahme gegen Gewalt erfolgt nicht im Namen der Humanität oder der Menschenrechte, sondern ausschließlich auf der Grundlage und innerhalb der Grenzen des Koran. So wird zwar in aller wünschenswerten Klarheit konstatiert: „Es ist im Islam verboten, Unschuldige zu töten. Es ist im Islam verboten, Sendboten, Botschafter und Diplomaten zu töten; somit ist es auch verboten, alle Journalisten und Entwicklungshelfer zu töten. [...] Es ist eine Pflicht, die Jesiden als Schriftbesitzer zu achten. Die Wiedereinführung der Sklaverei ist im Islam verboten. Sie wurde durch universellen Konsens aufgehoben. Es ist im Islam verboten, Menschen zur Konvertierung zu zwingen. Es ist im Islam verboten, Frauen ihre Rechte zu verwehren.“[23] Doch zugleich wird in dem Abschnitt über Körperstrafen erklärt: „Körperstrafen sind im Koran und in den Hadithen festgelegt und sind gemäß islamischem Recht zweifellose Pflichten“[24] – auch wenn sie nur unter bestimmten Bedingungen und mit Bedacht angewendet werden sollten. Die grundsätzliche Schwäche dieser Erklärung ist, dass sie auf einem fundamentalistischen Verständnis des Koran beruht. Sie postuliert, „dass alles im Koran die Wahrheit und alles in den authentischen Hadithen des Propheten göttliche Inspiration ist. Daher ist die geringste Missachtung einer Textstelle nicht erlaubt.“[25] Dadurch wird eine Fundamentalkritik an einzelnen Aspekten der Überlieferung und ein substanzieller Erkenntnisfortschritt oder gar Paradigmenwechsel im Licht neuer Erkenntnisse ausgeschlossen.


In jedem Fall bedarf es zu solchen Erklärungen eines erheblichen Aufwandes an Gelehrsamkeit, und es ergibt sich eine hohe Verantwortung der religiösen Führer, ihre modernen Einsichten durch Predigt und Unterricht unters Volk zu bringen. Wenn sie dies vernachlässigen bzw. statt dessen eine intolerante Auffassung des Glaubens verbreiten oder wenn es eine große Zahl von Gläubigen mit geringem Bildungsstand gibt, dann kann eine Religion ihr gefährliches Potenzial entfalten. Genau dies lässt sich derzeit in Ländern wie Afghanistan, Pakistan, Irak, Syrien, Libyen, Nigeria, Somalia und anderen beobachten, die sich in einem Prozess politischer Destabilisierung befinden und in denen Wirtschaft und Bildung unterentwickelt sind.


Seit der Zäsur, die der Terroranschlag vom 9. September 2001 bedeutet (gerade hat er sich zum fünfzehnten Mal gejährt), ist eine intensive Debatte über den Zusammenhang von Religion und Gewalt entstanden, und zahlreiche Bücher und Aufsätze sind zu diesem Thema veröffentlicht worden. Die Frage, ob bzw. in welcher Weise Religion ursächlich (mit-) verantwortlich ist für (terroristische) Gewalt wird dabei unterschiedlich beantwortet: Das Meinungsspektrum reicht von einseitigen Schuldzuweisungen an die Religionen im Allgemeinen bzw. den Islam im Besonderen bis hin zu der These, dass Gewalt nicht religiös motiviert sei (und die Religion allenfalls sekundär zu ihrer Rechtfertigung herangezogen werde).[26] Die gegensätzlichen Standpunkte in dieser Frage bzw. das Bemühen um eine differenzierte Betrachtungsweise kommen bei etlichen Publikationen bereits im Titel zum Ausdruck, z.B.: »Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger«;[27] »Konflikt- und Friedenspotenziale in den Weltreligionen;[28] »Religionen – Kraft zum Frieden oder Ursache von Gewalt?«[29] oder »Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger«.[30] Dabei scheint sich im Diskurs ein Konsens abzuzeichnen, dass Religionen im Hinblick auf das Problem von Gewalt sowohl das Potential haben, eskalierend als auch deeskalierend zu wirken, dass sie diesbezüglich also zutiefst ambivalent sind.[31] Die Überzeugung von der Ambivalenz der Religionen ist bei zahlreichen Veröffentlichungen ebenfalls am Titel abzulesen – etwa bei dem zu diesem Thema als Standardwerk geltenden Buch von SCOTT APPLEBY »The Ambivalence of the Sacred«.[32] Ich möchte mich der Ambivalenzthese anschließen – jedoch betonen, dass die Kritik an der Religion damit keineswegs entschärft wird (nach dem Motto: Alles hat eben seine Licht- und Schattenseiten). Vielmehr bin ich der Überzeugung, dass die Tatsache, dass Religionen gewaltfördernd wirken können, eine große Gefahr darstellt.[33] Außerdem scheinen mir in der gegenwärtigen politischen Situation die beiden Pole »Friedensstifter« und »Gewalterzeuger« nicht gleichermaßen wirksam zu sein, sondern das Gewaltpotential insbesondere der monotheistischen Religionen ist besonderer Beachtung wert.


Auf die Problematik von monotheistischen Religionen hat zuerst JAN ASSMANN mit einer Reihe von vieldiskutierten Beiträgen aufmerksam gemacht.[34] Er hat dabei Zustimmung, aber auch viel Widerspruch erfahren[35] – vor allem aus den Kreisen von Theologen und Vertretern der Kirchen, die sich durch seine Thesen zu recht in ihrer Identität in Frage gestellt sehen. Dies hat ASSMANN zu einigen Klarstellungen und Präzisierungen geführt[36] – wobei die Grundthese aufrecht erhalten blieb, nämlich dass der Monotheismus in besonderer Weise dazu tendiert, das Gewaltpotential der Religion zu entfalten.[37] Auch dieser These möchte ich mich hier anschließen.



3. Ist der Islam eine gewaltverherrlichende Religion?

Der Islam ist eine weltweit verbreitete Religion mit einer 1400 Jahre währenden Geschichte, und er existiert in vielfältigsten Ausprägungen. Insofern ist er ein komplexes Phänomen und muss differenziert betrachtet werden. Die hier angestellten Überlegungen können also nur allgemeine Hinweise sein. Während der Anfangszeit, zu Lebzeiten Mohammeds (570/73–632) hat sich diese Religion vorwiegend durch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Mekka und Medina ausgebreitet; militärische Siege galten dabei als Beweis für die Unterstützung durch Gott, und Andersgläubige wurden zum Teil mit Gewalt vertrieben.[38] In späteren Jahrhunderten hat sich in jenen Gegenden, wo ein islamisches Gemeinwesen entstanden war, eine im Vergleich zur damaligen Zeit tolerante Religionspolitik etabliert: Christen und Juden wurden nicht (wie im christlichen Europa üblich) zur Bekehrung oder Auswanderung gezwungen bzw. mit dem Tod bedroht, sondern sie konnten als religiöse Minderheit in einer untergeordneten, aber rechtlich abgesicherten Stellung leben.[39] Sie galten als Schutzbefohlene (Dhimmi) und hatten dafür eine jährliche Kopfsteuer (Dschizya) zu entrichten. Als Blütezeit islamischer Toleranz und Gelehrsamkeit kann das »Goldene Zeitalter« auf der iberischen Halbinsel vom 10. bis zum 15. Jahrhundert gelten,[40] das durch die christliche Reconquista der »katholischen Könige« Ferdinand II. und Isabella I. im Jahr 1492 ein jähes Ende nahm. Auch im Osmanischen Reich wurde vom 14. bis zum 20. Jahrhundert religiösen Minderheiten wie Christen und Juden, aber auch kleineren Gruppen wie Drusen und Jesiden relative Freiheit gewährt.


Es scheint so zu sein, dass in islamischen Ländern eine tolerante Religionspolitik am ehesten praktiziert werden kann, wenn der Islam eine gesicherte Stellung innehat und sich die Angehörigen anderer Religionen in einer klar untergeordneten Position befinden. Denn dann gestalten sich die Verhältnisse so, wie es im Koran vorgesehen ist – es besteht Übereinstimmung zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ist dies nicht der Fall, entstehen konzeptionelle Dissonanzen und gesellschaftliche Spannungen, die sich in Gewalt entladen können. So ist es kein Zufall, dass der Genozid an den Armeniern, mit denen Türken und Kurden seit Jahrhunderten zusammengelebt hatten (wenngleich nicht ohne immer wieder aufbrechende Konflikte) sich in den Jahren 1915–17 ereignete, also zu Beginn des Ersten Weltkrieges, als der Untergang des Osmanisches Reiches zum Verlust der einstmaligen Vormachtstellung im Nahen Osten führte.


Spätestens seit dieser Zeit hat nicht mehr die muslimische Welt, sondern die »westliche Welt« eine globale Vormachtstellung inne. Die USA gelten seit dem Ende des Kalten Krieges wirtschaftlich, militärisch und kulturell als die »Supermacht«, der durch Länder wie Russland und China nicht ernsthaft Konkurrenz gemacht werden kann (und auch nicht durch Saudi Arabien oder einen anderen Staat, der zum islamischen Einflussbereich gehört). Dies trägt zu einem Unterlegenheitsgefühl in weiten Teilen der islamischen Umma bei. Als Gegenreaktion werden von manchen Muslimen militante Aspekte in der muslimischen Tradition verstärkt hervorgehoben.[41] Die Gefahr dabei ist: Militante Aspekte sind im Islam in der Tat vorhanden – nicht nur im Hinblick auf seine Entstehung und Geschichte, sondern auch in der religiösen Quellenschrift, im Koran selbst.[42] Weil dieser Heiligen Schrift ein überzeitlicher normativer Charakter zukommt, erhält das Problem von Religion und Gewalt besondere Brisanz.


