Antonia leugers miszelle

Antonia Leugers


Ein Jahr Dauerausstellung im NS-Dokumentationszentrum München. Eine kritische Bilanz


Einleitung: Ein Jahr Ausstellung „München und der Nationalsozialismus“


Am 30. April 2015 eröffnete das NS-Dokumentationszentrum München am Standort der ehemaligen Parteizentrale der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) (volkstümlich „Braunes Haus“) seine Dauerausstellung „München und der Nationalsozialismus“. Es handele sich, so die Information auf der Homepage, um eine in 33 Themenschwerpunkte gegliederte Dokumentation, die Fotografien, Dokumente, Texte, Filmprojektionen und Medienstationen umfasst. Großformatige „Leuchtrahmen“ würden „die Inhalte komprimiert vermitteln“, Biografien „die Motive und Handlungsspielräume von Tätern und Opfern, Mitläufern und Widerständigen“ beleuchten. Die Fenster „ermöglichen Sichtbezüge zu den baulichen Relikten der NS-Zeit. Die authentischen Orte werden so zu einem Teil der Dokumentation.“

  Ein umfangreicher Katalog [1] sowie ein „Kurzführer“ stehen als traditionelle Printversion zum intensiven Studium bereit. Als moderne Vermittlungsformen werden Mediaguides für unterschiedliche Zielgruppen (mit einem Rundgang für Erwachsene, für Jugendliche, für Kinder und in einfacher Sprache) und für Spezialthemen (Antisemitismus, Bildkritik, Frauen und Männer, Ausgrenzung) angeboten. [2] Im „Lernforum“ im Untergeschoss können 24 digitale Recherchestationen genutzt werden, die alle Inhalte der Dauerausstellung, einen Teil der Präsentationen auf Medientischen, ein digitales Lexikon mit 800 Artikeln (Begriffe, historische Ereignisse, Orte, Personen) und Interviews mit Zeitzeugen als Videos bereit stellen. Eine Smartphone-App bezieht 119 Orte in München und Umgebung mit ein und liefert historisches Bild- und Quellenmaterial, Biografien, Audio-/Videosequenzen und Vorschläge für Stadtrundgänge.[3] Hier wurde anscheinend an alles gedacht, was aufgrund neuester Erkenntnisse von einem modernen Ausstellungsprojekt zu erwarten war. Doch: hält dieser erste Eindruck auch näherer Prüfung stand?

  Zunächst (1) sollen die Ausführungen des Gründungsdirektors und Architekturhistorikers Winfried Nerdinger zur Ausstellungspräsentation analysiert werden, denn sie blieb von professionellen Ausstellungsmachern, Journalisten und Zeitzeugen nicht unwidersprochen. In einem zweiten Schritt (2) soll aus konfessionshistorischer Perspektive untersucht werden, ob die Dauerausstellung der Bedeutung gerecht geworden ist, die München als katholische Metropole für den Nationalsozialismus hatte. Um es gleich vorweg zu nehmen: Der wirkmächtige Faktor Religion / Konfession erweist sich als „blinder Fleck“ der Ausstellungsmacher. Dieser Befund wird anhand des Ausstellungskatalogs für die entscheidenden Weimarer Jahre eingehend erläutert und bezogen auf die NS-Zeit und die bundesrepublikanische Zeit um einige Beispiele ergänzt. Mit (Führungs)-Stilfragen (3) endet der Beitrag.


1 Dauerausstellung: „Tafelausstellung“ – „Dokumentenflut“ – „Textmassen“


a) Die Überlegungen des Gründungsdirektors


Das NS-Dokumentationszentrum am „Täterort“ Braunes Haus erfordere, so Gründungsdirektor Nerdinger [4], „einen spezifischen Zugang und eine entsprechende Präsentationsform“ (S. 11), die „Dokumentation“, die sich im wesentlichen auf zweidimensionale Reproduktionen mit erläuterndem Text beschränkt. Es gehe um „Wissen“, mit dem „Erkenntnisse gewonnen und eigene kritische Reflexionen in Gang gesetzt werden“ können. (S. 10) Das Ziel sei „eine objektivierte Kontextualisierung und evidente Vermittlung historischer Zusammenhänge“, es komme also auf „Erklärung und Verstehen“ an. (S. 11). Nerdinger schreibt dabei dem „Täterort“ bessere Lerneffekte zu: „Durch den direkten Bezug auf den Ort des Geschehens erhält die Dokumentation historischer Ereignisse eine besondere Prägnanz und Überzeugungskraft, denn der Besucher erfährt unmittelbar: Hier wird nichts inszeniert oder virtuell imaginiert, sondern genau hier ist es gewesen. Darüber hinaus wird das geschichtliche Ereignis aufgrund der topologischen, ortsbezogenen Struktur des menschlichen Gedächtnisses auch besonders intensiv mit der Erinnerung verknüpft und damit im Gedächtnis gespeichert.“ (S. 11) Demgegenüber sei an einem Ort, wo der Opfer gedacht werde, „Empathie“ nötig. Im Widerspruch zur heutigen Gedenkstättenpraxis schlussfolgert Nerdinger, man könne dort nicht die Gründe erklären, warum die Opfer verfolgt worden seien.

  Entschieden lehnt Nerdinger Originalexponate ab, denen er – allen Erfahrungen von Museumsfachleuten und Besuchern zum Trotz – ein besonderes Gefährdungspotential anlastet: „Für die Darstellung der Täterwelten werden in der Dauerausstellung keine originalen Werke oder Objekte verwendet, deren Präsentation zu einer Ästhetisierung und Auratisierung führen würde.“ Jede Form von „Einfühlung“ oder „Emotionalisierung“ verbiete sich. (S. 11) Doch Nerdingers Wortwahl bezogen auf die Funktion des neu errichteten Ausstellungsgebäudes vermittelt selbst den Eindruck einer Ästhetisierung und Auratisierung des „Täterortes“. Seine Formulierung, „das NS-Dokumentationszentrum besetzt das Grundstück der ehemaligen Parteizentrale am Königsplatz“ (S. 11), zeugt nicht gerade von einem nüchternen, aufgeklärten Umgang mit dem historischen Ort, sondern von einer dem Ort neu verliehenen Magie, die nur durch Besetzen zu bannen sei.

  Die vorherrschende Ausstellungspräsentation mutet letztlich wie ein begehbares Geschichtsbuch vergangener Jahrzehnte an, das den Wissensstoff in Textblöcken und illustrierenden Abbildungen (Fotos, Karten, Grafiken) darbot. [5] Der Wissensstoff, den Nerdinger in der Ausstellung dokumentieren will, verteilt sich auf 33 Themenschwerpunkte in vertikalen übergroßen „Leuchtrahmen“, die „in komprimierter Form verständlich, begründet und zusammenhängend die Ereignisse und Probleme vermitteln“ sollen. Nerdinger ist bemüht, der Wahl dieser überkommenen Präsentationsform durch methodische und theoretische Anleihen einen tieferen Sinn zu verleihen, indem er weit ausholend ausführt: „Das zu vermittelnde Thema wird jeweils als Großbild visualisiert, das wiederum mit einem weiteren kleineren Bild konfrontiert und damit inhaltlich vertieft wird, während ein knapper Text in Deutsch und Englisch die Zusammenhänge erläutert. Mit Bildern allein würden Handlungen von den sie bedingenden gesellschaftlichen Strukturen abgeschnitten, die Anschauung wäre ‚blind’, mit Texten allein bliebe die Information abstrakt. Optischer Eindruck und Erklärung von Kontext und Strukturen greifen deshalb ineinander, visuelles Erleben und rationale, begrifflich strukturierte Analyse bedingen und ergänzen sich. Diese erste Präsentationsebene basiert somit stark auf der Kraft von Bildern, die zu allen Zeiten handlungs- und bewusstseinsanregend für den Betrachter war. Denn Bilder haben das Potential ‚Momente der Vergangenheit in immer neuer Gegenwart heraufzubeschwören’ und sprachliche Aussagen ‚im Zusammenspiel mit dem Bild oder auch im Konflikt mit der Sphäre des Visuellen zur höchsten Entfaltung’ [Horst Bredekamp] kommen lassen. Darüber hinaus haben Bilder eine eigene visuelle und logische Aussagekraft, jenseits des Sprachlichen, denn ‚was gezeigt werden kann, kann nicht gesagt werden.’ [Ludwig Wittgenstein] Diese deiktische Kraft beziehungsweise die ‚ikonische Evidenz’ [Gottfried Böhm] sind wichtige Elemente der Präsentation und Didaktik. Da aber Bilder immer auch den subjektiven Blickwinkel des Fotografen transportieren und ihnen durch den Verstehens- und Bildhorizont des Betrachters unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen werden, werden sie kontextualisiert und bei Bedarf bildkritisch erläutert, um den ‚Täterblick’ beziehungsweise die Täterperspektive durch die Kamera zu brechen und den Verstehenshorizont selbst zu thematisieren.“ (S. 11-12).

  Die Erläuterungen des Gründungsdirektors machen eines überdeutlich: Nerdinger lädt den durch ein neues Gebäude und eine Dokumentationsausstellung ‚besetzten’ historischen Täterort – wobei lediglich das Grundstück selbst überdauerte – mit magischen Kräften auf, bannt die von ihm befürchteten Kraftwirkungen von Originalexponaten (Ästhetisierung, Auratisierung, Emotionalisierung) durch Reproduktionen und wehrt inszenierte und virtuelle Präsentationen als nicht authentisch ab. Der eigenen monotonen Kombinatorik von je zwei Bildern und einem Text pro „Thema“ für insgesamt 33 Schwerpunkte werden hingegen pauschal alle guten Wirkungen zugeschrieben. Bilder können entfalten, worauf Nerdinger mit Zitaten der Kunsthistoriker Bredekamp und Böhm verweist. Das setzt für historische Ausstellungen im Umgang mit historischen Fotos allerdings eine historisch-kritische Analyse und eine reflektierte Auswahl voraus.

  Nerdingers selbstgewisse Aussagen hinsichtlich seiner Fotoauswahl können leicht durch eine fehlende Bildkritik konterkariert werden, wenn beispielsweise die Symbolik der NS-Propaganda unreflektiert wiedergegeben wird. So lautet die Erläuterung zu einem nicht datierten Leuchtrahmen-Foto: „Den Herrschaftsanspruch über die Stadt zeigten Postkarten mit einer symbolisch über München aufgehenden Hakenkreuzsonne.“ (S. 108-109) Nun ist der Ort, an dem die „Hakenkreuzsonne“ angeblich aufzugehen in der Lage sein soll, ausgerechnet zwischen Theatinerkirche und Dom in südwestlicher Himmelsrichtung gelegen. Fritz Gerlich kommentierte voller Ironie eine ähnliche Freiburger Postkarte: „Sicher wollte der ‚Künstler’ die nationalsozialistische Sonne hier hinter Freiburg aufgehen lassen. Aber, o Missgeschick, er verwechselte Osten und Westen und so wandelte sich der ‚Aufgang’ rettungslos in einen ‚Untergang’. [...] da bekanntlich die Sonne, wenigstens gegenwärtig noch, im Westen untergeht, so ist zweifellos das Hakenkreuzsymbol hier eifrig bestrebt, unterzugehen.“ (Der gerade Weg, 31. Juli 1932).

  Durch den Einsatz von überdimensionierten Filmprojektionsflächen wird Nerdingers Absicht ein weiteres Mal konterkariert. Dabei werden eigene Ästhetisierungen erzeugt, die ein schlichtes Original nie hätte hervorbringen können, weil man ihm 1:1 gegenüber stünde und es quellenkritisch kontextualisiert werden könnte. So aber fliegen beispielsweise durch die geschickte Kameraführung die Ausstellungsbesucher gleichsam (also virtuell) über dem Modell der geplanten Ost-West-Achse Münchens (S. 115) dahin, mal von oben alle Straßenzüge und Häuser in den Blick nehmend, mal ganz nah über dem zentralen riesigen Hauptbahnhof schwebend!

  Filmpräsentationen, die bei der Vertiefungsebene der Themenschwerpunkte in einem Tisch eingelassen wurden, sind mit einem weiteren Problem behaftet: So werden auf vier Monitoren simultan wie in einem Block kompilierte historische Filmschnipsel und Fotos zur kulturellen Vielfalt Münchens (S. 84-85) in einer Dauerschleife schneller Schnitte gezeigt, durch die eine konzentrierte Betrachtung und Erfassung geradezu ausgeschlossen wird. Als Nerdinger einmal in einem Interview gefragt wurde, warum er keine Originalexponate wolle, meinte er schlicht, jede historische Quellenkritik hinsichtlich der Verwendung historischer Filmsequenzen und Fotos in Ausstellungen vermissen lassend: „Wir zeigen ja die Dinge, im Film, in Fotografien, in Dokumenten, es ist ja alles präsent.“ [6]


b) Kritische Stimmen zur Ausstellungspräsentation


Mit der Beschränkung auf das Dokumentarische und mit der Verwendung von Fotografien im NS-Dokumentationszentrum München haben sich Ausstellungsmacher, Journalisten und Zeitzeugen kritisch auseinandergesetzt.


  Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Münchner Instituts für Zeitgeschichte am Dokumentationszentrum Obersalzberg, Sylvia Necker, hat in ihrer auf die Ausstellungspräsentation bezogenen Besprechung [7] die Schwachpunkte des Nerdingerschen Konzepts einer „Tafelausstellung“ in der „Enge des Tafelwaldes“ akribisch heraus gearbeitet: Thementafeln, Leuchtkästen an der Wand und im Raum, biografische Stelen, nicht angeschrägte und dadurch für Rollstuhlfahrer nicht barrierefreie Tische in Dreier- und Sechsergruppen mit unklarer Leserichtung, durch Leinwände verstellte Fenster. Es handele sich „also um eine enorme Dokumentenflut“, die „mit enormen Textmassen befrachtet“ sei. „Eine konsequentere Auswahl der präsentierten zweidimensionalen Exponate sowie eine Reduktion der Texte hätte die Anmutung, es handle sich bei der Ausstellung eigentlich um ein Buch, deutlich lindern können.“ Die Darstellungsform bleibe auf das Dokumentarische beschränkt, da die Kuratoren „gar keine These präsentieren möchten“. Zu den wichtigsten Aufgaben einer Ausstellung aber gehöre eine „Grundaussage“ und „eine Durchdringung und Vertiefung der Themen auch durch die Gestaltung“. Es würden bei der „Dokumentendichte“ für die Besucher „keine Zwischenräume für eigene Reflexionen zum Thema“ gelassen.

  Die „inflationäre Verwendung von Fotos“ als „Beweismittel für eine vermeintliche Wirklichkeit“ sei gefährlich, zumal der Entstehungskontext und die Reproduktion nicht deutlich würden. Überhaupt sei es bedenklich, dass – wie auf den Tischen – „Bild- und Textquellen nach Bedarf zu Collagen zusammengesetzt [werden], die einen quellenkritischen Umgang missen lassen.“ Vergrößerungen wie auf den Leuchtrahmen und Stelen führten „zu einer Vereindeutigung, die eine geschichtswissenschaftliche Ausstellung eigentlich vermeiden sollte. Hinzu kommt, dass nicht das Exponat Ausgangspunkt der Erzählung in der Ausstellung ist, sondern der thematische Zugriff. Auf diese Weise wirken viele Schriftdokumente und Fotos um die Ausstellungstexte herumgruppiert, ohne eine eigenständige Narration entwickeln zu dürfen.“ Auch historische Filmsequenzen würden „häufiger als Illustrationen, weniger als Quellen verwendet.“

  Nerdingers strikte Ablehnung dreidimensionaler Objekte hinterfragt Necker, denn sie würden dadurch eher eine Aufwertung erfahren und somit „ihren Charakter als Fetisch (der Ewiggestrigen)“ befördern. Die Aufgabe der Ausstellungsmacher hätte eigentlich darin bestanden, die nötige „Kontextualisierung“ und „adäquate Darstellungsformen solcher Objekte“ zu finden. Necker sieht darin die Chance, im wahrsten Sinne des Wortes die „Mehrdimensionalität des NS-Regimes“ zu zeigen. Die „museumswissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 25 Jahre“ sollte das NS-Dokumentationszentrum einbeziehen: neben Reproduktionen zählten auch Originalexponate und Inszenierungen dazu.

  Die SZ-Journalistin Franziska Brüning [8] wählte eine elegante Form der Kritik am gerade eröffneten NS-Dokumentationszentrum, indem sie Ausstellungsmacher zu Wort kommen ließ zu diesem neuesten Stand der Präsentationsformen. Lange habe die klassische Form der Erzählweise in Texten, oft großformatigen Bildern und Einzelbiografien, wenigen Originalobjekten und Kunst zur Illustration vorgeherrscht. Diese Form könne anschaulich und leicht erfassbar oder „ein Geschichtsbuch an der Wand“ sein. Volkhard Knigge, Stiftungsdirektor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, nennt die mittlerweile erkennbare und sich wiederholende Formensprache in Ausstellungen zu Einzelthemen und deren Monotonie „eine ‚Konfektionierung der Präsentation’“. Der Leiter der Dokumentation Obersalzberg, Axel Drecoll, will stärker multimedial und „musealer“ mit Objekten arbeiten, die er „als Vehikel nutzen“ möchte für Anregungen zum Nachdenken. Die eigene Urteilsbildung solle gestärkt werden, weshalb „vermehrt modular“ gearbeitet werden solle. „Kontraproduktiv wirken ein moralischer Zeigefinger und feste Lernziele, wie sie etwa schon im Begriff ‚Lernort’ stecken, den viele Häuser als Namen tragen – das sind Erkenntnisse nicht nur aus Besucherforschungen. Auch die Praxis hat das gezeigt.“ Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Gabriele Hammermann, will ebenfalls „eher Fragezeichen setzen als Antworten geben.“ Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skribeleit, löse sich mutig von „den Schablonen der Erinnerungsarbeit“ durch neue Vermittlungsformen, die „aktuelle kulturwissenschaftlich-museologische Debatten“ berücksichtigen. Seine Ausstellung arbeite mit „Audio-Installationen und einem strukturierten Nebeneinander, statt Nacheinander von Informationen. Der Blick ist bis in die Gegenwart gerichtet und erlaubt den Besuchern, eigene Schlüsse zu ziehen.“ Großformatige Fotos fehlen, denn die Frage sei, „ob die Opfer des Nationalsozialismus auf großformatigen Bildern nicht ein weiteres Mal vorgeführt werden.“ Beim Konflikt mit dem zunächst für die Ausstellung des NS-Dokumentationszentrums beauftragten Berliner Gestaltungsbüro Gerhards & Glücker sei es, so Franziska Brüning in einem weiteren Artikel, unter anderem darum gegangen, dass Gerhards nicht das Foto, auf dem der jüdische Rechtsanwalt Michael Siegel im April 1933 öffentlich gedemütigt wurde (Katalog S. 118-119), großformatig zeigen, sondern überblenden wollte, „um Siegels Demütigung nicht noch einmal zur Schau zu stellen.“ [9]

  Der Sozialpsychologe Harald Welzer plädiert für „neue Strategien, den Betrachter einzubeziehen und denken zu lassen.“ Den Bezug zum authentischen Ort brauche man nicht. „Zum einen stellt sich die Frage, was an den authentischen Orten noch authentisch ist. Zum anderen sind diese Orte so eine Art ‚spooky places’. Da muss man nur amerikanische Schülergruppen beobachten. Und was die Täterorte betrifft, muss man doch sagen, dass das ganze Land ein Täterort ist.“ [10] Die Geschichte der NS-Zeit solle analytischer vom Anfang her erzählt werden als ein „Prozess, in dem jeder auf seine Weise beteiligt war.“ Welzer wendet sich damit gegen die früher gängige Ausstellungsgestaltung, die sich „durch klare Zuordnungen wie Täter (Nazis), Opfer (Juden und andere Verfolgte) und Zuschauer (Volk)“ ausdrückten, „unterstrichen durch häufig überdimensional gewählte Bildformate mit umfangreichen Erzählsträngen: Die Besucher sollen den moralischen Botschaften nicht entkommen.“ [11] Die Feuilletonistin Sonja Zekri [12] nennt die Präsentation des NS-Dokumentationszentrums eine „solide, aber am Ende pädagogisch strangulierend eng geführte Ausstellung.“ „So sieht moralisches Vollkasko aus.“

  Wie Menschen die von Nerdinger dargebotenen Präsentationsformen wahrnehmen, wird deutlich in einer Kritik eines Opfers der verfolgten Sinti und Roma Münchens, Hermann (Mano) Höllenreiner und seiner Ehefrau Else. [13] Höllenreiner war nach Auschwitz deportiert worden und hatte Verwandte durch den Völkermord verloren. Im Vergleich zu den großformatigen Fotos Münchner Juden (S. 234-235) empfindet Höllenreiner die unmittelbar an der gegenüber liegenden Wand angebrachte Collage aus Dokumenten und wenigen kleinformatigen Fotos zu den Münchner Sinti und Roma (S. 224-227) als Herabwürdigung. Seine Frage hinsichtlich der sich in unterschiedlichen Fotoformaten ausdrückenden Symbolsprache der Ausstellungsmacher lautet: „Sind wir Sinti weniger wert?“ Den Angehörigen bleibt ebenso unverständlich, warum Namenslisten der Opfer teilweise geschwärzt sind. Eine Erläuterung, dass dies evtl. aus Datenschutzgründen oder auf Wunsch von Angehörigen geschehen musste, hätte unbedingt erfolgen müssen.


2 Ausstellungskatalog: Das „begehbare Buch“ in der Printversion und seine „blinden Flecken“


Der 624 Seiten umfassende Katalog bietet nach einer Einführung des Herausgebers Nerdinger (S. 9–12) die Ausstellungstexte und Abbildungen (S. 13–383). Darüber hinaus befassen sich 23 weitere Beiträge von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit NS-Themen (S. 384-614), wobei nur Nerdinger und die Mitherausgeber, Hans Günter Hockerts, Peter Longerich und Marita Krauss, Münchner Themen ausführen (S. 387-397, 398-407, 457-464, 548-556). Ein Orts- und Namensregister (S. 620-624) schließt den Band ab.

  Im Folgenden werden einige charakterisierende Schlaglichter aus konfessionshistorischer Perspektive auf die auf die Ausstellung bezogenen Texte und Abbildungen des ersten Katalogteils geworfen. [14] Den Einstieg soll die eingehende Bildbetrachtung des Titelfotos des Ausstellungskatalogs bieten, weil die Chance, ein altbekanntes Fotomotiv in vertiefter Sicht zu deuten, hier verspielt wurde. An diesem Beispiel werden die „blinden Flecken“ der Ausstellungsmacher hinsichtlich des Faktors Religion / Konfession besonders anschaulich.


a) Das Titelfoto


Das Titelfoto des Ausstellungskatalogs zeigt ikonographisch eine entindividualisierte gesichtslose Masse: in dichten Reihen angetretene uniformierte und Stahlhelm tragende Soldaten. [15] Das Foto ist dem Katalogabschnitt „Die organisierte und manipulierte Jugend“ beim Themenschwerpunkt „Verheißung und Konsequenzen der ‚Volksgemeinschaft’“ entnommen. Dort ist es mit einem weiteren Fotomotiv kombiniert: ein am Rand des Münchner NS-Gauparteitags von 1932 stehender uniformierter Junge von etwa fünf Jahren mit erhobenem rechten Arm und Hakenkreuzfähnchen in der linken Hand. Adolf Hitlers Spruch „Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben“ kommentiert die Fotos (S. 149).

Titelbild

  Die Ausstellung von 2015 bedient sich damit einer lange schon vertrauten Motivkombinatorik. So positionierte 1988 die Bayerische Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit einleitend als Illustrationen im ersten Band „Der Nationalsozialismus“ zwei Fotos: von vorn einen kleinen uniformierten Jungen mit erhobenem rechten Ärmchen, von hinten Stahlhelm tragende Soldaten. In diesem Fall waren sie ausgerichtet auf drei überdimensionierte Hakenkreuzfahnen oberhalb der Tribüne des Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg, dem parteipolitisch zentralen bayerischen Ort, der von der NSDAP neu geschaffen worden war. [16]

  Die Soldaten in München waren hingegen von einem historisch gewachsenen Gebäudeensemble am Odeonsplatz umgeben mit dem höchsten symbolischen Wert für die Nationalsozialisten im „Dritten Reich“. Hier war am 9. November 1923 der Hitler-Ludendorff-Putsch vor der Feldherrnhalle gescheitert; fünfzehn Putschisten und ein unbeteiligter Mann waren tödlich getroffen worden. Nach Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht traten die Rekruten dort zur ersten Vereidigung am 7. November 1935 mit den Worten an: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“ [17] Da Soldaten in der Regel in geordneten Formationen stehen, vermag das Bild seinen spezifischen Symbolwert nicht allein aus der Aufstellung zu ziehen, sondern aus dem Datum und dem Ort der Vereidigung. Doch damit ist nur ein Teil der besonderen Geschichte Münchens erschlossen.

