stark

Lucia Scherzberg

Die katholische Liturgische Bewegung – ein Diskurs über Form, Stil und Gestalt[A]



Einleitung

Lässt sich die Liturgische Bewegung auf katholischer Seite als Diskurs über Form, Stil und Gestalt kennzeichnen? Diese Frage lässt sich relativ leicht mit „Ja“ beantworten, schwieriger dagegen ist die Klärung, was überhaupt unter „Liturgischer Bewegung“ zu verstehen ist.

Zunächst soll eine zeitliche Einordnung und Abgrenzung geleistet sowie ein Hinweis auf die Wurzeln der Liturgischen Bewegung gegeben werden.[1] Der Versuch einer Begriffsdefinition stößt allerdings bereits auf das Problem, dass die einschlägige Literatur die Liturgische Bewegung sowohl als homogenes als auch als ausgesprochen heterogenes Phänomen beschreibt und ihren Beginn sehr unterschiedlich datiert[2], d.h. ihn entweder in das erneuerte Benediktinertum im 19. Jahrhundert legt oder mit dem sog. Mechelner Ereignis[3] 1909 identifiziert oder in Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg bringt[4]. Als Wurzeln werden sowohl aufklärerische als auch romantische und restaurative Strömungen genannt, je nach Erkenntnisinteresse jedoch harmonisiert oder neben- bzw. gegeneinander gestellt.


1. Liturgische Bewegung oder liturgische Bewegungen?

Theodor Maas-Ewerd beschreibt in der 3. Auflage des „Lexikon für Theologie und Kirche“ die Liturgische Bewegung als eine homogene Erneuerungsbewegung der Kirche.[5] Vielfältige Strömungen mündeten in die Liturgische Bewegung. Erwin Iserloh nennt diese den „Ausdruck eines neuen Kirchenbewusstseins“.[6]

Arno Schilson harmonisiert die wahrgenommene Heterogenität mit Hilfe eines Phasenmodells, das unterschiedliche Richtungen als chronologische Entwicklungsschritte kennzeichnet.[7] Darin spiegelt sich jene Beschreibung der „Liturgischen Bewegung“ wider, die Romano Guardini in einem Brief an den Liturgischen Kongress in Mainz (1964) entfaltete: in der ersten Phase im 19. Jahrhundert werde liturgisches Gut aus patristischer und hochmittelalterlicher Zeit wiederentdeckt, in der zweiten Phase die Liturgie durch akademische und benediktinische Kreise restauriert. Diese Form der Liturgie sei dem Kirchenvolk jedoch nicht zugänglich gewesen, sodass die Zentren des volksliturgischen Apostolats und die Jugendbewegungen in der dritten Phase die Aufgabe übernommen hätten, die liturgische Bewegung in die Gemeinden zu tragen. Schließlich stelle das Zweite Vatikanische Konzil mit seiner Liturgiereform eine vierte Phase dar.[8]

Andere Autoren gehen von einer ausschließlichen Verwurzelung der Liturgischen Bewegung in restaurativen Strömungen des 19. Jahrhunderts aus. Nicht die liturgischen Reformen im Zuge der Aufklärung, sondern das restaurierte Benediktinertum mit seinem Streben zu liturgischer Vereinheitlichung gegen die nationalen, muttersprachlichen Liturgien habe den entscheidenden Impuls gegeben. Breitenwirksam habe die Liturgische Bewegung aber erst durch die Verbindung mit der Jugendbewegung nach dem Ersten Weltkrieg werden können.[9]

Rupert Berger dagegen sieht die Wurzeln der Liturgischen Bewegung bis ins Zeitalter der Reformation und des Gallikanismus herab reichen, auch wenn er auf den vielgestaltigen, heterogenen Charakter der Bewegung verweist.[10]

Eine erste Welle setze in der Zeit der Aufklärung ein. Diese „versandet in der Gegenwoge der Romantik“[11], getragen von den Benediktinerabteien (v.a. Solesmes). Mit dem Mechelner Ereignis (1909) beginne die zweite Welle der Liturgischen Bewegung, die nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges von den Benediktinerabteien aus die Akademikerkreise, die Jugendverbände und die Gemeinden erfasse.

Wieder andere entdecken die Wurzeln der Liturgischen Bewegung zwar in restaurativen Tendenzen, z.B. des benediktinischen Mönchtums, wollen diesen aber nicht die Kraft eines innovativen zukunftsfähigen Aufbruchs absprechen.[12]

Klar zwischen einer sich an der Aufklärung orientierenden und einer der Romantik zugeneigten Strömung unterscheidet lediglich Hans-Christoph Schmidt-Lauber in der Theologischen Realenzyklopädie (1993).[13]
Deshalb spricht er auch von „Liturgischen Bewegungen“ im Plural.

Adolf Adam und Winfried Haunerland differenzieren in der 2012 erschienenen 9. Auflage von „Grundriss Liturgie“ zwar zwischen den liturgischen Bemühungen zur Zeit der Aufklärung und zur Zeit der „katholischen Restauration“. Allerdings werden diese Entwicklungen wiederum teleologisch als zeitliche Abfolge von Stationen hin zu einer „Liturgischen Bewegung“ dargestellt.[14]

Der Versuch einer Homogenisierung und Harmonisierung der unterschiedlichen Wurzeln liturgischer Erneuerung seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ist zumeist von dem Interesse getragen, die Legitimität einer kirchlichen Erneuerungsbewegung und ihr fruchtbares Wirken für die gesamte Kirche herauszustreichen. Aus historischer Perspektive fällt eher die Heterogenität ins Auge, die hier idealtypisch als aufklärerische bzw. als romantisch-restaurative Strömung gekennzeichnet werden soll. Gehören zu den liturgischen Reformen der Aufklärungszeit die Verwendung der Landessprache, eine Ritenreform zugunsten besserer Verständlichkeit und die Betonung der belehrenden Verkündigung, ist für die liturgische Erneuerung durch die Benediktinerklöster die Verwendung der lateinischen Kultsprache, die Fokussierung auf den einheitlichen römischen Ritus und die „Objektivität“ der Liturgie charakteristisch und nicht zuletzt die erfolgreiche Wiederbelebung des gregorianischen Gesangs. Im Umfeld des Ersten Weltkriegs, der als Katalysator und Schmelztiegel wirkt, entsteht die „Liturgische Bewegung“ im engeren Sinne, in deren konkreten Ausformungen und „Schulen“ sich Elemente der idealtypisch unterschiedenen Strömungen miteinander verbinden. Wenn im Folgenden von „Liturgischer Bewegung“ die Rede ist, sind die Strömungen gemeint, die sich im Umfeld des Ersten Weltkrieges oder in der Nachkriegszeit entfalteten und eine große Wirkung auf verschiedene Adressaten- und Multiplikatoren-Gruppen ausübten. Zeitlich liegt der Fokus auf den 20er bis 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Aufsatz geht von der These aus, dass „Form“, „Stil“ und „Gestalt“ zentrale Themen der „Liturgischen Bewegung“ waren, dass diese „Formgebung“ angesichts schwieriger gesellschaftlicher und politischer Umstände leisten und einen geistlichen „Lebensstil“ vermitteln wollte.



2.    Protagonisten und Multiplikatoren

Das Benediktinerkloster Maria Laach, durch seinen Abt Ildefons Herwegen den katholischen Akademikern besonders verbunden, sah in der Feier der Liturgie eine besondere Chance und ein besonderes Angebot für die jungen Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg, um deren Erleben des Krieges konstruktiv aufzunehmen. Den Soldaten, und besonders den Akademikern unter ihnen könne man, schrieb Prior Albert Hammenstede, keine verkitschte, süßliche und weiche Form von Gottesdienst mehr anbieten, sondern müsse sie auf eine Weise ansprechen, dass sie sich ernst genommen fühlten. „Wenn man dem Akademiker jetzt, wo er aus dem Weltkriege heimgekehrt ist und sich unter der Einwirkung des auch nachher noch Erlebten nur von gewaltigen und erhabenen Eindrücken bewegen läßt, die Frömmigkeit in kleinlichen Formen nahebringen wollte, er wüsste wahrscheinlich nichts Rechtes mit ihr anzufangen.“[15]

Der Weltkrieg habe gerade jene in ihrem Glauben angefochten, die „in ihren zartgebundenen Gebetbüchern immer nur von einem süßen Heilande, von einem stets zum Verzeihen bereiten guten Vater gelesen hatten“ und manche unter ihnen „die an und für sich vortreffliche Herz-Jesu-Verehrung zu einem einseitigen Schwelgen in süßen Gefühlen benutzten“[16]. Die Liturgie dagegen sei analog zum Erleben des Krieges aufzufassen[17], insbesondere hinsichtlich ihres Gemeinschaftscharakters, denn die Kriegsheimkehrer verlangten nach Gemeinschaftsbetätigung. Etwas überspitzt könnte man Prior Albert Hammenstede so interpretieren, dass die Liturgie eine Fortsetzung des Kriegserlebnisses mit anderen Mitteln bedeute.

In Klosterneuburg, in der Nähe von Wien, entstand in enger Anbindung an die Gemeinde St. Gertrud ein sog.Volksliturgisches Apostolat, das von Pius Parsch geleitet wurde. Hier wurde ein Konzept liturgischer Reform entwickelt, das vor allem auf das Verstehen der Messe abzielte. Die Messe in St. Gertrud feierte der Priester mit dem Gesicht zum Volk, der Altar war versus populum gerichtet, und die Gemeinde wurde zur tätigen Teilnahme durch Beten und Singen angeleitet.

Das Leipziger Oratorium, so genannt, weil es zum Orden der Oratorianer gehört, entstand erst 1930, verglichen mit den anderen Strömungen also relativ spät. Es handelte sich v.a. um Absolventen aus Innsbruck, die das Oratorium gründeten und eng an eine Pfarrgemeinde in Leipzig anbanden. Zu ihnen gehörte beispielsweise Klemens Tillmann. Auch sie entwarfen ein liturgisches Programm, das auf die Verständlichkeit der Liturgie abzielte. Im Zentrum stand die „Gemeinschaftsmesse“ oder „Betsing-Messe“ und eine Reform der Kar- und Osterliturgie.