Wenn man den Koran zur Hand nimmt und unvoreingenommen darin liest, kann man den Eindruck gewinnen, dass das Thema »Kampf gegen die Ungläubigen« darin eine bedeutende Rolle spielt. Es ist zwar nicht das Hauptanliegen in diesem Buch (dies ist vielmehr die Größe und Einzigkeit Gottes), aber die Auseinandersetzung mit Andersgläubigen erscheint als eines der zentralen Motive (gemeinsam mit dem Bekenntnis zur Barmherzigkeit Gottes, der Frage nach Schuld und Vergebung und der Aufforderung zu einem rechtschaffenen Leben). Entsprechend der Eigenart des Koran sind die Abschnitte, in denen von Kampf (arabisch Dschihad), Feindschaft, Strafe und Gewalt die Rede ist, nicht systematisch geordnet, sondern sie erscheinen über alle Suren hinweg verstreut. So heißt es z.B. in Sure 3 (um ein beliebiges Beispiel herauszugreifen): „Wahrlich die, welche die Zeichen Allahs leugnen, erhalten große Strafe; denn Allah ist mächtig und vermag zu vergelten.“ (V. 5);[43] „Den verstockten Ungläubigen hilft bei Allah weder Reichtum noch Kinder: Ungläubige werden Nahrung des Höllenfeuers. [...] Schon hat sie Allah in ihren Verbrechen erfasst, und Allah ist der streng Bestrafende. Sprich zu den Ungläubigen: Ihr sollt besiegt und in die Hölle verstoßen werden und dort eine unselige Lagerstätte haben.“ (V. 11–13); „Gehorcht Allah und seinen Propheten; wendet ihr euch aber ab, so wisst, dass Allah die Ungläubigen nicht liebt.“ (V. 33); „Die Ungläubigen werde ich (Allah) in dieser und in jener Welt hart bestrafen, und niemand wird ihnen helfen. [...] Die Frevler liebt Allah nicht.“ (V. 57 f.); „Wer eine andere Religion als den Islam sucht – nie möge er sie annehmen –, der gehört im zukünftigen Leben gewiss zu den Verlorenen.“ (V. 86). Als weitere Verse in der gleichen Sure ließen sich nennen: V. 87–90; V. 117; V. 119; V. 128 f.; V. 140; V. 142; V. 150–152; V. 178; V. 196 und V. 198. Die Sure, aus denen diese Zitate stammen, ist im Koran nicht besonders auffällig; sie vermittelt lediglich einen Eindruck von einer gewissen Tendenz zur Polemik, welche in diesem Buch erkennbar ist. An anderen Stellen gibt es auch direkte Aufrufe zur Gewalt von Muslimen gegen Andersgläubige – vor allem in Sure 9, wo es unter anderem heißt: „Zieht in den Kampf, leicht und schwer [bewaffnet] und kämpft mit Gut und Blut für die Religion Allahs“. (9, 41)[44] Zwar sind diese Verse hier aus dem Zusammenhang gerissen – was aber, wenn ein Mullah oder ein fundamentalistischer Imam dasselbe tut und sie dazu benutzt, um Muslime zum »Heiligen Krieg« gegen die Ungläubigen aufzurufen? Dass dies tatsächlich geschieht und seine Wirkung nicht verfehlt, wird uns durch die Nachrichten vor Augen geführt.


Was die Vorstellung vom Heiligen Krieg betrifft, so gibt es in der reichen Tradition islamischer Gelehrsamkeit zahlreiche Differenzierungen zwischen den verschiedenen Rechtsschulen. Die wichtigste davon ist, zwischen dem sogenannten »großen Dschihad« und dem »kleinen Dschihad«zu unterscheiden: Der kleine Dschihad ist der Kampf mit Waffengewalt – der große Dschihad dagegen ist der spirituelle Kampf gegen die eigenen sündigen Gewohnheiten, und dieser wird als der eigentlich entscheidende Kampf angesehen. Doch wird dadurch die Berechtigung, ja Notwendigkeit, unter gewissen Umständen auch mit Waffengewalt im Namen des Islam zu kämpfen, nicht grundsätzlich bestritten, und so ist es möglich, dass (anerkannte oder selbsternannte) muslimische Führer zum Kampf gegen den Westen aufrufen und dies als »Heiligen Krieg« bezeichnen.


Nicht nur im Koran gibt es zahlreiche Aussagen, die sich als Aufruf zur Gewalt verstehen lassen – auch in der außerkoranischen Überlieferung gibt es solche Traditionen. So enthält der Hadith, eine Sammlung von Aussprüchen Mohammeds, die nicht in den Koran aufgenommen worden sind, einiges an »Sprengstoff«. ABU HURAYRA überliefert folgendes Zitat Mohammeds: „Wer stirbt, ohne an einem Feldzug teilgenommen zu haben und ohne sich mit dem Gedanken zu tragen, stirbt in einer Art Heuchelei.“[45] An anderer Stelle zitiert er den Prophet so: „Mir wurde befohlen, gegen die Menschen zu kämpfen, bis sie sagen: Es gibt keinen Gott außer Gott (Allah).“[46] ABD ALLAH IBN ABI AUFA berichtet von dem Spruch: „Ihr sollt wissen: Das Paradies liegt im Schatten der Schwerter.“[47]

Solche Zitate sind geeignet, fundamentalistische oder fanatisierte Gläubige zu Gewalttaten aufzurufen, und tatsächlich werden sie gegenwärtig dazu benutzt.


Im Islam und im Koran lassen sich auch etliche Anhaltspunkte für eine irenische Haltung finden – insbesondere in den frühen mekkanischen Suren, die vor der Auswanderung Mohammeds nach Medina (Hidschra) entstanden sind und einen eher spirituellen Charakter als die späteren medinensischen Suren haben. Doch findet sich auch in der mekkanischen Periode der Aufruf zum Frieden. Bekannt ist etwa die Aussage: „Zwingt keinen zum Glauben, da die wahre Lehre vom Irrglauben ja deutlich zu unterscheiden ist.“ (Sure 2, 257); sie kann als Bekenntnis zu Toleranz und Religionsfreiheit gedeutet werden. Ähnlich ist dieser Vers: „Einem jeden Volk gaben wir Religion und einen offenen Weg. Wenn es Allah nur gewollt hätte, so hätte er euch allen nur einen Glauben gegeben; so aber will er euch in dem prüfen, was euch zuteil geworden ist. Wetteifert daher in guten Werken, denn ihr werdet alle zu Allah heimkehren, und dann wird er euch über das aufklären, worüber ihr uneinig wart.“ (Sure 5, 49) Hochschätzung gegenüber den anderen monotheistischen Religionen kommt in folgenden Worten zum Ausdruck. „All denen – seien es Gläubige, Juden, Christen oder Sabäer[48] –, wenn sie nur an Gott glauben, an den jüngsten Tag und das Rechte tun, wird einst Lohn von ihrem Herrn, und weder Furcht noch Traurigkeit wird über sie kommen.“ (Sure 2, 63) Noch weiter geht die Behauptung, dass alle Anhänger der abrahamitischen Religionen letztlich an den gleichen Gott glauben: „Mit den Schriftbesitzern [Juden und Christen] streitet nur auf anständige Weise, nur die Frevler unter ihnen seien ausgenommen, und sagt: »Wir glauben an das, was uns, und an das, was euch offenbart worden ist. Allah, unser Gott und euer Gott, ist nur einer, und wir sind ihm ganz ergeben.«“ (Sure 29, 47).


Manche dialogbereite Muslime bezeichnen deshalb den Islam als „eine Religion der Spiritualität, Ethik, Vernunft, Gerechtigkeit und Toleranz“.[49] Obgleich dies zweifellos in bester Absicht geschieht, ist es meiner Auffassung nach wenig hilfreich, weil die problematischen Aspekte nur überwunden werden können, indem man sie offen anspricht und kritisch betrachtet – nicht wenn man sie verleugnet und verdrängt. HEINZ-GÜNTHER STOBBE kommt in seinem informativen und differenzierten Werk zum Thema »Religion, Gewalt und Krieg« zu dem Schluss: „Nicht der »Krieg gegen den Terrorismus« wird diese Krankheit des Geistes heilen, sondern allein, wenn überhaupt, der Islam. Es ist die Gemeinschaft der Muslime, die den islamischen Extremismus als ihre gefährlichste Bedrohung begreifen lernen muss, anstatt sein mörderisches Treiben »mit klammheimlicher Freude« zu begleiten. Ihr Heiliger Krieg wäre einer mit theologischen und geistlichen »Waffen«, den einzigen, die einer friedfertigen Religion zu Gebote stehen.“[50] Ein beeindruckendes Beispiel für die Bereitschaft zu innerislamischer Selbstkritik hat jüngst NAVID KERMANI in seiner viel beachteten Dankesrede zur Verleihung des Friedenpreises des Deutschen Buchhandels in der Paulskirche in Frankfurt gegeben.[51]



4. Ist das Christentum eine gewaltverherrlichende Religion?


Diese Frage mag für einige provozierend wirken: Das Christentum gilt doch als die »Religion der Nächstenliebe«, und Jesus war zweifellos kein »Hassprediger«. Jedoch ist bei der Auseinandersetzung mit der schwierigen Frage nach Religion und Gewalt jede Überheblichkeit gegenüber anderen Religionen unangebracht und die Bereitschaft zur Selbstkritik notwendig.


