Manfred Heim, Von Ablass bis Zölibat. Kleines Lexikon der Kirchengeschichte, München 2008, Beck-Verlag, 14,95 EUR, 461 S., ISBN: 9783406573569
Sein Hauptziel in den „Grund- und Aufbauwortschatz der Kirchengeschichte einführen, erste Begriffsbestimmungen ihrer komplexen Fachsprache leisten und Orientierung geben“ (Vorwort, S. 7) hat das „Kleine Lexikon der Kirchengeschichte“ sicherlich erreicht. Neben Informationen über Vergangenheit und Gegenwart der christlichen Kirchen finden sich im Lexikon knapp und präzise erklärt Schlüsselbegriffe aus den Bereichen Theologie, Kirchen-, Rechts-, Kunst- und Kulturgeschichte. Vor diesem Hintergrund stellt das Lexikon ein gutes Hilfsmittel für diejenigen Leser dar, die im weiten Feld der Kirchengeschichte erste Orientierungen suchen. Die Stärken des Lexikon liegen dabei gerade im Bereich der Begriffsklärungen sowie in den weiterführenden Hinweisen im Anhang (einschlägige Literatur, chronologische Papstliste, Liste der Ökumenischen Konzilien und Ordensbezeichnungen).
Im Vergleich zu der 1998 erschienen ersten Auflage erscheint das Schriftbild der zweiten Auflage des „Kleinen Lexikons der Kirchengeschichte“ deutlich aufgelockert und übersichtlicher. Gleichzeitig ist bei der Neuauflage eine Tendenz zur Ökonomisierung zu konstatieren. So wurde z.B. die Abkürzung „AAS“ als eigenständiges Stichwort aufgegeben und wird nun unter dem Stichwort „Acta Apostolicae Sedis (lat., abgekürzt ASS)“ (S. 15) geführt. Die annähernd 3300 Begriffe wurden von Herausgeber Manfred Heim außerdem um wichtige Stichwörter wie z. B. Abgott, Abgötterei; Aedificium; analogia entis oder Beichtgeheimnis ergänzt.
Zu beachten ist, dass sich das Lexikon aus reinen Sachartikeln zusammensetzt, so dass Personen der Kirchengeschichte nicht mit eigenen Artikeln vertreten sind. Ausnahmen von der Konzentration auf Sachartikel bilden die Personenartikel „Jesus“ (S. 202-204) sowie „Päpstin Johanna“ (S. 314-315). Auch findet sich auf den Seiten 449-453 eine chronologische Liste der Papstnamen seit Petrus. Als problematisch erweist sich, dass die Personen, die in den Sachartikeln erwähnt werden nicht gezielt auffindbar sind, da ein Namensregister fehlt. Das gleiche gilt für die Tatsache, dass die mitunter recht knappen Sachartikel keine weiterführenden Literaturangaben bieten.
Im Hinblick auf die Auswahl der Stichwörter können einige Anfragen an das Lexikon gestellt werden. So erstaunt es, dass im Lexikon wichtige Begriffe wie „Feministische Theologie“ oder „Frauenordination“ lediglich unter dem Stichwort „Frau“ subsumiert sind. Hier wäre eine intensivere Betrachtung der beiden Phänomene in gesonderten Abschnitten wünschenswert gewesen, vor allem da solche Themen wie „Befreiungstheologie“ (S. 50) oder „Liberale Theologie“ (S. 267-268) als selbstständige Stichwörter aufgeführt werden.
Auch das Stichwort „Nationalsozialismus“ bzw. „Kirchen und Nationalsozialismus“ fehlt im Lexikon. Demgegenüber beinhalten sowohl LThK als auch TRE und RGG Artikel dieses Inhaltes. Die komplexe Beziehung zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus wird von Manfred Heim allerdings im Abschnitt „Antisemitismus“ (S. 29-30) knapp skizziert: „Als mit dem Christentum unvereinbar wurde der Antisemitismus von der katholischen Kirche seit 1931 in Hirtenbriefen und Ansprachen verurteilt, in feierlicher Form in der in den Kirchen Deutschlands verlesenen Enzyklika Papst Pius XI. „Mit brennender Sorge“ von 1937, was zu schweren Angriffen und Sanktionen gegen Mitglieder des Klerus und kirchliche Einrichtungen führte“ (S.29). Der Artikel „Kirchenkampf“ (S. 231-232) spricht außerdem von den „…willkürlichen Zwangs- und Unterdrückungsmaßnahmen des Nationalsozialismus gegen die Kirchen in Deutschland…“ (S. 231) sowie von zahlreichen Persönlichkeiten des Widerstands und Blutzeugen (S. 232), die sich im Kampf gegen den Nationalsozialismus engagierten.
Der klaren Darstellung der Kirchen als Opfer des Nationalsozialismus steht die Frage der kirchlichen Schuld am Nationalsozialismus gegenüber. Diese Frage wird von Manfred Heim bezüglich der katholischen Kirche im Abschnitt „Antisemitismus“ beantwortet: „Eine kollektive Mitschuld der katholischen Kirche besonders Papst Pius XII. am Holocaust lehnte der Apostolische Stuhl in einer offiziellen Erklärung der <<Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden>> vom 16. März 1998 zwar ab, bekannte aber ausdrücklich […] ihr tiefes Bedauern über das Versagen ihrer Söhne und Töchter aller Generationen…“ (S.30). Auch der Abschnitt „Mea culpa“ (S. 280-281) befasst sich mit der kirchlichen Schuldfrage. Auf katholischer Seite rekurriert der Artikel auf die öffentliche Vergebungsbitte Papst Johannes Pauls II. am 12. März 2000, in der der Papst zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit der eigenen, durch Sühne und Schuld entstellten Vergangenheit aufrief (Vgl. S.281). Auf evangelischer Seite verweist „Mea culpa“ auf das Bekenntnis des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Wolfgang Huber vom 27.1.2008 „…zur Schuld der Kirche an diesen Geschehnissen durch Tun und Lassen.“ (S.282).
Es zeigt sich somit, dass sich im Lexikon an unterschiedlichen Stellen Hinweise zur Beziehung Kirchen-Nationalsozialismus finden, die jedoch besser in einem eigenen Artikel zum Thema „Kirchen und Nationalsozialismus“ vereinigt worden wären. Da das Lexikon bereits einen Artikel zum Thema „Kirche und Staat“ (S.226-228) enthält, sollte die Aufnahme des Stichwortes „Kirchen und Nationalsozialismus“ kein allzu großes Problem darstellen.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass das „Kleine Lexikon der Kirchengeschichte“ trotz der obigen Anfragen vor allem für Studenten einen verständlich aufbereiteten ersten Zugang zur Kirchengeschichte darstellt.
Rezensentin:
Katharina Peetz
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