theologie.geschichte - Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte

August H. Leugers-Scherzberg

Katholische Kirche, Zwangsarbeiter und die Entdeckung des „kooperativen Antagonismus“ in der „nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft“


Vorbemerkung

Gegen das diesem Aufsatz zugrunde liegende Diskussionspapier hat Jochen-Christoph Kaiser eingewandt, dass es sich einer "methodisch wie inhaltlich-moralisierenden 'Hermeneutik des Verdachts'" bediene, "dass es nämlich der katholischen Kirche und einer ihr verbundenen kirchlich-zeitgeschichtlichen Forschung bis heute nicht gelungen sei, sich aus der apologetisch gefärbten Abweisung der Mitverantwortung und damit aus den Fesseln eines grundsätzlich defensiv angelegten Geschichtsbewusstseins – bezogen auf die NS-Zeit – zu befreien."[1] Das beschreibe seiner Einschätzung nach nicht die gegenwärtige Forschungslandschaft. Hier seien "keineswegs Personen am Werk, die in strategischer Weise Verteidigungslinien konstruieren".[2]

Nun ist es ein Unterschied, ob man einem apologetisch gefärbten, defensiv angelegten Geschichtsverständnis anhängt oder ein apologetisches Geschichtsbild kühl kalkulierend und strategisch operierend als allein gültigen Interpretationsrahmen durchzusetzen versucht. Ich gehe nicht davon aus, dass die Kommission für Zeitgeschichte in dieser Weise berechnend agiert. Was allerdings die grundsätzliche Haltung weiter Teile einer katholischen Historiographie - aber auch der Kommission für Zeitgeschichte - in der Zwangsarbeiterfrage anbelangt, so habe ich in meinem Diskussionspapier eine Reihe von Belegen geliefert die zeigen, dass diese Haltung durchaus apologetisch-defensiv bestimmt war.

Wenn Karl-Josef Hummel, ausgelöst durch die Zwangsarbeiterdebatte, als Geschäftsführer der Kommission für Zeitgeschichte die Übernahme des gesellschaftsgeschichtlichen Paradigmas für die Forschungen der Kommission fordert, dann ist das zum einen deshalb bemerkenswert, weil die Bielefelder Schule in den siebziger und achtziger Jahren vonseiten der kirchennahen Katholizismusforschung vehement abgelehnt wurde, zum anderen, weil der gesellschaftsgeschichtliche Ansatz gerade mit Blick auf die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit seitens der Geschichtswissenschaft in den neunziger Jahren grundlegend kritisiert worden ist.[3] Daher vermag ich darin nicht wie Kaiser, eine "kluge methodische Beobachtung" zur Fortentwicklung der kirchlichen Historiografie zu sehen. Eine "gesellschaftsgeschichtliche" Einordnung der Kirchengeschichte liefe genauso Gefahr, der Frage nach individuellem und institutionellem Versagen angesichts der nationalsozialistischen Herausforderung auszuweichen, wie es dem gesellschaftsgeschichtlichen Ansatz in der Profangeschichte vorgeworfen worden ist. In der Übernahme der Termini "antagonistische Kooperation" und "kooperativer Antagonismus" soll seitens der Autoren der Kommission für Zeitgeschichte auch nicht, wie Kaiser meint, nur die Dilemma-Situation der konfessionellen Träger in der Gesundheitsfürsorge und Wohlfahrtspflege bezeichnet werden, sondern die grundsätzliche Situation von Kirche in der nationalsozialistischen Gesellschaft. Das liefe ebenfalls auf eine Relativierung konkret festmachbaren Versagens innerhalb der Kirche hinaus.

Der Vorwurf der Moralisierung, den Kaiser erhebt, lässt sich leicht gegen jede Historiografie ins Feld führen, die sich nicht nur historistisch mit belastenden Vergangenheiten auseinandersetzt, sondern historisch festmachbare Schuld auch als Schuld bezeichnet. Gerade in der Zwangsarbeiterdebatte haben die deutschen Bischöfe zur Abwehr der Kollektivschuldthese gefordert, etwaiges schuldhaftes Verhalten kirchlicher Personen und Institutionen aufzuarbeiten und offenzulegen, um gegebenenfalls Wiedergutmachung leisten zu können. Dies kann nicht auf Basis einer Kirchengeschichtsforschung geschehen, die von vornherein methodisch die Schuldfrage ausklammert.

Katholische Kirche und Zwangsarbeiterfrage im Sommer 2000

Im Sommer des Jahres 2000 wurde die katholische Kirche in Deutschland von der Zwangsarbeiterfrage überrollt.

Als 1998 US-amerikanische Rechtsanwälte amerikanische Unternehmen mit deutschen Tochterfirmen wegen des Einsatzes von Zwangsarbeitern während der NS-Zeit verklagten, ahnte vermutlich niemand in der katholischen Kirche, dass sie einst genötigt sein würde, die Geschichte ihrer eigenen Zwangsarbeiterbeschäftigung aufzuarbeiten.

Die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter wurde lange Zeit von den beiden Kirchen und der Öffentlichkeit als eine Sache der Politik und der Wirtschaft betrachtet. Erst als die Finanzierung der Stiftung zur Zwangsarbeiterentschädigung im Sommer 2000 zu scheitern drohte, erging vonseiten der Politik der Appell an die Kirchen, sich ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zu stellen und in den Fonds einzuzahlen. Die evangelische Kirche kam dieser Forderung am 12. Juli 2000 nach und beteiligte sich an der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mit 10 Millionen DM. Die katholische Kirche lehnte dies ab. Dazu erklärte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz: »Wir haben zur Zeit nicht vor, pauschal in einen Fonds einzuzahlen. Sollte sich allerdings herausstellen, daß die katholische Kirche tangiert ist, dann werden wir die Einzelfälle prüfen und Konsequenzen überlegen.«[4]

Einer der wesentlichen Gründe für diese Haltung war das Bedürfnis der deutschen Bischöfe, „sich von den in der öffentlichen Diskussion gelegentlich offen oder indirekt erneuerten Vorstellungen einer ‚Kollektivschuld’ zu distanzieren“.[5] Dagegen wollte man ein Zeichen setzen und explizit an dem theologischen Grundsatz festhalten, dass nur konkret nachweisbare Schuld auch als solche bezeichnet werden könne, jedoch nicht eine irgendwie geartete Kollektivschuld. In der Zwangsarbeiterfrage sei darum bisher keine Schuld der Kirche festgestellt worden.

Die Weigerung der katholischen Kirche, sich an der Bundesstiftung zu beteiligen, rief Empörung unter bundesdeutschen Politikern hervor.[6] Journalisten begannen, sich mit der Frage nach der Beschäftigung von Zwangsarbeitern in Einrichtungen der katholischen Kirche zu befassen - und sie wurden rasch fündig.

Im Mai und Juni 2000 hatte sich der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz bereits mit Hinweisen darauf befasst, dass auch die katholische Kirche Zwangsarbeiter beschäftigt haben könnte. Er hielt das Problem aber für marginal und entschied sich, keine weiteren Nachforschungen anzustrengen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, erklärte später: »Auf Grund verschiedener Hinweise, dass auch in Einrichtungen der Katholischen Kirche während der NS-Zeit Ausländer als Zwangsarbeiter tätig waren, wurden zunächst punktuelle Nachforschungen und eine Prüfung der zeitgeschichtlichen Forschung durchgeführt. Unter dem Eindruck der wenigen Ergebnisse, die dabei zutage traten, sah der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz, der sich am 2. Mai und 19./20. Juni 2000 hiermit befasste, zunächst keinen Anlass zu einer neuen Initiative [...]«[7] Am 11. Juli 2000 sorgte dann eine Pressemitteilung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg für Aufsehen: 26 evangelische und zwei katholische Kirchengemeinden in Berlin hätten für Friedhofsarbeiten ein Lager mit knapp 100 Zwangsarbeitern unterhalten.[8] Neun Tage später sendete das ARD-Magazin »Monitor« einen Beitrag mit dem suggestiven Titel »Katholische Kirche beschäftigte im großen Umfang Zwangsarbeiter«. Dieser Fernsehbeitrag wurde für die Verantwortlichen der katholischen Kirche zu einer »Lawine mit weit reichender Wirkung«[9] Unmittelbar nach Ausstrahlung dieses Fernsehbeitrags setzten in allen deutschen Diözesen Nachforschungen ein. Auf der Grundlage dieser Recherchen wurde eine Expertise erstellt.[10] Sie kam zu dem Schluss, dass die Zwangsarbeiterfrage für die katholische Kirche keineswegs eine Marginalie war.