Gewiss treten Christentum und Kirche gegenwärtig vor allem als spirituelle und caritative Instanzen in Erscheinung. Aber ein Blick zurück in die Geschichte des christlichen Abendlandes belehrt uns, dass es hierzulande früher nicht humaner zuging als andernorts noch heute. Fast alles, was in muslimisch geprägten Kulturen als rückständig kritisiert wird, war in noch nicht allzu ferner Vergangenheit bei uns gang und gäbe: ob es um die Verschleierung von Frauen geht oder um Gewalt in der Ehe, um die Verweigerung von Frauenrechten, um Körperstrafen, Todesstrafe oder um Sklaverei – die Ähnlichkeiten zwischen Orient und Okzident sind bemerkenswert. Zwar kann man einwenden, dass sich die Phänomene nicht einfach vergleichen lassen, weil es sich um unterschiedliche Kulturkreise in verschiedenen Jahrhunderten handelt. Auch wird manchmal behauptet, dass die Anwendung von Gewalt in früheren Zeiten weiter verbreitet und daher weniger anstößig gewesen bzw. mit einem anderen Maßstab zu bewerten sei. Dennoch ist daran festzuhalten, dass aus Sicht der Opfer Gewaltanwendung stets abgelehnt wird und es hierbei einen unversalen und diachronen Konsens gibt.


Was hat das nun mit Religion zu tun? Die genannten Missstände waren in der mittelalterlichen Gesellschaft nicht einfach nur vorhanden, sondern sie wurden von der Religion (in diesem Fall vom Christentum) ideologisch legitimiert, ja sogar systematisch befördert. Die verhängnisvolle Rolle, welche die Kirche im Zusammenhang mit Bücherzensur, Inquisition und Ketzerverfolgung gespielt hat, ist bekannt. Gerechtfertigt wurde das gewaltsame Vorgehen gegen Andersgläubige mit dezidiert theologischen Argumenten, wie sie etwa von dem Dominikaner HENRICUS INSTITORIS (um 1430–1505) in seinem Buch „Der Hexenhammer“ (Malleus Maleficiarum) vorgebracht wurden.[52] Auf den Fahnen der Kreuzritter, die das Heilige Land militärisch zurückerobern wollten, stand geschrieben Deus lo vult („Gott will es!“), und noch im 1. Weltkrieg war auf deutschen Kanonen die Inschrift eingraviert „Mit Gott für König und Vaterland“, und Geistliche auf allen Seiten der Front segneten die Waffen. Diese Beispiele sind Hinweise darauf, dass die Religion (in diesem Fall das Christentum) als einer der ursächlichen bzw. verstärkenden Faktoren für Gewalt wirksam werden kann.


Das Verhältnis von Religion und Gewalt hat viele Facetten. Bei manchen altehrwürdigen Kirchen muss man erschrecken über das Ausmaß an Brutalität, das sich in ihrem Bildprogramm vermittelt. In katholischen Kirchen sieht man vorzugsweise Darstellungen von Heiligen; diese sind nicht zuletzt dadurch qualifiziert, dass sie für ihren Glauben eines gewaltsamen Todes gestorben sind (immerhin: sie sind nicht Täter, sondern Opfer), und dargestellt sind sie mit ihren charakteristischen Attributen – zumeist Folterwerkzeugen. Da kann man bisweilen die Heilige AGATHA VON CATANIA sehen, wie sie die beiden Brüste, die ihr abgeschnitten wurden, auf einem silbernen Tablett vor sich her trägt; gemeinsam mit LUCIA, der die Augen ausgerissen wurden (nachdem sie bereits verbrannt und mit siedendem Öl übergossen worden war und man ihr mit einem Schwert die Kehle durchgeschnitten hat); daneben den Heiligen SEBASTIAN, durchbohrt von Pfeilen, KATHARINA, die mit dem Rad gefoltert wurde usw.[53] Wenn es sich um eine evangelische Kirche handelt, stellt sich das Problem in einer zwar gewandelten, aber nicht weniger gravierenden Weise dar: Statt vieler verschiedener Heiligenbilder steht hier Jesus am Kreuz im Mittelpunkt, der ja auf besonders grausame Weise getötet worden ist und dessen gewaltsamer Tod ins Zentrum des christlichen Glaubens gehört. Dadurch bekommt die Botschaft des Christentums einen gewissermaßen martialischen Charakter – das Problem von Religion und Gewalt ist jedenfalls präsent. So manche Kirche dürfte man mit Kindern eigentlich gar nicht betreten; ihre künstlerische Ausgestaltung ist nicht »jugendfrei« – nur haben wir uns inzwischen an den Anblick des Gefolterten gewöhnt. Wir sind dagegen abgestumpft (eine verständliche Schutzreaktion) und vermögen den Skandal meist gar nicht mehr wahrzunehmen, der darin liegt, einen zu Tode Gemarterten zu verehren.[54] Was, wenn auf dem Altar einer Religionsgemeinschaft die lebensechte Abbildung eines auf dem elektrischen Stuhl Hingerichteten in seinen letzten Zuckungen zu sehen wäre? Wir würden wohl abgestoßen sein und uns wegen der Pietätlosigkeit empören, die darin liegt.[55]


Zwar ist Jesus der Gewalt zum Opfer gefallen – aber Gott wird in der christlichen Kirche auch als Täter, als Verursacher von Gewalt betrachtet: Kaum eine mittelalterliche Kirche ohne eine Darstellung des »Weltgerichts«. Das Schicksal der von Gott zur ewigen Höllenpein Verdammten wird dort anschaulich gezeigt. Diese Beobachtung führt uns mitten hinein in die Theologie. Ich stelle die These auf, dass die Lehre von Gott als Richter in Verbindung mit der ewigen Verdammnis eine wesentliche Ursache für das problematische Verhältnis von Religion und Gewalt im Christentum ist. Denn Gott kommt natürlich eine Vorbildfunktion für die Gläubigen zu. Wenn er all diejenigen Menschen, die anders oder »falsch« an ihn glauben, bestrafen und quälen (lassen) darf – dann liegt die Schlussfolgerung nahe, dass auch seine Anhänger damit ein gutes Werk tun. Dass dies nicht nur eine hypothetische Spekulation ist, hat sich in der Geschichte gezeigt. Daraus folgt: Wir sollten uns von der Vorstellung eines vernichtenden göttlichen Strafgerichts ausdrücklich distanzieren (und sie nicht einfach nur stillschweigend auf sich beruhen lassen, wie es heute zumeist geschieht), wenn wir der Gefahr religiös motivierter Gewalt entgegentreten wollen.


Aber woher kommt die Vorstellung von Gott als Richter und Rächer überhaupt? Die Antwort auf diese Frage erfordert noch mehr Ehrlichkeit und Mut, denn sie rührt an das, was vielen Christen in ihrem Glauben das Heiligste ist – die Heilige Schrift. Leider ist es so, dass diese Quelle unserer Religion eine Fülle von gewaltverherrlichenden Aussagen enthält, vor allem in der Hebräischen Bibel (dem sogenannten Alten Testament).[56] Gewalt wird hier nicht nur explizit bejaht, sondern – verhängnisvoller noch – als selbstverständliche Denkvoraussetzung weithin anerkannt. Daneben gibt es freilich auch wichtige gegenläufige Traditionen, vor allem bei einigen Propheten, wo Unrecht radikal angeprangert und die Vision einer gerechten Welt entworfen wird. Wenn hier Kritik an bestimmten Überlieferungen in der Hebräischen Bibel geübt wird, dann erfolgt dies keineswegs in antijudaistischer Tendenz, sondern in Anknüpfung an entsprechende Ansätze im Reformjudentum und in der liberalen jüdischen Theologie. Was den problematischen Zusammenhang von Religion und Gewalt betrifft, so sitzen alle Angehörigen der abrahamitischen Religion in einem Boot und es geht nicht an, einseitige Schuldzuweisungen vorzunehmen – das ist die These, die hier vertreten wird. Zugleich bin ich davon überzeugt, dass wir im ökumenischen und interreligiösen Dialog inzwischen über das Stadium der Diplomatie hinaus gekommen sind, wo die »Nichteinmischung in fremde Angelegenheiten« höflich vermieden wurde – wir sind die engagierte Stellungnahme im Namen der Freiheit nicht nur uns selbst, sondern auch den anderen schuldig. Mit einer grundsätzlichen Abwertung des Alten Testaments im Sinn von MARCION und HARNACK oder gar der NS-Ideologie hat das nichts zu tun.


Eine der gefährlichsten Geschichten in der Bibel ist die bekannte Erzählung vom »Glaubensgehorsam« Abrahams (Gen 22, 1–19). Dieser »Stammvater unseres Glaubens« wird von Gott „geprüft“: Er soll Gott seinen Sohn Isaak opfern. Die Vorstellung, dass ein Fanatiker um der Religion willen nicht nur einen Mord begeht, sondern dazu noch an einem unschuldigen, wehrlosen Kind – ja an seinem eigenen Kind; dass er es fesselt, dann mit einem Messer niedersticht und den Leichnam schließlich auf einem Altar verbrennt; dass er dies mit der Wahnvorstellung zu rechtfertigen sucht, Gott habe ihm dies befohlen... dies übersteigt an Grausamkeit sogar noch, was wir von Terrorgruppen wie IS bisher zu sehen bekommen haben.