  Für eine tiefer gehende, im wahrsten Sinne die Gesamtperspektive wesentlich öffnende Deutung darf ein weiteres Gebäude auf dem Foto nicht unberücksichtigt bleiben. Im Gegensatz zum rein säkularen Reichsparteitagsgelände im protestantischen Nürnberg überragt den Odeonsplatz die katholische Theatinerkirche, die ehemalige Wittelsbacher Hofstiftskirche St. Kajetan. Ihr Symbolwert steht einerseits für den mit 82% dominanten Katholizismus der Stadt München, andererseits für eine signifikante Zahl von Priestern mit Bezug zu München, die als Nationalsozialisten in Erscheinung traten oder eine Nähe zu dieser Ideologie zum Ausdruck brachten. [18] Das Hofstiftskolleg von St. Kajetan nahm hierbei eine Sonderrolle ein, weil ihm mehrere nationalsozialistische Priester angehörten, darunter der Cousin des katholischen Putschteilnehmers Heinrich Himmler, das NSDAP- und SS-Mitglied August Wilhelm Patin. [19] Mit der Theatinerkirche war jedoch eine weitere symbolträchtige Tradition verbunden, die belegt, wie unverzichtbar das Einbeziehen multiperspektivischer Längsschnittdeutungen ist: Hier hatte der Münchner Polizeioberpfarrer Josef Schneider mit den Polizisten während der Weimarer Republik Gedächtnismessen auch für die vier bei der Abwehr der Putschisten zu Tode gekommenen Bayerischen Landespolizisten gefeiert, wofür Schneider im November 1933 von den neuen Machthabern heftig angegriffen und schließlich 1935 seines Amtes enthoben worden war. [20]

  Das Titelfoto des Ausstellungskatalogs könnte also neben der schon bekannten Symbolik der Feldherrnhalle für die Geschichte des Nationalsozialismus in München auf die bislang verborgene Symbolik der Theatinerkirche für die besondere Geschichte des Katholizismus und des Nationalsozialismus in München hinweisen. Obgleich das NS-Dokumentationszentrum die topographische Sichtachsenlogik vom „Braunen Haus“ und Königsplatz her zum Prinzip erhoben hat (S. 11), wendet es sie freilich nicht konsequent an, sobald kirchliche Gebäude betroffen sind, wie nicht zuletzt die direkt gegenüber vom „Braunen Haus“ gelegene Päpstliche Nuntiatur erweist. So zeigt auch das von den Propyläen aus aufgenommene Foto des Aufmarsches der Nationalsozialisten am Königsplatz während der Feiern zum 9. November 1938 hinter den „Ehrentempeln“ der „Blutzeugen“ von 1923 nicht nur das „Braune Haus“ und die ehemalige Nuntiatur, sondern am oberen Bildrand wiederum die alles überragenden Türme der Theatinerkirche (S. 202-203), wo bis 1933 eine katholische Gegentradition gepflegt worden war durch die Gedächtnisfeier für die vier Polizisten.


b) Die Weimarer Jahre


Zum „Ursprung und Aufstieg der NS-Bewegung“ formulierte die „Arbeitsgruppe Ausstellungskonzept“ (Hockerts/ Krauss/ Longerich/ Nerdinger) als „Leitfragen: Warum München? Wie konnte es dazu kommen? Was geht mich das an? Erkenntnisziel: Den Anfängen wehren, wenn Menschen diskriminiert werden und Institutionen versagen.“ [21] Räumlich betrachtet widmet sich die Ausstellung diesem Themenkomplex nur in der 4. Etage des Dokumentationszentrums (S. 15-105 im Katalog), während für die NS-Herrschaftsphase ein Teil der 4., die 3. und 2. Etage in Beschlag genommen sind unter den Titeln: „Machteroberung in München“, „München – ‚Hauptstadt der Bewegung’“, „Mitmachen – Ausgrenzen. Zwei Seiten der ‚Volksgemeinschaft’“ und „München und der Krieg“ (S.106-301); die „Auseinandersetzung mit der NS-Zeit nach 1945“ beginnt am Ende der 2. Etage und reicht in die 1. Etage hinein (S. 298-383).

  Der Augsburger Historiker Dietmar Süss kritisierte Peter Longerichs kürzlich im Siedler-Verlag erschienene Biografie zu Hitler scharf: „Longerich analysiert weder die deutsche Gesellschaft und ihre Sehnsüchte, noch interessiert ihn genau, wie sich dieser Staat in den Händen Hitlers verformte.“ [22] Analog ist zu konstatieren, dass sich die Konzeptionsgruppe, zu der Longerich zählt, für die Münchner Gesellschaft nicht in dem Maße interessiert, wie es zur Beantwortung der Frage „Warum München?“ notwendig gewesen wäre, um Ursprung und Aufstieg der NS-Bewegung gerade in München erklären zu können. Nicht die NS-Herrschaftsphase in München zwischen 1933 und 1945 stellt die größte Wissenslücke der Besucher dar, sondern die Phase der Weimarer Republik. Die Frage nach den Gefährdungen einer Demokratie geht alle an, wie nicht zuletzt die aktuellen Debatten zu rechtsradikalen Bewegungen zeigen. Dabei spielt der Faktor der Religion, diverser weltanschaulicher Strömungen und politischer Radikalisierungsformen eine nicht zu vernachlässigende Rolle. In diesem Feld liegt eines der größten Defizite der Ausstellungskonzeption, das durch die Beiträge von Hockerts und Longerich im Aufsatzteil (S. 387-397, 398-407) nicht nur nicht ausgeglichen, sondern bestätigt wird. Folgerichtig setzt sich diese Fehlstelle in der Darstellung der weiteren Phasen fort (NS-Zeit und bundesrepublikanische Zeit). Im Rahmen dieser Besprechung soll dies an einigen Beispielen verdeutlicht werden.

 

Katholische „Cluster“ und Nationalsozialismus

Studiert man die Texte der zehn Themenschwerpunkte („Leuchtrahmen“) zur Weimarer Phase (S. 15-105), so erfährt man nichts über die in München vertretenen Religionsgemeinschaften und deren gesellschaftliche Rolle. Im Zusammenhang der Regierungszeit des ersten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner wird lediglich vermerkt, er habe sich „erbitterte Feinde durch Abschaffung der kirchlichen Schulaufsicht gemacht“ (S. 19). Erwähnt wird noch das bekannte Zitat des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber über die Revolution von 1918 als „Meineid und Hochverrat“, das dazu beigetragen habe, „dass die junge Weimarer Republik in manchen Kreisen der Bevölkerung wenig Unterstützung fand.“ (S. 29). Die Unschärfe der Benennung von konkreten Personen und Personengruppen (wer waren „erbitterte Feinde“ und lag die Feindschaft zu Eisner nur an der Schulaufsichtsfrage? Wer sind „manche Kreise“?) hinsichtlich religiöser und konfessioneller Fragen ist symptomatisch für die unzureichende Auseinandersetzung der Ausstellungsmacher mit den komplexen Gründen, warum es der NSDAP möglich war, ausgerechnet in München zu reüssieren.

  Die so genannten Vertiefungsebenen (Tische) bieten kaum klarere Antworten. Es wird dort ein „katholisch geprägtes Milieu“ behauptet, um es von allem, was im eigentlichen Sinn mit der NSDAP zu tun hat, frei halten zu können. Bei einer Mehrheitskonfession von selbst im Jahr 1940 noch 82 % Katholiken ist „Milieu“ allerdings kein analysetauglicher Begriff, wie der Berliner Historiker Thomas Forstner zutreffend festgestellt hat. Forstner ersetzt ihn daher mit „Cluster“ [23], durch den beispielsweise das Phänomen des Auseinanderfallens von Konfession und Wahlverhalten präziser zu fassen ist. Die Ausstellungsmacher aber argumentieren: gut 80 % der Münchner Bevölkerung waren Katholiken, aber „nur etwa ein Drittel fühlte sich an das kirchliche Milieu gebunden.“ (S. 85). Sie folgern: „Der Kern des katholisch geprägten Milieus lehnte die NSDAP weitgehend ab und unterstützte die BVP [Bayerische Volkspartei].“ (S. 96). Hier werden Daten sorglos vermengt, die an sich noch nichts miteinander zu tun haben und durch vage Umschreibungen wie „Kern“ und „fühlte sich“ diffus bleiben müssen. Die Erfüllung der statistisch jährlich ausgewerteten Osterpflicht (Beichte und Kommunionempfang) stützt hier wahrscheinlich, ohne freilich genannt zu werden, die Behauptung, es werde dann auch eine bestimmte politische Partei gewählt. Zur Illustration der Münchner Religionsgemeinschaften werden daher solche Fotos (S. 84-85) präsentiert, die rein religiös bestimmte Feiern betreffen, also ein kirchentreues Kirchgangs-„Milieu“ repräsentieren sollen. Damit kann allerdings nicht die „innere Komplexität der Sozialform Katholizismus“ (Wilfried Loth) und die gesellschaftspolitische Relevanz dieser auf bestimmte Weltdeutung mit dem Anspruch auf Mitgestaltung beruhenden Gruppierung offen gelegt werden. Die Besonderheit besteht gerade darin, dass in anderen Regionen mit einem ebenfalls hohen Katholikenanteil sowohl die Osterpflichterfüllung als auch die Wahl der katholischen Parteien (Zentrum, Bayerische Volkspartei) höher ausfallen als gerade im Sonderfall München. Umgekehrt ist es für München bezeichnend, dass Personen und Personengruppen, die sich als bekennende Katholikinnen und Katholiken engagierten, die also zum Osterpflichterfüllungs-„Kern-Milieu“ der Ausstellungsmacher zu zählen wären, sogar für die NSDAP eintraten oder mit ihren propagierten Anschauungen so große Nähe zum ideologischen Kern der NSDAP aufwiesen, dass die Hemmschwelle zum „Original“ herabgesetzt wurde. Durch diese Katholiken und Katholikinnen (Laien und Amtspersonen) wurde der Nationalsozialismus damit quasi autoritativ als katholisch zulässige Anschauung beglaubigt.

  Gerade in München, so der amerikanische Historiker Derek Hastings [24], habe jene Strömung in Theologie und Frömmigkeit (Reformkatholizismus) zur Ablehnung des „politischen Katholizismus“ (Zentrum und BVP) und zu Kombinationen mit Positionen anderer weltanschaulicher Gruppierungen geführt. Katholische Priester und Laien waren frühe NS-Propagandisten bis zum Hitler-Ludendorff-Putsch und lieferten so einen spezifischen Beitrag zum steigenden Zulauf für die NSDAP durch eine gewachsene Infrastruktur. Sie publizierten an der katholischen Zielgruppe orientiert in der Parteipresse (Völkischer Beobachter) und thematisierten, dass man Katholik und Nationalsozialist sein könne. Propagandistisch wichtige Feiern wie die Schlageter-Feier auf dem Königsplatz und in der nahen Benediktinerabtei St. Bonifaz mit Abt Alban Schachleiter hatten symbolischen Wert durch die Vereinnahmung des Katholiken Albert Leo Schlageter für die NS-Bewegung. Liturgische Feierangebote für katholische NS-Interessierte und Propaganda-„Feldpredigten“ bei Parteiveranstaltungen (z.B. Deutscher Tag in Nürnberg 1923) schufen Identifikationsangebote. Eine öffentlichkeitswirksame strikte Verurteilung dieser Strömung gab es kirchenamtlich vor 1923 nicht. Die Reden Faulhabers auf dem Katholikentag von 1922 („Meineid und Hochverrat“, gegen die „Börse“, den Völkerbund, „Muhammedaner und Heiden“, d.h. gegen „die Juden“ und die „Schwarze Schmach“) bestärkten NS-Sympathisanten und Parteigenossen in ihrer antidemokratischen und antisemitischen Haltung. Einen rasanten Zuwachs an Stimmen hatte die NSDAP nachweislich von 1922 bis zum Putsch 1923 (vgl. die Grafik S. 55). Nach dem gescheiterten Putsch hingegen, so Hastings, habe die protestantische Strömung dominiert, doch das Werk der überzeugten NS-Priester ging weiter und verstärkte sich 1932 erneut, wie nicht zuletzt das Beispiel des Schwabinger Kaplans Josef Roth zeigt als Mitglied in rechtsextremen völkischen und militaristischen Gruppierungen. Er vertrat antipazifistische, antisemitische, antifeministische, antihumanitäre und eugenische Positionen und schaffte 1934 den Aufstieg über die NS-Oberschule in Feldafing bis in das Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten im August 1935.

  Unumgängliche und München-spezifische Ausdifferenzierungen in den Themenschwerpunkten und Vertiefungen der Ausstellung fehlen also, Bezüge zu konfessionellen Zusammenhängen werden nicht erkannt oder fort gelassen. Dadurch entsteht der Eindruck, als sei eine besondere abgrenzbare völkisch-antisemitische rechtsextreme Gruppierung (Netzwerk) als alleinige Trägerin der sich zur NS-Ideologie verdichtenden damaligen Anschauungen auszumachen. Der Beitrag Longerichs im Katalog blendet konfessionelle Bezüge vollkommen aus (S. 398-407). Es sind aber gerade die offen nationalsozialistischen und die nicht klar abgegrenzten Positionen zu den Nationalsozialisten, die es nötig machen, Übereinstimmungen auch in Amtskirche, Theologie, Kirchenpresse, Publikationen, Predigten, Vereinen usw. zu benennen und abzubilden, um keine falschen Entwicklungslinien zu ziehen und mögliche Kontinuitäten und Brüche in den Blick zu nehmen.