Die liturgischen Reformen blieben nicht auf die Klöster oder die jeweiligen Institutionen beschränkt, sondern verbreiteten sich in den 20er Jahren mit großer Schnelligkeit. Die Multiplikatoren, die entscheidend dazu beitrugen, waren für Maria Laach zum einen Abt Ildefons Herwegen, der vor allem auf die katholischen Akademiker fokussiert war und auf die Entstehung des Katholischen Akademikerverbandes großen Einfluss genommen hatte, zum anderen Romano Guardini, dessen Einfluss gar nicht überschätzt werden kann. Romano Guardini war, stark von dem Erlebnis der Abtei Beuron geprägt[18], zur Liturgie gekommen, stand dann in engem Kontakt zu Maria Laach, wurde 1921 Mitherausgeber des Jahrbuchs für Liturgiewissenschaft, zog sich aber nach zwei Jahren zurück, weil es interne Kontroversen und Querelen gab. Mit Guardinis Bändchen „Vom Geist der Liturgie“ war die Laacher Reihe ecclesia orans 1919 eröffnet worden; Guardini sprach darin von der Formung des Menschen durch die Liturgie und von einem Verzicht auf Selbstbestimmung, dem der Mensch sich in der Feier der Liturgie unterziehen müsse. „Er (der Einzelne; LS) muß sich weggeben und mit andern sein, muß der Gemeinschaft einen Teil seiner Selbstgehörigkeit und Selbstführung opfern. … es wird von ihm gefordert, daß er einen umfassenderen Lebensinhalt, nämlich den der Gemeinschaft, als eigenen annehme, …“[19]. Die Analogien zwischen der Beschreibung der Liturgie und militärischen Formen springen dabei ins Auge: „Das Einzelwesen muß darauf verzichten, seine eigenen Gedanken zu denken, seine eigenen Wege zu gehen. Es hat den Absichten und Wegen der Liturgie zu folgen. Es muß seine Selbstverfügung an sie abgeben: mitbeten, statt selbständig vorzugehen; gehorchen, statt frei über sich zu verfügen; in der Ordnung stehen, statt sich nach eigenem Willen zu bewegen.“[20] Wenn auch Guardini in diesen Passagen die Strenge der Form und das Gemeinschaftliche in den Vordergrund stellte, war ihm doch stets die Spannung zwischen Persönlichem und Gemeinschaftlichem bzw. Institutionellem bewusst und er versuchte, beides miteinander zu vermitteln.

Später konzentrierte sich Guardini v.a. auf seine Funktion in der Jugendbewegung, dem sog. Quickborn, einem katholischen Jugendverband mit dem Zentrum in Burg Rothenfels. Die Jugendlichen übernahmen begeistert die neuen liturgischen Formen und wurden dadurch selbst zu Multiplikatoren, die zum Teil sogar die Pfarrgemeinden erreichten. Ihre eigentliche Ausstrahlungskraft erhielten die liturgischen Reformen in Maria Laach erst im Zuge der Verbreitung durch die Jugendbewegung.

Der Laacher Mönch Odo Casel entwickelte das Konzept einer Mysterientheologie, die sich, besonders in Theologen-Kreisen einer starken Akzeptanz erfreute. Pius Parsch in Klosterneuburg kann der Guardini Österreichs genannt werden. Sein Einfluss auf die katholische Jugendbewegung in Österreich, den Bund Neuland, entsprach dem Guardinis auf den Quickborn. Die Gruppen des Wiener Neuland-Bundes begannen, sog. Liturgische Messen zu feiern, d.h. Gemeinschaftsmessen mit Priester und Altar zum Volk und tätiger Teilnahme der Gläubigen durch Singen und Beten.[21]

Das Emblem des Volksliturgischen Apostolats trug den Schriftzug: „Lernt die Messe verstehen“.

In Österreich war der Einfluss der Liturgischen Bewegung vielleicht sogar noch größer, weil auch der Wiener Kardinal und Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Theodor Innitzer, diese Reformen befürwortete. Auf dem Katholikentag 1933 in Wien wurde die große Eröffnungsmesse von Innitzer als Gemeinschaftsmesse gefeiert. Als nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 die meisten katholischen Verbände verboten wurden und die Kirche auf die Gemeinde-Pastoral beschränkt wurde, sprachen sich die Bischöfe dafür aus, dass die liturgischen Reformen, die in Klosterneuburg vorbereitet worden waren, praktisch für alle Gemeinden zum Regelfall werden sollten.

Es gab noch einen weiteren Protagonisten, nämlich Joseph Andreas Jungmann, den Pastoraltheologen der Jesuitenfakultät in Innsbruck.[22]

Jungmann spielte später eine entscheidende Rolle für die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. In Innsbruck bildete sich eine Strömung heraus, die eigentlich nicht direkt liturgisch zu nennen ist, sondern eher auf die Verkündigung zielte: die „kerygmatische Theologie“. Karl Rahners Bruder Hugo war ein wichtiger Vertreter dieser Bestrebungen. Ausgehend von der Überzeugung, dass die gängige neuscholastische Theologie für die Gläubigen nicht mehr verständlich sei, solle diese durch eine Art angewandte theologische Wissenschaft ergänzt werden, die auf Predigt und Gottesdienst hin orientiert sei.


3. Liturgiewissenschaftliche Konzepte

Neben den liturgischen Reformbestrebungen gab es auch eine lebhafte liturgiewissenschaftliche Diskussion die z.T. von denselben Protagonisten geführt wurde, die in der liturgischen Reformpraxis führend waren. Betrachten wir vier Beispiele liturgiewissenschaftlicher Entwürfe: Anton Baumstark, Joseph Andreas Jungmann, Odo Casel und Romano Guardini.[23]

In ihren Konzepten ist in vielfältiger Weise von Stil, Gestalt und Form die Rede: Baumstark untersuchte entwicklungsgeschichtlich die Entstehung verschiedener Stilformen der Liturgie und verstand seine Arbeit als komparatistische Wissenschaft, Jungmann führte die Vielfalt liturgischer Formen auf eine Urform zurück, Guardini sprach von „liturgischem Stil“, und Odo Casel verstand das Kultmysterium gewissermaßen als „Gestalt“ der Gegenwart Christi.


3.1    Anton Baumstark: Evolutionäre Gesetze der Liturgie

Baumstark war Laie, kein Priester, studierte Orientalistik und Klassische Philologie, promovierte in Klassischer Philologie und wurde Lehrer. Er war offensichtlich sehr sprachbegabt, lernte eine ganze Reihe orientalischer Sprachen und bewegte sich zunächst im philologischen Bereich, nicht im liturgiewissenschaftlichen. Seine Habilitation verfasste er über eine Biographie des Aristoteles in syrischer Sprache, gründete 1901 im Rahmen der Görres-Gesellschaft die Zeitschrift Oriens Christianus, die sehr lange bestand und eine gute Reputation hatte. Er hielt sich zu einem längeren Studienaufenthalt in Rom auf, machte eine Palästina-Reise, musste sich nach seiner Rückkehr dann an einer Privatschule bewerben, weil er sonst seinen Lebensunterhalt nicht hätte bestreiten können. 1909 heiratete er; aus der Ehe gingen 14 Kinder hervor, von denen 12 überlebten. 1921 wurde Baumstark Honorarprofessor für Geschichte und Kultur des Christlichen Orients und Orientalischer Liturgie in Bonn und hielt dort sehr viele Lehrveranstaltungen in Liturgiewissenschaft ab. Gemeinsam mit Odo Casel und Romano Guardini gab der Orientalist das in Maria Laach gegründete Jahrbuch für Liturgiewissenschaft heraus. 1930 erhielt er schließlich einen Lehrstuhl für Orientalistik an der Philosophischen Fakultät in Münster. 1935 wurde er bereits emeritiert, auf die Gründe werde ich später eingehen.[24]

A. Baumstark war von frühester Kindheit an von der Liturgie fasziniert; er spielte Messe, wie die meisten katholischen Kinder, allerdings über das gewöhnliche Maß hinaus bis ins Erwachsenenalter hinein. Er besaß in seinem Zuhause liturgische Geräte im Miniaturformat und konnte damit die kompliziertesten Liturgieabläufe nachstellen. Sein leidenschaftliches Interesse für die Liturgie wurde von seinen Eltern unterstützt, die sein Spiel anscheinend weniger als solches wahrnahmen, sondern eher als ernste liturgische Feier. Dies mag skurril erscheinen, wirft aber Licht auf Baumstarks Persönlichkeit. Er strebte an, historisch über die Liturgie zu arbeiten, stand aber vor dem Problem, dass aus lehramtlicher Sicht die Liturgie als Einheit und ungebrochene Kontinuität begriffen wurde, die bis zu den Aposteln zurückging. Baumstarks Interesse richtete sich aber auf die Entwicklung der Liturgie. Loyalität zur Kirche und wissenschaftliches Interesse versuchte er immer wieder miteinander zu vereinbaren, und es gelang ihm, nie in ernsthafte Probleme mit dem kirchlichen Lehramt zu geraten.[25]

Was war Baumstarks Ziel? In Anlehnung an die Evolutionstheorie wollte er erforschen, wie liturgische Formen sich entwickelt haben, vergleichbar mit sprachlichen oder biologischen Entwicklungsprozessen.[26]

Er ließ sich von der Evolutionslehre inspirieren, aber auch von taxonomischen Ansätzen. Analog zu Georges Cuviers Theorie, dass von einem Fossil, das nur einen Teil einer Lebensform zeigt, auf die ganze Gestalt zurückgeschlossen werden könne, hielt Baumstark es für möglich, aus dem Fragment eines Ritus dessen volle Gestalt zu rekonstruieren. Der Rückschluss erfolge nach bestimmten Entwicklungsgesetzen. Baumstark suchte also nach Gesetzmäßigkeiten innerhalb der Liturgie, die er auf empirischem Wege mithilfe einer vergleichenden Methode ermitteln wollte.[27] Dieses Vorgehen verglich er mit anderen komparatistischen Wissenschaften, z.B. der vergleichenden Religionswissenschaft, den vergleichenden Kulturwissenschaften oder auch der vergleichenden Linguistik. Wie ist dieses Vorgehen Baumstarks nach Bernhard Botte oder Fritz West einzuschätzen? In der Linguistik ist die Analogie zu biologischen Phänomenen am deutlichsten, weil es in der Sprache tatsächlich Strukturen gibt, die man mit biologischen vergleichen kann, während die Objekte der Kulturwissenschaften, also z.B. liturgische Riten, keine analogen Strukturen zu biologischen Phänomenen aufweisen. Hier wird also etwas aus der Natur auf etwas Kulturelles übertragen.[28] Baumstark verstand also Liturgiewissenschaft quasi als exakte Naturwissenschaft verstand. Er wollte wie die Naturwissenschaften mit empirischen Methoden arbeiten und „messbare“ Ergebnisse liefern.

Es gelang dem Wissenschaftler auch, Entwicklungsgesetze der Liturgie zu definieren. Eines der wichtigsten besagt, dass die Einheitlichkeit der Liturgie nicht der Ausgangspunkt, sondern das Ergebnis der liturgischen Entwicklung darstelle. Dies stand quer zur herrschenden Meinung seiner Zeit, die davon ausging, dass sich die Liturgie aus einer einheitlichen Anfangsform in mannigfaltige Formen ausdifferenziert habe. Baumstark lehrte, dass es genau umgekehrt sei, zunächst gebe es die verschiedensten lokalen Formen. Vergleiche man diese wissenschaftlich miteinander, könne man sehen, wie sich allmählich die Einheitlichkeit eines Ritus herausbilde bis hin zur Entwicklung von sog. Stilformen der Liturgie. Gemeint sind damit z.B. der byzantinische Ritus, der römische Ritus oder die syrisch-aramäischen Riten. Das zweite Entwicklungsgesetz, das Baumstark aufstellte, ist das bekannteste, das bis heute als „Baumstarksches Gesetz“ bezeichnet wird: die Erhaltung des Alten in liturgisch hochwertiger Zeit.[29]

Das dritte Gesetz bezieht sich darauf, dass in der Entwicklung der Gebete zunehmend der Einfluss der Rhetorik sichtbar werde. Die Gültigkeit und Aktualität des „Baumstarkschen Gesetzes“ wird allerdings kontrovers diskutiert. Kennzeichnet Martin Klöckener Baumstarks diesbezüglichen Aufsatz wie folgt: „Diese Studie eines der bedeutendsten Liturgiewissenschaftler und Orientalisten seiner Zeit gehört zu den am meisten rezipierten Arbeiten des JLw; ihre Ergebnisse zählen als ‚Baumstarksches Gesetz‘ heute unverändert zu den Grundgegebenheiten liturgiehistorischer Entwicklung.“, verweist Benedikt Kranemann auf die Kritik, die an Baumstarks Gesetzmäßigkeiten geübt werde und die bereits bei seinen Schülern festgestellt werden könne.[30][31] Robert F. Taft hält die komparative Liturgiewissenschaft für eine auch heute noch valide Forschungsmethode, bei manchen Phänomenen sogar für die einzige, die funktioniere, hält es aber für sekundär, in welchem Detail Baumstark Recht oder Unrecht gehabt habe.