Vielleicht fühlt sich jetzt mancher irritiert und wendet ein: Wie kann man den überlieferten Text der Bibel so unvermittelt neben die Gräueltaten von Terroristen stellen? Werden hier nicht völlig verschiedene Ebenen unzulässig miteinander vermischt? Zeitstufen, zwischen denen Jahrtausende liegen, in denen sich das ethische Bewusstsein der Menschheit zweifellos gewandelt hat... Kann man zwei so unterschiedliche Kulturkreise wie denjenigen des Alten Orient mit einer postmodernen Gesellschaft vergleichen? Und schließlich ist zu beachten, dass es zwischen einem literarischen Text wie Gen 22 und Medienberichten über terroristische Gewalttaten fundamentale Unterschiede gibt, die eine jeweils eigene Hermeneutik erfordern. Gewiss sind wir Theologen geschult darin, unser problematisches Erbe zu verwalten, indem wir die Absicht des Erzählers dahingehend deuten, dass es hier nicht um den Versuch des blutigen Ritualmords an einem unschuldigen Kind geht, sondern um das unbedingte Vertrauen zu Gott. Dennoch möchte ich diese Geschichte hier ganz bewusst aus einer anderen Perspektive beleuchten und mit zeitgenössischen Terrorakten kontrastieren, um auf die in ihr angelegte Gefahr der Verbindung von unbedingtem Glaubensgehorsam, Fanatismus und Gewaltbereitschaft aufmerksam zu machen und eine bislang wenig beachtete Spur ihrer Wirkungsgeschichte aufzudecken. Die Zeiten mögen sich ändern – das Grundproblem bleibt bestehen.


Möglicherweise ist die Geschichte von der »Bindung Isaaks«, der Akedah (wie sie in der jüdischen Tradition genannt wird, um das harte Wort »Opfer« zu vermeiden) auch Ausdruck einer – Gottseidank – überwundenen kulturellen und religiösen Entwicklungsstufe (ähnlich wie etwa der Kannibalismus). Nur: Auch heute noch wird diese Erzählung in unzähligen Predigten so gedeutet, dass Abraham mit seinem »bedingungslosen Gehorsam« ein Vorbild für uns sei; als Gott seine Entschlossenheit sah, habe Abraham die Prüfung bestanden und der Vollzug des Kindesopfers sei nicht mehr nötig gewesen; deshalb habe Gott in letzter Sekunde eingegriffen und anstelle des Isaak einen Widder geschickt, der dann auf dem Altar verbrannt worden sei. Diese Deutung schließt sich an die Worte im biblischen Text an, wo es heißt: „Der Engel des Herrn [...] sprach: Ich schwöre bei mir selbst, spricht der Herr, deshalb, weil du das getan und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast, darum werde ich dich reichlich segnen“. (Gen 22, 16 f.)[57] Dennoch ist eine solche Interpretation unzumutbar. Die einzige Auslegung, welche diesen Text meiner Überzeugung nach erträglich macht, ist diese: Wenn es wirklich so war, dass Gott Abraham prüfen wollte, dann nicht seinen Glaubensgehorsam, sondern seinen Glaubensmut. Die Antwort, die Abraham Gott hätte geben müssen, wäre ein Nein gewesen: „Was auch immer du mir befehlen magst, ich werde mein Kind nicht töten!“ Vielleicht hat Gott deshalb bis zum letzten Moment abgewartet, weil er – vergeblich – auf dieses Nein gehofft hat; als Abraham bei der Prüfung versagte, hat Gott schließlich selbst das nötige Wort gesprochen und damit die entscheidende Wendung gebracht. „Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel her zu und sprach: Abraham, Abraham! Und er sagte: Hier bin ich! Und er sprach: Strecke deine Hand nicht aus nach dem Jungen und tu ihm nichts!“ (Gen 22, 11 f.)


Übrigens: Die Erzählung von Abrahams Opfer ist nicht nur im Judentum und Christentum bekannt. Der Islam hat sie aus der Überlieferung dieser beiden Religionen übernommen, und sie spielt dort eine bedeutende Rolle. Der Felsendom in Jerusalem (nach Mekka und Medina die drittheiligste Stadt im Islam) soll über dem Felsen erbaut worden sein, auf dem Abraham seinen Altar errichtet hatte. Das »Opferfest«, bei dem Abrahams Tat gedacht wird, ist das höchste unter den (nicht sehr zahlreichen) islamischen Festen. Zur Erinnerung an das Tier, das Abraham schließlich anstelle seines Sohnes getötet hat, wird in jeder Familie ein Schaf geschlachtet – oft eigenhändig, im Hof vor dem Haus. Auch wenn es sich dabei um ein fröhliches Fest handelt und dabei nicht die Schlachtung, sondern das gemeinsame Essen im Mittelpunkt steht, könnte dieses blutige Ritual in Verbindung mit der archaischen Überlieferung der Religion möglicherweise eine pychologische Wirkung auf die Beteiligten ausüben und als Archetyp für die »rituelle Schlachtung« von unschuldigen Opfern um des wahren Glaubens willen fungieren.[58] »Gott fordert Opfer – und wir müssen sie ihm bringen, ohne wenn und aber«: mit diesem schwierigen Erbe müssen sich Judentum, Christentum und Islam (die drei »abrahamitischen Religionen«) gemeinsam auseinandersetzen.


Nur noch ein paar Beispiele zum Thema Religion und Gewalt in der Bibel: Wunderschön sind die bekannten Verse aus dem 139. Psalm. „Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“ (Ps 139, 9 f.)[59] Weniger bekannt und schön ist, was sonst noch dort steht: „Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten! [...] Sollte ich nicht hassen, Herr, die dich hassen, und verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit ganzem Ernst; sie sind mir zu Feinden geworden.“ (V. 19.21.22) In ähnlicher Weise, wie man in zahlreichen Kirchengebäuden Abstoßendes findet, so kann man auch viele Psalmen nur in Auswahl beten. In Ps 137 heißt es am Schluss: „Tochter Babel, du Verwüsterin! Glücklich, der dir vergilt dein Tun, das du uns angetan hast. Glücklich, der deine Kinder ergreift und sie am Felsen zerschmettert!“ (Ps 137, 8.9)


Über den König Josia wird berichtet, wie er das Land Juda »vom Götzendienst gereinigt« hat: die Heiligtümer anderer Religionen hat er systematisch zerstört (2. Chron 34, 3). Wie so oft blieb es nicht bei der Gewalt gegen Sachen; sie eskalierte zum Mord: „Und die geschnitzten und gegossenen Bilder zerschlug und zermalmte er und streute sie auf die Gräber derer, die ihnen geopfert hatten. Und die Gebeine der Priester verbrannte er auf ihren Altären.“ (V. 4) Auch hier wird die religiös motivierte Gewalt ausdrücklich gutgeheißen: „Er tat, was recht war in den Augen des Herrn.“ (V. 2)


Schrecklich ist auch die Geschichte vom Prophet Elia und den Priestern des Gottes Baal (1. Kön 18, 21–46). Elia hat auf dem Berg Karmel ein »Gottesurteil« erzwungen: In einem religiösen Wettstreit sollte jede Partei einen Altar bauen und darauf ein Opfer vorbereiten. Jedoch sollte niemand Feuer daran legen, sondern der »wahre Gott« sollte Feuer vom Himmel senden und so seine Anhänger bestätigen. „Da fiel Feuer vom Herrn herab und verzehrte das Brandopfer [Elias] und das Holz und die Steine und die Erde; und das Wasser, das im Graben war, leckte es auf. Als das ganze Volk das sah, da fielen sie auf ihr Angesicht und sagten: Der, Herr, er ist Gott! Der Herr, er ist Gott! Und Elia sagte zu ihnen: Packt die Propheten des Baal, keiner von ihnen soll entkommen! Und sie packten sie. Und Elia führte sie hinab an den Bach Kischon und schlachtete sie dort.“ (V. 38–40)


Dies soll genügen, um aufzuzeigen, dass das Problem von Religion und Gewalt in der Bibel grundgelegt ist. Nicht nur im Alten sondern auch im Neuen Testament finden sich problematische Aussagen hierzu. So gibt es in den Evangelien eine breite Tradition, welche die Rache beschreibt, die Gott beim Jüngsten Gericht an seinen Feinden nehmen wird – diese Worte stammen angeblich aus dem Mund Jesu. Dort heißt es in der Endzeitrede über den »bösen Knecht«: „Dann wird der Herr dieses Knechts kommen an einem Tage, an dem er’s nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt, und er wird ihn in Stücke hauen lassen und ihm sein Teil geben bei den Heuchlern; da wird sein Heulen und Zähneklappern.“ (Mt 24, 50 f.)[60] Und wenig später spricht Gott sein Urteil über diejenigen, die er verdammt: „Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Und sie werden hingehen zur ewigen Strafe...“ (Mt 25, 41.46)[61] An anderer Stelle wird die ewige Höllenstrafe anschaulich beschrieben, die Gott seinem erklärten Feind, dem Satan, und allen Verdammten bereitet: „Und der Teufel, der sie verführte, wurde geworfen in den Pfuhl von Feuer und Schwefel, wo auch das Tier und der falsche Prophet waren; und sie werden gequält werden Tag und Nacht, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und wenn jemand nicht gefunden wurde in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl.“ (Offb 20, 10.15)[62] Bekanntlich sind diese Vorstellungen in das Bildprogramm zahlloser Kirchen des Mittelalters eingegangen, die oft schon außen an ihrem Portal oder aber als überdimensionale Fresken an der Eingangswand detaillierte Darstellungen des Jüngsten Gerichts zeigen und so bis heute fortwirken.


