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Martin Maier, Oscar Romero. Prophet einer Kirche der Armen, Freiburg im Breisgau 2015, Herder Verlag, 176 S., 16,99 EUR, ISBN: 978-3-451-34799-3


Martin Maier, Jesuit, langjähriger Chefredakteur der Stimmen der Zeit, seit 2014 Mitarbeiter im Jesuit European Social Centre in Brüssel, hat anlässlich der Seligsprechung von Erzbischof Oscar Arnulfo Romero (San Salvador) am 23.Mai 2015 mit diesem Buch eine überarbeitete und erweiterte Fassung seiner früheren Publikationen über diesen Blutzeugen des Glaubens vorgelegt. Er leitet es ein mit einer eindrücklichen Erinnerung an das feierliche und denkwürdig gestaltete Ereignis der Kanonisierung in San Salvador, an dem er teilgenommen hat. „Im Leben von Oscar Romero“, so zeigt er den größeren Zusammenhang auf, in dem dieser Priester und Bischof zu sehen ist, „spiegeln sich die Veränderungen in der jüngeren Kirchengeschichte vor allem in Verbindung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Was für das Konzil die neue Öffnung gegenüber der modernen Welt war, war für die Bischöfe Lateinamerikas nach ihrer Versammlung in Medellin 1968 die Öffnung zur Welt der Armen.“ (13f) Für sein eigenes Leben, so Martin Maier, sei Romero zu einem der zentralen Orientierungspunkte geworden. Durch zahlreiche Aufenthalte habe er, verbunden mit wissenschaftlichen Studien, El Salvador genauer kennengelernt und den Todesopfer kostenden Einsatz der Kirche auf Seiten der armen Bevölkerung unmittelbar miterleben können. Bis heute hält sich Maier regelmäßig zu theologischen Vorlesungen an der Zentralamerikanischen Universität in San Salvador auf.

Das Buch ist in drei größere Abschnitte gegliedert.

Im ersten Abschnitt (15-88) geht es um das Leben und Wirken von Oscar Romero. Maier erblickt, so führt er eingangs aus, große Ähnlichkeiten zwischen ihm und dem Leben Jesu von Nazareth: in ärmlichen Verhältnissen in einem kleinen und unbedeutenden Land geboren und aufgewachsen, von einer tiefen Gottesbeziehung geprägt, als Zimmermann gearbeitet, Lebenswende infolge der Ermordung eines guten Freundes, bekannt geworden durch die zupackende Verkündigung der frohen Botschaft vom Reich Gottes, aufgrund seiner Parteilichkeit für die Armen und gesellschaftlich Diskriminierten in Konfrontation mit den Mächtigen seiner Zeit geraten, bis hin zur Lebenshingabe – aus der reiche Frucht erwuchs.

Die Darstellung des Lebensweges von Oscar Romero hat Maier dann in fünf Kapitel unterteilt, beginnend mit den Jahren seines Aufwachsens in ärmlichen Verhältnissen seit seiner Geburt am 15.August 1917 in Ciudad Barrios und endend mit seiner Ermordung während der Eucharistiefeier am Abend des 24. März 1980. In einem kurzen Einschub gibt Maier zum besseren Verständnis der weiteren Darstellung einen Überblick über das Land und die Geschichte El Salvadors, für die Mehrheit der Bevölkerung eine Geschichte der Ungerechtigkeit und Repression. Sehr einfühlsam verfolgt er dann den weiteren Weg Romeros, wobei er immer wieder auf die jeweilige Station erhellende Hintergründe eingeht: z.B. den Verzicht, den die Eltern leisteten, um den Wunsch ihres Kindes, Priester zu werden, bezahlen zu können; die schwerpunktmäßige Beschäftigung Romeros mit der geistlichen Theologie während seines Studiums in Rom von 1937 bis 1943 (dort wurde er am 4. April 1942 zum Priester geweiht); sein an die Grenzen seiner Kräfte gehendes seelsorgerisches Wirken im Bistum San Miguel; das ihn antreibende hohe Priesterideal, das ihn bei vielen Mitbrüdern nicht gerade beliebt machte; seine Ablehnung des Kurses, den die lateinamerikanische Kirche auf der Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats 1968 in Medellin einschlug, was ihn als Sekretär der salvadorianischen Bischofskonferenz (1967-1979) und als Weihbischof in San Salvador (1970-1974) einen strikt konservativen und politisch abstinenten Kurs verfolgen ließ; seine Konfrontation mit der sozialpolitischen Realität seines Landes während seines Wirkens als Bischof der Diözese Santiago de María (1974-1977), die ihn ins Nachdenken brachte; die an ihn aufgrund seiner kirchlichen und politischen Loyalität gerichteten Erwartungen, die zu seiner Ernennung zum Erzbischof von San Salvador führten; der Optionswechsel, den für ihn die Ermordung seines Freundes Rutilio Grande (obwohl er dessen konsequent sozial orientierte Pastoral missbilligt hatte) am 12. März 1977 auslöste. Sehr ausführlich schildert Martin Maier dann die radikal veränderte pastoral- und kirchenpolitische Linie, die Romero, sich durch dieses Ereignis der Brutalität bewusst geworden, mit der die herrschende Oligarchie in seinem Land ihre Position gegen jedwedes Ansinnen auf Schaffung gerechterer Verhältnisse verteidigte, immer konsequenter eingenommen hat und wie er sich dadurch die Ablehnung und Verfolgung seitens der damals führenden Kräfte sowohl in der Kirche als auch im Staat zuzog und zugleich ein kaum überbietbares Vertrauen, ja Liebe vonseiten der unter der Ungerechtigkeit und Repression leidenden Bevölkerung.