Am 28. August 2000 kam es, gemäß der kirchlichen Forderung, Schuld konkret festzumachen, zu dem Beschluss der Bischofskonferenz, alle ehemaligen Zwangsarbeiter der katholischen Kirche individuell zu ermitteln und zu entschädigen. Wiederum wurde eine Beteiligung an der Bundesstiftung abgelehnt, um nicht in den Ruch zu kommen, die »Kollektivschuldthese« zu vertreten. Zudem hatten die Recherchen weitere gute Argumente gegen die Beteiligung der katholischen Kirche an der Bundesstiftung geliefert: Es hatte sich herausgestellt, dass die kirchlichen Zwangsarbeiter, die vor allem in der Land- und Hauswirtschaft tätig gewesen waren, durch die Bundesstiftung keine Entschädigung erhalten konnten. Sie waren dort explizit ausgeklammert, weil man sich auf die Entschädigung der Zwangsarbeiter in den Konzentrationslagern und Gettos konzentrieren wollte.

Für die kirchliche Zwangsarbeiterentschädigung wurden 5 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Die noch lebenden kirchlichen Zwangsarbeiter sollten ermittelt und mit jeweils 5.000 DM entschädigt werden. Ebenfalls 5 Millionen DM wurden für die »Versöhnungsarbeit« in den Etat eingestellt. Schließlich wurde angekündigt, »eine übergreifende wissenschaftliche Dokumentation der Quellenmaterialien vor[zu]nehmen und [zu] publizieren«.[11]

Katholische Kirche und Aufarbeitung der Zwangsarbeiterbeschäftigung

Möglicherweise entsprang die Weigerung der katholischen Kirche, sich an der Bundesstiftung zu beteiligen, zunächst dem Bedürfnis, jede Schuld pauschal von sich zu weisen. Die Motivierung dieser Haltung („wo nachgewiesener Weise Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden“ müsse man sich seiner „Verantwortung stellen“[12]) führte aber in dem Augenblick, als die Zwangsarbeiterbeschäftigung in der Kirche durch Medienberichte und eigene Nachforschungen nicht mehr bestritten werden konnte, zu der Notwendigkeit, die Vergangenheit der kirchlichen Zwangsarbeiterbeschäftigung aufzuarbeiten. Daraufhin wurden jahrelang umfangreiche Recherchen in allen deutschen Diözesen nach Zwangsarbeitern im kirchlichen Dienst durchgeführt. Schneller und unbürokratischer als bei der Bundesstiftung wurden schließlich noch lebende Zwangsarbeiter entschädigt. Vor allem die aktive Suche nach Betroffenen wurde von der Bundesstiftung nicht geleistet, da hier nur auf Antrag gezahlt wurde. Auch setzte sich ein Heer von Wissenschaftlern und Archivaren in der katholischen Kirche mit der Suche nach Zwangsarbeiterbeschäftigungen auseinander. Dies alles hatte sich die evangelische Kirche durch ihre bereitwillige Unterstützung der Bundesstiftung erspart.

Das durch die Recherchen ermittelte Wissen über die Zwangsarbeiterproblematik wurde in die gleichzeitig gestartete intensive Aufklärungsarbeit der katholischen Jugend- und Erwachsenenbildung eingebracht. Auch hier wollte man sich nicht damit begnügen, die „Versöhnungsarbeit“ der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zu überlassen, sondern wollte eigene katholische Akzente setzen.

Die Tätigkeit des »Entschädigungsfonds« endete im Sommer 2005, die des »Versöhnungsfonds« im Herbst 2006. Was noch ausstand, war die versprochene »wissenschaftliche Dokumentation der Quellenmaterialien«, die durch die Bonner »Kommission für Zeitgeschichte« besorgt werden sollte. Diese Publikation - das war von vornherein klar - würde ein Gradmesser für die Bereitschaft der Kirche zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Vergangenheit sein.

Im Frühjahr 2008 erschien endlich der Band Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945. Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung in der Schriftenreihe der Kommission für Zeitgeschichte.[13] Herausgeber des Bandes waren Karl-Josef Hummel und Christoph Kösters, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle der Kommission für Zeitgeschichte. Die umfangreiche Publikation war allerdings nicht das, was man von einer "wissenschaftliche[n] Dokumentation der Quellenmaterialien" zur Zwangsarbeiterbeschäftigung innerhalb der katholischen Kirche erwarten durfte. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Abdruck der Berichte, die die Diözesanbeauftragten der 27 deutschen Diözesen über ihre Arbeit erstellt hatten, angereichert mit einer längeren allgemeinen Einführung und der Beigabe von einschlägigen Presseerklärungen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Wer gehofft hatte, in dieser Publikation einschlägige Quellen ediert zu finden oder aus erster Hand über die Lebensverhältnisse von Zwangsarbeitern im kirchlichen Dienst, sowie Richtlinien, Beschäftigungsformen, Entlohnung, Wohnverhältnisse etc. informiert zu werden, der musste enttäuscht werden.

Dennoch ist das Buch wichtig. Es legt Zeugnis davon ab, wie innerhalb des deutschen Katholizismus zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit dem Problem der Aufarbeitung einer belastenden Vergangenheit umgegangen wird. Die Berichte der Diözesanbeauftragten spiegeln wider, wie groß das Spektrum zwischen apologetischer und nicht apologetischer Rückschau auf die eigene Vergangenheit ist und welche Argumentationsfiguren in der Auseinandersetzung mit einer belastenden Vergangenheit verwandt werden. Die Einführung von Christoph Kösters zeigt zudem, wie die Kommission für Zeitgeschichte als institutionalisiertes Organ einer kirchlich-katholischen Vergangenheitsbewältigung versucht, die Herausforderungen der neuen Debatten um eine Kollaboration der katholischen Kirche mit dem NS-Regime zu bewältigen.

Kommission für Zeitgeschichte und Zwangsarbeiterfrage

Eine besondere Funktion für die Aufarbeitung der Zwangsarbeiterfrage im Bereich der katholischen Kirche hatte die Bonner „Kommission für Zeitgeschichte“ als historisches Beratungsinstitut der Deutschen Bischofskonferenz. Die Kommission hatte es nicht verhindern können, dass die katholische Kirche im Sommer 2000 von der Zwangsarbeiterfrage überrascht worden war. Im Gegenteil: Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kommission für Zeitgeschichte im Frühjahr 2000 die Entscheidung des Ständigen Rats der Deutschen Bischofskonferenz, sich weder an der Stiftungsinitiative der Bundesregierung zu beteiligen, noch selbst die Initiative zur Entschädigung kirchlicher Zwangsarbeiter zu ergreifen, wesentlich mit beeinflusst haben dürfte. Grundlage dieser Entscheidung war einerseits eine »Prüfung der zeitgeschichtlichen Forschung«[14], andererseits der Ratschlag, in jedem Einzelfall eine Prüfung vorzunehmen, ob die in kirchlichen Einrichtungen tätigen Zwangsarbeiter tatsächlich von der Kirche beschäftigt wurden oder ob sie aufgrund von Beschlagnahmungen bereits einen anderen Arbeitgeber hatten.[15] Daraus zogen die Bischöfe den Schluss, erst einmal nichts unternehmen zu müssen. So wurden sie ebenso wie die Kommission für Zeitgeschichte im Juli 2000 vom Monitor-Bericht überrascht, der im Gegensatz zu den Ratschlägen, die die Bischöfe von ihren Fachleuten erhalten hatten, den Eindruck vermittelte, dass die Kirche massenhaft Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. Die Kirchenoberen fühlten sich unzureichend informiert. Noch Ende August 2000, als die umfassende Beschäftigung der Katholischen Kirche mit der Zwangsarbeiterfrage angekündigt wurde, äußerte Kardinal Lehmann (quasi als Entschuldigung für die bisherigen Versäumnisse) : "Die zeitgeschichtliche Forschung hat sich mit dieser Frage bisher nicht befasst."[16] Damit war zwar in erster Linie die nicht-kirchliche historische Forschung gemeint, aber auch die Kommission für Zeitgeschichte als historisches Forschungsinstitut hatte sich mit dieser Frage nicht intensiver befasst.