Der Glaube an ein göttliches Gericht erfüllt freilich auch eine wichtige Funktion: Für diejenigen, die unter Ungerechtigkeit leiden, ist der Gedanke tröstlich, dass es – wenn schon nicht in dieser Welt – am »jüngsten Tag« Gerechtigkeit geben wird. Die Unterdrückten aller Jahrhunderte hoffen auf Gott als Richter. Aus dieser Perspektive ist es bedeutsam, dass Gott nicht einfach alle Schuld vergibt und Tätern wie Opfern gleichermaßen Erlösung schenkt, sondern dass zuvor alle (Un-)Taten aus dem Dunkel der Geschichte ans Licht gebracht werden. Dieses Bedürfnis kommt in der Vorstellung zum Ausdruck, wonach ein Engel die Verstorbenen vor den Richterstuhl Gottes geleitet und dort ihre guten und schlechten Taten in zwei Waagschalen gegeneinander abwiegt. Eine andere Überlieferung besagt, dass alle Taten der Menschen (auch die verborgensten) vor Gott in einem Buch festgehalten werden und dass jeder nach seinem Tod darüber Rechenschaft ablegen muss. So bedeutsam diese Überlieferungen auch sein mögen: Ich bin davon überzeugt, dass es möglich und notwendig ist, sie mit dem Glauben an Gottes allversöhnende Gnade zu verbinden – und damit die Lehre des Kirchenvaters ORIGENES (185– um 254) von der apokatastasis panton (der »Wiederbringung aller Dinge«), die von der Alten Kirche als Häresie verurteilt worden ist, zu rehabilitieren. Weder geht es darum, leichtfertig Vergebung zu predigen, noch kann der Glaube an ewige Verdammnis überzeugen. Denn alle Verbrechen der Menschen – so schwerwiegend sie auch sein mögen – werden innerhalb der Begrenzung von Raum und Zeit begangen; deshalb widerspräche es der Gerechtigkeit Gottes, wenn er darüber eine »ewige« Strafe verhängen würde. Straftat und Strafe würden dann verschiedenen Dimensionen zugehören. Das Ausmaß der Strafe würde dasjenige der Straftat kategorial übersteigen, und Gott würde dabei nicht gnädig handeln, sondern ungnädig, ja ungerecht. Darum muss nach der gewissenhaften Gerichtsverhandlung vor dem Richterstuhl Gottes am Ende die Versöhnung stehen, und es ist Aufgabe der Theologie, beides zusammen zu denken.


Natürlich gibt es im Christentum viele und gewichtige Stimmen, die zum Frieden aufrufen und die im Lauf der Geschichte eine segensreiche Wirkung entfaltet haben.[63] Hierfür haben wiederum Traditionen aus dem Alten Testament inspirierend gewirkt (z.B. Jes 2, 4: „Und er [Gott] wird richten zwischen den Nationen und für viele Völker Recht sprechen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Speere zu Winzermessern. Nicht mehr wird Nation gegen Nation das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr lernen.“). Mehr noch gilt dies für das Neue Testament als Quelle für den christlichen Glauben. So wird die Bergpredigt, die programmatische Botschaft Jesu, mit den Seligpreisungen eröffnet, wo es heißt: „Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben. [...] Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen.“ (Mt 5, 5.9) Jesus hat sich gegen seine Verhaftung und seinen gewaltsamen Tod nicht gewehrt und seinen Jünger PETRUS, der ihn verteidigen wollte, zurückgewiesen: „Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort! Denn alle, die das Schwert nehmen, werden durchs Schwert umkommen.“ (Mt 26, 52) Und der Apostel PAULUS mahnt alle Christen: „Wenn möglich, so viel an euch ist, lebt mit allen Menschen in Frieden.“ (Röm 12, 18) Auch wenn diese Beispiele in ihrer je unterschiedlichen Art hier nicht exegetisch gewürdigt werden können, seien sie doch in Erinnerung gebracht, um das irenische Potential der christlichen Überlieferung anzudeuten.



5. Wie kann das Problem von Religion und Gewalt zukünftig überwunden werden?

Insgesamt haben sowohl das Judentum[64] als auch das Christentum ein problematisches Erbe aus der Bibel übernommen – und der Islam hat es von beiden Religionen geerbt. Wenn sich muslimische Terroristen auf den Koran berufen, so tragen wir Christen in gewissem Maß Mitverantwortung dafür.[65] Juden, Christen und Muslime – jene drei monotheistischen Religionen, die aus der biblischen Überlieferung heraus entstanden sind – sollten sich gemeinsam darum bemühen, die gewaltverherrlichenden Tendenzen in ihrer Tradition zu überwinden.


Der erste Schritt besteht darin, ein kritisches Verhältnis zur eigenen Überlieferung einzunehmen – sowohl in Bezug auf die Geschichte als auch im Hinblick auf die schriftlichen Quellen. Solange die Heilige Schrift als unantastbar gilt, ist es schwer möglich, inneren Abstand zu ihr zu gewinnen und sich von einzelnen Aspekten zu distanzieren. Die christliche und auch die jüdische Theologie haben mit der Methode der »historisch-kritischen Exegese« des Bibeltextes bereits seit etwa 200 Jahren Erfahrungen gesammelt.[66] Dabei hat sich gezeigt, dass der Verzicht auf den Unfehlbarkeitsanspruch der Offenbarung durchaus die Gefahr von Verunsicherung oder gar Identitätsverlust in sich birgt; in der Tat stellt sich die Frage, welche Gewissheit der Glaube noch vermitteln kann, wenn er keine absolute Norm ist, sondern seinerseits der Kritik der Vernunft unterworfen wird. Dennoch führt dies nicht zur Selbstauflösung von Religion, sondern lässt die Frage nach der Wahrheit lediglich in jener Komplexität erscheinen, die ihr gebührt.


Ein kritisches Verhältnis zur eigenen Überlieferung einnehmen – das bedeutet in Bezug auf das Problem von Religion und Gewalt: Juden, Christen und Muslime sollen aufmerksam wahrnehmen, wo Gewalt im Namen ihrer Religion bejaht wird – sei es physische Gewalt in Form von Kampf und Krieg, sei es psychische Gewalt durch Glaubenszwang, Zwangstaufe, Zwangspredigt, Drohbotschaften, Unterdrückung und Verfolgung von Andersgläubigen, Verbot von Religionswechsel, Bevorzugung einer einzigen Religionsgemeinschaft, Intoleranz u.a.m. Wir müssen uns bewusst werden, wo solche Gewaltförmigkeit – explizit oder implizit, mehr oder weniger subtil – gefördert wird in unseren Heiligen Schriften, in theologischen Werken, Katechismen und Schulbüchern, in unseren Gebeten und Liedern, in Kunst und Folklore. Wir müssen uns ebenso bewusst werden über den Zusammenhang zwischen unserem Gottesbild und dem Gewaltpotenzial der Religion, wobei hier komplexe Wechselwirkungen bestehen: Ein gewalttätiges Gottesbild kann die zwischenmenschliche Aggression erhöhen; zugleich können menschliche Gewaltvorstellungen auf Gott projiziert werden und dann wieder auf die Gesellschaft zurückwirken.


Eine Reflexion dieser Prozesse sowie ein intensiver Diskurs darüber sind notwendig, um sich in einem nächsten Schritt emanzipieren zu können. Wichtig ist dabei, dass die Zurückweisung gewaltförmiger Traditionen ausdrücklich vorgenommen wird. Dies sei am Beispiel der oben genannten Erzählung von der Opferung Isaaks durch Abraham verdeutlicht: Es reicht nicht aus, in einer Predigt oder Abhandlung über diesen Bibeltext das Thema »Gewalt« zu umgehen und sich auf weniger anstößige Aspekte zu konzentrieren (etwa die Bereitschaft, alles loszulassen und Gott ganz zu vertrauen). Die Gläubigen haben ein Recht darauf, zu erfahren, woran sie bei einer Geschichte wie dieser sind und was davon zu halten ist. Es ist nicht die Aufgabe von Theologen, die Religion gegen Kritik in Schutz zu nehmen; sie sollten eher aufzeigen, wie die Schrift bei Bedarf verneint und dennoch (oder gerade so, indem wir uns ernsthaft mit ihr auseinandersetzen) geachtet werden kann.


Schließlich werden wir in Bezug auf das problematische Verhältnis von Religion und Gewalt nur Fortschritte machen können, wenn wir – möglichst gemeinsam – ein klares Bekenntnis zur Gewaltfreiheit aussprechen.[67] Ein solches Bekenntnis ist nicht gleichbedeutend mit Pazifismus, der sich auf den Bereich des Politischen bezieht. Wohl aber hat es zur Voraussetzung, das der Grundsatz der Religionsfreiheit anerkannt wird. Dann kann sich die Hoffnung erfüllen, die HANS KÜNG mit seinem »Projekt Weltethos« verbunden hat, nämlich dass die Religionen einen genuinen Beitrag zum Weltfrieden leisten.[68]



Zur Autorin:

Jutta Koslowski, geb. 1968, Dr. theol., Studium der Theologie, Philosophie und Judaistik in München, Tübingen und Oxford, evangelische Pfarrerin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und Lehrbeauftragte für Ökumenische Theologie und Interreligiösen Dialog an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg.

