Rainer Hering
Paul Schütz: Die Politische Religion. Eine Konzeption aus dem Jahr 1935
1. Einleitung
Der Paradigmenwechsel von strukturorientierten sozialgeschichtlichen Fragestellungen hin zu handlungs- und motivorientierten kulturgeschichtlichen Themen innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft hat in jüngster Zeit auch dazu geführt, dass das in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte Konzept der „Politischen Religion“ wieder an Bedeutung gewonnen hat. Heute wie damals wird es vor allem zur Interpretation des „Dritten Reiches“ herangezogen. Rezipiert werden dabei vornehmlich die Arbeiten von Eric Voegelin (1901-1985) und Raymond Aron (1905-1983), die ihre Ansätze 1938 bzw. 1939 publizierten.
Für die Auseinandersetzung über die Tragfähigkeit dieses theoretischen Konzepts dürfte es nicht uninteressant sein, dass der Theologe Paul Schütz (1891-1985) bereits drei Jahre zuvor ein Manuskript mit dem Titel „Die politische Religion. Eine Untersuchung über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte“ fertig gestellt hatte, das er aber nicht publizierte.[1] Schütz ist als Theologe heute nur wenig bekannt, obwohl seine zahlreichen Schriften vielfach hohe Auflagen erzielten.[2] Nichtsdestotrotz zählt der Baseler Theologe Heinrich Ott (Jahrgang 1929) Schütz neben Karl Barth (1886-1968), Emil Brunner (1889-1966), Rudolf Bultmann (1884-1976) und Paul Tillich (1886-1965) zu den „Vätern“ der protestantischen Theologie nach dem Ersten Weltkrieg.[3]
Der von Schütz formulierte, bislang unbekannte theologische Ansatz einer „Politischen Religion“ wird hier erstmals umfassend dargelegt. Dazu werden zunächst die Leitgedankens des heute verwendeten Konzepts der „Politischen Religion“ vorgestellt und in den Kontext der Diktaturforschung eingeordnet. Anschließend wird der biographische und theologische Kontext ausgeführt, in dem Paul Schütz in den dreißiger Jahren wirkte, und schließlich wird sein Konzept der politischen Religion analysiert. Abschließend werde ich dazu einige kritische Anmerkungen machen.
2. Das Konzept der „Politischen Religion“
In der Diktaturforschung konkurrieren verschiedene Untersuchungsansätze, die beanspruchen, zu einer sachgerechten und umfassenden Analyse von modernen diktatorischen Regimen zu gelangen.[4] Weit verbreitet sind die Totalitarismus- oder die Faschismus-Theorie für eine bestimmte Gruppe von totalitären Herrschaftsformen.[5] Seit einiger Zeit wird das in den dreißiger Jahren entstandene Interpretationsmodell der politischen Religion wieder herangezogen. Es nimmt aber eher eine Randposition ein. So hat lediglich Michael Burleigh (Jahrgang 1955) eine Geschichte des „Dritten Reiches“ vorgelegt, die neben dem Totalitarismus-Konzept auf dem der „Politischen Religion“ beruht.[6]
Das Paradigma der politischen Religion untersucht mit einer ideengeschichtlichen Herangehensweise die psychischen Dispositionen und Mechanismen bestimmter totalitärer Herrschaftsformen und erklärt vor allem die mit ihr verbundenen Symbole, ihr Charisma, ihre Mythen und ihre liturgischen Formen. Totalitäre Regime zielen auf umfassende Deutung der Wirklichkeit, auf Sinnstiftung und ein konkretes diesseitiges Heilsangebot, das in dem jeweiligen Staat verwirklicht werden soll. Damit nehmen sie religiöse Züge an und tendieren dazu, die etablierten Religionsgesellschaften zu marginalisieren bzw. ganz zu verdrängen. Die für moderne Gesellschaften typische funktionale Differenzierung