Wer nun erwartet hat, dass die »Kommission für Zeitgeschichte« ihre bisherige Passivität in dieser Frage aufgeben, die Recherchen in den Bistümern nachhaltig unterstützen und entscheidende Anregungen geben würde, wie am effektivsten nach Arbeitsverhältnissen von Zwangsarbeitern im kirchlichen Dienst gesucht werden könne, der sah sich getäuscht. In keinem [!] der 27 Berichte wird erwähnt, dass die Kommission für den Fortgang der Recherchen in den Bistümern irgendeine Rolle spielte.[17] Stattdessen wird darauf verwiesen, dass einzelne Berichterstatter aus anderen Bistümern, vor allem Rottenburg-Stuttgart und Köln, die ausschlaggebenden Hinweise gegeben haben, wie und wo man am besten nach kirchlichen Zwangsarbeitern suchen könne. So war es Rottenburg-Stuttgart, das die Unterlagen der Allgemeinen Ortskrankenkassen als zentrale Quelle entdeckte und auch die anderen Diözesen davon unterrichtete,[18] sodass Rottenburg-Stuttgart »eine gewisse Vorreiterrolle innerhalb der deutschen Bistümer«[19] spielte. Ulrich Helbach, Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums Köln, fungierte als Vermittler zu den Materialien der Moskauer Stiftung »Memorial«,[20] wodurch er wichtige Impulse für das Auffinden von Zwangsarbeitern im Dienst der Kirche gab. Erst Anfang Dezember 2000, als die Arbeiten in allen Diözesen bereits auf Hochtouren liefen und die entscheidenden Weichen gestellt worden waren, wies der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz die Bistumsleitungen darauf hin, dass der »Leiter der Forschungsstelle der Kommission für Zeitgeschichte, Dr. Karl-Joseph Hummel, […] in nächster Zeit an die Diözesanbeauftragten herantreten und mit ihnen die notwendigen Absprachen über eine gemeinsame Grundstruktur der Dokumentation und wissenschaftlichen Analyse absprechen «[21] werde. Wenn es einen kontinuierlichen Austausch zwischen der »Kommission« und den Diözesanbeauftragten gegeben hätte, wäre dieser Hinweis nicht notwendig gewesen.

Worauf sich stattdessen die »Kommission für Zeitgeschichte« konzentrierte, um die notwendigen »Lehren« aus der öffentlichen Auseinandersetzung um die kirchlichen Zwangsarbeiter zu ziehen, wurde in einem Vortrag deutlich, den Karl-Joseph Hummel im Oktober 2001 vor der Görres-Gesellschaft hielt. Er verlegte sich darauf, einen neuen Interpretationsrahmen zu fordern, um das Agieren der Kirche in der NS-Zeit erklären zu können. Hummel beklagte vor der katholischen Gelehrtenversammlung das Fehlen einer „umfassende[n] gesellschaftsgeschichtliche[n] Erforschung der katholischen Kirche im Zweiten Weltkrieg - zu der dann als ein Teilaspekt auch die Geschichte der Zwangsarbeiter in kirchlichen Einrichtungen gehört“ und forderte „Forschungen, die nicht das Gegenüber von Kirche und Nationalsozialismus, sondern die Gemengelage ihrer Einbindung in die nationalsozialistische Gesellschaft vor allem in den Kriegsjahren beschreiben“.[22]

Damit war der Wille zu einer methodischen Neuausrichtung[23] der künftigen Forschungen der Kommission für Zeitgeschichte umrissen. Im Oktober 2004 wurde eine Tagung zum Thema »Kirchen im Krieg« abgehalten.[24] Die Kommission für Zeitgeschichte zog aus der Tagung das Fazit: »Die Antwort auf die Frage nach der historischen Bewertung wird dadurch noch erheblich komplexer.«[25] Aus der Vielzahl der dort vorgetragenen Aspekte über das kirchliche Leben in der Kriegszeit übernahm die Kommission in der Folgezeit jedoch nur zwei Schlagworte: „nationalsozialistische Kriegsgesellschaft“ und „antagonistische Kooperation“.

Der Münchner Historiker Winfried Süß hatte in seiner Analyse der Rolle der katholischen Kirche im nationalsozialistischen Gesundheitssystem eine „antagonistische Kooperation“ zwischen Kirche und NS-Staat ausgemacht. Grundlage dafür war zum einen das traditionelle, theologisch begründete Engagement der Kirche in der Krankenpflege und andererseits die gesellschaftliche Bedeutung des Gesundheitswesens im Krieg. Der auf den amerikanischen Soziologen William G. Sumner zurückgehende Begriff „antagonistische Kooperation“ geht dabei von fallweiser Kooperation gleichberechtigter Interaktionspartner in einer Win-win-Situation aus. Das ist bei der Beschreibung des Verhältnisses von Kirche und nationalsozialistischem Staat grundsätzlich problematisch. Süß zog aus seiner Analyse den Schluss, dass die Kirche trotz ihrer Vorbehalte gegen den Nationalsozialismus aufgrund des antagonistischen Kooperationsverhältnisses „einen substanziellen Beitrag zu einem Krieg [geliefert hatte], der die Voraussetzungen für massenhaften Raub und Völkermord schuf.“[26]

Die Kommission für Zeitgeschichte nahm den Begriff „antagonistische Kooperation“ umgehend auf und übertrug ihn auf die Zwangsarbeiterproblematik,[27] ohne allerdings zu erläutern, inwiefern – im Vergleich zur Krankenpflege - die Ausbeutung von Zwangsverschleppten theologisch notwendig war. In der historischen Einführung zum Zwangsarbeitersammelband wurde die Begriffsbedeutung schließlich erweitert und auf das Gesamtverhältnis der Kirche zum NS-Staat in der Kriegszeit übertragen, sowie zur „nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft“ in Beziehung gesetzt. Das lautete dann so: „Die katholische Kirche und im Besonderen ihre kirchlichen Einrichtungen waren Teil der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft. Das personelle und materielle Arrangement zwischen Kirche und Staat blieb bis 1945 von einer ‚antagonistischen Kooperation’ (W. Süß) bestimmt.“[28] Damit schien das von Hummel 2001 geforderte neue Interpretationsmodell für das kirchliche Verhalten in der NS-Zeit gefunden zu sein, das auch Raum für die Erklärung des kirchlichen Verhaltens bezüglich der Zwangsarbeiter bot. Christoph Kösters erläuterte: »Die Geschichte der ‚Zwangsarbeit und katholischen Kirche 1939 -1945’ ist eine ‚Teil-Geschichte’ der katholischen Kirche im Zweiten Weltkrieg. Sie ist ohne die vielfältigen übergreifenden Zusammenhänge kirchlichen Verhaltens in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft nicht angemessen einzuordnen.«[29] Insbesondere wird von »vielfältigen Spannungen zwischen geistlichem Selbstverständnis und ökonomischen Interessen der Einrichtungen« gesprochen, die im Krieg »von widersprüchlichen Herausforderungen der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft« überlagert wurden.[30] Die katholischen Einrichtungen seien jedenfalls »in die nationalsozialistische Kriegsgesellschaft hineinverwoben«[31] gewesen.

Das ist nicht nur eine eigenartige Argumentation für eine Institution wie die katholische Kirche, die darauf beharrt, ihre eigenen, naturrechtlich begründeten Normen gegen gesellschaftliche Zwänge durchsetzen zu wollen, sondern es wirkt auch im Zusammenhang mit der Zwangsarbeiterfrage abwegig. Die katholische Kirche hatte die Beteiligung an der Bundesstiftung gerade deshalb abgelehnt, weil sie eine gesellschaftliche Mitverantwortung für die Zwangsarbeiterausbeutung bestritten hatte. Nun behauptet ihre historische Kommission, dass die Kirche nur deshalb vom Zwangsarbeitersystem profitiert hat, weil sie Teil der Gesellschaft war.