[1]    Vgl. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/palmyra-is-veroeffentlicht-fotos-der-tempel-zerstoerung-13768950.html (14.10.2016).
[2]    Zum Problem des IS vgl. LOHLKER, RÜDIGER: Die Gewalttheologie des IS: Gewalt, Kalifat und Tod. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 70–98; LOHLKER, RÜDIGER: Theologie der Gewalt. Das Beispiel IS, Wien 2016; SCHNECKENER, ULRICH: Al-Qaida – Terror im Namen Gottes? Religion und transnationler Terrorismus. In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 85–97; zum Phänomen von Selbstmordattentätern vgl. CROITORU, JOSEPH: Der Märtyrer als Waffe. Zur Geschichte und Evolution des Selbstmordattentats. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 54–64; KIPPENBERG, HANS: Die Hamburger Zelle und die Vorbereitung des Kriegszugs. Die geistliche Anleitung für den 11. September. In: DERS.: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008, S. 171–182 und 231–235; SOFSKY, WOLFGANG: Bis in den Abgrund. Held, Märtyrer und Terrorost in einem: Der Selbstmordattentäter. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 65–69.
[3]    Zum Gefahrenpotential des Islamismus in Deutschland vgl. PFAHL-TRAUGHBER, ARMIN: Vom Aufbau von Parallelgesellschaften bis zur Durchführung von Terroranschlägen. Das Gefahren- und Konfliktpotential des Islamismus in Deutschland. In: HILDEBRANDT, MATHIAS/BROCKER, MANFRED (Hg.): Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen, Wiesbaden 2005, S. 153–177; SCHIFFAUER, WERNER: Reislamisierung und Radikalisierung. Zur inneren Dynamik des Islam in Deutschland. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 269–289.
[4]    So erklärte etwa der deutsche Innenminister THOMAS DE MAIZIÈRE nach dem verheerenden Anschlag auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo: „Terroristische Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun.“ S. https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_Charlie_Hebdo; http://www.sueddeutsche.de/politik/innenminister-de-maizire-zum-angriff-auf-charlie-hebdo-terroristische-anschlaege-haben-nichts-mit-dem-islam-zu-tun-1.2294940 (14. 10. 2016).
[5]    Vgl. hierzu den vielbeachteten und umstrittenen Beitrag von HUNTINGTON, SAMUEL: The Clash of Civilizations? In: Foreign Affairs, Jg. 72, 1993, S. 22–49; sowie DERS.: Der Kampf der Kulturen. The Clash of Civilizations. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München 1996.
[6]    Zur kontroversen Diskussion um die religiöse Motivation terroristischer Gewalt vgl. WALDMANN, PETER: Wie anfällig sind Religionen für Gewalt? Ein Zwischenresümee des Diskussionsstandes. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 395–426; WALDMANN, PETER: Wie religiös ist der »religiöse Terrorismus«? In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 99–109. WALDMANNs differenzierte Analyse führt zu dem Ergebnis: „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es durchaus genuin religiös inspirierte Gewalt, auch religiösen Terrorismus, gibt, dessen Umfang man jedoch nicht überschätzen sollte, da Religionen in gewissen Situationen nicht nur die Lizenz zum Töten geben, sondern als Systeme eigener Art auch Hindernisse und Restriktionen hervorbringen, die den Gewalteinsatz limitieren.“ (A.a.O., S. 106)
[7]    Vgl. als grundlegende Monographien zum Thema u.a.: APPLEBY, R. SCOTT: The Ambivalence of the Sacred. Religion, Violence, and Reconciliation, Lanham 2000; ASSMANN, JAN: Die mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München 2003; BECK, ULRICH: Der eigene Gott. Von der Friedensfähigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen, Frankfurt 2008; DELGADO, MARIANO (Hg.): Friedensfähigkeit und Friedensvisionen in Religionen und Kulturen, Stuttgart 2012; ENNS, FERNANDO/WEIßE, WOLFRAM (Hg.): Gewaltfreiheit und Gewalt in den Religionen. Politische und theologische Herausforderungen (Religionen im Dialog, Bd. 9). Münster/New York 2016; GIRARD, RENÉ: Das Heilige und die Gewalt, Zürich 1987; GNÄNDINGER, FRANZISKA/KELLER, MANFRED/WIEGRÄBE, WINFRIED (Hg.): Religion – Friede oder Gewalt? (Evangelische Hochschul-Dialoge, Bd. 2), Berlin 2008; HEMPELMANN, REINHARD (Hg.): Religionen und Gewalt (EZW-Texte, Nr. 167), Berlin 2002; HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006; HILDEBRANDT, MATHIAS/BROCKER, MANFRED (Hg.): Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen, Wiesbaden 2005; JUERGENSMEYER, MARK: Terror in the Mind of God. The Global Rise of Religious Violence, Berkley/London 2001; KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003; KIPPENBERG, HANS: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008; OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008; RÖHRICH, WILFRIED: Die Macht der Religionen. Glaubenskonflikte in der Weltpolitik, München 2004; SCHIEDER, ROLF: Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008; SCHREINER, KLAUS (Hg.): Heilige Kriege. Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendungen: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich, München 2008; SLOTERDIJK, PETER: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen, Frankfurt 22008; STOBBE, HEINZ-GÜNTHER: Religion, Gewalt und Krieg. Eine Einführung, Stuttgart 2010; WALTER, PETER (Hg.): Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott (Quaestiones disputatae, Bd. 216), Freiburg 2005; WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015; ZINSER, HARTMUT: Religion und Krieg, Paderborn 2015.
[8]    So berichteten etwa überlebende Augenzeugen des Attentats auf die Redaktion des französischen Karikatur-Magazins Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 durch die beiden mit al-Quaida im Jemen verbundenen Brüder Saïd und Chérif Kouachi, diese haben Allahu akbar gerufen, während sie wild um sich schossen; vgl. http://www.sueddeutsch e.de/panorama/ueberlebender-schildert-anschlag-es-war-barbarisch-1.2296682 (14. 10. 2016).
[9]    Vgl. http://www.tagesschau.de/ausland/syrien-is-palmyra-101.html (14. 10. 2016); http://www.spiegel.de/video/palmyra-is-veroeffentlicht-video-aus-weltkulturerbestaette-video-1580431.html (14. 10. 2016).
[10]    Vgl. YOUSAFZAI, MALAL/LAMB, CHRISTINE: Ich bin Malala. Das Mädchen, das die Taliban erschießen wollten, weil es für das Recht auf Bildung kämpft, München 2013; https://de.wikipedia.org/wiki/Malala_Yousafzai (14. 10. 2016).
[11]    Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Boko_Haram (17. 10. 2016).
[12]    Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Massenentführung_nigerianischer_Schülerinnen_2014 (17. 10. 2016); http://www.spiegel.de/politik/ausland/nigeria-islamisten-ueberfallen-schule-und-verschleppen-maedchen-a-964577.html (17. 10. 2016).
[13]    Vgl. http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afrika/neues-is-video-zeigt-massaker-an-christen-13546804.html (17. 10. 2016); https://koptisch.wordpress.com/2015/04/19/massaker-des-is-in-libyen-an-30-athiopischen-christen/ (17. 10. 2016).
[14]    Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_auf_das_Garissa_University_College (17. 10. 2016); http://www.tagesspiegel.de/politik/terror-in-kenia-fast-150-tote-bei-angriff-auf-uni-in-garissa/11591012.html (17. 10. 2016).
[15]    Vgl. http://www.zeit.de/thema/anschlaege-in-paris (18. 10. 2016);  http://www.spiegel.de/politik/ausland/attentaeter-von-paris-was-wir-ueber-die-terroristen-wissen-a-1063031.html (18. 10. 2016).
[16]    Man denke etwa an den Bombenanschlag des christlichen Fundamentalisten ERIC RUDOLPH am 27. Juli 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta und an die Terrorgruppe Army of God; vgl. auch HOPPE, THOMAS: Krieg und Gewalt in der Geschichte des Christentums. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 25–43 und 130–132; KIPPENBERG, HANS: Amerikanische Protestanten bereiten den endzeitlichen Kriegsschauplatz in Palästina vor. In: DERS.: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008, S. 145–160 und 228–231; KLIMMECK, BARBARA: Katholizismus, Gewalt und Militärdiktatur in Argentinien. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 219–245; BREMER, THOMAS: Geistliche Würdenträger und politische Macht. Orthodoxie in Russland. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 247–265.