von Politik und Religion wird somit aufgehoben. Eine neue Dimension von Erlösung und ihrer politische Realisierung wird eingeführt, die Emilio Gentile als „Sakralisierung“ des politischen Zentrums bezeichnet hat. Politische Religionen bieten mit einer als revolutionär begriffenen Politik innerweltliche Erlösungsdoktrinen an, die sie missionarisch verbreiten wollen. Sie erwarten eine vollständige Identifikation mit ihren jeweiligen inhaltlichen Vorstellungen und verfolgen Andersdenkende. Politik steht dabei immer an erster Stelle, das entsprechende politische System mit seinen Akteuren und Institutionen wird zum sakralen Handlungsbereich.[7]
Zurückgegriffen wird dabei in erster Linie auf die 1938 vom Wiener Philosoph und Politikwissenschaftler Eric Voegelin publizierte Schrift Über politische Religionen.[8] Der Zusammenhang zwischen Religion und Politik blieb für das Denken Voegelins konstitutiv. Nach seiner Entlassung 1938 emigrierte der Wiener Wissenschaftler in die USA und entwarf in seinem fünfbändigen Hauptwerk Order and History (1956-1987) eine Geschichtsphilosophie, die sich auf die Zeitspanne zwischen den kosmologischen Reichen des Vorderen Orients und der Neuzeit bezieht. Die Neuzeit verstand er als Zeitalter der wiederauflebenden Gnosis. Mit diesem Ansatz versuchte er, die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts zu erklären – sie seien durch eine gemischt religiös-politische Natur charakterisiert. Voegelin deutete den Nationalsozialismus als politische Religion nicht nur, weil dieser religiöses Vokabular und kultisch-liturgische Formen verwandte, sondern vor allem, weil der Nationalsozialismus selbst an religiöse Erfahrungen anknüpfte. Teilinhalte der Welt erschienen als „heilig“ und wurden zum Glaubensgegenstand. So wurde die Rasse, die im „Dritten Reich“ das entscheidende und sinnstiftende Ordnungszentrum der „Volksgemeinschaft“ war, dadurch überhöht. Voegelin sprach von einer „partikulären Ekklesia“ im Gegensatz zur christlichen „universalen Ekklesia“.[9]
Ein Jahr nach Voegelin setzte sich der französische Philosoph und Soziologe Raymond Aron in einem Aufsatz mit dem Thema „säkulare Religionen“ („religions séculières“) auseinander.[10] Anstelle des verlorenen christlichen Glaubens, so Aron, versuchten säkulare Religionen das Heil der Menschheit im Diesseits in Gestalt einer neuen sozialen Ordnung zu verwirklichen. Er verstand auf dieser Grundlage die totalitären Herrschaftsformen des 20. Jahrhunderts als antimodern, weil sie die moderne Trennung von Religion und Politik aufheben wollten. Dadurch ergebe sich zugleich eine Intensivierung und Überhöhung ihrer Ideologie.[11]
Die Ansätze Voegelins und Arons sowie die Frage nach dem Stellenwert des Religiösen in der nationalsozialistischen Herrschaft werden in der Erforschung des „Dritten Reiches“ in jüngster Zeit in unterschiedlicher Weise und Schwerpunktsetzung aufgegriffen. Erstens beschäftigt man sich vorrangig mit den politischen Formen, mit den Ritualen und Kulten des Nationalsozialismus. Zweitens wird mit dem Konzept der politischen Religion das Selbstverständnis des Nationalsozialismus untersucht. Und drittens wird das Konzept der politischen Religion als Antwort auf die Frage herangezogen, warum der Nationalsozialismus in der deutschen Gesellschaft so erfolgreich war. Enthielt die nationalsozialistische Ideologie und Praxis pseudoreligiöse Elemente oder wurde sie durch ein substantiell religiöses Moment bestimmt?