Biografien vom Anfang her

Zwei biografische Zugänge mögen die fehlende Differenzierung aufweisen. Die Konvertitin und BVP-Abgeordnete Ellen Ammann, die die Ausstellungsmacher zum „Milieu“-„Kern“ zählen würden, wird gern als Beispiel unter der Rubrik „Gesichter des anderen München“ in einem Atemzug mit den Pazifistinnen und Frauenrechtlerinnen, Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann, genannt (S. 69, 100, 103). Ammann [25] hatte Anfang 1923 mit Augspurg und Heymann zusammen die Ausweisung Hitlers verlangt und organisierte in der Putschnacht geistesgegenwärtig die Zusammenkunft von BVP- und Regierungsmitgliedern, die anschließend nach Bamberg flüchteten. Ungenannt bleibt aber, dass Ammann im Gegensatz zu den beiden Pazifistinnen auch zu den Vertreterinnen zu zählen ist, die unter der Rubrik „Feindbilder als Waffe“ (vgl. S. 34-35) aufgeführt werden müssten. So zog sie beispielsweise im Wahlkampf 1919 ideologisch-propagandistisch Kampagnen gegen den „Bolschewismus“ durch und wetterte in Landtagsreden gegen die „Schwarze Schmach“. Für die völkerrechtswidrigen bewaffneten Kämpfe des Bund Oberland am schlesischen Annaberg 1921 gegen Polen umsorgte sie nicht nur ihren beteiligten Sohn, sondern auch nationalsozialistische Kämpfer. Gegen die Frauenversammlung der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (jener Organisation von Augspurg und Heymann), die im Januar 1932 unter dem Titel „Welt-Abrüstung oder Welt-Untergang“ (Plakat S. 103) angekündigt war, organisierte sie eine Gegenveranstaltung, bei der der spätere Minister im bayerischen NS-Kabinett, Eugen von Quadt-Wykradt-Isny, und die mit dem NS sympathisierende Gräfin Pauline von Montgelas scharfe Gegenpositionen formulierten. Ammanns Überzeugungen hatten also deutliche Schnittmengen mit den ideologischen Feindbildern, wie sie die Nationalsozialisten und deren Netzwerk vertraten. In den Mediaguides wird der Rundgang „Männer und Frauen“ angeboten, doch bedeutet es leider nicht, wie beim Beispiel Ellen Ammann am 18. März 2016 überprüft, dass ihre eng geführte Idealisierung sich nun einer differenzierteren biografischen Charakterisierung geöffnet hätte, indem sie auch als eine Vertreterin von Feindbildvorstellungen vorgestellt wird. Beim Publizisten Fritz Gerlich wird immerhin angedeutet, dass er sich wandelte (S. 100, 104), was sich auf seine Rolle bis zum November 1923 bezieht, ohne dass auch diese näher ausgeführt wird.

  Ähnlich ist es im Falle des Katholiken Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg [26], der fälschlicherweise sogar mit seinem Biogramm während der NS-Zeit in der Rubrik „Religiös motivierter und bürgerlicher Widerstand“ auftaucht, obgleich er kein Münchner war und 1924 schon von München zum Studium nach Erlangen und Würzburg gewechselt war, dann sehr reich geheiratet hatte und im fränkischen Neustadt auf Schloss Salzburg mit seiner Familie lebte. Erst 1941 kam er nach Berlin ins Amt Ausland / Abwehr. Er zählte also nicht zum Münchner Widerstand, sondern findet gemeinhin nur Erwähnung, weil er den Kontakt zwischen dem Münchner Jesuitenprovinzial Augustin Rösch und Helmuth James von Moltke in Berlin vermittelte (S. 285). Seine monarchistische Zeitschrift „Monarchie“ (Würzburg 1932-1934) bzw. „Weiße Blätter“ (Neustadt 1934-1943) konnte im Selbstverlag mit eigenem Verteiler erscheinen. Er wurde nach dem 20. Juli 1944 verhaftet und noch vor der Befreiung durch die Sowjetarmee 1945 in Berlin nächtens erschossen. Guttenberg ist dennoch für München äußerst wichtig, weil er zum Umfeld des Hitler-Ludendorff-Putsches gehört. Er war schon als Student in München im völkischen Netzwerk aktiv und hielt Kontakt zu den späteren Putschteilnehmern, darunter Freunde von ihm. Er meldete sich im Völkischen Beobachter zu Wort, engagierte sich im Hochschulring Deutscher Art und absolvierte Übungen der illegalen Schwarzen Reichswehr, war sogar mit der Hitler-Förderin Elsa Bruckmann freundschaftlich verbunden. Auch hier wäre eine ausdifferenzierte Charakterisierung der Persönlichkeit erhellend gewesen für die besondere Münchner Situation, die bis zum Putsch zahllose Katholiken mobilisierte, weil sie in einem gewaltsamen Umsturz die Verbesserung der Lage Bayerns und Deutschlands erhofften. Der Katholik Guttenberg war einer von ihnen.


Medienvergleiche zwischen NS- und religiösen Zeitungen

Eine fehlende, Erkenntnis fördernde Ausdifferenzierung lässt sich auch bei der Auswahl von Medien feststellen. Worin liegt die, auf das katholische München bezogen, besondere Erkenntnis, wenn antisemitische Inserate des Völkischen Beobachters im Katalog abgedruckt werden (S. 32), aber nicht auch die Gottesdienstanzeiger des VB? Das nach außen der katholischen Leserschaft gegenüber dokumentierte „Bekenntnis“ des nationalsozialistischen Parteiblatts zum Wert der katholischen Glaubenspraxis bei gleichzeitiger antisemitischer Hetze zeichnet doch die dort phasenweise überzeugt oder auch taktisch dokumentierte Vereinbarkeit von Katholizismus und Antisemitismus überaus einprägsam nach. Andererseits müsste man ebenso die in der Münchener Katholischen Kirchenzeitung abgedruckten Inserate eines „Christlichen Kaufhauses“ [27] präsentieren, durch die sich ein katholischer Geschäftsmann in der katholischen Zeitung dagegen meinte verwahren zu müssen, mit einem „jüdischen Kaufhaus“ verwechselt werden zu können (vgl. damit S. 164 „jetzt arisch“), in dem die Kirchenzeitungsleser seiner Einschätzung und der Einschätzung der Redaktion nach nicht kaufen würden. Gemeinsame Feindbilder fanden also eine breite Basis im München der Zwischenkriegszeit, auch dort, wo man sie nicht vermutet, in dem von den Ausstellungsmachern so benannten „Kern“ des katholischen „Milieus“. Man könnte hier, wie Welzer meinte, die Geschichte des NS vom Anfang her als einen Prozess, in dem jeder auf seine Weise beteiligt gewesen sei, erzählen. Die klaren Zuordnungen zu Tätern, Opfern, Mitläufern, Zuschauern und Widerständlern könnte man auf diese Weise aufbrechen.

  Auch die Position von Münchner Juden als Verteidiger der Demokratie und als Kritiker der christlichen bayerischen Regierung müsste einen breiteren Raum einnehmen. So ist es unverständlich, warum die kritischen Artikel der Zeitschrift Das Jüdische Echo von 1923 nicht voll bzw. wenigstens in Zitatauszügen gut lesbar abgedruckt werden (S. 39). Hervorragende Beispiele wären auch Rechtsanwalt Philipp Löwenfeld [28] als Verteidiger einer wehrhaften Demokratie gegen hetzerische NS-Schriftführer und Professor Hans Nawiasky [29], der in seiner nüchternen Analyse des deutschen Siegfrieden-Vertrags von Brest-Litowsk und in seiner standhaften publizistischen Analyse der Methoden der Skandalisierung durch Nationalsozialisten die Freiheit der Lehre und die Meinungsfreiheit verteidigte. Gerade die von Antisemiten während der Weimarer Jahre Angegriffenen verdienen die Würdigung als Verteidiger der Demokratie, also als Akteure, nicht erst als Opfer während der NS-Zeit. Es zeigt sich ein Ungleichgewicht der Betrachtungsweise im Vergleich zur NS-Zeit, wo jene, die mitmachten und jene, die Widerstand leisteten, in den gängigen Kategorisierungen „Leistungskurs Geschichte“ thematisiert werden. Einem „Mitmachen“ in der Demokratie und einem „Widerstand“ gegen Demokratie-Gegner müsste mehr Raum geboten werden, um die besonderen Prozesse der Weimarer Jahre bis zur „Machtergreifung“ sinnvoll nachzeichnen zu können.


Ausgrenzung und Verfolgung der Sinti und Roma

Für die Sinti und Roma, die nicht erst während der NS-Zeit diskriminiert und verfolgt wurden, fehlt ebenfalls eine Würdigung in der Weimarer Zeit als eine alteingesessene, in München lebende und arbeitende katholische Minderheit der Stadtgesellschaft (vgl. ihre Erwähnung ab S. 170, 173, 224-227, 255, 344-346). Gegen sie wandte sich eine von Stereotypen durchsetzte Propaganda und Verfolgungspraxis der Bayerischen Landespolizei. Die Kategorie „Ausgrenzen“ ist nicht erst eine Thematik der NS-Zeit mit dem Konstrukt der „Volksgemeinschaft“, wie sie die Ausstellungsmacher nur dort thematisieren (S. 163), sondern schon eine lange gesellschaftliche und institutionell betriebene Ausgrenzungspraxis. Dafür bietet ein rassistischer Artikel aus dem Jahr 1927 über die „Zigeunerpolizeistelle“ der Polizeidirektion München ein drastisches Beispiel, weil schon damals das Ziel, dass „Zigeuner“ wie Bakterien oder giftige Pilze „vernichtet werden müssen“, klar formuliert worden ist. [30]


c) Die NS-Zeit


Wie für die Weimarer Jahre gilt auch für die NS-Zeit, dass die Thematisierung des Faktors Religion, in diesem zu betrachtenden Fall der katholischen Konfession, konzeptionell nicht adäquat gelöst wurde. Der gemeinsam verfasste Aufsatz von Thomas Brechenmacher und Harry Oelke zur katholischen und evangelischen Kirche in der NS-Zeit (S. 487-507) bleibt unzureichend. Auf der Ebene der Themenfelder (und nachfolgend in den Vertiefungen) werden katholische Gläubige – dem „Kern-Milieu“-Modell der Ausstellungsmacher gemäß als mit der NSDAP nichts zu tun habend – folgerichtig beim eigentlichen Ausnahmeverhalten „Widerstand von Gläubigen“ 1933-1939 (S. 151) und „Religiös motivierter Widerstand“ 1939-1945 (S. 267) erwähnt, während die katholische Amtskirche geradezu versteckt unter „Alltag: Wegschauen, Zuschauen, Mitmachen“ 1933-1939 (S. 181) knapp abgehandelt wird: „Die Kirchen zwischen Zustimmung, Anpassung und Verweigerung“ (S. 188-189).


Kontinuitätslinien aufzeigen

Die Position der katholischen Amtskirche, hier repräsentiert durch Kardinal Faulhaber, ist insofern zutreffend gekennzeichnet, weil Faulhaber Reichskanzler Hitler als legitime Obrigkeit anerkannte und dadurch zur Stabilisierung des Regimes beitrug. Als Illustration der Haltung Faulhabers dient ein Foto der Weihehandlung von Missionsfahrzeugen am 28. April 1935 auf dem Oberwiesenfeld, das geeignet gewesen wäre, einiges zum Verhältnis zwischen Amtskirche und NS-Staat in Kontinuität der Weimarer Jahre zu verdeutlichen, wenn man denn einen Fotoausschnitt gewählt und dem eigenen Anspruch folgend kontextualisiert hätte, der die eigentliche symbolische Handlung tatsächlich abbildet. Auf jenem besseren Foto [31] ist der Schriftzug auf dem Missionsflugzeug der „Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft“ (Miva) „Das fliegende Kreuz“, also der Bezug auf das christliche Symbol, deutlich erkennbar, zugleich das am Heck prangende Hakenkreuz, wodurch dem Schriftzug eine Doppeldeutigkeit eignet. Der Hintergrund dieser Szenerie hätte vertieft werden müssen, denn sie barg einiges an Brisanz in sich. Seit den Weimarer Jahren schon sponserte die deutsche Wirtschaft für Missionsvorhaben Fahrzeuge aller Art, um sie von den Missionaren unter Extrembedingungen (Afrika, Asien, Lateinamerika usw.) testen zu lassen. Es handelte sich also um eine Art verdeckte wehrwirtschaftlich auszuwertende Testreihe; auch das Auswärtige Amt förderte diese Unternehmungen durch Schwarze Kassen [32]. Faulhaber weihte und predigte vor einem wahrhaft gemischten Publikum, darunter die beiden Missionspatres mit Pilotenschein, Domkapitulare, Abordnungen des Fliegerkommandos und der Fliegerschule, der Direktor der Lufthansa und nicht zuletzt der Altnationalsozialist und Oberbürgermeister von München, Karl Fiehler. Nach 1933 war das christliche Missionsflugzeug zugleich ein im Ausland wahrnehmbarer Bote des „Dritten Reiches“.