[17]    Bekannt ist etwa das furchtbare Attentat von BARUCH GOLDSTEIN in der Grabhöhle Abrahams in Hebron am 25. Febraur 1994 oder die Ermordung des ehemaligen Ministerpräsidenten YITZCHAK RABIN durch den jüdischen Fundamentalisten JIGAL AMIR am 4. Dezember 1995; vgl. auch KIPPENBERG, HANS: Israels Kriege der Erlösung. In: DERS.: Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008, S. 101–122 und 221–225.
[18]    Ein trauriger Meilenstein war u.a. die gewalttätige Zerstörung der Babri-Moschee im nordinischen Ayodhya am 6. Dezember 1992 durch fanatisierte Hindus; vgl. auch MEISIG, KONRAD: Krieg und Gewalt im Hinduismus. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 67–82 und 132 f.
[19]    Vgl. z.B. SCHMITHAUSEN, LAMBERT: Zum Problem der Gewalt im Buddhismus. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 83–98 und S. 133–138.
[20]    Vgl. STAFFORD-CLARK, DAVID/SMITH, ANDREW C.: Psychiatrie. Ein Kompendium, Stuttgart 21991,S. 141–147; EIBL-EIBESFELDT, IRENÄUS: Der vorprogrammierte Mensch. Das Ererbte als bestimmender Faktor im menschlichen Verhalten, München 41982, S. 98–101. Vgl. auch ICD-10-GM-2015, F 60.2: Dissoziale Persönlichkeitsstörung.
[21]    Vgl. HILDEBRANDT, MATHIAS: Einleitung. In: Ders.: Säkularisierung und Resakralisierung in westlichen Gesellschaften. Ideengeschichtliche und theoretische Perspektiven, Wiesbaden 2001, S. 9–28; HAUSMANNINGER, THOMAS: Ideologie, Ideologiekritik. In: Lexikon für Theologie und Kirche, Hg. KASPER, WALTER, Bd. 5, Freiburg 2006, Sp. 402 f.
[22]    Offener Brief an al-Baghdadi und ISIS. In: http://madrasah.de/leseecke/islam-allgemein/offener-brief-al-baghdadi (18. 10. 2016).
[23]    Ebd., Kurzfassung [dem Haupttext vorangestellt], Nr. 6–7 und Nr. 11–14.
[24]    Ebd., Nr. 17.
[25]    Ebd., Nr. 1.
[26]    Einen Überblick zu dieser Diskussion bietet SCHIEDER, ROLF: Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008, S. 48–125, der sich u.a. mit der Instrumentalisierungsthese, der Modernisierungsthese, der Monotheismusthese, der Induktionsthese und der Apokalyptikthese auseinandersetzt. ANDREAS HASENCLEVER unterscheidet vier unterschiedliche Grundpositionen zum Zusammenhang von Religion und Gewalt, nämlich Enthusiasten, Kritiker, Ambivalenztheoretiker und Skeptiker: „Während die Kritiker meinen, dass Religionen gefährlich seien, weil Glaubensdifferenzen immer wieder Kriege provozieren, argumentieren Enthusiasten, dass Religionen richtig verstanden dem Frieden dienen. Eine vermittelnde Position zwischen Kritikern und Enthusiasten vertritt der amerikanische Theologe SCOTT APPLEBY [...] (Ambivalenzthese). Schließlich lässt sich in der Debatte noch eine skeptische Position identifizieren, die vor allem in den Sozialwissenschaften vertreten wird. Hier halten viele Religionen für sekundär: Wenn es um Krieg und Frieden gehe, so seien materielle Faktoren wie Staatsverfassung oder Wirtschaftsleistung ausschlaggebend.“ HASENCLEVER, ANDREAS: Die Menschen führen Krieg und die Götter bleiben im Himmel. Überlegungen zur Religion als Friedenskraft. In: DELGADO, MARIANO (Hg.): Friedensfähigkeit und Friedensvisionen in Religionen und Kulturen, Stuttgart 2012, S. 17–38, hier S. 17 f. – Vgl. auch HÄRING, HERMANN: Konflikt- und Gewaltpotentiale in den Weltreligionen? Religionstheoretische und theologische Perspektiven. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 13–45; HILDEBRANDT, MATHIAS: Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen. In: HILDEBRANDT, MATHIAS/BROCKER, MANFRED (Hg.): Unfriedliche Religionen? Das politische Gewalt- und Konfliktpotenzial von Religionen, Wiesbaden 2005, S. 9–31.
[27]    LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254.
[28]    HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006.
[29]    SUNDERMEIER, THEO: Religionen – Kraft zum Frieden oder Ursache von Gewalt? In: GNÄNDINGER, FRANZISKA/KELLER, MANFRED/WIEGRÄBE, WINFRIED (Hg.): Religion – Friede oder Gewalt? (Evangelische Hochschul-Dialoge, Bd. 2), Berlin 2008, S. 11–24.
[30]    OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008.
[31]    Vgl. LEINER, der bei seiner Analyse der vier oben genannten Grundoptionen (Enthusiasten, Kritiker, Ambivalenztheoretiker und Skeptiker) zu dem Schluss kommt: „Alle Positionen haben in einem bestimmten Bereich recht. Im Bereich allgemeiner Aussagen kann die Wahrheit nur die Synthese aller vier Positionen sein. Nur eine Theorie, welche die Wahrheitsmomente aller vier Positionen zu integrieren vermag, ist geeignet, eine einigermaßen umfassende Sicht der Thematik Gewalt und Religion zu vermitteln. Führt man eine solche Synthese durch, dann ergibt sich als logisches Ergebnis eine schwache Ambivalenzthese. Zu dieser Auffassung [...] gelangt man durch folgende Überlegung: Die Synthese einer kritischen und einer enthusiastischen Position führt logisch zu einer ambivalenten Sicht, und diese wiederum führt, mit der skeptischen Sicht verbunden, zu dem Ergebnis, dass Religionen im Hinblick auf Gewalt ambivalent sind, aber nicht immer relevant werden.“ LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254, hier S. 242.
[32]    APPLEBY, R. SCOTT: The Ambivalence of the Sacred. Religion, Violence, and Reconciliation, Lanham 2000. Vgl. ebenso KÖRTNER, ULRICH: Religion und Gewalt. Zur Lebensdienlichkeit von Religion in ihrer Ambivalenz. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 99–140; LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254; OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008.
[33]    Hier schließe ich mit an HARTMUT ZINSER an, der Religionen als tendenziell „belliziös“ bezeichnet und die These vertritt, „daß Religionen und Kriege auf das Innigste verschlungen und verknüpft sind. [...] Alle Religionen sind nicht friedfertig, ihnen mußte die Friedensliebe aufgedrängt werden.“ ZINSER, HARTMUT: Religion und Krieg, Paderborn 2015, S. 9 und 14.
[34]    ASSMANN, JAN: Martyrium, Gewalt, Unsterblichkeit. Die Ursprünge eines religiösen Syndroms. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 122–147; ASSMANN, JAN: Monotheismus und die Sprache der Gewalt. In: WALTER, PETER (Hg.): Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott (Quaestiones disputatae, Bd. 216), Freiburg 2005, S. 18–38; ASSMANN, JAN: Die mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München 2003.
[35]    Vgl. zusammenfassend u.a. SCHIEDER, ROLF: Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008, S. 69–88.
[36]    Vgl. ASSMANN, JAN: Monotheismus und Gewalt. In: www.perlentaucher.de/cdata/K5/T29/A8079/janassmann.pdf (19. 10. 2016).
[37]    Vgl. auch BECK, ULRICH: Der eigene Gott. Von der Friedensfähigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen, Frankfurt 2008; SLOTERDIJK, PETER: Gottes Eifer. Vom Kampf der drei Monotheismen, Frankfurt 22008; WALTER, PETER (Hg.): Das Gewaltpotential des Monotheismus und der dreieine Gott (Quaestiones disputatae, Bd. 216), Freiburg 2005.
[38]    Vgl. SCHIMMEL, ANNEMARIE: Der Islam. Eine Einführung, Stuttgart 1990.
[39]    Vgl. LEWIS, BERNARD: Die Juden in der islamischen Welt. Vom frühen Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, München 1987; DERS.: Die Welt der Ungläubigen. Wie der Islam Europa entdeckte, Frankfurt 1987.
[40]    Vgl. BARRUCAND, MARIANNE/BEDNORZ, ACHIM: Maurische Architektur in Andalusien, Köln 1992.
[41]    Dazu kommen in etlichen islamisch geprägten Ländern weitere Faktoren erschwerend hinzu; etwa ein unzureichendes Bildungssystem, geringe Chancen auf wirtschaftliche Entwicklung, Waffenlieferungen aus dem Ausland in akute Krisenregionen u.a.m.
[42]    Vgl. KHOURY, ADEL THEODOR: Krieg und Gewalt im Islam. In: DERS. /GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 45–65 und S. 132; KRÄMER, GUDRUN: Gewaltpotentiale im Islam. In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 239–247; SCHIRRMACHER, CHRISTINE: Der Islam über den Frieden, den Jihad und das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen. In: HEMPELMANN, REINHARD/KANDEL, JOHANNES (Hg.): Religionen und Gewalt. Konflikt- und Friedenspotentiale in den Weltreligionen (Kirche – Konfession – Religion, Bd. 51), Göttingen 2006, S. 259–275.
[43]    Koranverse werden hier und im folgenden zitiert nach der Übersetzung von LUDWIG ULLMANN, sofern nicht anders vermerkt. Auf der Problem der Koran-Übersetzung sei ausdrücklich hingewiesen: Viele Muslime betonen, dass seine authentische Bedeutung nur in der arabischen Original-Sprache erfasst werden kann.