Was ist das Baumstarksche Gesetz? Baumstark führte etliche Beispiele an, von denen ich eines herausnehme. In der römischen Liturgie, wie Baumstark sie zu seiner Zeit mitfeierte, konnte man beobachten, dass im Karsamstagsgottesdienst, d.h. der heutigen Osternachtfeier, die auch die Feier der Alten Kirche war[32], bestimmte Gebete fehlten, die sonst im gesamten Kirchenjahr gebetet wurden und unverzichtbare Bestandteile des Gottesdienstes sind. Es handelte sich um den Introitus (Eröffnung), das Offertorium (Gabenbereitung) und die Communio (Kommunion). Auch Credo und Agnus Dei fehlten. Baumstark stellte sich die Frage nach dem Grund und erklärte eine ganze Reihe von Theorien, die dieses Phänomen erklären wollten, zu phantasievollen erbaulichen Gedanken, die historisch nicht zutreffend seien. Achte man aber darauf, wie frühere Formen des Gottesdienstes aussähen, falle sofort auf, dass auf früheren Entwicklungsstufen der Liturgie diese Gebetsformen auch fehlten, dass sie also spätere Zusätze seien. Was heute als Ausnahme erscheine, sei also ursprünglich die Regel gewesen. „Wirklich entspricht denn auch dort das heute eine Ausnahme Darstellende einer entweder nachweislichen oder doch sehr wohl denkbaren älteren Stufe liturgischer Entwicklung.“[33] Weil die Karwochenliturgie nun eine besondere Stellung und Bedeutung habe, sei die Wahrscheinlichkeit geringer, dass man altehrwürdige Traditionen aufgebe oder dass man neue Bestandteile einfüge. Deshalb hätten sich in diesen besonderen Liturgien die alten Formen, die einstmals die regulären waren, erhalten. „.. man kann sich doch kaum klar genug bewußt werden, wie allgemein verbreitet die Wirkungen dieses Gesetzes sind, nach dem von der allgemeinen Entwicklung längst Überholtes in liturgisch besonders hochwertiger Zeit sich erhalten hat, Ausnahmeerscheinungen solcher Zeit mithin von vornherein mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als das früher Regel Gewesene anzusprechen sind.“[34]

Das gelte z.B. auch für die Großen Fürbitten im Karfreitagsgottesdienst, die zu Baumstarks Zeiten die einzigen Fürbitten waren, die überhaupt in Gottesdiensten gebetet wurden.[35] Diese Fürbitten des Karfreitagsgottesdienstes waren die reguläre Form des altkirchlichen Gottesdienstes. Durch die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzilswurden die Fürbitten schließlich wieder in den Gemeindegottesdienst integriert. Baumstarks Gesetz bedeutet also, dass das, was heute als Ausnahme auftritt, weil es sich aus Tradition und wegen der liturgischen Bedeutung der Tage gehalten hat, die reguläre Form früherer Entwicklungsstufen sei.


3.2    Joseph Andreas Jungmann: Die Urform der Liturgie


Joseph Andreas Jungmann[36], ein Südtiroler, studierte in Brixen, wurde 1913 zum Priester geweiht, trat in die Gesellschaft Jesu ein, legte 1920 die Profess ab und promovierte in Innsbruck. Dort war er für den Lehrstuhl für Pastoraltheologie vorgesehen, den er nach der Emeritierung des Inhabers übernehmen sollte. Nach seiner Habilitation wurde Jungmann also Professor für Moral- und Pastoraltheologie und kein Liturgiewissenschaftler. Allerdings beschäftigte er sich schon seit längerer Zeit intensiv mit liturgischen Fragen. Als die Fuldaer Bischofskonferenz 1940 eine liturgische Kommission als Reaktion auf die Kontroversen um die Liturgische Bewegung gründete, wurde Jungmann in diese Kommission berufen. Die deutschen Bischöfe wollten angesichts der Auseinandersetzungen mit der römischen Zentrale die Sache selber in die Hand nehmen, um einerseits Kontrolle auszuüben, andererseits aber die liturgischen Impulse auch weiter fördern zu können. Jungmann spielte eine große Rolle in der Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils und wurde als Konzilsperitus dort tätig. Wesentliche Elemente der Liturgiereform führt man auf ihn zurück.

Welche grundlegenden Erkenntnisse gewann Jungmann hinsichtlich der Liturgie? Auch für ihn war die Liturgie das Produkt einer Entwicklung.[37] Aus dem Wesen der Kirche zum einen und den gegebenen Riten zum andern könne man den inneren Plan der Liturgie ablesen. Es gebe innere Strukturgesetze, die sowohl theologisch (am Wesen der Kirche), als auch empirisch oder historisch (an den vorfindbaren Riten) erkannt werden könnten. Dieses Vorgehen nannte der Theologe die genetische Methode.[38] Aus der gegebenen Liturgie isolierte er ein liturgischen Grundschema und parallelisierte es mit einer theologischen Grundform.[39] Dieses liturgische Grundschema bestand für ihn z.B. aus einer Reihenfolge von Lesung, antwortendem Gesang der Gemeinde und der Oration des Priesters. In der Oration sammle der Priester das Gebet der Gemeinde und richte es nach oben, sichtbar an den erhobenen Händen. Diese Grundform finde man in allen liturgischen Entwicklungen, teilweise verdoppelt oder multipliziert, also mehrere Lesungen, auf die dann immer Gesang folgte und ein Gebet. Immer wieder würden auch Einschübe vorgenommen, sodass die Grundform kaum noch erkennbar sei. Alles lasse sich aber immer auf diese Grundform zurückführen. Dieses Grundschema entspreche dem, was von der Kirche geglaubt werde, dass nämlich an erster Stelle das Empfangen stehe, das Aufnehmen des Wortes Gottes. Die gläubige Aufnahme durch die Gemeinde erhalte im Gesang ein Echo, dann sei die Gemeinde bereit, eine Antwort zu geben, die wiederum in der Oration des Priesters gebündelt und nach oben gerichtet werde. „Wir sehen wohl: der Plan ist nicht willkürlich und zufällig, sondern er entspricht ganz dem Wesen der christlichen Heilsordnung. Von Gott geht das Heil, das offenbarende Wort aus, das wir in der Lesung in Empfang nehmen. Es steigt herab und weckt den Widerhall des Gesangs in den Herzen der Gläubigen, und nun sammeln sich die Bitten und Gebete der gläubigen Gemeinde und werden durch den Priester zu Gott zurückgeleitet. Es ist etwas Dramatisches in diesem Schema: da wird wirklich der Begriff der Liturgie als ‚Gottesdienst der Kirche‘ lebendig, und es ist etwas Überzeitliches, Unvergängliches darin - weil dieses Schema eben aus dem Wesen der Sache erwachsen ist.“[40]

Jungmanns Konzept erinnert an Johann Wolfgang Goethes Morphologie der Pflanze: für Goethe entfaltet sich jedes Wachstumsstadium der Pflanze aus der Urform des Blattes, mal dehnt diese Form sich aus, mal zieht sie sich zusammen. Eigentlich sei jeder Teil der Pflanze ein Blatt, auch wenn man das nicht auf den ersten Blick erkenne; jede Phase im Leben der Pflanze lasse sich auf die Urform zurückführen. [41]

Zusammenfassend kann man sagen, dass bei Jungmann der Gemeinschaftscharakter des Gottesdienstes im Vordergrund steht; das gläubige Volk ist tätig. Zugleich ist dieses Handeln in eine hierarchische Ordnung eingebettet, es verbirgt sich also keine demokratische Vorstellung dahinter. Das Tätig-Sein des Volkes führte Jungmann auf das allgemeine Priestertums zurück, ein Gedanke, den er sehr stark machte.[42] Es steht auch nicht das Sakrament im Vordergrund, sondern das Wort Gottes. Die Überzeugung, dass sich die Liturgie aus einer Grundform entwickelt, dient einerseits der historischen Erkenntnis des Ursprünglichen, andererseits aber auch der Legitimation von Veränderungen. Denn es kann empirisch gezeigt werden, dass es Entwicklungen aus dieser Urform gibt, weswegen Veränderungen möglich und legitim sind. Diese Veränderungen müssen sich aber an der Grundform orientieren, für die das Gegenüber von Priester und Gemeinde und die herausgehobene Position des Priesters maßgeblich sind.


3.3    Romano Guardini: Liturgie als Stil

Romano Guardini[43], 1885 in Verona geboren, aufgewachsen in Mainz, entschied sich nach mehreren Semestern des Studiums ungeliebter Fächer (Chemie und Nationalökonomie), Priester zu werden, studierte in Freiburg und Tübingen Theologie und wurde 1910 zum Priester geweiht. Nach knapp zweijähriger Kaplanszeit promovierte er in Freiburg über „Die Lehre des heiligen Bonaventura von der Erlösung“. 1915 wurde er vom Mainzer Bischof mit der Leitung der Juventus betraut. Diese Aufgabe führte noch während des Ersten Weltkrieges zum ersten Kontakt mit der Jugendbewegung Quickborn. Von 1916 bis 1918 leistete Guardini freiwillig Militärdienst als Sanitäter, um einem jungen Theologiestudenten den Abschluss seines Studiums zu ermöglichen. 1920 begann er mit der Habilitation und besuchte zum ersten Mal Burg Rothenfels. 1922 hielt er auf einer Tagung des Katholischen Akademikerverbandes die berühmt gewordenen Vorträge über den „Sinn der Kirche“, in deren erstem er vom Erwachen der Kirche in den Seelen sprach und die Kirche als „durch Dogma, Liturgie und Recht geformte Gemeinschaft“[44] charakterisierte. Nach Habilitation und kurzer Privatdozentur in Bonn erhielt Guardini 1923 einen Lehrstuhl für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung in Berlin, der in einer eigenartigen rechtlichen Konstruktion formal an die Universität Breslau angegliedert war.[45] 1927 wurde Guardini zum Burgleiter auf Rothenfels gewählt und nahm diese Aufgabe bis zur Beschlagnahmung der Burg durch das NS-Regime 1939 wahr. Im selben Jahr wurde auch seine Professur in Berlin aufgehoben. Nach 1945 lehrte Guardini zunächst in Tübingen und von 1948 bis 1962 in München.