Neuerdings war der Begriff „antagonistische Kooperation“ seitens der Kommission für Zeitgeschichte fallen gelassen und durch einen ersetzt worden, der ihnen für ihre Zwecke offenbar treffender erschien. Bei der Vorstellung des Zwangarbeitersammelbandes verwandte Karl-Joseph Hummel den Begriff „kooperativer Antagonismus“ und deklarierte ihn zur „Strategie“ der Kirche in der NS-Zeit, um „die deutschen Katholiken vor der Alternative zu bewahren, zwischen Staat und Kirche wählen zu müssen.“[32] Aber auch der der Spieltheorie entlehnte Begriff „kooperativer Antagonismus“ setzt die prinzipielle Gleichberechtigung der Interaktionspartner voraus, was im Verhältnis von Kirche und nationalsozialistischem Staat keineswegs der Fall war. Hatte Winfried Süß „antagonistische Kooperation“ als einen analytischen Begriff eingeführt, um das Interaktionsverhältnis von Kirche und Nationalsozialismus im Krieg auf dem eng begrenzten Feld des Gesundheitswesens zu beschreiben und den Beitrag der Kirche zu einem Krieg, der die Voraussetzungen für „massenhaften Raub und Völkermord“ schuf, als beträchtlich eingeschätzt, hat die Kommission für Zeitgeschichte den Begriff zunächst aufgegriffen und dann durch den Begriff „kooperativer Antagonismus“ ersetzt, um eine Art „Widerstandsstrategie“ der katholischen Kirche zu entwerfen. Aufgrund der fehlenden Gleichberechtigung beider „Partner“ ist dieser Versuch aber wenig überzeugend. Eher ließe sich das Verhalten der katholischen Kirche als ein Arrangement mit dem System zum Zweck der Besitzstandswahrung bezeichnen.


Katholisches Milieu und Muster der Vergangenheitsbewältigung

Der von der Kommission für Zeitgeschichte vorgeschlagene neue Interpretationsrahmen konnte allerdings nicht die theoretische Grundlage der einzelnen Berichte aus den Diözesen im Sammelband werden. Diese Berichte spiegeln vielmehr zum einen traditionelle Abwehrmechanismen der katholischen Kirche gegen eine Aufarbeitung ihrer Vergangenheit wider, zum anderen aber auch, dass ein Teil der Autoren sich bemüht, eine Verharmlosung der kirchlichen Rolle im Nationalsozialismus zu vermeiden.[33] Zentrale Abwehrstrategien und Argumente - bezogen auf die Zwangsarbeiterfrage - sollen hier kurz beleuchtet werden.


Zwangsarbeiter hatten wir nicht

Die Behauptung, keine Zwangsarbeiter gehabt zu haben, bestimmte bis zum Sommer 2000 die Haltung der katholischen Kirchenleitung. Dabei spielte gewiss eine Rolle, dass man sich den Zwangsarbeiter idealtypisch als »Arbeitssklaven« vorstellte, wie man ihn aus der Rüstungsindustrie und dem Bergbau kannte, und meinte, sich sicher sein zu können, dass es in der Kirche solche Arbeitsverhältnisse nicht gegeben habe. Dagegen wurde das ukrainische Mädchen in der kirchlichen Landwirtschaft oder der Klosterküche nicht als Zwangsarbeiterin wahrgenommen. Gerade auch in dieser Hinsicht wirkten der Filmbeitrag der Monitor-Redaktion und die anschließende Pressedebatte auf den überwiegenden Teil der deutschen Bistumsleitungen aufrüttelnd. Einige hielten aber nach wie vor daran fest, die Existenz des Zwangsarbeiterproblems zu leugnen. So behauptete der Fuldaer Generalvikar, Weihbischof Ludwig Schick, am 24. Juli 2000 in einem Interview der »Fuldaer Zeitung«, es hätte im Bistum Fulda »in der Zeit des Zweiten Weltkrieges keine Beschäftigung von Zwangsarbeitern gegeben«. Das war angesichts der gerade laufenden Medienauseinandersetzungen nicht nur eine wenig einfühlsame Behauptung, sondern auch ein Statement, das schnell überholt war. Sobald der Fuldaer Bistumsarchivar im August 2000 mit den Recherchen begonnen hatte, stellte sich heraus, »dass in mindestens vier Häusern des Bistums und in einer klösterlichen Einrichtung Zwangsarbeiter - wenn auch in begrenztem Umfang - beschäftigt worden waren.«[34]

Sah man sich aufgrund der öffentlichen Debatte gezwungen, die Zwangsarbeiterproblematik aufzugreifen, so lag der Versuch nahe, das Problem zu minimieren, indem die Recherche nach Zwangsarbeitern nur auf das unabdingbar Notwendige beschränkt wurde. So schrieb der Magdeburger Generalvikar Theodor Stolpe am 24. Juli 2000: »Da es in unserem Bistum kaum solche Fälle geben wird, schreibe ich nur die Pfarreien an, die Landwirtschaft in den Kriegsjahren betrieben haben, und die Gemeinden, die einen Friedhof haben.« Da es von den solchermaßen angeschriebenen Gemeinden und ebenso vom Caritasverband und von den Orden negative Rückmeldungen gab, konnte Stolpe am 21. August 2000 an den Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz melden: »Als Ergebnis der bisherigen Nachforschungen kann gesagt werden, dass im Bereich und den Gemeinden und Einrichtungen des Bistums Magdeburg keine Zwangsarbeiter beschäftigt wurden.«[35] Dass der Bistumsarchivar als Diözesanbeauftragter in der Folgezeit seine Aufgabe darauf beschränkte, »den auftauchenden Hinweisen auf Zwangsarbeiter in Einrichtungen im Bistum Magdeburg nachzugehen« und nicht selbst aktiv zu recherchieren, lag ganz auf der defensiven Linie der Bistumsleitung. Schließlich musste aber doch aufgrund von Hinweisen von außen in zwei Fällen die Beschäftigung von Zwangsarbeitern im Bericht aus Magdeburg eingeräumt werden.[36]

Wie sehr das Ergebnis der Recherchen vor Ort vom Engagement oder Nichtengagement der Verantwortlichen abhing, zeigt auch der Bericht des Erzbistums Hamburg. Der Berichterstatter stellt freimütig fest: »Bei der Recherche nach Zwangsarbeitern war die Erwartungshaltung insgesamt niedrig.« Schließlich wurden für den gesamten Bereich des Erzbistums Hamburg nur fünf Zwangsarbeiter gefunden, von denen sich zwei selbst gemeldet hatten.[37]


Bei uns Fehlanzeige!

So wie Bistumsleitungen bis zum Beweis des Gegenteils behauptet hatten, in ihren Sprengeln habe es keine Zwangsarbeiter gegeben, so herrschte auch bei nachgeordneten Instanzen die Haltung vor, die Beschäftigung von Zwangsarbeitern kurzerhand abzuleugnen. Immer wieder wird davon berichtet, dass die angeschriebenen Einrichtungen - wie im oben beschriebenen Fall aus Magdeburg - »Fehlanzeige« meldeten und damit die Sache für die Verantwortlichen erledigt war. Wie das zu bewerten ist, zeigt die Berichterstatterin aus dem Erzbistum Berlin auf: »Im Verlauf des ersten Halbjahres 2001 meldeten sich sechs Frauen [...] Drei von ihnen legten Bescheinigungen der jeweiligen Einrichtung vor, ausgestellt lange nach Kriegsende - 1961, 1983, 1985 -, in denen ihre Arbeit während des Krieges bestätigt wird. Es waren diese Unterlagen der ehemaligen Zwangsarbeiter selbst, die schließlich dazu führten, dass in zwei Krankenhäusern, aus denen bis dahin keine Informationen bzw. Fehlanzeigen vorlagen, in erhaltenen Lohnjournalen die Namen von weiteren 44 Zwangsarbeitern ermittelt und an den kirchlichen Suchdienst weitergegeben werden konnten.«[38] Dass dies kein Einzelfall war, unterstreicht der Bericht aus dem Erzbistum Paderborn, der festhält, dass »die weitaus meisten Absender [...] aber ‚Fehlanzeige’[meldeten], wobei die Vermutung besteht, dass die Recherchen vor Ort mancherorts nicht mit der erwünschten Gründlichkeit erfolgt waren. In einigen Fällen erwies sich die Fehlanzeige bald nachweislich als falsch.«[39]

Konkret bedeutete die Auskunft »Fehlanzeige« in nicht wenigen Fällen, dass Anträge auf Entschädigung abgelehnt wurden, da die letzte Entscheidung über die Berechtigung eines Antrags bei den Diözesen lag.[40] Das Bedürfnis, die kirchliche Zwangsarbeiterfrage zu verdrängen, - auch darüber legen die Berichte aus den Bistümern Zeugnis ab - wirkte noch lange nach.