[44]    Vgl. auch Sure 2, 191; 8, 12; 8, 39; 9, 5; 9, 29; 9, 39; 9, 52; 9, 60; 9, 123; 8, 12; 8, 39; 33, 25 u.a.m.
[45]    So sprach der Prophet. Worte aus der islamischen Überlieferung, Hg. KHOURY, ADEL THEODOR, Gütersloh 1988, S. 284.
[46]    Ebd., S. 289.
[47]    Ebd., S. 285.
[48]    Eine christliche Sondergruppe der damaligen Zeit.
[49]    RAMEZANI, REZA: Der Islam – Eine Religion der Spiritualität, Ethik, Vernunft, Gerechtigkeit und Toleranz. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 43–56; vgl. mit ähnlich apologetischer Tendenz ABDOLDJAVAD, FALATURI: Toleranz und Friedenstraditionen im Islam. In: DERS.: Der Islam im Dialog. Aufsätze, Köln 41992, S. 75–97.
[50]    STOBBE, HEINZ-GÜNTHER: Religion, Gewalt und Krieg. Eine Einführung, Stuttgart 2010, S. 323.
[51]    KERMANI, NAVID: Über die Grenzen – Jacques Mourad und die Liebe in Syrien. Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 18. Oktober 2015. In: www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media/php/1290/2015 Friedenspreis Reden.1611966.pdf (19. 10. 2016). Darin konstatiert er: „Es sind nicht nur die schrecklichen Nachrichten und noch schrecklicheren Bilder aus Syrien und dem Irak, wo der Koran noch bei jeder Schweinetat hochgehalten und bei jeder Enthauptung „Allahu akbar“ gerufen wird. Auch in so vielen anderen, wenn nicht den meisten Ländern der muslimischen Welt berufen sich staatliche Autoritäten, staatsnahe Institutionen, theologische Schulen oder aufständische Gruppen auf den Islam, wenn sie das eigene Volk unterdrücken, Frauen benachteiligen, Andersdenkende, Andersgläubige, anders Lebende verfolgen, vertreiben, massakrieren. Unter Berufung auf den Islam werden in Afghanistan Frauen gesteinigt, in Pakistan ganze Schulklassen ermordet, in Nigeria Hunderte Mädchen versklavt, in Libyen Christen geköpft, in Bangladesch Blogger erschossen, in Somalia Bomben auf Marktplätzen gezündet, in Mali Sufis und Musiker umgebracht, in Saudi-Arabien Regimekritiker gekreuzigt, in Iran die bedeutendsten Werke der Gegenwartsliteratur verboten, in Bahrein Schiiten unterdrückt, im Jemen Sunniten und Schiiten aufeinander gehetzt.“ (Ebd., S. 2)
[52]    KRAMER, HEINRICH: Der Hexenhammer. Malleus Maleficiarum. Kommentierte Neuübersetzung, Hg. JEROUSCHEK, GÜNTER/BEHRINGER, WOLFGANG, München 2000 [Erstveröffentlichung 1486].
[53]    Vgl. KELLER, HILTGART: Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst, Hg. WOLF, NORBERT, Stuttgart 112010.
[54]    In der Entstehungszeit des Christentums hat man daran durchaus Anstoß genommen; vgl. 1. Kor 1, 18–29.
[55]    Zur grundlegenden Diskussion über den Zusammenhang zwischen Heiligkeit und Gewalt vgl. GIRARD, RENÉ: Das Heilige und die Gewalt, Zürich 1987; HAFNER, JOHANN EVANGELIST: Victim und Sacrifice. Girards Opfertheorie und ihre Anwendung auf Texte des Hinduismus, des Judentums und des Christentums. In: OBERDORFER, BERND/WALDMANN, PETER (Hg.): Die Ambivalenz des Religiösen. Religionen als Friedensstifter und Gewalterzeuger (Rombach Wissenschaften – Reihe Historiae, Bd. 22), Freiburg 2008, S. 77–104.
[56]    Vgl. MÜLLER, HANS-PETER: Krieg und Gewalt im antiken Israel. In: KHOURY, ADEL THEODOR/GRUNDMANN, EKKEHARD/MÜLLER. HANS-PETER (Hg.): Krieg und Gewalt in den Weltreligionen. Fakten und Hintergründe, Freiburg 2003, S. 11–23 und 125–130.
[57]    Bibelstellen werden hier und im folgenden nach der Revidierten Elberfelder Übersetzung zitiert, sofern nicht anders vermerkt.
[58]    Vgl. LEINER, der in seinem Beitrag »Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz des Religiösen in Gewaltkonflikten« acht verschiedene methodische Ansätze unterscheidet, mit deren das Verhältnis von Religion und Gewalt untersucht werden kann; einer davon bezieht sich auf die Analyse von religiösen Praktiken: Dieser „Zugang besteht darin, religiöse Praktiken und Praktiken der Gewalt zu beschreiben und Analogien und Verbindungen aufzuzeigen. Zwischen Opferritualen und Gewaltpraktiken können beispielsweise Analogien und unter Umständen sogar Verbindungen und Übergänge festgestellt werden.“ LEINER, MARTIN: Religionen als Sündenböcke und Hoffnungsträger. Die Ambivalenz von Religionen in Gewaltkonflikten. In: WUNN, INA/SCHNEIDER, BEATE (Hg.): Das Gewaltpotential der Religionen (Religionsforum, Bd. 11), Stuttgart 2015, S. 229–254, hier S. 238.
[59]    Luther-Übersetzung.
[60]    Luther-Übersetzung.
[61]    Luther-Übersetzung.
[62]    Luther-Übersetzung.
[63]    Vgl. WEINGARDT, MARKUS: Religion als politischer Faktor zur Gewaltüberwindung. In: ENNS, FERNANDO/WEIßE, WOLFRAM (Hg.): Gewaltfreiheit und Gewalt in den Religionen. Politische und theologische Herausforderungen (Religionen im Dialog, Bd. 9), Münster/New York 2016, S. 95–104; als aktuelles Beispiel im Zusammenhang mit dem Islam vgl. BENKE, CHRISTOPH: »Hingegeben, nicht genommen«. Zeugen für Christus im muslimischen Algerien. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015.
[64]    Auf das die jüdische Religion kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, jedoch ließen sich hier Parallelen aufzeigen: Von der kriegerischen Überlieferung in der Hebräischen Bibel war oben bereits die Rede; außerdem finden sich gewaltförmige Denkmuster auch bei hochverehrten jüdischen Denkern wie etwa dem berühmten Religionsphilosoph MAIMONIDES (1135/38–1204). In seinem Hauptwerk Mishne Thora schreibt er z.B.: „If a heathen strikes a Jew — an offense for which he deserves death, no matter how slight the wound he inflicts – he is put to death (by the court). [...] A heathen who busies himself with the study of the Law deserves death, [...] The general principle is: none is permitted to introduce innovations into religion or devise new commandments.“ (MAIMONIDES: The Code of Maimonides [Mishne Torah], Bd. 14: The Book of Judges, Hg. HERSHMAN, ABRAHAM (Yale Judaica Series, Bd. 3), New Haven 1949, S. 236 f.). Manche militanten Anhänger des Judentums schrecken vor Gewalt nicht zurück und führen dabei eine religiös motivierte Legitimation für ihre Straftaten an, die den Argumenten anderer Fundamentalisten ähnlich ist. Auf der anderen Seite gibt es auch im Judentum eine aktive Friedensbewegung, die sich nicht zuletzt aus religiösen Quellen speist. In Israel ist dies z.B. Shalom Achshav (engl. Peace Now, dt. Frieden Jetzt), deren Mitglieder sich dafür engagieren, „einen gerechten Frieden und eine historische Versöhnung mit dem palästinensischen Volk wie den arabischen Nachbarn zu erreichen“ (aus der Präambel, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schalom_Achschaw; 20. 10. 2016). Vgl. auch OZ, AMOS: Friede und Liebe und Kompromiß. Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 4. Oktober 1992. In: www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media/php/1290/1992_oz.pdf (20. 10. 2016).
[65]    Vgl. RHONHEIMER, MARTIN: Töten im Namen Allahs. Gewalt und theologische Tradition im Islam und Christentum. In: TÜCK, JAN-HEINER (Hg.): Sterben für Gott – Töten für Gott? Religion, Martyrium und Gewalt, Freiburg 2015, S. 18–41; SCHREINER, KLAUS (Hg.): Heilige Kriege. Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendungen: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich, München 2008.
[66]    Inspiriert von SEMLER, JOHANN SALOMO: Abhandlung von freier Untersuchung des Canon, 4 Bde., Hg. SCHEIBLE, HEINZ (Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte, Bd. 5, Gütersloh 21980 [Erstveröffentlichung 1771–75].
[67]    Vgl. ZINSER, der seine Monographie über Gewalt und Krieg mit dem Fazit beschließt: „Es wird darauf ankommen, von den Religionen, ihren Anhängern und Amtsträgern zu fordern, daß sie eindeutig und ohne Einschränkung Krieg und allen mit militärischen Mitteln geführten Kampf abweisen und dies vor allem auch gegen Positionen und Gruppen ihrer eigenen Religion öffentlich vertreten. Religionen könnten damit zu einer friedensstiftenden Instanz werden.“ ZINSER, HARTMUT: Religion und Krieg, Paderborn 2015, S. 191.
[68]    KÜNG, HANS: Projekt Weltethos, München 131996; Parlament der Weltreligionen: Erklärung zum Weltethos. In: KÜNG, HANS/KUSCHEL, KARL-JOSEF (Hg.): Erklärung zum Weltethos. Die Deklaration des Parlaments der Weltreligionen. München 1993, S. 13–45.
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