Guardini führte unter dem Eindruck des Kriegserlebnisses des Ersten Weltkriegs seine Überlegungen zur Liturgie aus; sein berühmtes Bändchen über den „Geist der Liturgie“ erschien, wie bereits erwähnt, 1919 als programmatische erste Schrift der Laacher Reihe ecclesia orans. Das Kapitel über den „liturgischen Stil“ erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, eine kontextunabhängige ästhetische Theorie unter metaphysischen Vorbedingungen zu präsentieren. Denn Guardini identifiziert „Stil“ als etwas, welches das Allgemeine gegenüber dem Besonderem, das Zeitlose und Gleichbleibende gegenüber dem Geschichtlichen, das Gesetzmäßige und Allgemeingültige gegenüber dem Kontingenten sowie das Einfache und Klare gegenüber dem Komplexen zum Ausdruck bringe. Ähnlich wie Baumstark spricht er von Gesetzmäßigkeiten, parallel zu Jungmann erscheint die These, dass der „Stil“ „Grundformen“ oder „Urbildliches“ herausarbeite. In diesem Sinne muss er natürlich die Liturgie als „Stil“ betrachten, d.h. als „geistliche Ausdrucksform“, die „ins Allgemeingültige erhoben“ ist.

Kontextabhängig ist jedoch die Anreicherung dieser ästhetischen Theorie um das „Gemeinschaftliche“. So wie das Allgemeine dem Besonderen und das Zeitlose dem Geschichtlichen, so wird auch das Gemeinschaftliche dem Einzelnen bzw. dem Persönlichen gegenübergestellt.„Das Besondere ist in hohem Maße durch das Urbildliche aufgesogen. In einem solchen Werk ist z.B. eine verwickelte Seelenlage, die sich nur in einem schwerstverständlichen Ausruf oder einer unwiederholbaren Handlung Ausdruck schaffen könnte, vereinfacht und auf ihre seelischen Grundkräfte zurückgeführt. Dadurch ist sie allgemeinverständlich geworden. Die unberechenbare Aufwallung ist auf eine gleichbleibende Form seelischer Begründung gebracht. … Im geschichtlichen, einmaligen Geschehen wird die überzeitliche, allgemeine Lebensdeutung hervorgehoben. Die nur einmal auftretende Persönlichkeit wird zur Verkörperung gemeinschaftlicher Züge umgestaltet. … Dinge, Geräte, Werkzeuge werden ihrer zufälligen Art entkleidet, ihre Grundformen herausgearbeitet… Die einfache Wirklichkeit, die immer ganz besonders ist, wird von ihr in der Weise umgestaltet, daß das Urbildliche hervortritt, d.h. sie wird ‚stilisiert‘, überformt.“[46] Gegenüber einem toten (Gedanken- oder Rechen)-Schema, sei der Stil aber immer leibhaftig, lebendig und gewachsen – Guardini kennzeichnet ihn also als organisch. „Nur was lebendig ist, hat Stil;…“[47].

Zu den Faktoren der liturgischen Stilbildung zählt Guardini neben der langen Zeit – das erinnert an Baumstarks evolutionäre Entwicklung liturgischer Formen - , dem Einfluss der Theologie und des griechisch-römischen Geistes auch die „Größe, Geschlossenheit und Kraft des Gemeinschaftsbewußtseins“[48] im katholisch-kirchlichen Leben und die Ausrichtung auf das Jenseits. Aus dieser Betrachtung heraus würde „man begreifen, wie hier alle Vorbedingungen zu einer Stilbildung gewaltigster Art gegeben waren. Wenn irgendwo, so mußte hier ein erhabener geistlicher Lebensstil erwachsen“[49]. Nirgendwo sonst gebe es eine solche „Klarheit und Allgemeingültigkeit der Form“[50].

Gerade damit aber habe der Mensch im Allgemeinen und der Zeitgenosse im Besonderen große Probleme. Guardini diagnostizierte, dass dieser eine große Kluft sowohl zwischen dem biblischen Jesus und dem Christus der Liturgie, als auch zwischen der persönlichen Frömmigkeitsübung und der Feier der Liturgie wahrnehme. Beides dürfe aber jeweils nicht auseinander dividiert werden, sondern müsse zusammenwirken. Die Liturgie lasse den geschichtlichen Jesus nicht verschwinden, auch wenn sie mehr seine überzeitliche „Gestalt“ hervortreten lasse. Der Einzelne müsse sich bewusst sein, dass neben dem persönlichen Gebet die Liturgie als Gebet der Gemeinschaft stehe. Als „gemeinsamer Stil“ sei sie anders als individuelle Frömmigkeit allen zugänglich, verlange aber auch einen Verzicht. „Nur ein wahrhaft katholischer, d.h. allgemeiner, gegenständlicher Stil des Lebens und Denkens kann ohne Vergewaltigung von jedem angenommen werden. Es bleibt damit wohl ein gewisses Opfer verbunden. Irgendwie muß sich jeder Gewalt antun; er muß über sich hinausgehen. Aber darüber verliert er sich nicht, sondern wird im Gegenteil freier, reicher und allseitiger.“[51]51


3.4    Odo Casel: Die Gestalt des Kultmysteriums

Odo Casel[52] studierte klassische Philologie, wurde in Theologie und Philologie promoviert und trat schon 1905 in Maria Laach ein. Er studierte dann dort und in Rom in der Benediktiner Hochschule Sant'Anselmo. Von Abt Ildefons Herwegen wurde Casel als Herausgeber des Jahrbuchs für Liturgiewissenschaft eingesetzt, obwohl eigentlich eine andere Person dafür vorgesehen war.[53] 1922 ging Casel als Spiritual zu den Benediktinerinnen in Herstelle. Dort blieb er bis zu seinem Lebensende und arbeitete gemeinsam mit den Benediktinerinnen an liturgischen Formen und Veränderungen.

Casel wurde bekannt durch seine Mysterientheologie.[54] Diese geht vom Christus-Mysterium aus und stellt Christus und Kirche einander gegenüber. Im Vordergrund steht die Heilstat Christi, sein Opfertod, die Gemeinde wirkt daran mit, indem sie gemeinsam mit Christus ein Opfer bringt: „Der Inbegriff des Christusmysteriums ist also die Person des Gottmenschen und seine Erlösungstat zum Heile der Kirche, die auf diese Weise in das Mysterium einbezogen wird. Bei Paulus, Petrus, Johannes stehen daher nicht die Lehren Christi, auch nicht die Handlungen während der Lehrtätigkeit des Herrn, sondern seine Heilstaten im Vordergrund.“[55] Der historische Jesus vollbringt das Opfer alleine, der pneumatische Christus gemeinsam mit der Gemeinde. Die Heilstat Christi ist die Erlösung; für die Kirche bedeutet das die Vereinigung mit Christus. Im Rahmen einer symbolischen Geschlechterordnung wird Christus mit dem Mann und Bräutigam, die Gemeinde mit der Frau und Braut gleichgesetzt. Diese Symbolik ist erotisch aufgeladen: Christus ist der aktive Part, die Gemeinde/die Kirche der passive, empfangende, aber zugleich auch tätige. „Aus der innigsten Einheit des Seins und infolgedessen des Wirkens, wie sie zwischen Bräutigam und Braut, Haupt und Leib besteht, geht hervor, dass die Kirche an diesem Opfer des Herrn in weiblich empfangender, aber deshalb nicht minder aktiver Form teilnehmen muß. Sie steht mit unter dem Kreuze, opfert ihren Bräutigam und sich mit ihm. Aber nicht etwa bloß im Glauben oder in der Gesinnung, sondern in physisch-konkreter Form, im Mysterium vollzieht sie das ‚Gleichnisbild‘ jenes Opfers, durch das der Herr im Angesicht von Himmel und Erde, also in höchster Öffentlichkeit, und in der Hingabe seines Leibes sich dem Vater dargebracht hat. Auch hier treffen wir also wieder auf die wesentliche Bedeutung des Kultmysteriums.“[56]

Im Zentrum der Mysterientheologie steht also die Vergegenwärtigung der Heilstat Christi. In Casels Worten wird diese in der liturgischen Feier zur „lebendigsten, konkretesten Wirklichkeit“, allerdings unter dem Schleier der Riten. Die Kirche und jeder einzelne Christ lebe mit Christus und gehe mit ihm in Tod und Auferstehung. Dies führe zu einem Besitz des Heiles bereits jetzt; Casel vertrat also eine präsentische Eschatologie.
Wodurch wurde Casel inspiriert? In seinen Forschungen hatte Casel sich intensiv mit Hellenismus und antikem Christentum beschäftigt. Die christliche Liturgie und die Sakramente betrachtete er im mysterientheologischen Ansatz in Analogie zu den hellenistischen Mysterienkulten.[57] Die Parallelen sah er in der Epiphanie eines Gottes auf Erden, der auf Erden wandele, eine bestimmte Aufgabe erfüllen müsse, dabei Leiden erfahren und sterben müsse. Dieser Gott werde dann wieder belebt; die Anhänger des Kultes feierten Tod und Wiederbelebung dieses Gottes, indem sie beide vergegenwärtigten und damit Anteil gewännen, an dem, was dort an Heil erworben worden sei. Darin erkannte Casel eine Übereinstimmung mit dem christlichen Kult. Auch hinsichtlich der Formen entdeckte er Parallelen: Das Schicksal des Gottes wird mitvollzogen durch die Riten; die Heilstaten werden unter dem Schleier der Riten objektiv gegenwärtig, und die hellenistischen Mysterienkulte haben den Charakter eines Geheimkultes mit festgelegten Initiationsriten. Auch die Alte Kirche praktizierte eine Arkandisziplin, auch hier hatten nur die Initiierten vollen Zutritt zum Kult.

Die objektive Gegenwart der Heilstat Christi in der Liturgie, den Mitvollzug der Gläubigen durch die Riten und den Geheimcharakter nennt Casel den „Typus“ oder „Eidos“ des Kultmysteriums.[58] Man könnte sicherlich auch „Gestalt“ sagen. Casel betont den Gemeinschaftscharakter und die Volkstümlichkeit des Mysteriums, macht aber deutlich, dass die Feier sich nach einer hierarchischen, „ständischen“ Ordnung vollziehen muss: „Nicht alles ist für alle! Und nicht alles muß sofort allen offen stehen!... Das Wesen des Mysteriums ist etwas in hohem Maße Volkstümliches, gerade weil das Volk das Konkrete liebt und zugleich das Göttliche als Geheimnis anerkennt. Es gibt aber, wie die Väter uns lehren, Stufen der Erkenntnis; und das ist äußerlich dadurch dargestellt, daß die Priester im Sanktuarium des Altares, ihnen zunächst die Mönche und Jungfrauen, dann das heilige Volk Gottes steht. Manche Schwierigkeiten der liturgischen Erneuerung würden bei sorgfältiger Beobachtung dieser altkirchlichen Anschauungen verschwinden. Hat die Kirche nicht mit weiser Absicht den Schleier der Kultsprache über die Liturgie gebreitet, weil eben das Mysterium nicht im grellen Licht des Alltags stehen soll? Ist es deshalb nötig, daß alle Texte verdeutscht werden, alle Riten bis ins letzte sichtbar sind? Geht damit nicht etwas Unersetzliches, eben der Schimmer der Heiligkeit, den das Volk mehr schätzt als Verständlichkeit bis ins letzte, verloren? Die sicher sehr gute Absicht, das Volk zur aktiven Teilnahme an der Liturgie zurückzuführen, darf nicht zur demokratischen Gleichmacherei ausarten.“[59]

Casels Aufmerksamkeit galt weiterhin dem Ablauf des Kirchenjahres und dem Tagesoffizium. Beide deutete er als Abbild der Ganzheit des Heilsmysteriums.[60] Das Mysterium als solches sei immer eine Ganzheit, die im Kirchenjahr und im Tagesoffizium zwar in vielfältigen Formen, aber immer als Einheit und Ganzheit vor die Gläubigen trete. Der Höhepunkt des Ablaufes im Kirchenjahr sei Ostern, wobei jeder Sonntag als ein kleines Ostern verstanden werde, im Ablauf des Tagesoffiziums sei es die Eucharistiefeier.