Nur eine geringe Zahl von Zwangsarbeitern

Bereits mit der Ankündigung einer eigenen Zwangsarbeiterentschädigung Ende August 2000 hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Behauptung aufgestellt, dass die Zahl der in kirchlichen Diensten beschäftigten Zwangsarbeiter die »Promillegrenze« aller in Deutschland beschäftigten Zwangsarbeiter nicht übersteigen werde.[41] Damit sollte unterstrichen werden, dass die Beschäftigung von Zwangsarbeitern durch die katholische Kirche im Vergleich zur gesamtgesellschaftlichen Ausbeutung der Zwangsarbeiter ein eher marginales Problem gewesen war.

Letztlich wurden im Verlauf der Recherchen 5313 Personen in den Diözesen ermittelt, 1518 durch eigene Antragstellung. Davon wurden 3999, bzw. 520 als relevant beurteilt und schließlich 282, bzw. 312 entschädigt.[42]

Angesichts von 7,5 bis 12,5 Millionen Zwangsarbeitern während der NS-Zeit hielten sich die Zahlen damit tatsächlich im Promillebereich. Doch es sind eben nur die Rechercheergebnisse und nicht die tatsächlichen Zahlen. Wie hoch die tatsächliche Zahl an Zwangsarbeitern im kirchlichen Dienst gewesen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Schließlich waren die ehemaligen deutschen Ostgebiete aus der Recherche ganz ausgeklammert worden. So kommt Ulrich Helbach zu dem Schluss: »Es muss andererseits als sicher gelten, dass kirchliche Zwangsarbeiter in nicht bekannter Größenordnung wegen der schwierigen, weil unausgewogenen und für einige Regionen desolaten Quellenlage nie gefunden werden [...]«[43] In den Berichten fällt auf, dass gerade diejenigen, die intensiv nach kirchlichen Zwangsarbeitern gesucht und auch relativ viele gefunden haben, ohne Umschweife bekennen, dass es sich nur um einen Bruchteil der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse handelt.[44]

Im Gegensatz dazu wird in anderen Diözesanberichten so getan, als sei das Rechercheergebnis identisch mit den tatsächlichen Beschäftigungszahlen. So schreibt das Bistum Magdeburg, das zwei von außen gemeldete Zwangsarbeiter akzeptieren musste, wörtlich: »Festzuhalten ist demnach, dass auf dem Gebiet des heutigen Bistums Magdeburg wahrscheinlich zwei Zwangsarbeiter in kirchlichen Einrichtungen beschäftigt wurden.«[45] Und das Bistum Trier behauptet in seinem Bericht: »Die Zahl der insgesamt auf dem Gebiet der Diözese beschäftigten Zwangsarbeiter beläuft sich auf 224 [...]«[46] Diese Zahl wurde anschließend auch in der Trierer Bistumspresse veröffentlicht, wobei kein Hinweis darauf gegeben wurde, dass dies nur das Ergebnis der Recherche war und nicht die tatsächlichen Zahlenverhältnisse darstellt.[47]

Für den Bereich der Evangelischen Kirche liegen inzwischen Schätzungen vor. Demnach beschäftigte sie etwa 12000 Zwangsarbeiter. Diese Zahl ergibt sich daraus, dass die Zwangsarbeiterbeschäftigung in Relation zur Gesamtbeschäftigung gesetzt wird. Die Evangelische Kirche hatte ca. 100000 Beschäftigte. Auf 100 Beschäftigte kamen im Durchschnitt 12 Zwangsarbeiter.[48]

Wenn man im Bereich der katholischen Kirche ähnliche Relationen annimmt, käme man auf höhere Zahlen, da die katholische Kirche weitaus mehr Beschäftigte gehabt haben dürfte als die Evangelische Kirche. Allein der Deutsche Caritasverband hatte 1939 120000 hauptberuflich Tätige.[49] Wenn die Prozentzahlen der Zwangsarbeiterbeschäftigung aus der Evangelischen Kirche auch hier ihre Gültigkeit haben, dann hätte allein der Caritasverband im Verlauf des Krieges 14400 Zwangsarbeiter beschäftigen müssen. Damit läge man deutlich über der „Promillegrenze“.

Selbst wenn die Zwangsarbeiterbeschäftigung im Bereich der katholischen Kirche die "Promillegrenze" überschritten hat, war sie doch im Vergleich zur gesamtgesellschaftlichen Zwangsarbeiterausbeutung ein Randphänomen. Das Ringen um die »Promillegrenze« zeigt aber, dass es in der katholischen Kirche nach wie vor eine Tendenz gibt, das Zwangsarbeiterproblem, nachdem es nicht mehr geleugnet werden kann, zumindest kleiner zu machen, als es tatsächlich ist. Dabei ist der Einsatz von Zwangsarbeitern für die Kirche als moralisch normative Instanz kein quantitatives, sondern unabhängig von der zahlenmäßigen Größenordnung ein grundsätzlich moralisches Problem.[50]


Kein flächendeckender Einsatz

Dass der Einsatz von Zwangsarbeitern in der Kirche „flächendeckend“ gewesen sein könnte, war für die Verantwortlichen von vorneherein eine unangenehme Vorstellung. Der Begriff war von einigen Medien im Sommer 2000 benutzt worden und suggerierte, dass das Unrecht der Zwangsarbeiterausbeutung in der katholischen Kirche allgegenwärtig gewesen sei. Dabei gibt es keinerlei Maßstab, ab wann von einem flächendeckenden Einsatz von Zwangsarbeitern geredet werden kann. Wie hoch muss die Dichte an Zwangsarbeitern pro Quadratkilometer einer Diözese sein, um als flächendeckend zu gelten? Diese naheliegende Frage ist von keiner Seite ernsthaft erörtert worden, weil es hier nicht um ein objektives Kriterium ging, sondern um die Einschätzung, wie präsent die Zwangsarbeiterbeschäftigung im kirchlichen Alltag war.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz stellte bereits am 28. August 2000, noch bevor die Recherchen in den Bistümern begonnen hatten, den flächendeckenden Einsatz von Zwangsarbeitern in der Kirche in Abrede.[51] Dieses Signal wurde in einer Reihe von Bistümern bereitwillig aufgegriffen, die in ihren Berichten den flächendeckenden Einsatz bestritten.[52] Dass es darüber aber keineswegs einen innerkirchlichen Konsens gibt, stellen andere Berichte klar, die - wie der Bericht aus dem Bistum Aachen - unverblümt festhalten: »Die Recherche belegt, dass der gewaltige Arbeitskräftebedarf während des Zweiten Weltkriegs auch in Einrichtungen des Bistums flächendeckend zu einer Beschäftigung von Zwangsarbeitern geführt hat.«[53]

Die Beteuerungen in einem Teil der Berichte, dass es keinen flächendeckenden Einsatz von Zwangsarbeitern gegeben habe, soll suggerieren, dass es sich um ein Randproblem handelte. Das steht allerdings in merkwürdigem Gegensatz zu der Beteuerung, dass der Einsatz der Zwangsarbeiter notwendig war.


Der Einsatz war notwendig

Sobald es nicht um die Frage nach den konkreten Zahlen oder der Frage nach der Verbreitung innerhalb der Kirche geht, sondern darum, ob die Zwangsarbeiterbeschäftigung notwendig war, herrscht in kirchlichen Kreisen ein überraschend großer Konsens: Der Einsatz von Zwangsarbeitern war notwendig. Unter Verweis auf die ökonomischen Interessen und den Arbeitskräftebedarf der kirchlichen Institutionen wird erklärt, dass ohne Rückgriff auf Zwangsarbeiter die kirchlichen Aufgaben nicht hätten erfüllt werden können.[54] Diese Argumentation scheint schlüssig zu sein, zumal damit die - nicht zu bestreitende - Beschäftigung von Zwangsarbeitern erklärt werden kann. Wenn der Einsatz von Zwangsarbeitern notwendig war, erfolgte er aus einer Zwangslage heraus. Mit ökonomischen und institutionellen Zwängen zu argumentieren, ist inzwischen auch kirchlich akzeptabel.