  Die Sicht- und Hörbarkeit der kirchlichen Symbolsprache zur Stabilisierung der Diktatur (Glockengeläut zu Hitlers Geburtstag, zum Münchner Abkommen, zur Einnahme Warschaus; Dankgottesdienste; Fahnen an kirchlichen Gebäuden usw.) hätte bei den entsprechenden Themen- und Vertiefungsabschnitten genannt werden müssen, um die Schwierigkeit für kirchenloyale Katholiken deutlich werden zu lassen, sich dem Regime zu widersetzen: Was war von den Katholiken gefordert, wenn die kirchliche Obrigkeit der staatlichen Obrigkeit offenkundig akklamiert, aber vernehmbar schweigt: zum Judenboykott, zu den Nürnberger Gesetzen, zum Judenpogrom 1938, zur Deportation der Juden, Sinti und Roma? Zwischen dem äußerlich wahrnehmbaren kirchlichen Handeln und dem verdeckten Ausnahmewiderstand spielte sich das tägliche Leben der dominant katholischen Münchner Bevölkerung ab. Sie traf weiterhin in allen Bereichen auf Vertreter und Vertreterinnen der katholischen Kirche, weil die wesentlichen Strukturen nicht nur unangetastet blieben, sondern kontinuierlich ausgebaut wurden. Selbst in der Regimephase bis 1940 war ein Anstieg der kirchlichen Bauten in München zu verzeichnen, die Personalstruktur der im fürsorgerischen, erzieherischen und krankenpflegerischen Bereich tätigen katholischen Schwestern, Brüder und Patres erreichte bis 1941 sogar die höchste absolute Zahl in München. Da wo es Zwangssterilisierungen, Zwangsabtreibungen, Abtransporte aus Heil- und Pflegeanstalten gab, waren also katholische Schwestern, Brüder und Seelsorger tätig. Das aber wird nicht nur nicht thematisiert (S. 169, 176-177), es wird sogar behauptet, seit 1938/39 sei „die katholische Kirche im öffentlichen Leben kaum mehr in Erscheinung“ getreten (S. 159).


Ambivalenzen benennen

Gerade die Persönlichkeit des Münchner Kardinals Faulhaber [33] stellt für Ausstellungsmacher eine Herausforderung dar, da seine Motive und Handlungsweisen nicht zu reduzieren sind auf die Stabilisierung des Regimes. Man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass er die Bischofskonferenz zu einer entschiedenen Stellungnahme gegen Menschenrechtsverletzungen zu bewegen suchte, allerdings erst, nachdem er vom 1941 gegründeten Ausschuß für Ordensangelegenheiten (Georg Angermaier, Augustinus Rösch, Lothar König, Odilo Braun, Laurentius Siemer, Konrad Graf von Preysing, Johannes B. Dietz) dazu gedrängt worden war. [34] Mit Faulhaber hätte es im November 1941 einen Hirtenbrief gegen die Gewaltmaßnahmen der Gestapo und ihre Morde gegeben, den der Würzburger Justitiar Angermaier in den menschenrechtlichen Passagen verfasst hatte. 1942 und 1943 setzte sich Faulhaber für die Verlesung von Hirtenbriefen gegen die Widerstände seiner Amtsbrüder ein und galt dem Kreisauer Kreis um Helmuth James von Moltke als ein Ansprechpartner, vermittelt vom Münchner Zweig des Kreisauer Kreises (Rösch, König, Alfred Delp und als Verfasser der Neuordnungspläne Angermaier).


Staatliches und kirchliches Feindbild „Bolschewismus“ und religiös motiviertes weibliches Protestverhalten

Neben der Akklamation, der Kooperation, dem Schweigen und wenigen späten expliziten (gescheiterten) Protestversuchen wirkten jedoch weiterhin die Übereinstimmungen bei den Feindbildern als ein tiefgreifendes Problem. Wie sollte ein Durchschnittskatholik unterscheiden, warum das Feindbild „Bolschewismus“, das die Nationalsozialisten in der Propagandaausstellung 1936 präsentierten, etwas ganz anderes sei als das Feindbild des „Bolschewismus“, das die deutschen Bischöfe in ihrem Hirtenbrief im Dezember 1936 nach dem Entwurf von Faulhaber formulierten – also während der Ausstellungsdauer. Zum Abschnitt „Ausstellungen als Instrument der Hetze und Ausgrenzung“ (S. 178-179) hätten die Ausstellungsmacher daher auch die „Religiös motivierte Zustimmung“ zu dieser Politik der Ausgrenzung erörtern müssen. Sie aber rekurrieren lediglich auf die Kategorie „Religiös motivierter Widerstand“. Nachdem Faulhaber bei seinem Gespräch mit Hitler auf dem Obersalzberg (4. November 1936) eine Kundgebung versprochen hatte, verlautbarten die Bischöfe in ihrem Pastorale vom 24. Dezember 1936: „Wo aber der Bolschewismus zur Herrschaft gelangt, werden Kirchen und Klöster niedergebrannt, Priester und Ordenspersonen ermordet, die Werke der Kultur vernichtet, die der Kunstfleiß und der Glaube der Jahrhunderte geschaffen haben. [...] Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler hat den Anmarsch des Bolschewismus von weitem gesichtet und sein Sinnen und Sorgen darauf gerichtet, diese ungeheure Gefahr von unserm deutschen Volk und dem gesamten Abendland abzuwehren.“ [35] Das Propagandaplakat der Ausstellung zeigt eine Skeletthand, die die brennende Fackel an Kirchtürme legt (S. 136). Das gemeinsame Verständnis von „Bolschewismus“ führte im Jahr des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion – leider fehlt dieses wichtige Protestverhalten der Münchner weiblichen Bevölkerung – zum Wiederanbringen von Schulkreuzen in Münchner Schulen durch Mütter und Schüler. Sie erklärten im Herbst 1941: Kreuze aus den Schulen zu nehmen, sei ja „Bolschewismus“, gegen den kämpften die Väter an der russischen Front. Die Chance, eine sehr komplexe Einstellungs- und Verhaltensweise von katholischen Gläubigen in der Diktatur darzubieten, ließen die Ausstellungsmacher ungenutzt.


Katholisch geprägte Vorstellungswelt

Auch bei der Verfolgung der Homosexuellen im „Dritten Reich“ hätten die Ausstellungsmacher statt von alten Vorurteilen zu reden (S. 174), klar von kirchlich tradierter Sittenlehre sprechen müssen, von der auch der katholisch sozialisierte Münchner Heinrich Himmler geprägt war. Im Dokument (S. 175) schlägt diese alte christliche Sicht mit dem Begriff „versündigen“ voll durch. Früher oder später fragt man sich, warum das Verhältnis der katholischen Nationalsozialisten zu ihrer katholischen Sozialisation nie thematisiert worden ist.


d) Die bundesrepublikanische Zeit


Die bundesrepublikanische Zeit enthält im sehr breit angelegten Spektrum der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit wichtige Hinweise auf ein fehlendes katholisches Schuldbekenntnis, auf den höchst zweifelhaften Einsatz von Weihbischof Johannes Neuhäusler mit Helene von Isenburg in der „Stillen Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“ und den Ruf der Kirchen nach Begnadigung der NS-Täter (S. 333). Die Aufdeckung und Erklärung von ambivalenten Handlungen hätte hier allerdings wieder in biografischen Längsschnittbetrachtungen greifen müssen (wie z.B. gut bei Karl Mayr, Karl Alexander von Müller, Heinrich Eymer, S. 53, 61, 177), denn auch der dem Widerstand aus religiösen Motiven im Ordensausschuß und Kreisauer Kreis zugeordnete Jesuitenpater Augustin Rösch war bei Neuhäuslers „Stiller Hilfe“ anfangs engagiert.

  So ganz will die Aufarbeitung der Ausstellungsmacher in diesem Bereich nicht gelingen, da z.B. nur auf das Institut für Zeitgeschichte (S. 366) verwiesen wird, nicht aber auf die Münchner Gründung der Kommission für Zeitgeschichte bei der katholischen Akademie in Bayern (1962) durch die katholischen Historiker Konrad Repgen und Rudolf Morsey, die für Jahrzehnte als bischöflich finanzierte Institution die kirchliche Aufarbeitung eher hemmte, denn methodisch und theoretisch voran trieb. [36] Der Schüler Repgens, zugleich Mitglied der seit 1972 in Bonn ansässigen katholischen Kommission für Zeitgeschichte, Hans Günter Hockerts, 1981-1982 und 1986-2008/09 Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte an der LMU München, griff beispielsweise 1988 selbst in den Lauf der Dinge ein. Zur Aufführung des Bühnenstücks von Rolf Hochhuth „Der Stellvertreter“ im Münchner Prinzregententheater stellte er – ungewöhnlich genug – ein mit historischen Dokumenten und Fotos gespicktes „Programmheft“ von 54 Druckseiten zusammen. [37] Bei der Erwähnung des Stückes im Katalog wird diese interessante Episode aus dem Leben eines der Ausstellungsmacher freilich nicht vorgestellt (S. 367), wie auch der ehemalige Nuntius, Eugenio Pacelli, der am authentischen Ort in München in der gegenüber dem späteren „Braunen Haus“ gelegenen Nuntiatur wirkte, [38] der spätere Papst Pius XII., in der gesamten Ausstellung sonst keinerlei Erwähnung findet. Die Bedeutung Münchens als Hort katholischer Geschichtsschreibung im „Netzwerk kirchenloyaler Katholizismusforscher“ (Olaf Blaschke) dürfte einer Vertiefung wert sein, waren hier doch weitere Kommissionsmitglieder äußerst aktiv: so Prof. Dr. Hans Maier, 1970-1986 zugleich bayerischer Kultusminister und 1976-1988 Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, sowie die Professoren Karl Bosl (Schüler von Karl Alexander von Müller), Max Spindler (Schüler von Michael Doeberl), Andreas Kraus (Schüler von Spindler), Walter Ziegler (Schüler von Kraus) und der Jesuit P. Ludwig Volk (Schüler von Bosl).


e) Formalia


Abschließend zu dieser Betrachtung des ersten Katalogteils soll darauf verwiesen werden, dass selbst in der 2. durchgesehenen Auflage des Ausstellungskatalogs noch Fehler vorhanden sind, für die hier nur einige Beispiele genannt werden sollen. Besonders ärgerlich sind Transkriptionsfehler aus handschriftlichen Briefen (S. 230: „und des bin ich froh!“ statt falsch: „das“; S. 233: „Abschubungen“ statt falsch: „Abschiebungen“; nicht transkribiert ist übrigens die Stelle: „die jüngeren kommen ins verwanzte und verlauste Polen, bzw. in streng abgeschlossene Gettos“), aber auch die einmal vergessene Schwärzung des eigentlich anonymisierten Nachnamens von Frau Anna A. im Dokument (S. 137).

  Die Unterwerfung des Buchlayouts unter ein räumlich entfaltetes Ausstellungsschema, das Abbildungen und Begleittexte stereotyp in 33 Themenschwerpunkten und in den jeweiligen „Vertiefungen“, d.h. in weiteren Abbildungen und Begleittexten, präsentiert, erweist sich als suboptimal. Gerade die eigentlich dienlichen Karten und Grafiken, aber auch viele Dokumente sind im Buchformat winzig, unentzifferbar und daher funktionsarm für diese Publikationsform (S. 43, 213, 228, 262, 297). Man hätte entweder ein größeres Abbildungsformat wählen müssen oder aber darauf ganz verzichten sollen, wie es in der Regel Kataloge aus eben diesem Grunde tun. Weniger wäre in diesem Falle mehr gewesen. Mit akribischen Nachweisen der fehlenden Abbildungen aus der Ausstellung hätte allerdings ein Informationsausgleich geschaffen werden müssen. Insgesamt wird leider nicht explizit vermerkt, welche Abbildungen und Texte aus der Ausstellung nicht Eingang in den Katalog fanden oder wo Texte in der Ausstellung und im Katalog nicht nur in der Länge, sondern auch inhaltlich differieren. Ein Nachweis der Abbildungen, Karten und Grafiken aus Archivbeständen und Publikationen wird nur kumuliert gegeben (S. 616-619). Zur Identifikation der Vorlage von immerhin 850 Abbildungen ergibt sich so eine unpraktikable Suche nach der Seitenzahl irgendwo in den Leihgeberlisten.

  Die Ausstellungsmacher konnten sich auf ein reiches in Publikationen zur Verfügung stehendes Material mit ausgearbeiteten inhaltlichen Schwerpunkten stützen. Die Abbildungsauswahl im Katalog weist daher viele Übereinstimmungen auf mit älteren Ausstellungskatalogen zu München und mit Spezialkatalogen zum Nationalsozialismus, [39] ohne dass man eine Würdigung dieser früheren Ausstellungen in den Ausführungen Nerdingers findet (S. 9-10, 555). Selbst eine Bibliographie der verwendeten Literatur fehlt im Anhang.