Zwischenfazit

Die Liturgische Bewegung stand in enger Beziehung zur Verarbeitung des Kriegserlebnisses des Ersten Weltkrieges und der neuen Situation von Gesellschaft und Kirche in der jungen Weimarer Republik bzw. dem verkleinerten nationalstaatlichen Österreich. Innerhalb der verschiedenen Strömungen verbanden sich „aufklärerische“ und „restaurative“ Elemente, z.B. die Objektivität der Liturgie mit der tätigen Teilnahme der Gläubigen und der Verständlichkeit der Feier. Allen gemeinsam ist die Betonung des Gemeinschaftlichen, verbunden mit einer klaren Hierarchie bzw. ständischen Ordnung sowohl innerhalb der Kirche als auch in der Gesellschaft. Eine affirmative Zuwendung zur Demokratie in Gesellschaft oder Kirche ist nirgendwo zu erkennen.

Die theologischen Inhalte der liturgischen Erneuerung und der liturgiewissenschaftlichen Konzepte sind in vielfältiger Weise mit Diskursen über Form, Stil und Gestalt verbunden, sei es durch einen morphologischen oder einen komparatistischen Ansatz. Ersterer zeigt sich in der Behauptung einer Urform, auf die alle liturgischen Formen zurückgeführt werden könnten bzw. in der Kennzeichnung des Stils als Hervortreten des Urbildlichen, Letzteres in der vergleichenden Methode und im Versuch, die Liturgiewissenschaft auf quasi naturwissenschaftliche Standards zu verpflichten oder in der Anlehnung an das Paradigma der Evolution. Die Mysterientheologie bietet die Konstruktion der Liturgie als einer „Gestalt“, die das Geheimnis in der Mysterienfeier annimmt.

Mit den verschiedenen Ansätzen sind auch unterschiedliche Interessen verbunden, z.B. die Wiedergewinnung der katholischen männlichen Akademiker für die Kirche, die Domestizierung der jugendbewegten Impulse im Katholizismus (Freiheit durch Bindung und Gehorsam) die Legitimation von Veränderungen, d.h. Reformen in der Liturgie, oder auch die Verdrängung der jüdischen Wurzeln der christlichen Liturgie zugunsten einer Verwandtschaft mit den hellenistischen Mysterienkulten.

Die demokratie-abgewandte Betonung des Gemeinschaftlichen und der „Form“ konnte, wie zu zeigen sein wird, Analogien und Parallelisierungen beispielsweise von hierarchischer Kirche und autoritärem Staat, von liturgischer und „politischer“ Bewegung, von politischen und religiösen „Zeitenwenden“ begünstigen.


4.    Form, Stil und Gestalt in der liturgiewissenschaftlichen Diskussion und die Affinitäten zum Nationalsozialismus

Was hatten die liturgiewissenschaftlichen Forschungen und Theorien und die liturgischen Reformen mit dem Nationalsozialismus zu tun? Zunächst einmal gibt es bei einigen Protagonisten Affinitäten und Verstrickungen ihrer Person, am deutlichsten bei Anton Baumstark.

Davon war, wie Rudolf Morsey feststellt „ …in den zahlreichen Nachrufen auf Baumstark keine und in späteren Würdigungen, wenn überhaupt, nur beiläufig die Rede“[61]. Am 1. August 1932 wurde er Mitglied der NSDAP[62], trat als Wahlkämpfer für die Partei auf, wurdeGau-Beauftragter der NS-Organisation Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher (AKD) und 1933 Leiter einer Gleichschaltungskommission an der WWU Münster. In dieser Funktion denunzierte er Kollegen wegen ihrer jüdischen Herkunft, ihrer jüdischen Ehepartner oder ihrer Kontakte zu jüdischen Personen, vor allem den Professor für Kirchengeschichte und Zentrumsabgeordneten Georg Schreiber; Letzteren versuchte er, auch aus der Görres-Gesellschaft zu verdrängen.[63] Baumstarks frühe Emeritierung hängt damit zusammen, dass er selbst zum Opfer von Denunziationen und Intrigen wurde, deren Gründe aber in innernationalsozialistischen Querelen und Kompetenzstreitigkeiten lagen. Der Professor geriet zwischen die Mühlsteine der innerparteilichen Auseinandersetzungen zwischen den Gauen Westfalen-Nord und Westfalen-Süd. Er wurde gezwungen, den Antrag auf Emeritierung zu stellen, weil man ihm homosexuelle Beziehungen nachsagte.[64]

Baumstarks Zuwendung zum Nationalsozialismus ist auch an seinen liturgiewissenschaftlichen Forschungen nicht spurlos vorüber gegangen, beispielsweise an seiner Unterscheidung der beiden großen Stilformen der Liturgie, der römischen und der byzantinischen. Baumstark sah zum einen im Unterschied in der Sprache eine Ursache für die Herausbildung eigenständiger Stilformen, doch reichte das seiner Ansicht nach nicht aus. Denn zwischen der aramäischen Liturgie des Ostens und dem byzantinischen Ritus sei der Unterschied viel kleiner als zwischen dem römischen und dem byzantinischen Ritus. Auch gebe es westliche vor-römische Liturgien, deren Abstand zum römischen Ritus größer sei als zur griechischen Liturgie.In Rom wurde bis in das 3. Jahrhundert hinein der Gottesdienst in griechischer Sprache gefeiert. Die Stilformen seien also nicht vornehmlich auf die liturgische Sprache zurückgegangen, sondern vom „Blut“ bestimmt worden. Zum römischen „Blut“ gehöre das Bauerntum, der militärische Charakter, die strengen Rechtsformen und das Konservative – dies wirke sich gestaltgebend und stilbildend in der Liturgie aus. Angereichert werde die römische Stilform noch durch das germanische Blut: „Neben der römischen hat germanische Blutart bei Fixierung der liturgischen Weise des Abendlandes ihr Wort gesprochen.“[65] Die stilbildenden Faktoren des „Blutes“ seien die Kriegsorientierung–„die kriegsfrohe Stimmung germanischen Reckentums“[66]- , die germanische Innerlichkeit, also die Stereotypen, die zu dieser Zeit gängig waren, und schließlich die Idee vom Königtum Christi im Friedenskönig der Germanen. Die Idee, dass das Blut für die Entstehung der Stilformen verantwortlich ist, zeigt eine gewisse Affinität zu völkischem Denken und zur NS-Ideologie. In einem Brief an Abt Herwegen im Jahr 1934 sprach Baumstark von den Gemeinsamkeiten zwischen der Liturgischen Bewegung und dem Nationalsozialismus: „Insbesondere beschäftigt mich innerlich immer wieder die starke Wesensverwandtschaft, die gerade nach der Seite der liturgischen Bewegung hin mit deren Betonung des Mysteriums und der religiösen Subjektivismus überwindenden Gemeinschaftsidee besteht. Ich gedenke, im nächsten Semester in einem einstündigen Publicum über ‚Nationalsozialismus als geistesgeschichtliche Zeitenwende‘ den Versuch zu machen, den Dingen, so wie ich sie sehe, bis in die letzten Gründe nachzugehen, …“[67].

In Maria Laach gab es früh Affinitäten zum Nationalsozialismus.[68] Abt Herwegen und Prior Hammenstede sprachen 1933 ein deutliches und überzeugtes „Ja“ zum neuen Staat aus. Der Abt ermöglichte dem im April von Franz von Papen gegründeten Bund katholischer Deutscher Kreuz und Adler, seine „Führertagung“ zum Thema „Katholiken und Reich“, an der auch der Staatsrechtler Carl Schmitt teilnahm, ebenso Robert Grosche und Emil Ritter, in der Abtei abzuhalten.[69] Robert Grosche äußerte anschließend Herwegen gegenüber die Hoffnung, dass Hitlers Politik gegenüber der evangelischen Kirche den Anfang für eine Wiedervereinigung der Konfessionen bilden könnte.

Im Mai 1933 nahm Abt Ildefons an der Kölner Schlageter-Gedenkfeier teil.[70] Albert Leo Schlageter, Weltkriegsteilnehmer und Freikorpsangehöriger, war 1923 wegen Sabotage von der französischen Besatzung des Ruhrgebietes hingerichtet worden. Für die NSDAP wurde er zu ihrem „ersten Märtyrer“, dessen man jährlich in einer Gedenkfeier gedachte. Aber auch der katholische Cartellverband (CV) beanspruchte Schlageter für sich und beteiligte sich am Gedenken in Konkurrenz zu den NS-Veranstaltungen. 1933 zum zehnten Todestag und nach der Machtübernahme, sollten die von der Partei ausgerichteten Feiern besonders groß ausfallen. Herwegen wurde vom Frontkriegerbund Schlageter eingeladen, eine Festrede zu halten. Der Laacher Konvent feierte am Vortag ein Hochamt in weißer liturgischer Farbe (= Farbe der Hochfeste) unter Teilnahme der NSDAP- und Stahlhelm-Mitglieder aus Unter- und Obermendig. Am Festtag fand auf der Golzheimer Heide bei Düsseldorf eine riesige Feier der NSDAP mit NS-Jugend- und Studentenorganisationen und einer Rede Görings statt, am Nachmittag trat Herwegen im Kölner Gürzenich als Festredner auf.

Wichtige Passagen seiner Rede erinnern an die Grundzüge der Mysterientheologie.

„Zehn Jahre nach Schlageters Tode, senken sich die Fahnen von ganz Deutschland über seinem Grabe. Nun ist das Ideal Wirklichkeit geworden. Weil die Volksseele mit Schlageter denkt, will und strebt, deshalb ist er nun nicht mehr der Einsame. Ganz Deutschland steht an seinem Grabe, ein jeder will an ihm, dem symbolhaften Helden teilhaben.“[71]

Die Heldentat wird objektive Wirklichkeit unter dem symbolischen Schleier. Die Gläubigen haben Anteil an ihr durch den Vollzug der Riten.

„Volk und Staat sind wieder eins geworden durch die Tat des Führers Adolf Hitler. Weil der Führer aus der Einsamkeit des Dienens und Opferns heraus, getragen von einem unbeirr-baren Glauben an das deutsche Volk, dieses wieder zu freudigem Bekenntnis zu sich selbst gebracht hat, ist er zu Millionen gewachsen.“[72]

Ebenso helden- und heilshaft erscheint die Tat Hitlers, der sie, wie Jesus, zunächst in Einsamkeit vollzogen hat, jetzt aber in einer großen Gemeinschaft, dem deutschen Volk, das das Opfer aufgreift und in freudigem Bekenntnis wiederholt.

