Schlusswort der Zweiten Internationalen Theologinnenkonferenz zum
Thema "Der Beitrag des Protestantismus zur Überwindung
struktureller Gewalt" 9.- 13.9.2009 in Mikolajki / Polen
Unter diesem Thema fand die zweite Internationale
Theologinnenkonferenz im masurischen Mikolajki / Polen in einer
Kooperation zwischen der synodalen Frauenkommission und der Diakonie
der Evangelisch-Augsburgischen Kirche
in Polen, dem Evangelischen Bund (EB), Konfessionskundliches und
Ökumenisches Arbeitswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) und der Frauenarbeit im Gustav-Adolf-Werk (GAW), Diasporawerk der
EKD, statt. Diese Konferenz schloss sich an die Internationale
Theologinnenkonferenz 2007 in Sorkwity / Polen an.
Die 30 Teilnehmerinnen kamen aus Polen, Deutschland, Russland, Lettland
und Brasilien. Die polnischen und lettischen Theologinnen befinden sich
innerhalb ihrer lutherischen Kirchen in einer vergleichbaren Situation.
Trotz qualifizierter theologischer Hochschulausbildung werden sie in
ihren Kirchen nicht ordiniert. Die lutherischen Theologinnen in Polen
warten seit langem darauf, ihre Berufung ganz leben zu können,
während in der Lettischen Lutherischen Kirche die Ordination von
Frauen 1975 eingeführt, aber 1992 wieder ausgesetzt wurde. Damit
erleben die Frauen auch heute noch strukturelle Gewalt, wie
sie über viele Jahrhunderte eine Frauenerfahrung im kirchlichen,
auch protestantischen Bereich gewesen ist. Strukturelle Gewalt ist oft
unsichtbar,
lautlos, systemimmanent, auch nicht intendiert. Sie wird ausgeübt
durch
ungerechte gesellschaftliche und kirchliche Strukturen.
Diese Konferenz stand im Rahmen der Dekade zur Überwindung von
Gewalt (2001-2010), die durch den Ökumenischen Rat der Kirchen
(ÖRK)
angestoßen wurde. So wurden während der Konferenz auch
verschiedene
Projekte in Polen zu dieser Thematik vorgestellt.
Bischöfin i. R. Bärbel Wartenberg-Potter (Deutschland), eine
Frau mit vielfältiger ökumenischer und kirchenleitender
Erfahrung, bereicherte die Konferenz durch ihr Referat zur Frage
legitimer Macht und struktureller Gewalt, sowie durch ihre Predigt
im Gemeindegottesdienst am Sonntagmorgen.
“Wir brauchen Mut, mit dem Thema ´Strukturelle
Gewalt` in die Öffentlichkeit zu gehen”, betonte die
Bischöfin. “Auch die Kirchen halten an alten
unterdrückenden Strukturen fest und schließen damit wichtige
Gaben
zur Auferbauung des Leibes Christi - der Kirche - aus.”
Den biblischen Bezugspunkt der Konferenz bildete die Geschichte von der
Begegnung Jesu mit der Samariterin (Johannes 4). In dem Gespräch
zwischen Jesus und der Frau am Jakobsbrunnen werden religiöse und
gesellschaftliche Grenzen überwunden.
Die soziologischen, politologischen und theologischen Referate zu
struktureller Gewalt beleuchteten das Thema jeweils aus polnischer und
deutscher Sicht. Besondere Anregungen brachten Gespräche mit den
brasilianischen, lettischen und russischen Pfarrerinnen, die die
Situation in den jeweiligen Ländern und Kirchen kritisch
reflektierten.
Die Konferenz bot auch die Möglichkeit einer stärkeren
Vernetzung untereinander und war eine Inspiration für weitere
theologische Arbeit. Sie hat den Wunsch der Theologinnen bestärkt,
ihren Dienst in allen
kirchlichen Ämtern ausüben zu können. Den Kirchen fehlt
eine
entscheidende Dimension der Wirklichkeitswahrnehmung, solange sie
Frauen
von bestimmten Ämtern ausschließen.
Bis in die Gegenwart hinein besitzen weitgehend Männer die Deutungshoheit der Heiligen Schrift. Dadurch haben sie die Normen und Strukturen der Kirche bestimmt. Nach der reformatorischen Erkenntnis von der alleinigen Grundlage der Heiligen Schrift und vom Priestertum aller Gläubigen gibt es keine theologische Begründung, Frauen und ihre Gaben und Erfahrungen auszuschließen und ihnen den Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu verweigern.
Die Theologinnenkonferenz richtet sich an die verantwortlichen Gremien der Kirchen, sich mutig zu öffnen für die notwendigen Veränderungen ihrer Strukturen, damit sie in der Welt ein glaubwürdiges Zeugnis sind von einer gerechten Gemeinschaft von Frauen und Männern. Überall in Europa ist die Ordination von Frauen ein unerlässliches Erfordernis und eine Bereicherung.
Mikolajki, 13.09.2009
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