  Die Abbildungsunterschriften und ein meist erläuternder Kurztext sind zuweilen redundant und überhaupt entbehrlich, weil sie nur paraphrasieren, was in Wort und Abbildung problemlos zu verstehen ist (S. 28-29), wohingegen unterschiedliche Begrifflichkeiten nicht immer zur Klärung eines Sachverhalts dienen, zumal beim Versuch, die NS-Verbrechen und den Grad der Verantwortlichkeit zu benennen (S. 53 Hitler: „hauptverantwortlich für den Holocaust“, S. 68 Himmler: „neben Hitler Hauptverantwortlicher der ‚Endlösung der Judenfrage’“, S. 79 Göring: „maßgeblich verantwortlich für den NS-Vernichtungskrieg und den Holocaust“, S. 121 Heydrich: „Organisator des Massenmords an den Juden in Europa (Wannseekonferenz)“).

  Der erste Satz, den man beim ersten Themenschwerpunkt „Krieg und Revolution“ liest, soll stellvertretend genannt werden für eine merkwürdige Strategie der Ausstellungsmacher, einerseits eine präzise historische Beschreibung zu vermeiden, andererseits aber metaphorisch implizite Botschaften zu senden. Im Anfangssatz macht man den Weltkrieg gar zum handelnden Subjekt: „Der Erste Weltkrieg (1914-1918) entfachte Gewalt und Zerstörung von bis dahin unvorstellbarem Ausmaß.“ Die metaphorische Ausdrucksweise suggeriert – angesichts des tatsächlich friedlichen Endes der bayerischen Monarchie – es seien bedrohlich unkontrollierte Kräfte (Feuer, Explosion) am Werk gewesen: „In München entzündete sich die Revolution bei einer Friedensdemonstration auf der Theresienwiese am 7. November 1918.“ „Die angestaute Unzufriedenheit der kriegsmüden Bevölkerung entlud sich [...].“ (S. 16-17, Hervorhebung A.L.). Eher amüsant sind hingegen Stilblüten (S. 75 „Aus einem Hinterzimmer stieg die Splitterpartei zur politischen Großmacht auf.“), besonders, wenn Hitler mit falsch kombinierter religiöser Metaphorik belegt wird: Hitler, der „über allem schwebende Messias“ (S. 80).


3 Mehr als Stilfragen


Während die Aufsätze des zweiten Katalogteils im Anmerkungsapparat wissenschaftliche Nachweise liefern, fehlt für die Texte des ersten Katalogteils jeglicher Nachweis der verwendeten Literatur, d.h. weder gesondert für die jeweiligen Themenschwerpunkte noch wie sonst üblich wenigstens in einer Gesamtbibliographie. Das geistige Eigentum von nicht dem NS-Dokumentationszentrum zugehörigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird auf diese Weise entgegen den Standards guten wissenschaftlichen Arbeitens ohne Nachweis angeeignet. [40] Die Textbeiträge der Themenschwerpunkte sind von den einzelnen (ggf. mehreren) Verfassern nicht gekennzeichnet, so dass auch hier die eigene geistige Leistung der Beiträger keine Würdigung erfährt.

  Auf den ersten Blick mutet es vielleicht sympathisch an, dass eine gewisse egalitäre, weil ohne akademische Titel und nur nach alphabetischer Reihenfolge vorgenommene Nennung derjenigen erfolgt, die irgendwie am Gesamtprojekt der Dauerausstellung des NS-Dokumentationszentrums beteiligt waren (S. 4, 615). Beim näheren Hinsehen und im Vergleich mit den Ausdrucken der Website-Auskünfte hinsichtlich der wechselvollen Teamzusammensetzung seit dem Jahr 2009 verblüfft dann doch, dass ausgerechnet bei einem erklärten „Lern- und Erinnerungsort“ in der Einführung Nerdingers (S. 10) unerwähnt bleibt, dass es von 2009-2011 eine 1. Gründungsdirektorin, Privatdozentin Dr. Irmtrud Wojak (Jahrgang 1963), gab und ein aufgrund von Stellenausschreibungen zusammengestelltes professionelles interdisziplinäres Team aus wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (Angestellte und WerkvertragsnehmerInnen, die in der Regel promoviert waren). Durch einvernehmliche Einigung mit der Stadt, so hieß es, endete die Tätigkeit der Gründungsdirektorin. [41] Zur Erstellung einer Ausstellungskonzeption wurde daraufhin eine Gruppe der im Wissenschaftlichen Beirat vertretenen Mitglieder eingesetzt, was zugleich einen Generationswechsel bedeutete: die beiden bereits pensionierten Professoren H.G. Hockerts und W. Nerdinger (beide Jahrgang 1944) und die Professorin M. Krauss (Jahrgang 1956) und Prof. P. Longerich (Jahrgang 1955). Es ist einigermaßen ungewöhnlich, dass die Mitglieder eines begutachtenden Gremiums, das die Ablehnung des öffentlich nicht kommunizierten und diskutierten Konzeptionspapiers der Gründungsdirektorin aussprach, eigene Mitglieder in eben jene Position hinein bringen konnten; im Wirtschaftsbereich würde man sagen, die Wirtschaftsprüfer eigneten sich nach der negativen Begutachtung selbst die Leitung der Firma an. Im Mitarbeiterteam ergaben sich (ohne Stellenausschreibungen) erhebliche Veränderungen mit Neubesetzungen; nur wenige aus dem alten Team blieben. Überraschend ist, dass nicht alle Personen, die jemals für die Ausstellung tätig waren, im Katalog erwähnt werden. Die Namen von mindestens elf Personen (ehemalige Mitarbeiter oder Werkvertragler) fehlen, wenigstens eine Person ist zu ihrer Verwunderung, ohne je etwas geliefert zu haben, unter „Dank“ (S. 615) aufgeführt.

  Die Überschrift „Danksagung“ (S. 615, Hervorhebung A.L.) wird im wörtlichen Sinn nicht eingelöst, sondern nur mit einer Namensliste gefüllt – ein nachdenklich stimmendes Symptom eines Gesamtprojekts, das zu einem der teuersten Ausstellungsprojekte überhaupt gehören dürfte wegen der sehr langen Bearbeitungszeit (auch die Konzeptionsgruppe konnte die Behauptung, bald schon eröffnen zu können, nicht einhalten, wurde aber im Unterschied zur Gründungsdirektorin von allen Gremien unterstützt), der hohen Gesamtpersonalzahl seit den Anfängen, der zusätzlichen entsprechend teuren Honorierung von vier Professoren für die Konzeption sowie überraschenden Wechseln, so bei der Beauftragung einer neuen Ausstellungsgestaltungsfirma nach dem Ausstieg des Berliner Gestaltungsbüros Gerhards & Glücker, [42] und wegen anderer Misslichkeiten mehr. „Hinter vorgehaltener Hand heißt es aber weiterhin, die Berliner seien aus dem Projekt ausgestiegen, weil sie sich nur noch als Handlanger gefühlt hätten, die Nerdingers Vorstellungen umsetzen sollten.“ [43] Die Besucherzahlen während der ersten kartenfreien Zeit vom 1. Mai bis Ende Juli 2015 wurden geschätzt, so heißt es; nach vier Wochen meldete man 60.000, nach zehn Monaten, seit dem 1. August 2015 mit Eintrittskarten, 200.000 Besucher. [44]

  „Wenn einer auspackt, kriegt er nie wieder einen Job. Das sind totale Abhängigkeitsverhältnisse.“ [45] Dieses Zitat eines anonym bleiben wollenden Wissenschaftlers der Taskforce zur Gurlitt-Sammlung, also eines anderen Projekts, mag erahnen lassen, wie kompliziert auch die Klärung dessen sein dürfte, was sich während der ersten Gründungsdirektion (Wojak), der Interimsphase (Angelika Baumann vom Münchner Kulturreferat) und der zweiten Gründungsdirektion (Nerdinger) in den Teams, aber auch in den Gremien (Kuratorium, Wissenschaftlicher Beirat, Politischer Beirat) an Dramatik abgespielt haben könnte. Kurz vor dem Ende der Vertragslaufzeit für den zweiten Gründungsdirektor Nerdinger überraschte die Süddeutsche Zeitung nämlich mit einer ungemein offenen Meldung über „Klagen über den Führungsstil des 71-jährigen“ Nerdinger, der „kritische Mitarbeiter unter Druck gesetzt“ habe und „abweichende Meinungen harsch“ bekämpfe. Der SZ lägen entsprechende Dokumente vor. [46] Auch gegenüber einer Angehörigen eines Verfolgten, der mit Foto und Text in der Ausstellung gewürdigt werde, habe sich Nerdinger in einem „rüden Umgangston“ geäußert. „Zudem kommen nun immer mehr Dokumente zum Vorschein, in denen Nerdinger mehrere am Dokuzentrum beteiligte Wissenschaftler in Teilen wüst angeht, ihnen als Replik auf sachliche Kritik am Konzept Unfähigkeit vorhält oder auch Intrigen unterstellt. Öffentlich möchten sich die so beschimpften Wissenschaftler nicht äußern, und aus den Schriftwechseln lässt sich nicht direkt zitieren, um ihnen nicht erneut zu schaden. Doch klar ist: Hinter den Kulissen des städtischen Prestige-Projektes NS-Dokumentationszentrum herrschte bisweilen ein äußerst grober Umgangston.“ [47]

  PS: Die Direktionsstelle Nerdingers wurde vom Stadtrat in nichtöffentlicher Sitzung einstimmig bis 2018 verlängert. [48]


    

Anmerkungen


 [1] München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München, hg. v. Winfried Nerdinger in Verbindung mit Hans Günter Hockerts, Marita Krauss, Peter Longerich sowie Mirjana Grdanjski und Markus Eisen, C. H. Beck, 2. durchgesehene Auflage München 2015. 624 Seiten, 850 Abb., 38 Euro.

[2] In diesem Rahmen kann nur darauf hingewiesen werden, dass die Mediaguides eine eigene Besprechung verdienen, da sie thematisch und zielgruppenorientiert thesenhafte Zuspitzungen und eine Narration in geradezu hörspielartiger Inszenierung mit ausgewählten Abbildungen auf dem Display liefern.

[3] Vgl. die Ausführungen dazu auf der Website: www.ns-dokuzentrum-muenchen.de.

[4] Winfried Nerdinger, Einführung, in: Katalog, S. 9-12 (wie Anm. 1).

[5] Vgl. Grundzüge der Geschichte. Mittelstufe Bd. 4: Von 1890 bis zur Gegenwart, hg. von Dr. Eugen Kaier, bearb. von Prof. Dr. Hans Herbert Deißler, Prof. Herbert Krieger unter Mitarbeit von Oberstudiendirektor Alfred Makatsch, Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt a. M., Berlin, München 1968, 3. Aufl. 1971. (326 Seiten).

[6] Franziska Brüning, Peter Fahrenholz, „Einen solchen Ort hat München bislang nicht“. Der am Mittwoch vom Stadtrat ernannte Direktor des NS-Dokumentationszentrums, Winfried Nerdinger, hält es für längst überfällig, dass sich die Stadt mit ihrer Nazi-Vergangenheit auseinandersetzt. Denn die NS-Bewegung hatte hier ihren Ursprung. Die Besucher sollen verstehen, wie es dazu kommen konnte – und daraus Lehren für die Zukunft ziehen, in: SZ vom 26. Juli 2012.

[7] Sylvia Necker, Rezension zu: Nerdinger, Winfried (Hg.), München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München, München 2015, 30.4.2015 München, in: H-Soz-Kult, 31.10.2015, URL: http://www.hsozkult.de/exhibitionreview/id/rezausstellungen-222. Eine sehr aufschlussreiche Betrachtung zur reflektierten Verwendung von historischen Fotos und Filmen im Museum bietet auch: Thomas Thiemeyer, Fortsetzung des Krieges mit anderen Mittel. Die beiden Weltkriege im Museum, Paderborn u.a. 2010, S. 299-308.

[8] Franziska Brüning, Am Wendepunkt. Wie lässt sich das Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Nazi-Vergangenheit hochhalten oder wecken? Auf diese Frage finden Ausstellungsmacher allmählich neue Antworten. Große Bilder mit historischen Begleittexten aufzuhängen, reicht allein nicht mehr. Viel wichtiger wird es, Bezüge zur Gegenwart herzustellen, in: NS-Dokuzentrum. Eine Beilage der Süddeutschen Zeitung vom 29. April 2015.

[9] Franziska Brüning, Der Gang durch die Geschichte. Winfried Nerdinger hat klare Pläne für die Ausstellung im NS-Dokuzentrum – doch an der Gestaltung gibt es Kritik, in: SZ vom 12./13. April 2014. Kochbüro Nürnberg übernahm die Gestaltung später. Das Foto Rechtsanwalt Siegels wurde übrigens schon in der Tafelausstellung von 1976 „Widerstand und Verfolgung in Bayern 1933-1945“, S. 19 (wie Anm. 39) gezeigt.