Allerdings gibt es auch hier Widerspruch. Die materiellen Interessen der Kirche so sehr in den Vordergrund zu stellen und mit ihnen zu argumentieren, fällt nach wie vor einigen eher konservativ eingestellten Kirchenleuten schwer. Darin äußert sich ein religiöses Unbehagen, angesichts der göttlichen Verheißung von der Ewigkeit der Kirche zu behaupten, dass Zwangsarbeiter für den »Erhalt« der Kirche notwendig waren.[55] Es äußert sich darin aber auch der Versuch, materielles Interesse und geistliches Amt der Kirche auseinanderzudividieren. Es wird mit dem geistlichen Amt als der »ureigenen Intention« der Kirche argumentiert und unterstrichen, dass die Bereitstellung von Zwangsarbeitern seitens der NS-Behörden nicht dazu dienen sollte, den geistlichen Auftrag der Kirche zu unterstützen.[56]

 

Keine Anforderung von Zwangsarbeitern

Eine von vornherein beklemmende Vorstellung für die Kirchenleitung war auch, dass kirchliche Institutionen Zwangsarbeiter direkt beim Arbeitsamt angefordert haben könnten . Im August 2000 traf der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Feststellung: "Belege, dass kirchliche Einrichtungen diese Arbeiter und Arbeiterinnen beim zuständigen Arbeitsamt angefordert hätten, sind bisher nicht bekannt."[57] Ein halbes Jahr später, im Januar 2001, formulierte er bereits vorsichtiger und beklagte, »dass es dem nationalsozialistischen Regime gelungen ist, auch uns als Kirche […] in seine völkerrechtswidrigen Machenschaften zu verstricken.« Aber er meinte, zur Ehrenrettung der katholischen Kirche feststellen zu können: »Der einzelne kirchliche Träger, dem Zwangsarbeiter zugewiesen wurden, wird wahrscheinlich kaum eine Möglichkeit gesehen haben, sich dem zu entziehen.«[58] Dabei hatten sich auch Kirchenleute durchaus bereitwillig an den »völkerrechtswidrigen Machenschaften« der Zwangsarbeiterausbeutung beteiligt. Die Berichterstatter für das Bistum Essen kamen aufgrund ihrer Forschungen zu dem Ergebnis: »[D]ass Einrichtungen um Zuweisung speziell ausländischer Arbeitskräfte gebeten haben, ist belegt«.[59]


Zwangsarbeiter wurden human behandelt

Die Behauptung, dass Menschen im Bereich der Kirche humaner behandelt werden als außerhalb der Kirche, gehört wohl zu den kirchlichen Selbsteinschätzungen, die für Außenstehende immer unbegreiflich bleiben werden. Die Vorstellung, Menschen besser zu behandeln, prägt die kirchliche Selbstwahrnehmung und Darstellung nach außen. Zum Beweis für die Richtigkeit dieser Vorstellung werden immer wieder positive Beispiele aus dem eigenen Bereich negativen Beispielen aus dem außerkirchlichen Bereich entgegengestellt. Entsprechend wird auch in den Bistumsberichten immer wieder beteuert, wie vergleichsweise gut die Zwangsarbeiter in der Kirche behandelt wurden.

Dass dies ein Trugschluss sein kann, stellt der Berichterstatter aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart klar: »Verglichen mit der brutalen Ausbeutung hungernder und misshandelter Zwangsarbeiter, wie sie aus Rüstungsbetrieben und aus dem Bergbau bekannt ist, erfuhren die Zwangsarbeiter bei kirchlichen Einrichtungen zweifelsohne eine humanere Behandlung.« Dazu sei allerdings zu bemerken, »dass dies zumindest beim Einsatz in der Landwirtschaft eher auf die Tradition der dortigen Beschäftigungsverhältnisse als auf eine dezidiert christlich-katholische Haltung zurückzuführen ist.«[60]

Zu welchen zweifelhaften Schlussfolgerungen das kirchliche Bewusstsein führt, humaner als andere zu handeln, demonstriert der Bericht aus dem Bistum Münster. Darin wird geschildert, dass sog. »fremdvölkische« Kinder amtlicherseits in ein von katholischen Schwestern geführtes Waisenhaus in Damme eingewiesen wurden und dass die Säuglingssterblichkeit in dieser Einrichtung außergewöhnlich hoch war. Es ist bekannt, dass aufgrund systematischer Vernachlässigung der Kinder die Mortalitätsrate bei Neugeborenen in solchen Einrichtungen beträchtlich war. Doch für dieses kirchliche Waisenhaus sehen die Autoren trotzdem »keine Hinweise auf eine bewusste Schlechterbehandlung der ‚fremdvölkischen’ Kinder.« Auch wenn die Säuglingssterblichkeit in dieser Einrichtung außerordentlich hoch gewesen sei, so ließe sich doch andererseits festhalten, dass sicherlich »auch das vorherrschende christliche Menschenbild dazu beigetragen haben [wird], den Müttern und Kindern ein Stück Obhut zu gewähren.«[61]

Tatsächlich konnte sich auch im Bereich der Kirche krasse Inhumanität bei der Behandlung von Zwangsarbeitern zeigen. So erkrankte im Limburger Missionshaus der Pallottiner ein „Ostarbeiter“ und wurde offenbar für arbeitsunfähig erklärt. Das hatte die Einweisung in das Vernichtungslager Hadamar zur Folge. Darüber waren die Patres informiert. Die Hauschronik vermerkt dazu: „Der eine der drei Gebrüder wurde nach einigen Wochen krank, kam dann nach einiger Zeit nach Hadamar und wurde dort nach vier Wochen beseitigt und verbrannt […]“[62] Bereits 1993 hatte die Historikerin Anna Rosmus aufgedeckt, dass sich die am Krankenhaus Hutthurm angestellten Ordensschwestern an den Zwangsabtreibungen bei „Fremdarbeiterinnen“ beteiligt hatten. Bis Kriegsende wurden dort über 200 Abtreibungen vorgenommen.[63] Die leitende Ärztin einer kirchlichen Einrichtung hielt im Abtreibungslager Waltrop Visiten, die – wie die Münsteraner Berichterstatter festhalten - „bei den Schwangeren gefürchtet waren“. Dabei war es, wie die Beispiele Recklinghausen und Ahlen zeigen, durchaus möglich, aus religiösen Gründen die Beteiligung an Zwangsabtreibungen bei „Ostarbeiterinnen“ zu verweigern.[64] Die Bischöfe hatten eine Mitwirkung im Übrigen verboten.

Im Bereich der Kirche wurden Zwangsarbeiter dann human und gleichberechtigt behandelt, wenn man sich seelsorglich um sie kümmerte. Dann wurde sich auch über staatliche Restriktionsbestimmungen bedenkenlos hinweggesetzt, ebenso, wenn es um die Gesundheitsvorsorge ging, die im Rahmen der kirchlichen Einrichtungen geübt wurde. Kirchliche Arbeitgeber hatten vonseiten der Kirchenleitung keine Vorgaben, wie sie sich den Zwangsarbeitern gegenüber verhalten sollten. Das war auch schon mit Rücksicht auf die Forderungen des NS-Regimes nicht tunlich. Ob die Behandlung der einzelnen Zwangsarbeiter human oder inhuman ausfiel, war daher situations- und personenabhängig. Die staatlich geforderte systematische Separierung von deutschen und ausländischen Arbeitskräften wurde anscheinend jedoch in der Regel nicht befolgt.[65]


Entlohnung von Zwangsarbeitern

Die Entlohnung von Zwangsarbeitern ist für die Kirche schließlich ein heikles Thema, dem bei den Recherchen in den Bistümern allzu oft aus dem Weg gegangen wurde.