„Auf den Glauben des Führers antwortet die Gefolgschaft des Volkes. Die getreue Gefolgschaft aller gegenüber dem Einen schafft ein neues Gemeinschaftserlebnis, das unser Volk zurückfinden läßt zu den letzten Wurzeln seiner Gemeinsamkeit: zu Blut, Boden und Schicksal.“[73]

Die Idee der Gefolgschaft führt zum Gemeinschaftserlebnis, und der gefallene Held ruft zum Opfer auf – das klingt wie eine säkulare Fassung der Mysterientheologie.

In Maria Laach wurden zwischen 1931 und 1933 dreimal soziologische Sondertagungen des Katholischen Akademikerverbandes durchgeführt, bei deren Beginn immer die Gemeinschaftsmesse gefeiert wurde.[74] Diese Tagungen boten nicht nur ein Forum für die katholische Reichsideologie und Reichstheologie, sondern hatten große Bedeutung für die katholischen Harmonisierungsversuche zwischen der Kirche und dem Nationalsozialismus. 1931 und 1932 stand das ständestaatliche Konzept Othmar Spanns auf dem Programm, und Abt Herwegen versuchte schon 1931, die Teilnehmer von den positiven Seiten der „nationalen Bewegung“ zu überzeugen. 1932, auf der zweiten Tagung, empfahl Fritz Thyssen den versammelten Akademikern, auf den Nationalsozialismus aufmerksam zu werden, weil nur er in der Lage sei, die Spannung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern aufzuheben. Der hessische Minister Ferdinand Kirnberger verwies auf die Gemeinschaftsmesse, in der alle gemeinsam vor dem Altar stünden, als Symbol des Ausgleichs zwischen den Ständen und der Überwindung des Klassenkampfes. An der dritten Tagung im Juli 1933 nahmen einflussreiche Vertreter des „neuen Reiches“ wie Franz von Papen (direkt nach dem Abschluss des Reichskonkordats) mit seinem Berater Edgar Jung sowie Freiherr Hermann von Lüninck, Fritz Thyssen, Gauleiter Wagner von Westfalen, der o.e. Gegenspieler Baumstarks, und Carl Schmitt teil, weiterhin Professoren wie Peter Wust, Franz Schnabel, Martin Spahn und Johann Peter Steffes, Karl Prinz von Rohan, neben Herwegen noch die mit reichstheologischen Publikationen hervorgetretenen Theologen Damasus Winzen und Robert Grosche, Letzterer der Herausgeber der Zeitschrift Catholica, die Publizisten Emil Ritter und Wilhelm Spael sowie zahlreiche Ordensvertreter der Franziskaner, Dominikaner und Jesuiten.

Abt Herwegen zog auf dieser Tagung einen Vergleich zwischen den Zielen des Benediktinertums und dem neuen Reichsgedanken. Gemeinsam seien beiden die Verwurzelung im Boden – dies ist eine Anspielung auf die benediktinische stabilitas loci –, die autoritative Führung – bei den Benediktinern durch den Abt und den diesem geschuldeten Gehorsam –  und schließlich das kämpferische Streben (militia Christi).[75] Auf dieser Grundlage stellte Herwegen eine Analogie zwischen liturgischer Bewegung und Faschismus her, die er in seinem Vortrag über „Die geistigen Grundlagen der nationalen Bewegung“ in der bekannten Weise formulierte: „Was auf religiösem Gebiet die Liturgische Bewegung ist, ist auf dem politischem Gebiet der Faschismus. – Der deutsche Mensch steht und handelt unter Autorität, unter Führerschaft, die sich in Stufung und Gliederung zur Hierarchie aufbaut. Die Gefolgschaft wird dem Führer geleistet aus Gemeinschaftsgeist und zur Wahrung der Totalität, das heißt der Ganzheit aller Lebensbeziehungen in Hinblick auf das Wohl des Ganzen… Sagen wir ein rückhaltloses Ja zu dem neuen soziologischen Gebilde des totalen Staates, das durchaus analog gedacht ist dem Aufbau der Kirche.“[76].

Von Odo Casel ist in dieser Hinsicht wenig bekannt. Zwischen ihm und Baumstark kam es zu Meinungsverschiedenheiten; angeblich soll Casel Baumstark wegen seiner nationalsozialistischen Aktivitäten aus der Redaktion des Jahrbuchs herausgeworfen haben.[77] Nachweisen lässt sich das, Marcel Albert zufolge, nicht.[78] Zwischen Baumstark und Casel habe es inhaltliche Kontroversen gegeben: „Baumstarks Ausscheiden aus der Redaktion erklärt sich also leichter durch den Umstand, dass ‚die beiden profilierten Persönlichkeiten … zunehmend weniger‘ harmonierten“[79]. Aus dem Vorwort des Kultmysteriums, das 1932 erschienen ist, lässt sich eine gewisse Ambivalenz Casels erkennen. Zum einen interpretiert er die Gegenwart affirmativ als „Wende zum Mysterium“: „Unsere Zeit brachte zugleich mit dem Zusammenbruch des Humanismus die neue Wende zum Mysterium.“[80] Der Einzelne müsse sich aber der Quelle des Heiles zuwenden, „denn nur am Mysterium Gottes kann die Welt wieder genesen.“[81] Auch außerhalb von Kirche und Christentum werde heute nach dem Mysterium gesucht in neuen Riten und einem auf den Menschen zentrierten Kult, doch diese würden nie wirklich „zum Kerne Gottes“ vordringen. Vermutlich ist dies eine Ablehnung Rosenbergs und der völkisch-religiösen Bestrebungen um einen germanischen Kult und nicht auf den Nationalsozialismus als Ganzen bezogen.

Ein weiteres Problem der Mysterientheologie besteht in der konsequenten Ausblendung der jüdischen Wurzeln der christlichen Liturgie zugunsten der Gemeinsamkeiten mit den heidnischen Mysterienkulten. Interessanterweise geschah dies in Baumstarks Forschungen nicht.

Das Volksliturgische Apostolat in Klosterneuburg unter der Leitung von Pius Parsch pflegte Kontakte zu einer nationalsozialistischen Priestergruppe, die 1938 nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich unter dem Namen Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden (AGF) an die Öffentlichkeit trat, eine respektable Zahl von Anhängern gewinnen konnte, im Herbst 1938 aber von der Österreichischen Bischofskonferenz verboten wurde.[82] Über Pius Parschs persönliche Haltung zu dieser Gruppe ist nichts bekannt; sein erster Assistent am Volksliturgischen Apostolat, Josef Casper und ein weiterer Mitarbeiter aber schickten im August 1938 eine Beitrittserklärung an die AGF, woraufhin diese den Beitritt des Volksliturgischen Apostolats bekannt gab.[83] Den Beitritt motivierten die Unterzeichner mit dem Interesse an der Arbeit der Gruppe sowie der vermuteten Übereinstimmung in Einstellung und beruflicher Arbeit: „Seit längerer Zeit schon verfolgen wir mit lebhaftem Interesse Ihr Wirken. Da wir christlich wie völkisch durchaus einheitlich empfinden, ebenso beruflich ganz in dieser Weise arbeiten, wären wir gerne bereit, in Ihrer Arbeitsgemeinschaft mitzuwirken.“[84] Hier wird eine Gemeinsamkeit im „christlichen und völkischen Empfinden“ zwischen AGF und Volksliturgischem Apostolat konstatiert, denn es geht um die berufliche Arbeit in diesem Geist.

Nach dem Verbot der AGF dementierte das Volksliturgische Apostolat den Beitritt.Vermutlich der Sekretär oder der Verbindungsmann der AGF zum Reichskommissar kommentierte dies in einer Mitteilung an Letzteren folgendermaßen:

„Bezeichnend für die Einstellung des P. Pius Parsch vom Liturgischen Apostolat, Klosterneuburg, ist folgender Vorfall: am 5. August ds. J. trat dieses Institut formell der Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden bei und [Wort abgeschnitten] gleichzeitig mit dem Verbot durch den Episkopat sandte man an alle Interessenten eine Erklärung hinaus und behauptete, dass das Liturgische Apostolat niemals der Arbeitsgemeinschaft beigetreten sei, wahrscheinlich um sich nicht ‚das Geschäft‘ zu verderben. Es ist derselbe P. Pius Parsch, der gelegentlich einer ausländischen Exkursion das Bild des Führers aus dem Stiftskeller beseitigen ließ.“[85]

Das Dementi wurde am 15. Oktober 1938 im Diözesanblatt veröffentlicht[86] Auf der nächsten Seite erfolgte dann eine Empfehlung der Arbeit und einiger Publikationen des Volksliturgischen Apostolates, weil die Priester durch die politische Entwicklung in ihrer Wirkung auf die Seelsorge und die liturgischen Feiern beschränkt seien.Die Bistumsleitung könnte nach dem Verbot der AGF und der durch Staat und Partei erzwungenen Fokussierung der Seelsorge auf den inneren kirchlichen Raum das Interesse gehabt haben, das Volksliturgische Apostolat nicht zu eng mit der AGF in Verbindung zu bringen. Wichtig für die weitere Entwicklung der liturgischen Bewegung in Österreich ist die Tatsache, dass der Episkopat die neuen liturgischen Formen, insb. die Gemeinschaftsmesse, als geeignetes Instrument ansah, um den Zusammenhalt innerhalb einer auf die Pfarrgemeinden und die dort stattfindende Pastoral reduzierten und konzentrierten Kirche zu gewährleisten.

Guardini kann man sicherlich keine direkten Sympathien für den Nationalsozialismus nachsagen. Sein Lehrstuhl wurde aber, anders als man es für einen Lehrstuhl für „katholische Weltanschauung“ unter der NS-Herrschaft erwartet hätte, erst 1939 aufgehoben, nachdem man Guardini nahegelegt hatte, seine Emeritierung zu beantragen.[87] Von der Aufhebung sollten die Altkatholiken profitieren, für die eine Professur in Bonn eingerichtet werden sollte. Guardini wurden mehrere theologische Lehrstühle als Ersatz angeboten, die er aber ablehnte. 1941 beantragte er die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer, wofür ihm vom Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten die Unbedenklichkeit bescheinigt wurde. „Guardini sprach nie öffentlich gegen die herrschende Ideologie. Er distanzierte sich grundsätzlich von tagespolitischen Fragen, auch noch nach dem Ende der Hitlerdiktatur.“[88] Ihn allerdings wegen seiner Betonung des Gemeinschaftsgefühls für einen potentiellen Gegner des Nationalsozialismus zu halten, wäre der falsche Ansatz.[89]


Schluss

In den verschiedenen Strömungen der Liturgischen Bewegung im Katholizismus wurde - wie in der übrigen Geisteswelt der zwanziger und dreißiger Jahre -  intensiv der Diskurs über Form, Stil und Gestalt geführt. Ob dabei in der Art  komparatistischer Wissenschaft die Entstehung verschiedener Stilformen der Liturgie entwicklungsgeschichtlich untersucht, die Vielfalt liturgischer Formen auf eine Urform zurückgeführt, von „liturgischem Stil“ gesprochen oder die „Gestalt“ der Gegenwart Christi als  "Kultmysterium" gesucht wurde - der Diskurs führt nicht notwendig in den dreißiger Jahren zu einer Annäherung an den Nationalsozialismus. Das Gesamtbild bleibt komplex und erfordert differenzierte Interpretationen. Der gemeinschaftsbezogene und demokratiefeindliche Zug innerhalb der liturgischen Reformbestrebungen, die Betonung von „Form“ im Zusammenhang mit Gehorsam, militärischer Ordnung oder Vergegenwärtigung des in den Tod gegangenen Helden sowie reichstheologische Interpretationen erleichterten jedoch die Annäherung an den Nationalsozialismus bis hin zur Identifikation.