[10] Franziska Brüning, Die Geschichte von Anfang an erzählen. Der Sozialpsychologe Harald Welzer hält nichts von überkommenem Pathos und Ritualen der Betroffenheitspädagogik – er plädiert für ein mutiges NS-Dokumentationszentrum, in: SZ vom 2. März 2012.

[11] Franziska Brüning, Konflikt der Generationen. Die Frage der Erinnerungskultur spaltet die Ausstellungsmacher, in: SZ vom 12./13. April 2014. Vgl. auch Kassian Stroh, Schwieriger Zugang. Chef des Kreisjugendrings kritisiert Konzept für NS-Dokuzentrum, in: SZ vom 3. Juni 2013; KJ, Das NS-Dokumentationszentrum in München, in: Mitteilungen des Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e.V. – KZ-Gedenkstätte – Heft 62/ Juni 2015, S. 24.

[12] Sonja Zekri, Am Tatort. Das NS-Dokumentationszentrum in München eröffnet mit Jahrzehnten Verspätung. Was kann es zum Gedenken an das Dritte Reich noch beitragen?, in: SZ vom 30. April / 1. Mai 2015. Im Hinblick auf diese Ausstellung, „die der deutschen Erinnerungslandschaft wenig Umstürzendes hinzufügt“, stellt sie mürrisch eine rhetorische Frage: „Aber ist das alles wirklich so neu und unerhört?“

[13] Monika Goetsch, „Sind wir Sinti weniger wert?“, in: BISS (November 2015), S. 14-17.

[14] Vgl. Habbo Knoch, Historisches Institut, Universität zu Köln, Rezension zu: Winfried Nerdinger (Hg.), München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München, München 2015, in: H-Soz-Kult, 17.02.2016,

URL: http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-24370. Knoch hat sich überzeugend mit den Schwächen des zweiten Katalogteils auseinandergesetzt. Er bemängelt insbesondere die fehlende Konzeption für die Auswahl der Beiträge, die in der Regel keinen Bezug zu München aufweisen und die er nicht einmal als qualitativ ausreichend beurteilt (so die Beiträge von Marita Krauss, Ute Frevert, Wolfgang Frühwald oder Helmuth Trischler). Wichtige Themen würden überhaupt fehlen. Befremdlich mutet den Historiker zudem die Trennung von deutschen und nicht-deutschen Wissenschaftlern an, die noch dazu die „politisch-moralische Frage: Haben die Deutschen genug getan?“ in ihren Kommentaren beantworten sollten: „Wer mag zu dieser Frage angesichts des neu eröffneten Münchener Dokumentationszentrums schon ‚Nein’ sagen?“, so Knoch. Knoch ist schon lange mit der Thematik befasst: vgl. die Tagung „Macht und Gesellschaft – Männer und Frauen in der NS-Zeit. Eine Perspektive für ein künftiges NS-Dokumentationszentrum in München“, 18./19. Juni 2004 im Münchner Stadtmuseum. Knoch referierte damals über „Gewalt und Männlichkeit im 20. Jahrhundert. Anknüpfungspunkte der NS-Forschung.“ Wolfgang Benz, der statt einer ausführlichen Besprechung nur einen knappen Hinweis auf die Neuerscheinung liefert, bemängelt: „Nicht alle Beiträge überzeugen restlos [...]“. Wolfgang Benz, Rezension zu: Winfried Nerdinger (Hg.), München und der Nationalsozialismus. Katalog des NS-Dokumentationszentrums München, München 2015, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 64 (2016) 3, S. 296-297, hier S. 297. Der Klappentext des Verlags lobt den Katalog hingegen als „illustrierte Geschichte des ‚Dritten Reiches’ auf dem neuesten Forschungsstand“.

[15] Rekrutenvereidigung vor der Feldherrnhalle am Odeonsplatz, München 7. November 1935. Umschlagbild in: Katalog (wie Anm. 1); vgl. das Foto der Rekrutenvereidigung aus der Ausstellung in der Münchner Stadtbibliothek Am Gasteig im Mai 1991, in: Marita Krauss, Bernhard Grau (Hg.), Die Zeichen der Zeit. Alltag in München 1933-1945, Berlin 1991, S. 109.

[16] Johannes Hampel, Der Nationalsozialismus Band I. Machtergreifung und Machtsicherung 1933-1935, 2. Aufl., München 1988, S. 6.

[17] Katholisches Feldgesangbuch, 1939. Zitiert nach Thomas Breuer (Hg.), Dem Führer gehorsam. Wie die deutschen Katholiken von ihrer Kirche zum Kriegsdienst verpflichtet wurden. Dokumente (Publik-Forum Materialmappe), Oberursel o.J., S. 34. Hervorhebung A.L.

[18] Vgl. Kevin Spicer, Hitler’s Priests. Catholic Clergy and National Socialism, Illinois 2008; Georg Denzler, Widerstand ist nicht das richtige Wort. Katholische Priester, Bischöfe und Theologen im Dritten Reich, Zürich 2003; Thomas Forstner, Priester in Zeiten des Umbruchs. Identität und Lebenswelt des katholischen Pfarrklerus in Oberbayern 1918 bis 1945, Göttingen 2014; Derek Hastings, Catholicism and the Roots of Nazism. Religious Identity and National Socialism, Oxford 2010. Von September 2010 bis Ende August 2015 wurde mein am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen (Prof. Dr. Andreas Holzem) angesiedeltes Forschungsprojekt „Katholische Kriegsfriedenskiskurse (1914/18 – 1939/45). München zwischen kulturellem Pluralismus und ‚Hauptstadt der Bewegung’“ von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Es wurde mit einem Manuskript (Darstellungsteil, Dokumente, Tabellen) sowie zwei Apps (in Zusammenarbeit mit Offergeld-Applications) abgeschlossen: App „Kriegsmäler der Religionsgemeinschaften in München. Eine Auswahl der Jahre 1921 bis 1937“ und App „friedfertig oder kriegsbereit. München 1919-1939“. Die während des Projekts angelegte Liste umfasst 49 Geistliche, die einen Bezug zu München und zum Nationalsozialismus haben. Das Erscheinen der Monographie ist für 2016/17 anvisiert.

[19] Zu St. Kajetan zählten beispielsweise die Priester: Linhardt, Robert 1895-1981; Patin, August Wilhelm 1879-1946; Stipperger [Schreibweise auch: Stipberger], Georg 1881-1971; Stöckle, Hermann Maria 1888-1972. Vgl. Spicer, Hitler’s Priests; Forstner, Priester; Hastings, Catholicism (wie Anm. 18).

[20] Vgl. Der Rufer. Katholische Zeitschrift für die Schutzpolizei und Gendarmerie, Januar 1933. Foto: Gedächtnisfeier in der Theatiner-Hofkirche, 12. November 1932. Bannerspruch auf der weißgrünen kirchlichen Polizeifahne, geziert mit dem Schutzheiligen Sebastian: „Die Ordnung ist das Gewissen der Nation“. Polizeioberpfarrer Schneider wurde erstmals vorgestellt in meinem Vortrag: „’Die Zahl der Paten in Uniform wächst von Tag zu Tag’. Das Jahr 1933 im Tagebuch Kardinal Faulhabers“. Studientag „Ergriffen und angegriffen – Katholiken, Protestanten und die ‚Machtergreifung’“. Evangelische Akademie Tutzing, 3. März 2013; ein Aufsatz zu Schneiders interessanter Biografie ist in Vorbereitung.

[21] Zitat zum 4. Obergeschoss in: Ausstellungskonzept NS-Dokumentationszentrum München. Arbeitsgruppe Hockerts/Kraus/Longerich/Nerdinger, erstellt im Auftrag des Kulturreferats der Landeshauptstadt München, Februar 2012, Manuskript.

[22] Dietmar Süss, Der Führer im Fokus. Peter Longerich wagt sich an eine schwierige Biografie und versucht, das Banale und Monströse im Dritten Reich zu erkunden. Dabei richtet er den Blick vor allem auf die Instrumente der Diktatur, weniger auf die Gesellschaft und ihre Sehnsüchte, in: SZ vom 24. November 2015.

[23] Vgl. Forstner, Priester, S. 41 (wie Anm. 18).

[24] Vgl. Hastings, Catholicism (wie Anm. 18); vgl. zum Sonderfall München auch: Antonia Leugers, Einleitung, in: dies. (Hg.), Zwischen Revolutionsschock und Schulddebatte. Münchner Katholizismus und Protestantismus im 20. Jahrhundert, Saarbrücken 2013, S. 9-29.

URL: /ojs2/index.php/tg_beihefte/article/view/610

[25] Vgl. Antonia Leugers, „Kardinal Faulhaber zeigt ein zwiespältiges Wesen.“

Beobachtungen zu den Jahren 1923/24 und 1933/34, in: theologie.geschichte Bd. 9 (2014). URL: /ojs2/index.php/tg/article/view/717/762 ;

dies., „weil doch einmal Blut fließen muß, bevor wieder Ordnung kommt“. Erzbischof Faulhabers Krisendeutung in seinem Tagebuch 1918/19, in: dies. (Hg.), Zwischen Revolutionsschock (wie Anm. 30), S. 61-115, hier S. 21-22.

URL: /ojs2/index.php/tg_beihefte/article/view/612 ;

dies., Katholische Kriegsfriedensdiskurse der Münchner Zwischenkriegszeit, in: ebd., S. 143-189, hier S. 153.

URL: /ojs2/index.php/tg_beihefte/article/view/614

Vgl. ausführlich zu Ammann mit weiteren Literaturverweisen: Marianne Nebosia, Ellen Ammann, geb. Sundström, 1870-1932. Dokumentation und Interpretation eines diakonischen Frauenlebens, St. Ottilien 1992; Amelie v. Godin, Ellen Amman. Ein Lebensbild, Kempten 1933; 1991 wurde von der Stadt München eine Gedenktafel für Ammann in der Schraudolphstraße enthüllt, von daher kann man von einem wirklichen Vergessen nicht sprechen; vgl. Jakob Wetzel, Die Vergessene. Der Nazi-Aufstand im November 1923 scheiterte auch am beherzten Eingreifen von Ellen Ammann. Die Geschichtsschreibung hat die Rolle der bayerisch-schwedischen Sozialpolitikerin weitgehend übersehen, in: SZ vom 9./10. November 2013.

[26] Vgl. Leugers, Kardinal Faulhaber (wie Anm. 25).

[27] Münchener Kathol[ische] Kirchenzeitung. Wochenblatt für die katholischen Pfarrgemeinden Münchens, Nr. 4 (26.1.1919), S. 31.

[28] Vgl. Peter Landau/ Rolf Rieß (Hg.), Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentenzeit und Nationalsozialismus. Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld, Ebelsbach 2004.

[29] Vgl. Michael Behrendt, Hans Nawiasky und die Münchner Studentenkrawalle von 1931, in: Elisabeth Kraus (Hg.), Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze Teil I, München 2006, S. 15-42.

[30] „Wanderer ohne Heimat. Afrikanische Nomaden auf Europas Boden. Zigeuner!“, in: Münchner Illustrierte Presse 4. Jg., Nr. 15, 13. April 1927, S. 398 u. 408. Joachim Schröder, Spezialist für die Münchner Polizei (wie Anm. 39), war diese Quelle unbekannt.

[31] Vgl. Foto: Huber-Spiessl, München. Bildunterschrift: „Kardinal Faulhaber weiht das Miva-Flugzeug ‚Das fliegende Kreuz’“, 28. April 1935, in: Michael Kardinal Faulhaber. 25 Bischofsjahre, hg. v. Priesterverein der Erzdiözese München-Freising, München 1936, S. 104. Das Foto und den Kontext erläuterte ich in meinem Vortrag: „’Die Zahl der Paten in Uniform wächst von Tag zu Tag’. Das Jahr 1933 im Tagebuch Kardinal Faulhabers“. Studientag „Ergriffen und angegriffen – Katholiken, Protestanten und die ‚Machtergreifung’“. Evangelische Akademie Tutzing, 3. März 2013.

[32] Vgl. Antonia Leugers, Les ordres religieux: des vecteurs de la culture courtisés par l'Etat. Les « aides discrétionnaires » du « Fonds culturel » du ministère des Affaires étrangères (de 1925 à 1935), in: theologie.geschichte. Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte Band 1 (2006), hg. v. Lucia Scherzberg, August H. Leugers-Scherzberg, Münster 2008, S. 57-90 .

[33] Leugers, Kardinal Faulhaber; dies., weil doch einmal Blut; dies., Katholische Kriegsfriedensdiskurse (wie Anm. 25); dies., „die Kirche soll einschreiten“. Hilferufe von Sinti und Roma angesichts ihrer Deportation 1943, in: theologie.geschichte 8 (2013).

URL: /ojs2/index.php/tg/article/view/548/587 ;

vgl. dies., „Du hast alles vereint: Seele und Geist und Körper“. Kardinal Faulhaber und seine geistliche Freundin, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte (im Druck). Vgl. Tagungsbericht: Maria E. Gründig, Mann – Frau – Partnerschaft. Genderdebatten des Christentums, in: H-Soz-Kult, 19.2.2016.