2.1 Politische Formen, Rituale und Kulte des Nationalsozialismus
Die nationalsozialistische Mobilisierung von Menschen und die damit zusammenhängende Verbreitung ihres Ideologiekonglomerates lebten von ästhetischen Inszenierungen. Dabei spielten sakrale Muster eine besondere Rolle, z.B. in der architektonischen Gestaltung, in rituellen Handlungen oder Inszenierungen, die an christliche Gottesdienste erinnerten. So wurde 1935 die Erinnerung an den gescheiterten Putsch vom 9. November 1923 zu einer Art Auferstehungsfeier. Die Festprozession endete nicht mit der Totenehrung an der Feldherrenhalle, sondern lief durch die mit Hakenkreuzflaggen geschmückten Straßen bis zum Königsplatz weiter, wo die Ehrentempel aufgebaut waren. Die nationalsozialistischen Toten wurden als Opfer, als Märtyrer inszeniert. Der Völkische Beobachter betonte, die Feier sei nicht beim Tod stehen geblieben, sondern habe sich zum „Siegeszug der Bewegung“ gewandelt. Nach jedem ausgesprochenen Namen der Toten riefen die angetretenen Einheiten der Hitler-Jugend „Hier!“, so dass ein Auferstehungsritual zelebriert wurde. Die Analogien zum Religiösen waren offensichtlich. An heiligen Orten wurden mit sakralen Sprachformen Ereignisse kultisch durch heilige Handlungen vergegenwärtigt. Dadurch wurde die Geschichte der NSDAP zur Heilsgeschichte, vollendet im „Dritten Reich“. Die Führerherrschaft sollte sakralisiert werden, politische Herrschaft und die Kompetenz für Sinndeutung des Lebens sollten miteinander verbunden und durch entsprechende Rituale bekräftigt werden. Offen bleibt bei dieser Interpretation allerdings, ob hier gezielt an kirchliche Formen angeknüpft wurde oder ob unbewusst christliches Brauchtum, mit dem die meisten Nationalsozialisten aufgewachsen waren, benutzt wurde. Sicher ist, dass die nationalsozialistischen Heilsverheißungen das Christentum verdrängen und letztlich ganz ersetzen sollten.[12]
2.2 Das Selbstverständnis des Nationalsozialismus
Einer weltlichen Einheit wird von der politischen Bewegung ein Primat zuerkannt, der „heilig“ gesprochen und in das Zentrum eines Systems von Überzeugungen gestellt wird. Das einzelne Individuum wird durch eine Treuepflicht eingebunden, während eine auserwählte Gemeinschaft von Kämpfern diese politische Aktion als eine messianische interpretiert, die der Vollendung einer Mission dient und schließlich mit einer politischen Liturgie diese sakralisierte Einheit immer wieder rituell beglaubigt.
2.3 Die Gründe des Erfolgs des Nationalsozialismus
Es wurde versucht, das Verhältnis der Deutschen zu Hitler zu erklären, indem man den oft gebrauchten Ausdruck des „Glaubens“ zur Beschreibung dieser Relation ernst nimmt. Ohne diesen quasi-religiösen Eifer seien der Fanatismus und die Opferbereitschaft vieler Menschen im „Dritten Reich“ nicht zu verstehen. Religiösen Aspekten wird hier essentielle herrschaftstechnische Bedeutung zugeschrieben. Der Nationalsozialismus bot in einer Zeit der geistigen Verunsicherung durch den Verlust traditioneller Werte und Normen sowie der schwächer werdenden religiösen und insbesondere kirchlichen Bindungen mit besonderem Pathos vertretene Werte. Die Faszinationskraft der damit zusammengehörigen Inszenierungen, wie Führerkult, Massenaufmärsche, Totenehrungen, wirkte ansteckend. In manchen Konzeptionen wird so die Shoa religiös interpretiert – die Ermordung („Opferung“) von Fremden, von „Nicht-Ariern“, diene dem Heil der „Arier“.
2.4. Das Konzept der „Politischen Religion“ in der
gegenwärtigen
Geschichtsforschung
Angesichts des aktuellen Forschungsinteresses an der „Politischen Religion“ ist zunächst einmal festzuhalten, dass weder Voegelin noch Aron in den dreißiger Jahren den Anspruch erhoben, mit ihren Hypothesen das „Dritte Reich“ umfassend zu erklären. Das Modell der politischen Religion hatte vielmehr die Funktion, die modernen Formen diktatorischer Herrschaft angemessener zu erfassen. Unter den gegenwärtigen Geschichtswissenschaftlern herrscht die Überzeugung vor, dass das Interpretament der politischen Religion keine Gesamterklärung des „Dritten Reiches“ leisten könne. Die Argumente sind vielfältig: Hitler habe kein Interesse an einer politischen Religion gehabt, für die auch die ideologische Substanz nicht vorhanden gewesen sei; er habe vielmehr immer die „Wissenschaftlichkeit“ des nationalsozialistischen Ideologiekonglomerats betont. Politische Religion sei ein Handlungsmotiv einzelner, aber kein Motiv der Mehrheit gewesen, die an der Judenvernichtung beteiligt waren. Dieser Interpretationsansatz hat deutlich herausgearbeitet, wie bewusst die Nationalsozialisten das Religiöse für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert haben. Obwohl diese Ausnutzung zentraler Elemente der christlichen Mehrheitskultur die Anziehungskraft des Nationalsozialismus deutlich erhöht hat, hat sie ihn aber nicht zu einer politischen Religion eigener Art werden lassen. Die Politik absorbiere das Religiöse, nicht umgekehrt.[13]
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die politische Religion wird durchweg als Aspektbegriff, als Erklärung für einzelne Phänomene, wie die ideologischen Voraussetzungen oder die Dynamik in stark ideologisierten Gruppen, nicht aber als Gesamtbegriff, von dem aus die nationalsozialistische Herrschaft insgesamt zu verstehen wäre, verstanden.