Frühzeitig hatte sich die Deutsche Bischofskonferenz darauf festgelegt, dass die Fremdarbeiter »wie vergleichbare deutsche Arbeitskräfte entlohnt« worden waren.[66] Diese Behauptung ließ sich schon bald nicht mehr aufrechterhalten. Die Berichterstatter der Diözese Essen stellen zusammenfassend fest: »Auswertungen von Lohnunterlagen zeigen, dass katholische Einsatzträger die Entlohnung der ausländischen Zivilarbeiter streng nach rassischen Kriterien vornahmen.«[67]

Gerade was die Entlohnung der Zwangsarbeiter anbelangt, sind vergleichsweise viele Quellen erhalten geblieben. Wenn sie, wie von den Essener Berichterstattern, sorgfältig ausgewertet werden, spiegeln sie offenbar ein rassisch bestimmtes Entlohnungssystem wider. Doch eine sorgfältige Auswertung dieser Quellen ist in den meisten Berichten nicht vorgenommen worden. Stattdessen wird auf die Lohnunterlagen Bezug genommen, ohne im Einzelnen zu dokumentieren, wie die Entlohnung tatsächlich gewesen ist. Beispielhaft für die verschleiernde Behandlung der Lohnfrage ist der Bericht aus Trier: »In puncto Entlohnung ist zu sagen, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Zahlung zu den unterschiedlichsten Konditionen nachgewiesen werden kann. Angesichts der bisher bekannten Daten anderer Bistümer bewegen sich die Verhältnisse im Bistum Trier im Rahmen des zu Erwartenden«.[68] Auch wird in vielen Berichten gern von übertariflicher Entlohnung und Sonderzahlungen an Zwangsarbeiter berichtet, ohne eine nachprüfbare Analyse der Quellenmaterialien zu liefern.[69]

Die Forderung nach einem »gerechten Lohn« gehört zu den Grundforderungen der katholischen Soziallehre (Enzyklika Pius XI. "Quadragesimo anno", 1931). Deshalb ist die Frage nach der Entlohnung von Zwangsarbeitern für das kirchliche Selbstverständnis von zentraler Bedeutung. Es ist ein gravierender Mangel der Forschungen, dass die Lohnfrage in den meisten Berichten nicht gestellt wurde. Wenn die Kommission für Zeitgeschichte in ihrer historischen Einführung schreibt: »Über die in katholischen Einrichtungen geleisteten Lohnzahlungen ist nur wenig bekannt« [70], dann ist das nur richtig, weil wenig getan wurde, um die Entlohnungspraxis der Kirche bekannter zu machen.

Nach den Ergebnissen der Studien von Anne Ostermann über die Zwangsarbeit im Erzbistum Köln lässt sich festhalten, dass es - anders als die oftmaligen Regelübertretungen im zwischenmenschlichen Zusammenleben mit den Zwangsarbeitern - im Bereich der Entlohnung ein striktes Festhalten an den diskriminierenden Vorgaben des NS-Regimes gab.[71]


Zusammenfassung

Die Ausstrahlung eines Fernseh-Beitrags und die sich daran anschließende öffentliche Diskussion in den Medien nötigte die katholische Kirche, sich mit der Beschäftigung von Zwangsarbeitern in den eigenen Reihen auseinanderzusetzen. Das Problem ließe sich aber weiter zurückverfolgen. Wenn man in der historischen Einleitung des Kommissions-Sammelbandes nach einem Abschnitt sucht, in dem dargestellt wird, wie die katholische Kirche während der NS-Zeit die Versklavung von Millionen von »Fremdarbeitern« als mit der christlichen Überlieferung nicht vereinbar verurteilt hat, wird man enttäuscht. Eine solche eindeutige Verurteilung hat es nie geben.[72] Zu diesen nicht nur »völkerrechtswidrigen Machenschaften«, sondern auch zutiefst menschenverachtenden Maßnahmen des Regimes hat die Kirche geschwiegen. Die einzelnen katholischen Einrichtungen waren in der Zwangsarbeiterfrage auf sich gestellt, von ihren Oberen hatten sie keine Leitlinien erhalten. Sie handelten nach ihrem Gutdünken, wenn sie sich der Dienste der Zwangsarbeiter bedienten. Das Verhalten gegenüber den »Fremdarbeitern« konnte den einfachen Grundsätzen der Nächstenliebe und Menschlichkeit genügen, aber auch die Grenzen zur Inhumanität überschreiten.

Ein Unrechtsbewusstsein, was die Beschäftigung von Zwangsarbeitern anbelangte, gab es jedenfalls nicht. Allenfalls wurde es geweckt, als die Alliierten in Deutschland einzogen, die die nun befreiten Zwangsarbeiter nach ihrer Behandlung durch ihre Dienstherren befragten. Aber angesichts der Exzesse in der Rüstungsindustrie und im Bergbau blieb die Zwangsarbeiterbeschäftigung in der katholischen Kirche von den Besatzern unbeachtet und fiel auch in der Kirche rasch der Vergessenheit anheim.

Bei der „Entschädigung“ ging die katholische Kirche ihren eigenen Weg, was für die Betroffenen zweifellos positiv war, denn es wurde aktiv nach ihnen gesucht. Von der Bundesstiftung hätten sie, auch bei Stellung eines Antrages, in keinem Fall eine Entschädigung erhalten.

Die Recherche zog sich über Jahre hin und wurde von einem Heer von Wissenschaftlern und Archivaren ausgeführt, die sich mit allen Aspekten der Zwangsarbeiterproblematik vertraut machen konnten. Dies sollte gewiss auch der Aufarbeitung der kirchlichen Verstrickungen in ein verbrecherisches System dienen, stieß aber in vielen Fällen auf das zählebige Bedürfnis nach apologetischer Rechtfertigung des kirchlichen Verhaltens.

Das Aufgreifen der Begriffe „antagonistische Kooperation“ und „kooperativer Antagonismus“ durch die Kommission für Zeitgeschichte zeigt an, dass die kirchennahe Katholizismusforschung versuchte, sich mit den kollaborativen Tendenzen des verfassten katholischen Christentums auseinanderzusetzen, es allerdings nicht vermochte, aus der Sackgasse der jahrzehntelang betriebenen katholisch-historischen Apologetik herauszufinden.

Impulse für eine kirchlich-zeitgeschichtliche Neuorientierung gingen daher nicht von der zentralen Forschungsinstitution der Deutschen Bischofskonferenz, sondern von Mitarbeitern der Diözesen aus, die sich bemühten, den ehemaligen Zwangsarbeitern der katholischen Kirche Recht zu verschaffen. Ihre Anstrengungen wurden dankenswerterweise im Zwangsarbeiter-Sammelband der Kommission für Zeitgeschichte dokumentiert.