URL: http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-6405 .

Vgl. auch Brigitte Zuber, Die Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher (AKD) in München und Kardinal Faulhaber, in: theologie.geschichte 9 (2014).

URL: /ojs2/index.php/tg/article/657/702

[34] Zum Ordensausschuß und Kreisauer Kreis mit Kontakten zu München vgl. Antonia Leugers, Gegen eine Mauer bischöflichen Schweigens. Der Ausschuß für Ordensangelegenheiten und seine Widerstandskonzeption 1941 bis 1945, Frankfurt a.M. 1996; dies., Georg Angermaier 1913-1945. Katholischer Jurist zwischen nationalsozialistischem Regime und Kirche. Lebensbild und Tagebücher, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1997. Ungenauigkeiten und Fehler verbergen sich im Katalog (wie Anm. 1) zu den Biogrammen zu Rösch, Preysing, König u.a., S. 282-283.

[35] Hirtenbrief des deutschen Episkopats, 24.12.1936, in: Ludwig Volk (Bearb.), Akten Kardinal Michael von Faulhabers (1917-1945), Bd. II, Mainz 1984, S. 244-245.

[36] Vgl. Olaf Blaschke, Geschichtsdeutung und Vergangenheitspolitik. Die Kommission für Zeitgeschichte und das Netzwerk kirchenloyaler Katholizismusforscher 1945-2000, in: Thomas Pittrof/ Walter Schmitz (Hg.), Freie Anerkennung übergeschichtlicher Bindungen: katholische Geschichtswahrnehmung im deutschsprachigen Raum des 20. Jahrhunderts. Beiträge des Dresdner Kolloquiums vom 10. bis 13. Mai 2007, Freiburg i. Br. 2010, S. 479-522; Thomas Forstner, Zweiter Kirchenkampf oder Stellvertreterdiskurs? Katholischer Konservatismus und die Interpretation des Katholizismus im Nationalsozialismus nach 1945, in: Leugers, Zwischen Revolutionsschock (wie Anm. 24), S. 243-282.

[37] Zu den Münchner Aufführungen von „Der Stellvertreter“ vgl. Florian Mayr, Konfessionen im theatralen Diskurs. Fünf Schlaglichter, in: Leugers, Zwischen Revolutionsschock (wie Anm. 24), S. 217-241, hier S. 232-241.

[38] Zu Pacellis antisemitischen Ausfällen Kurt Eisner und die Revolutionäre betreffend vgl. Angela Hermann, Im Visier der Diplomaten: Nuntiatur- und Gesandtschaftsberichte zur Münchner Revolutions- und Rätezeit, in: Leugers, Zwischen Revolutionsschock (wie Anm. 24), S. 31-58.

[39] Um nur einige Beispiele zu nennen: Ausstellung und Katalog „Widerstand und Verfolgung in Bayern 1933-1945“, hg. v. Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Verfolgtenorganisationen, verantwortlich: Carola Karg, Clara Huber, mit einem Vorwort von Wilhelm Hoegner, München 1976. (72 Seiten); Ausstellung im Münchner Rathaus vom 11. März bis 13. Mai 1993 mit Begleitband: Ludwig Eiber, „Ich wusste, es wird schlimm“. Die Verfolgung der Sinti und Roma in München 1933-1945, hg. v. Landeshauptstadt München, mit Beiträgen von Eva Strauß und Michael Krausnick, München 1993. (153 Seiten); Ausstellungskatalog: München – „Hauptstadt der Bewegung“. Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, 22. Oktober 1993 bis 27. März 1994, München 1993 (487 Seiten): Projektleitung Brigitte Schütz in Verbindung mit Richard Bauer, Hans Günter Hockerts, Walter Ziegler; Neuauflage: Richard Bauer, Brigitte Schütz, München – „Hauptstadt der Bewegung“. Bayerns Metropole und der Nationalsozialismus, Wolfratshausen 2002; Ausstellungskatalog: Bauen im Nationalsozialismus. Bayern 1933-1945. Ausstellung des Architekturmuseums der Technischen Universität München und des Münchner Stadtmuseums, hg. v. Winfried Nerdinger, München 1993. (584 Seiten); Ausstellung im Münchner Rathaus „Widerstand, Verweigerung und Protest gegen das NS-Regime in München“, 9. Oktober bis 26. November 1998 mit dem Begleitband: Marion Detjen, „Zum Staatsfeind ernannt“. Widerstand, Resistenz und Verweigerung gegen das NS-Regime in München, hg. v. Landeshauptstadt München 1998. (366 Seiten); Die tödliche Utopie. Bilder, Texte, Dokumente, Daten zum Dritten Reich, hg. v. Volker Dahm, Albert A. Feiber, Hartmut Mehringer, Horst Möller (Veröffentlichungen des Instituts für Zeitgeschichte zur Dokumentation Obersalzberg), Neuausgabe München 2008. (831 Seiten); Kardinal Michael von Faulhaber 1869-1952. Eine Ausstellung des Archivs des Erzbistums München und Freising, des Bayerischen Hauptstaatsarchivs und des Stadtarchivs München zum 50. Todestag (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns Nr. 44), München 2002. (635 Seiten); Ausstellung 9. November bis 30. Dezember 2012 im Polizeipräsidium München, 24. April bis 15. Mai 2014 im Gasteig München mit dem Begleitband: Joachim Schröder, Die Münchner Polizei und der Nationalsozialismus (hg. v. Polizeipräsidium München / Kulturreferat der Landeshauptstadt München), Essen 2013. (208 Seiten); Ausstellungskatalog: Heikaus, Ulrike/ Köhne, Julia B. (Hg.), Krieg! 1914 1918. Juden zwischen den Fronten, Berlin 2014. (328 Seiten); Huber, Brigitte, Stadt im Krieg. München August 1914, München 2014. (64 Seiten); Ausstellungskatalog: Krieg! Bayern im Sommer 1914. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, München 2014. (218 Seiten); Wilhelm, Hermann, München im Ersten Weltkrieg. „Ja, Kinder, es ist Krieg...!“, München 2013. (141 Seiten); Arbeiterbewegung und Erster Weltkrieg. Eine Ausstellung des Archivs der Münchner Arbeiterbewegung. Projektgruppe Erster Weltkrieg. Katalogheft, München 2015. (56 Seiten); zahlreiche Hinweise finden sich auch in den Reihen: ThemenGeschichtsPfad und KulturGeschichtsPfad der Stadt München. URL: www.muenchen.de/tgp und www.muenchen.de/kgp.

Die Ausstellungsmacher konnten sich also bereits publizierter Abhandlungen bedienen und daher prägnante Zusammenfassungen von Teilthemen liefern und die in freien Fachgruppen aus der ersten Gründungsphase erarbeiteten, teilweise schon in Ausstellungen und Katalogen publizierten neuesten Ergebnisse einbauen (z.B. zur Münchner Polizei S. 238-247, zu den Krankenmorden S. 220-223). In der Phase der ersten Gründungsdirektorin (2009-2011) bildeten sich folgende Arbeitskreise: AK Die Münchner Polizei im NS-Staat; AK Gender History; AK Geschichte der Münchner Arbeiterbewegung; AK Katholizismus-/Protestantismusforschung; AK Literatur, Philosophie und Kunst; AK NS-Euthanasie und Zwangssterilisation in München. Der AK Katholizismus-/Protestantismusforschung (Leitung Antonia Leugers und Björn Mensing) kritisierte die Ausstellungskonzeption im Februar 2012 und löste den AK im Juli 2012 auf, nachdem keine Einigung über die Zusammenarbeit mit der „Arbeitsgruppe Ausstellungskonzept“ gemäß den bei Ausstellungen üblichen Standards unter Wahrung des geistigen Eigentums der FachwissenschaftlerInnen zustande gekommen war. Der AK hatte von 2010-2012 eigenständig gearbeitet und im Unterschied zu anderen AK keine finanziellen Zuwendungen oder Honorare des Kulturreferats erhalten. Der unabhängige Münchner Arbeitskreis Katholizismus-/Protestantismusforschung veranstaltete Tagungen und Vortragsreihen und publizierte die Ergebnisse (wie Anm. 24, 25, 33, 36, 37, 38).

[40] Vgl. neuerlich zu Plagiaten in den Geisteswissenschaften: Torsten Hampel, Die ewigen Jagdgründe, in: Der Tagesspiegel vom 28. Februar 2016.

[41] Vgl. Johannes Löhr, Ungenügendes Konzept. Chefin des NS-Dokuzentrums gefeuert, in: Münchner Merkur vom 28. Oktober 2011; Franziska Brüning, Die Direktorin geht von Bord. Irmtrud Wojak vom NS-Dokumentationszentrum akzeptiert ihre Entlassung – der Kulturausschuss reagiert erleichtert, in: SZ vom 18. November 2011.

[42] Vgl. Franziska Brüning, Berliner Büro gestaltet NS-Dokuzentrum. Die Ausstellungsmacher Gerhards & Glücker haben sich gegen vier Konkurrenten durchgesetzt – Kritik an Vorgaben des Wettbewerbs, in: SZ vom 1. August 2012. Der Siegerentwurf wurde übrigens nicht öffentlich präsentiert. Es habe „kaum gestalterische Freiheit gegeben.“ Franziska Brüning, Neuer Ärger um NS-Dokuzentrum. Die für November geplante Eröffnung droht zu platzen. Direktor Winfried Nerdinger trennt sich von dem bisherigen Gestaltungsbüro aus Berlin. Grund sind offenbar Meinungsverschiedenheiten über das Ausstellungskonzept, in: SZ vom 10. April 2014.

[43] Brüning, Der Gang (wie Anm. 9). Kochbüro Nürnberg übernahm die Gestaltung.

[44] [Jakob] WET[zel], Erfolgreiches Dokuzentrum, in: SZ vom 7. März 2016; vgl. Ekkehard Müller-Jentsch, Guter Start fürs NS-Dokuzentrum. Mehr als 60 000 Besucher kommen in den ersten vier Wochen in das neue Haus beim Königsplatz: Nicht nur die Dauerausstellung, sondern auch die befristete Kunstschau, Apps und Kataloge finden viel Resonanz, in: SZ vom 5. Juni 2015. 1. Mai bis 28. Mai (an vier Montagen geschlossen, d.h. an 24 Tagen geöffnet), d.h. durchschnittlich pro Tag 2500 Personen.

[45] Zitat aus: Catrin Lorch, Jörg Häntzschel, Die Blamage. Zwei Jahre hat die Taskforce an der Erforschung der Sammlung Gurlitt gearbeitet. Gefunden hat sie fast nichts. Nun versandet die Aufklärung des größten deutschen Raubkunstskandals, in: SZ vom 25. November 2015.

[46] Heiner Effern, Jakob Wetzel, Eine heikle Verlängerung. Der Leiter des NS-Dokuzentrums, Winfried Nerdinger, soll bis 2018 im Amt bleiben. Das könnte nicht nur juristische Probleme auslösen – es mehren sich auch Klagen über den Führungsstil des 71-jährigen, in: SZ vom 8. März 2016.

[47] Jakob Wetzel, Grober Umgangston. Die Kritik an NS-Dokuzentrum-Chef Winfried Nerdinger wächst, in: SZ vom 9. März 2016. Vgl. auch zur Konzeptionserarbeitungszeit 2011/12: Franziska Brüning, Ratlose Wissenschaftler. Arbeitskreise sollten am Konzept des NS-Dokuzentrums beteiligt mitarbeiten – nun weiß niemand, ob die Ideen noch gebraucht werden, in: SZ vom 14. Dezember 2011; Melanie Staudinger, In geheimer Mission. Das Grobkonzept für das NS-Dokumentationszentrum stößt bei den Stadträten auf Zustimmung – bis Februar bleibt das Papier aber unter Verschluss, in: SZ vom 20. Januar 2012; Franziska Brüning, Ein Puzzle mit vielen Teilen. Die Grundidee für das NS-Dokuzentrum ist schlüssig, aber damit daraus eine überzeugende Ausstellung wird, müssen Konzept, Architektur, Pädagogik und Gestaltung ineinandergreifen, in: SZ vom 11./12. Februar 2012; Adrian Prechtel, Hauruckverfahren und Fallstricke. NS-Dokuzentrum: Heute ist das Konzept im Kulturausschuss. Ein paar Anmerkungen, in: Münchner Abendzeitung vom 16. Februar 2012; Franziska Brüning, Kritik an der Architektur. Kulturausschuss nimmt Konzept für NS-Dokuzentrum einstimmig an, in: SZ vom 17. Februar 2012.

[48] Heiner Effern, Vertrag verlängert. Winfried Nerdinger will nur noch zwei Jahre Chef bleiben, in: SZ vom 10. März 2016.



Zur Rezensentin:

Dr. Antonia Leugers, Katholizismusforscherin, München

 







    

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