[A] Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Vorabpublikation aus dem Tagungsband  Diskurse über "Form", "Gestalt" und "Stil" in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, hg. von Lucia Scherzberg und August H. Leugers-Scherzberg (im Druck).
[1] Für die sorgfältige Recherche und sachkundige Zusammenstellung der Positionen danke ich meinem Mitarbeiter Alexander Haser sehr herzlich.
[2] Albert Gerhards und Benedikt Kranemann: Einführung in die Liturgiewissenschaft, 3., vollst. überab. u. durchges. Aufl., Darmstadt 2013, S. 102; s. auch Theodor Maas-Ewerd/Klemens Richter: Die Liturgische Bewegung in Deutschland, in: Martin Klöckener (Hg.): Liturgiereformen, Bd. 2: Liturgiereformen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Münster 2002, S. 629-648, hier: S. 631.
[3] Z.B. Arnold Angenendt: Liturgik und Historik. Gab es eine organische Liturgie-Entwicklung?, Freiburg 2001, S. 70, s. auch S. 27. Der Begriff „Mechelner Ereignis“ bezieht sich auf die Rede des Benediktinermönchs Lambert Beauduin aus der Abtei Mont-César, die dieser am 23. September 1909, das Wort Pius X. von der „tätigen Teilnahme“ der Gläubigen (participatio actuosa) aufgreifend, auf dem belgischen Katholikentag in Mecheln gehalten hatte und die eine enorme Wirkung in Belgien und den Niederlanden bis auf die Ebene der Pfarrgemeinden erzielte.
[4] Z.B. Arno Schilson: Die Liturgische Bewegung. Anstöße-Geschichte-Hintergründe, in: Klemens Richter/Ders. (Hg.): Den Glauben feiern. Wege liturgischer Erneuerung, Mainz 1989, S. 11-48, hier: S. 36.
[5] Theodor Maas-Ewerd: Art. Liturgische Bewegung, in: Lexikon für Theologie und Kirchengeschichte, Bd. 6, 3., völlig neu bearb. Aufl., hg. v. Walter Kasper, Freiburg i.Br (1991), Sp. 992f.
[6] Erwin Iserloh: Innerkirchliche Bewegungen und ihre Spiritualität, in: Hubert Jedin/Konrad Repgen (Hg.): Die Weltkirche im 20. Jahrhundert, Freiburg u.a. i.Br. 1985 (= Handbuch der Kirchengenschichte, 7), S. 301-337, hier: S. 308.
[7] Schilson, Bewegung (wie Anm. 4), S. 30-41.
[8] Ebd., S. 53f; vgl. dazu Gerhards/Kranemann, Einführung (wie Anm. 2), S. 103f.
[9] Klaus Schatz, Zwischen Säkularisation und Zweitem Vatikanum. Der Weg des deutschen Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1986, S. 212; vgl. dazu Klaus Schatz: Kirchengeschichte der Neuzeit II, 3. Aufl., Düsseldorf 2008, S. 161-165; vgl. dazu auch Hans-Walter Krumwiede: Geschichte des Christentums III. Neuzeit: 17. bis 20. Jahrhundert, Stuttgart u.a. 1977, S. 145; s. auch Franz X. Bischof (Hg.): Einführung in die Geschichte des Christentums, Freiburg i.Br. 2012, S. 550f.
[10] Rupert Berger: [Art.] Liturgische Bewegung, in: Ders. (Hg.): Pastoralliturgisches Handlexikon, 3. Auflage, Freiburg i.Br. 2005, S. 323.
[11] Ebd.
[12] Martin Klöckener: Die katholische Liturgische Bewegung in Europa. 10 Thesen und Auswahlbibliographie, in: Bruno Bürki (Hg.): Liturgie in Bewegung. Beiträge zum Kolloquium Gottesdienstliche Erneuerung in den Schweizer Kirchen im 20. Jahrhundert, 1.-3. März 1999 an der Universität Freiburg/Schweiz, Freiburg/CH 2000, S. 25-32, hier: S. 25.
[13] Hans-Christoph Schmidt-Lauber: Art. Liturgische Bewegungen, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 21, hg. von Gerhard Müller, New York 1993, S. 401-406.
[14] Adolf Adam/Wilhelm Haunerland: Grundriss Liturgie, 9., völlig neu bearb. u. erw. Aufl., Freiburg 2012, S. 69.
[15] Albert Hammenstede: Die Liturgie als Erlebnis, Freiburg 1919, 3. u. 4. überarb. Aufl., Freiburg 1920, 5.u. 6. verb. Aufl., Freiburg 1922 (= Ecclesia orans, 3), S. 2.
[16] Ebd., S. 19.
[17] S. auch Lucia Scherzberg: Liturgie als Erlebnis und Kirche als Gemeinschaft, in: dies. (Hg.): Gemeinschaftskonzepte im 20. Jahrhundert zwischen Wissenschaft und Ideologie, Saarbrücken 2010 (= theologie.geschichte, Beiheft 1), S. 253-287, bes. S. 253-267.
[18] Angenendt, Liturgik (wie Anm. 14), S. 25 (Auch Max Scheler, Martin Heidegger und Edith Stein waren von Beuron tief beeindruckt, s. ebd., S. 26).
[19] Romano Guardini: Vom Geist der Liturgie [1918], 6.u.7. verb. Aufl., Freiburg 1921 (= ecclesiaorans, 1), S. 26, s. auch S. 4: „Daß freilich der Gläubige gerade durch sein Aufgehen in dieser höheren Einheit recht eigentlich innerlich befreit und geformt wird, ist in der zugleich eigenhaften und gesellschaftlichen Natur des Menschen begründet“.
[20] Guardini, Geist (wie Anm. 19), S. 27.
[21] Gerhard Seewann: Österreichische Jugendbewegung 1900-1938. Die Entstehung der Deutschen Jugendbewegung in Österreich-Ungarn 1900-1914 und die Fortsetzung in ihrem katholischen Zweig „Bund Neuland“ von 1918-1938, 2 Bde, Frankfurt a.M. 1971, S. 265-276; Franz M. Kapfhammer: Neuland. Erlebnis einer Jugendbewegung, Graz-Wien-Köln 1987, S. 49-54.
[22] Gottfried Bitter: Art. Jungmann, Josef Andreas, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 5, 3., völlig neu bearb. Aufl., hg. v. Walter Kasper, Freiburg i.Br. u.a. 1996, Sp. 1099f.; Balthasar Fischer/Hans Bernhard Meyer (Hg.): J.A. Jungmann. Ein Leben für Liturgie und Kerygma, Innsbruck u.a. 1975.
[23] Einen Überblick über die Entwicklung der Liturgiewissenschaft mit informativen Abschnitten über Guardini, Casel, Baumstark und Jungmann bietet Benedikt Kranemann: Liturgiewissenschaft angesichts der „Zeitenwende“. Die Entwicklung der theologischen Disziplin zwischen den beiden Vatikanischen Konzilien, in: Hubert Wolf (Hg.): Die katholisch-theologischen Disziplinen in Deutschland 1870-1962. Ihre Geschichte, ihr Zeitbezug, Paderborn u.a. 1999, S. 351-375, bes. S. 361-370.
[24] Zur Biographie Baumstarks s. Hubert Kaufhold: Liturgie im Leben und Werk Anton Baumstarks, in: Robert F. Taft/Gabriele Winkler (Hg.): Acts of the International Congress Comparative Liturgy. Fifty Years After Anton Baumstark (1872-1948), Rome 25-28 September 1998, Rom 2001 (= Orientalia Christiana Analecta, 265), S. 119-144; sowie Reinhold Baumstark/Hubert Kaufhold: Anton Baumstarks wissenschaftliches Testament. Zu seinem 50.Todestag; am 31. Mai 1998, in: ebd., S. 61-117; Fritz West: The Comparative Liturgy of Anton Baumstark, Bramcote Nottingham 1995, S. 6-12.
[25] Kaufhold, Liturgie (wie Anm. 24), S. 125-127.
[26] Auch zum Folgenden: Anton Baumstark: Vom geschichtlichen Werden der Liturgie, Freiburg 1923; Jürgen Bärsch: Das Studium der Geschichte des Gottesdienstes im Spiegel liturgiewissenschaftlicher Periodika, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 50 (2008), S. 72-102, hier: S. 78; Kranemann, Liturgiewissenschaft (wie Anm. 23), S. 366-369; Robert Taft: Beyond East and West. Problems in Liturgical Understanding, Washington D.C. 1984, S. 151-164.
[27] Baumstark, Vom geschichtlichen Werden (wie Anm. 26), S. 2-6.
[28] Diese Kritik äußerten Bernard Botte im Vorwort zur 3. Aufl., in: Anton Baumstark: Comparative Liturgy, überarb. v. Bernard Botte, hg. v. F.L. Cross, London 1958, S. 7-11, hier: S. 9, und Fritz West: The Comparative Liturgy of Anton Baumstark, Bramcote Nottingham 1995, S. 16-25.
[29] Anton Baumstark: Das Gesetz der Erhaltung des Alten in liturgisch hochwertiger Zeit, in: Jahrbuch für Liturgiewissenschaft 7 (1927), S. 1-23.
[30] Martin Klöckener: Die Auswirkungen des „Baumstarkschen Gesetzes“ auf die Liturgiereform des II. Vaticanum, dargestellt anhand des Triduum paschale, in: Emanuel von Severus (Hg.): Ecclesia Lacensis. Beiträge aus Anlass der Wiederbesiedlung der Abtei Maria Laach durch Benediktiner aus Beuron vor 100 Jahren am 25. November 1892 und der Gründung des Klosters durch Pflazgraf Heinrich II. von Laach vor 900 Jahren, Münster 1993, S. 371-402, hier: S. 371f; Kranemann, Liturgiewissenschaft (wie Anm. 23), S. 368f. Zu dieser Diskussion s. auch Robert Taft: Anton Baumstark’s Comparative Liturgy Revisited; Paul de Clerck: Les lois de Baumstark, l’évolution de la liturgie et ses reformes; Brian D. Spinks: Evaluating Liturgies of the Reformation. The Limitations of the Comparative Methods of Baumstark, alle in: Taft/Winkler, Acts (wie Anm. 24), S. 191-232, S. 233-249, S. 283-303; Frederick Sommers West: Anton Baumstark’s Comparative Liturgy in its Intellectual Context, Diss. Notre Dame/Indiana 1988, S. 254-280.
[31] Taft, Anton Baumstark’s (wie Anm. 30), S. 194-195.
[32] Zu dieser Zeit wurde nicht die Osternacht gefeiert, sondern dieser Gottesdienst wurde am Samstagmorgen gehalten. Pius XII. reformierte 1950 die Kar- und Osterliturgie im Sinne einer Wiederherstellung. Seitdem wird die Osternacht wieder in der Nacht um 5 Uhr gefeiert oder am Vorabend.
[33] Baumstark, Erhaltung (wie Anm. 29), S. 4.