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[1] Gutachten Jochen-Christoph Kaiser, in: (/ojs2/index.php/tg/article/view/170/196.
[2] Ebd.
[3] Vgl. dazu August H. Leugers-Scherzberg, Unwillige Historiker. Die Aufarbeitung der Vergangenheit der deutschen Geschichtswissenschaft seit den 1990er Jahren, in: Lucia Scherzberg (Hg.), Theologie und Vergangenheitsbewältigung. Eine kritische Bestandsaufnahme im interdisziplinären Vergleich, Paderborn u.a. 2005, S. 89-102.
[4]Presseerklärung Hammerschmidt vom 12. Juli 2000, zit. nach Karl-Joseph Hummel, Fremdarbeiter in Einrichtungen der katholischen Kirche 1939-1945. Forschung, Entschädigung und Versöhnung, in: Historisches Jahrbuch 122 (2002), S. 531–558, hier: S. 537.
[5]Hummel, Fremdarbeiter, S. 537.
[6]Ebd.
[7]Karl Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000 in Mainz, in: Karl-Joseph Hummel/ Christoph Kösters (Hg.), Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945. Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung ; eine Dokumentation, Paderborn 2008, S. 556–565, hier: S. 556.
[8]Christoph Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945. Eine historische Einführung, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 27–127, hier: S. 117; vgl. dazu auch den Artikel „Zwangsarbeiter. ‚Spitze des Eisbergs’, in: Der Spiegel Nr. 29 vom 17. Juli 2000, S. 18.
[9]Kösters, Zwangsarbeit, S. 118.
[10] Ebd., S. 119.
[11]Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000, S. 563.
[12]Hammerschmidt in der ARD-Sendung „Tagesthemen“ vom 17. Juli 2000, zit. nach Hummel, Fremdarbeiter, S. 537.
[13]Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945.
[14]Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000, S. 556.
[15]Kösters, Zwangsarbeit, S. 118.
[16]Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000, S. 557.
[17]Bei der Buchvorstellung des Sammelbandes wurde auch von der Kommission für Zeitgeschichte nicht berichtet, dass sie entscheidende Beiträge für den Fortgang der Recherchetätigkeit in den Bistümern geleistet habe, vgl. Statement von Karl-Josef Hummel bei der Präsentation der Gesamtdokumentation »Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945. Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und Versöhnung« am 8. April 2008 in Mainz, in: Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 8.4.2008, S. 3.
[18]Herbert Aderbauer, Bistum Rottenburg-Stuttgart, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 458–475, hier: S. 459.
[19]Ebd., S. 458.
[20]Erik Soder von Güldenstubbe, Bistum Würzburg, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 502–520, hier: S. 505.
[21]Hans Langendörfer, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, an die deutschen Bischöfe und Generalvikare vom 05. Dezember 2000, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 570–584, hier: S. 571.
[22]Hummel, Fremdarbeiter.
[23] Der Einwand von Jochen-Christoph Kaiser, dass es sich hierbei nicht um ein erkenntnisleitendes Interesse, sondern um eine methodische Neuausrichtung handelt, ist zutreffend und daher hier gestrichen.
[24]Die Referate finden sich in: Karl-Joseph Hummel/Christoph Kösters, (Hg.), Kirchen im Krieg. Europa 1939-1945, Paderborn u.a. 2007.
[25]Statement Hummel vom 8. April 2008, S. 5.
[26]Winfried Süß, Antagonistische Kooperationen. Katholische Kirche und nationalsozialistisches Gesundheitswesen in den Kriegsjahren 1939-1945, in: Hummel/Kösters, Kirchen im Krieg, S. 317-341, hier: 341.
[27]Karl-Joseph Hummel/ Christoph Kösters, Zur Einführung, in: dies., Kirchen im Krieg, S. 17.
[28]Kösters, Zwangsarbeit, S. 54.
[29]Ebd., S. 30.
[30]Ebd., S. 69.
[31]Ebd., S. 71.
[32]Statement Hummel vom 8. April 2008, S. 6.
[33]Wenn in Besprechungen dieses Bandes herausgestellt wurde, wie viel ungewohnt Selbstkritisches dieser Band der Kommission für Zeitgeschichte enthält, dann bezieht sich das auf diese Berichte. Vgl. etwa Hajo Goertz, Aufarbeitung der Kirchengeschichte. Karl Josef Hummel und Christoph Kösters dokumentieren "Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945". Deutschlandradio vom 26.05.2008. Online verfügbar unter http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/791508/, zuletzt geprüft am 20.08.2008.
[34]Edgar Kutzner, Bistum Fulda, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 271–281, hier: S. 271.
[35]Daniel Lorek, Bistum Magdeburg, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 344–354, hier:: S. 344f.
[36]Ebd., S. 348f.
[37]Martin Colberg, Erzbistum Hamburg, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 285–288, hier: S. 286.
[38]Ursula Pruss, Erzbistum Berlin, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 197–210, hier: S. 200.
[39]Peter Möhring/Ulrich Wagener, Erzbistum Paderborn, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 418–434, hier: S. 418.
[40]Vgl. dazu Christoph Kösters, Der Entschädigungsfonds der deutschen Bischöfe: Arbeitsauftrag, Arbeitsweise und Ergebnisse, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 521–533, hier: S. 526.
[41]Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000, S. 558ff.
[42]Kösters, Entschädigungsfonds, S. 530.
[43]Ulrich Helbach, Erzbistums Köln, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945,S. 303–322, hier: S. 319.
[44]Vgl. etwa Martin Annen/ Baldur Hermans, Bistum Essen, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 241–255, hier: S. 246. Die Essener Arbeitsgruppe, die mit viel Engagement, Findigkeit und Akribie zu Werke gegangen ist und 282 Zwangsarbeiter im kirchlichen Dienst ermitteln konnte, schätzt die tatsächliche Zahl auf mindestens 400-450. Vgl. auch Peter Pfister/Volker Laube, Erzbistum München und Freising, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 373–389, hier: S. 375.
[45]Lorek, Bistum Magdeburg, S. 349.
[46]Michael Meiser/Martin Persch, Bistum Trier, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 489–501, hier: S. 490.
[47]Artikel „Studie: In katholischen Einrichtungen im Bistum waren 224 Zwangsarbeiter tätig“, in: Paulinus. Wochenzeitung im Bistum Trier, Nr. 16 vom 20. April 2008, S. 1.
[48]Uwe Kaminsky, Zwangsarbeit in Evangelischer Kirche und Diakonie, in: Hummel/Kösters, Kirchen im Krieg, S. 343-362, hier: S. 350.
[49]Vgl. Kösters, Zwangsarbeit, S. 51.
[50] Der Vorwurf von Jochen-Christoph Kaiser, ich versuchte durch eine Kritik an der ermittelten Zahlen zur Zwangsarbeiterbeschäftigung und ihre öffentliche Verwendung die Verantwortung der Kirche hoch zu addieren, ist deshalb nicht schlüssig. Zum Umfang der Zwangsarbeiterbeschäftigung im kirchlichen Bereich und ihrer Wertung vgl. jetzt auch Anne Ostermann, Zwangsarbeit im Erzbistum Köln. Kirchliche Einrichtungen und ausländische Zivilarbeiter während des Zweiten Weltkrieges, Siegburg 2011, S. 213ff.
[51]Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000, S. 558ff.
[52]Meiser/Persch, Bistum Trier, S. 497.
[53]Jeanine Freches/Birgit Osterholz-Kootz, Bistum Aachen, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 159–176, hier: S. 160.
[54]Vgl. dazu etwa Kösters, Zwangsarbeit, S. 71, 83; Freches/Osterholz-Kootz, Bistum Aachen, S. 160.
[55]Vgl. dazu Birgit Mitzscherlich, Bistum Dresden-Meißen, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 211–223, hier: S. 217: »Die Zwangsarbeiter waren zum 'Erhalt' der Kirche nicht notwendig.«
[56] Soder von Güldenstubbe, Bistum Würzburg, S. 513f.
[57]Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000, S. 560.
[58]Karl Lehmann, Unrecht der Geschichte - Perspektiven der Versöhnung. Ansprache anlässlich der Eröffnung des Versöhnungsfonds am 30. Januar 2001 in Mainz, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 584–593, hier: S. 587.
[59]Annen/Hermans, Bistum Essen, S. 249.
[60]Aderbauer, Bistum Rottenburg-Stuttgart, S. 468.
[61]Peter Sieve/Bernhard Frings, Bistum Münster, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 390–404, hier: S. 400.
[62]Joachim Rotberg/Thomas Schüller/Barbara Wieland, Bistum Limburg, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 323–343, hier: S. 331f. Zu einem anderen Beispiel mangelnder Fürsorgepflicht vgl. Hermann Queckenstedt, Bistum Osnabrück, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 405–417, hier: S. 412.
[63]Herbert W. Wurster, Bistum Passau, in: Hummel/Kösters, Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939 - 1945, S. 435–444, hier: S. 435, 441.
[64]Sieve/Frings, Bistum Münster, S. 399.
[65] Vgl. dazu jetzt, Ostermann, Zwangsarbeit, S. 214ff.
[66]Lehmann, Presseerklärung vom 29. August 2000, S. 561; Lehmann, Unrecht der Geschichte, S. 585.
[67]Annen/Hermans, Bistum Essen, S. 250, vgl. dazu auch Aderbauer, Bistum Rottenburg-Stuttgart, S. 467.
[68]Meiser/Persch, Bistum Trier, S. 496.
[69]Vgl. dazu Möhring/Wagener, Erzbistum Paderborn, S. 424; Mitzscherlich, Bistum Dresden-Meißen, S. 217.
[70]Kösters, Zwangsarbeit, S. 82.
[71] Ostermann, Zwangsarbeit, S. 217.
[72] Im gegen Widerstände in der Bischofskonferenz hart erstrittenen (dazu: Antonia Leugers, Gegen eine Mauer bischöflichen Schweigens, Frankfurt a. M. 1996, S. 274-289) Dekaloghirtenbrief von 1943 hieß es lediglich, die Bischöfe träten für jene, die sich am wenigsten selber helfen könnten, ein: Die Jugend, "für die schuldlosen Menschen, die nicht unseres Volkes und Blutes sind, für die Ausgesiedelten, für die Gefangenen oder fremdstämmigen Arbeiter, für deren Recht auf menschenwürdige Behandlung und auf sittliche wie religiöse Betreuung". Hirtenbrief des deutschen Episkopats II, 19.8.1943, in: Ludwig Volk (Bearb.), Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-1945, Bd. VI 1943-1945, Mainz 1985, S. 205.

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