Im zweiten Abschnitt (89-162) hat Maier unter der Überschrift „Oscar Romero – ein Heiliger für das 21. Jahrhundert“ Studien zusammengestellt, die unter verschiedenen Aspekten zum tieferen Verständnis dieses Kirchenmannes, seines Wirkens und seiner Aktualität verhelfen. So zieht Maier Verbindungslinien zwischen Erzbischof Romero und Papst Franziskus, zeigt ihre gemeinsame Verwurzelung in der ignatianischen Spiritualität auf und sieht ebenfalls eine große Gemeinsamkeit zwischen Romero und dem jesuitischen Ordensprinzip der Freundschaft mit den Armen. In einem weiteren Kapitel zur „Theologie des gekreuzigten Volkes“ zeigt er auf, wie dieser sich bei ihm ansatzweise zu findende theologische Topos prägend geworden ist für die Theologie von Ignacio Ellacuría (dem ebenfalls in San Salvador am 16. November 1989 gemeinsam mit anderen ermordeten Jesuiten) und in seiner Folge von seinem Ordensbruder Jon Sobrino und wie er von ihnen weiterentwickelt worden ist. Das Lebensende von Romero muss nach Meinung von Maier zum Anlass genommen werden, neu darüber nachzudenken und zu bestimmen, was es heißt, in der Nachfolge Jesu das Martyrium auf sich zu nehmen. In einem weiteren Kapitel nimmt er – anknüpfend an den „Katakombenpakt“ und die auf den lateinamerikanischen Bischofsversammlungen in Medellin implizit und in Puebla (1979) explizit  getroffene „Option für die Armen“ – eine vertiefte theologische Reflexion über „eine arme Kirche für die Armen“ vor

Der dritte Abschnitt (163-171) beschäftigt sich mit dem Vermächtnis Romeros – als „Prophet einer Kirche der Armen“, als „Bischof im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils“ sowie als Vorbild für einen Bischof, der, wie es sich Papst Franziskus wünscht, „nach seinen Schafen riecht“. Das Buch schließt mit einem Zitat von Romero: „Die Ehre Gottes ist der Arme, der lebt.“ (171)

Im Anhang befinden sich ein Literaturverzeichnis, das weitere Hinweise zu den in diesem Buch angesprochenen Themen gibt, sowie ein Register, das das Auffinden von im Buch vorkommenden Namen und Begriffen erleichtert.

Dieses Buch eignet sich – auch als Unterrichts- oder Seminarlektüre – hervorragend zum Bekanntwerden mit Oscar Romero, dem die Nachwelt ein eindrucksvolles und herausforderndes Zeugnis christlicher Existenz in einer global zwischen Reich und Arm gespaltenen Welt zu verdanken hat.


Zum Rezensenten:

Prof.i.R. Dr.Dr.h.c. Norbert Mette, Pastoraltheologe und Religionspädagoge, zuletzt an der TU Dortmund tätig, seit 2011 im Ruhestand.


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