[34] Ebd., S. 8; s. auch Klöckener, Auswirkungen (wie Anm. 30), S. 381-392; Klöckener weist auch auf Beispiele hin, bei denen Baumstarks Ausführungen rein hypothetisch bleiben, s. ebd., S. 389.
[35] Rupert Berger: [Art.] Fürbitten, in: Ders. (Hg.): Pastoralliturgisches Handlexikon. Das Nachschlagewerk für alle Fragen zum Gottesdienst, 3., durchges. Aufl., Freiburg i.Br.-Basel-Wien 2005, S. 157-159.
[36] S. Balthasar Fischer/Hans Bernhard Meyer (Hg.): J.A. Jungmann. Ein Leben für Liturgie und Kerygma, Innsbruck u.a. 1975; Jürgen Bärsch: Odo Casel und Josef Andreas Jungmann. Liturgiewissenschaft im Horizont der gottesdienstlichen Erneuerung des 20. Jahrhunderts, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 32 (2013), S. 253-272, hier: S. 265f; Rudolf Pacik: Josef Andreas Jungmann, Liturgiegeschichtliche Forschung als Mittel religiöser Reform, in: Liturgisches Jahrbuch. Vierteljahreshefte für Fragen des Gottesdienstes 43 (1993), S. 62-84.
[137] Joseph Andreas Jungmann: Die Feier der Liturgie. Grundsätzliches und Geschichtliches über Formgesetze der Liturgie, Regensburg 1939; ders.: Gewordene Liturgie. Studien und Durchblicke, Innsbruck-Leipzig 1941 (= Sammlung von Aufsätzen aus der Zeitschrift für Katholische Theologie aus den Jahren 1926-1940); Bärsch, Das Studium (wie Anm. 26), S. 78f; ders., Odo Casel (wie Anm. 36), S. 267-269.
[38] Pacik, Jungmann (wie Anm. 36), S. 67-69; Hinweis auf Missa sollemnia.
[39] Jungmann, Die Feier der Liturgie (wie Anm. 37), S. 54-66, s. auch die folgenden Kapitel.
[40] Ebd., S. 65.
[41] Johann Wolfgang Goethe: Die Metamorphose der Pflanzen, in: ders.: Schriften zur Naturwissenschaft. Auswahl, hg. v. Michael Böhler, Stuttgart [1977]: bibliograph. erg. Ausgabe 1999, S. 70-114, bes. S. 70f, S. 81-83, S. 100, S. 111-114
[42] Z.B. Jungmann, Gewordene Liturgie (wie Anm. 37), S. 26f.
[43] Hanna-Barbara Gerl: Romano Guardini (1885-1968). Leben und Werk, Mainz 1985, S. 90-99; Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz: Romano Guardini. Konturen des Lebens und Spuren des Denkens, Kevelaer 2005; Alfons Knoll, Glaube und Kultur bei Romano Guardini, Paderborn u.a. 1993.
[44] Romano Guardini: Vom Sinn der Kirche. Fünf Vorträge [1922], hg. von Franz Henrich, Nachdruck, Mainz-Paderborn 1990, S. 28, s. auch S. 19.
[45] Zur Konstruktion dieses Lehrstuhls, den Kontroversen um seine Errichtung sowie die kirchenpolitischen Implikationen s. Monika Nickel: Romano Guardini und die Professur für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung in Berlin, in: Dominik Burkard/Wolfgang Weiß (Hg.): Katholische Theologie im Nationalsozialismus, Bd. 1, Tb. 2: Institutionen und Strukturen, Würzburg 2011, S. 124-150, bes. S. 129-134.
[46] Guardini, Vom Geist der Liturgie (wie Anm. 19), S. 34f.
[47] Ebd., S. 36.
[48] Ebd., S. 37.
[49] Ebd., S. 37f.
[50] Ebd., S. 38.
[51] Ebd., S. 44.
[52] Jürgen Bärsch, Odo Casel (wie Anm. 36), S. 259f.
[53] Zur Vorgeschichte des Jahrbuchs s. Stefan K. Langenbahn: Fürs Archiv des „Archivs“. Die Vorgeschichte des Jahrbuch für Liturgiewissenschaft (1918-1921) – zugleich eine Namensgeschichte des Archiv für Liturgiewissenschaft, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 50 (2008), S. 31-61, bes. S. 51-59.
[54] S. bes. Odo Casel: Das christliche Kultmysterium [1932], 3. Aufl., Regensburg 1948. Die einzelnen Kapitel des Buches erschienen selbstständig in den Jahren 1924 bis 1930/31 und wurden neu bearbeitet; das erste Kapitel wurde neu verfasst, s. ebd., S. 7; s. auch Bärsch, Das Studium (wie Anm. 26), S. 83-85; Bärsch, Odo Casel (wie Anm. 36), S. 260-262.
[55] Casel, Kultmysterium (wie Anm. 54), S. 25f.
[56] Ebd., S. 42f.
[57] Ebd., S. 95-116.
[58] Ebd., S. 52-73.
[59] Ebd., S. 92f
[60] S. ebd. die Kapitel „Das heilige Jahr der Kirche“ und „Der heilige Tag der Kirche“.
[61] Rudolf Morsey: Die Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft. Streiflichter ihrer Geschichte, Paderborn 2009, S. 97-119, hier: S. 97.
[62] Ebd.; s. auch Ekkehard Ellinger: Deutsche Orientalistik zur Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945, Edingen-Neckarhausen 2006, S. 40, S. 47, S. 61-63, S. 442; Kurzbiographie auf S. 465; Helmut Heiber: Universität unterm Hakenkreuz, Bd. 1: Der Professor im Dritten Reich, München u.a. 1991, S. 395, S. 412, S. 465-472.
[63] Morsey, Görres-Gesellschaft (wie Anm. 61), S. 97-100, s. auch den bei Morsey abgedruckten Brief Baumstarks an den Präsidenten der Görres-Gesellschaft, Heinrich Finke, v. 24. Januar 1937, ebd., S. 105-111, bes. S. 108f; Heiber, Universität (wie Anm. 62), Bd. 2: Die Kapitulation der Hohen Schulen, Tb. 2, S. 705-707.
[64] Heiber, Universität (wie Anm. 62), Bd. 1, S. 169, S. 465. Zu Baumstark als Gau-Beauftragtem siehe BArch 58/5715,  "Die neue Taktik des Katholizismus", o.D., hier: Bl. 180.
[65] Baumstark, Vom geschichtlichen Werden (wie Anm. 26), S. 85, s. auch das ganze Kapitel „Sprache und Volksart“.
[66] Ebd., S. 85.
[67] Baumstark an Herwegen, 1. Januar 1934, zit. n. Marcel Albert: Die Benediktinerabtei Maria Laach und der Nationalsozialismus, Paderborn u.a. 2004, S. 22, Anm. 22.
[68] Vgl. hierzu die Monographie von Marcel Albert, siehe Anm. 67.
[69] Ebd., S. 44-49.
[70] Ebd., S. 56-67. Zu Schlageters Biographie s. Stefan Zwicker: „Nationale Märtyrer“: Albert Leo Schlageter und Julius Fuèik. Heldenkult, Propaganda und Erinnerungskultur, Paderborn u.a. 2006, Kap. II.2, zur katholischen Schlageter-Verehrung – Schlageter war kurzzeitig Mitglied des Cartellverbandes der katholischen deutschen farbentragenden Studentenverbindungen – s. ebd., S. 108-116.
[71] Ildefons Herwegen: Deutsches Heldentum in christlicher Verklärung. Worte über die Toten der Golzheimer Heide, in: Deutsches Volk. Katholische Monatsschrift für sozialen Aufbau und nationale Erziehung 1 (1933) S. 121-125, zit. nach Albert, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 67), S. 62-64, hier S. 62.
[72] Ebd.
[73] Ebd., S. 62f.
[74] Albert, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 67), S. 71-91; ders.: Der Katholische Akademikerverband 1913-1938/9, Köln 2010 (= Libelli Rhenani, 35), 79-90; Klaus Breuning: Die Vision des Reiches. Deutscher Katholizismus zwischen Demokratie und Diktatur (1929-1934), München 1969, S. 207-211.
[75] Albert, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 67), S. 78.
[76] Zit. n. Wilhelm Spael: Das katholische Deutschland im 20. Jahrhundert. Seine Pionier- und Krisenzeiten 1890-1945, Würzburg 1964, s. auch Klaus Breuning: Die Vision des Reiches. Deutscher Katholizismus zwischen Demokratie und Diktatur (1929-1934), München 1969, S. 209; Albert, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 67), S. 84.
[77] Baumstark behauptete dies in einem Brief vom 1. September 1935 an Hans Lietzmann, zit. n. Baumstark/Kaufhold, Anton Baumstarks (wie Anm. 24 ), S. 62. Auch Angelus A. Häußling: „Das Jahrbuch für Liturgiewissenschaft“, in: ders. (Hg.): Jahrbuch für Liturgiewissenschaft. Register zu allen von 1921-1941 erschienenen 15 Bänden, Münster 1982, S. 1-16, hier: S. 7, Anm. 5, und Angenendt, Liturgik (wie Anm. 3), S. 87, übernehmen diese Ansicht.
[78] Albert, Die Benediktinerabtei (wie Anm. 67), S. 219, Anm. 101.
[79] Ebd.
[80] Casel, Kultmysterium (wie Anm. 54), S. 15.
[81] Ebd., S. 20, auch das folgende Zitat.
[82] Eine umfangreiche Studie zur AGF unter meiner Federführung wird in Kürze abgeschlossen werden.
[83] Weisungsblatt Nr. 2 (September 1938), in: ÖStA, Akten Reichskommissar, Mappe 2513/0, Kt. 176, Bl. 175-176.
[84] Zitate in: Abschrift, in: ÖStA, Akten Reichskommissar, Mappe 2513/0, Kt. 176, Bl. 187.
[85] Mitteilungen vom 7. Oktober 1938, in: ÖStA, Akten Reichskommissar, Mappe 2513/0, Kt. 176, Bl. 139-140. Die Abschrift der Beitrittserklärung datiert den Brief auf den 3. August. Möglicherweise wurde in den Mitteilungen das Eingangsdatum verwendet, oder es handelt sich um einen Schreibfehler.
[86] Wiener Diözesanblatt Nr. 11 v. 15. Oktober 1938, abgedruckt in: Franz Loidl: Religionslehrer Johann Pircher. Sekretär und aktivster Mitarbeiter in der „Arbeitsgemeinschaft für den religiösen Frieden 1938, Wien 1972, S. 59.
[87] S. auch zum Folgenden Nickel, Romano Guardini (wie Anm. 45), S. 124, S. 142-149.
[88] Ebd., S. 141; vgl. auch Gerl, Romano Guardini (wie Anm. 43), S. 317-329.
[89] Ebd., S. 124: „Der in der kirchlichen Jugendarbeit engagierte Berliner Dozent setzte ja eher auf das Gemeinschaftsgefühl individueller Persönlichkeiten, auf eine echte Herrschaft des Volkes, als auf den von einer Einzelpersönlichkeit ausgehenden Totalitarismus, wie er während der Hitlerdiktatur in Deutschland praktiziert wurde.“


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