Wilfried Loth
“Die Gemeinschaftsmethode Jean Monnets ”
(Abstract des Referats auf der Fachtagung „Theologie und Vergangenheitsbewältigung III. Gemeinschaftskonzepte im 20. Jahrhundert zwischen Wissenschaft und Ideologie “ vom 09. bis 11. Januar 2009)
Jean Monnet lässt sich am besten als ein „selfmademan
internationaler Wirtschaftsorganisation“ charakterisieren. Seinen
Erfolg hatte er einigen Prinzipien zu verdanken, die er – ganz
Pragmatiker – instinktiv entwickelte und die man als die Grundlagen der
Monnet-Methode bezeichnen könnte. Dazu gehörte zunächst
einmal die möglichst vorurteilsfreie und scharfsinnige Analyse des
Problems, das jeweils zu lösen war; hier halfen Monnet neben
seiner wachen Intelligenz auch die Kenntnis der unterschiedlichen
Verhältnisse in den vielen Ländern, die er bereist hatte.
Wichtig war sodann die Überzeugung von Menschen, auf die es ankam,
unter Umgehung von administrativen Verfahren und hierarchischen
Strukturen, die schlicht nicht mehr problemadäquat waren; auf
diese Weise schuf er sich ein immer größer werdendes Netz
von Vertrauten in den unterschiedlichsten Ländern, auf die er
immer wieder zurückgreifen konnte. Drittens empfahl er zur
Lösung des jeweils identifizierten Problems die Schaffung von
Organisationen, die die Beteiligten in der einen oder anderen Weise
einbanden: Alle Beteiligten sollten ihre Interessen artikulieren
können, gleichzeitig aber verpflichtet werden, gemeinsam
festgelegte Regelungen im übergeordneten gemeinsamen Interesse zu
akzeptieren.
Eine stärkere Konturierung erhielt Monnets Gemeinschaftsmethode
bei Kriegsende im Zuge der Konzentration auf die Probleme des
französischen Wiederaufbaus. Im nationalen Planungsrat und den
Modernisierungskommissionen, die er als Planungskommissar des
Ministerpräsidenten berief, sollten alle „lebendigen Kräfte
des Landes“ an der Erarbeitung des Modernisierungsplans beteiligt
werden, unter Umgehung bürokratischer Strukturen und jenseits von
parlamentarischen Schaukämpfen und mit dem Ergebnis, dass sie alle
diesen Plan als ihren eigenen betrachteten und er daraus seine
Autorität und seine Wirksamkeit bezog. Ein Höchstmaß an
Expertise und angemessene Kompromisse zwischen den beteiligten Parteien
sollten zu optimalen Entscheidungen führen.
Die Montanunion als erste Institution europäischer
Gemeinschaftsbildung ist in doppelter Hinsicht von Monnets
Gemeinschaftsmethode geprägt worden, sowohl hinsichtlich der
Aufgabenstellung als auch im Hinblick auf die Arbeitsweise. Die Hohe
Behörde sollte, besetzt mit kundigen der nationalen
Administrationen und der Arbeitswelt, für eine faire und
möglichst produktivitätsorientierte Verteilung der Rohstoffe
sorgen, gleiche Marktbedingungen in allen beteiligten Ländern
herstellen, Anreize zur Modernisierung geben, gemeinsame
Exportstrategien entwickeln und für einen Gleichklang in der
Verbesserung der Arbeitsbedingungen sorgen.
Eine weitere Form des organisierten Dialogs war dann das
„Aktionskomitee für die Vereinigten Staaten von Europa“, das Jean
Monnet nach dem Ende seines Mandats als Vorsitzender der Hohen
Behörde 1955 ins Leben rief. Es sollte eine repräsentative
Gruppe von Politikern und Gewerkschaftsführern sein, die, von
Monnet persönlich berufen, Vorschläge zum Fortgang der
europäischen Integration machte und durch ihren Einfluss in den
jeweiligen Parteien und Ländern dazu beitrug, dass diese
Vorschläge
auch umgesetzt wurden. Nicht auf die Mobilisierung der
Öffentlichkeit
kam es ihm dabei an, sondern auf die direkte Einflussnahme auf die
politisch
Verantwortlichen. Seinen eigenen Einfluss auf die Mitglieder des
Komitees
suchte er durch deren jeweiligen Einfluss zu potenzieren.
Insgesamt bestand Monnets Rolle also in der Verbindung von politisch
und gesellschaftlich Verantwortlichen über bestehende
institutionelle und nationale Grenzen und Hierarchien hinweg und der
Förderung ihrer Verständigung über die Lösung
gemeinsamer Probleme. Insofern dabei bestehende, nicht mehr
problemadäquate Strukturen übergangen und neue geschaffen
wurden, erwies er sich als ein höchst effizienter Agent der
Modernisierung. Da die meisten dieser Probleme auf zwischenstaatlicher,
internationaler Ebene angesiedelt waren und die wirtschaftlichen
Zusammenhänge betrafen, wird man ihn als einen Gestalter der
Globalisierung bezeichnen können.
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