Aufgrund des damals noch gegebenen christlichen Kontextes war das Modell der politischen Religion für die Zeitgenossen in den Dreißiger- und Vierzigerjahren hilfreich, weil es etliche plausible Anknüpfungspunkte zum Verständnis des „Dritten Reiches“ bot. Heute liefert es anregende Erklärungen für spezifische Bereiche, jedoch keinen umfassenden Deutungsrahmen der nationalsozialistischen Herrschaft. Hier sind Konzepte, wie das der charismatischen Herrschaft oder das der modernen Diktatur, tragfähiger.[14]
3. Der biographische, politische und kirchenpolitische Kontext der
Theologie von Paul Schütz
Paul Schütz, der Sohn eines Methodistenpredigers, studierte ab 1910 evangelische Theologie und Philosophie in Berlin und Jena, arbeitete 1912 als Hauslehrer in Soldin und wurde 1914 zum Dr. phil. promoviert.[15] Als Kriegsfreiwilliger nahm er im Ersten Weltkrieg u.a. an den Kämpfen bei Langemark, Ypern, Chemin des Dames und Verdun teil. Die dort gewonnen existentiellen Erfahrungen prägten ihn nachhaltig. Im Zweiten Weltkrieg verzichtete er auf eine Unabkömmlichkeitsstellung und war von 1941 bis 1945 als Offizier beim Luftwaffenstab in Deutschland und Russland.
Schütz strebte die Habilitation in Philosophie oder Geschichtswissenschaft an, zog es aber aus finanziellen Gründen vor, zunächst das Theologiestudium mit dem ersten Examen im Oktober 1918 in Koblenz abzuschließen. Bereits zum Jahresanfang war er von der Methodistischen zur Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union übergetreten. Die Fortsetzung seines Studiums in Freiburg bei Edmund Husserl (1859-1938) musste er nach einem Semester abbrechen, weil das Geld nicht mehr reichte. Er stellte daher die angestrebte Habilitation zurück, obwohl ihn Ernst Troeltsch (1865-1923) bereits als Habilitanden angenommen hatte. Kontakte mit religiösen Sozialisten in der Schweiz brachten ihn wieder der Theologie näher, und 1922 wurde er in Halle an der Saale bei Ferdinand Kattenbusch (1851-1935) zum Lizentiaten der Theologie promoviert über das Thema: Hooker, der grundlegende Theologe des Anglikanismus.[16] Zum Jahresende legte er in Magdeburg sein zweites Examen ab und wurde dort bzw. in Neutz bei Halle Hilfsprediger. In dieser Zeit lernte er seine spätere Frau, die Künstlerin Johanna Wolff (1886-1965), kennen, die die Weberei an der Kunstgewerbeschule in Halle-Giebichenstein leitete. In ihren Wandteppichen wollte sie die göttliche Tiefendimension der Welt darstellen – für Schütz war sie die wichtigste Dialogpartnerin und hatte entscheidenden Anteil an der Entwicklung seiner Theologie.[17]
Am 1. Oktober 1925 kam Paul Schütz als Pfarrer in die kleine, aus dem 17. Jahrhundert stammende Hugenotten-Gemeinde Schwabendorf bei Marburg an der Lahn, die etwa 350 Einwohner umfasste. Von 1926 bis 1928 leitete er nach dem Tode des Gründers Johannes Lepsius (1858-1926) gleichzeitig die „Dr. Lepsius-Orient-Mission“. 1928 unternahm er für die „Orient-Mission“ eine längere Reise nach Ägypten, Palästina, Syrien, Irak und in den Iran bis an die russische Grenze. Darüber publizierte er seinen „Reisebericht zur religionspolitischen Lage im Orient“ unter dem Titel: Zwischen Nil und Kaukasus.[18] Die hier vorgetragene massive Kritik machte ihn mit einem Schlag bekannt und bestimmte die Diskussion in Missionskreisen: Die christliche Mission in der heutigen Welt schade den von ihr Betroffenen mehr als dass sie ihnen nütze. Daher solle sie ganz aufgegeben und stattdessen der kritische Zustand der Christenheit in der Heimat untersucht werden.[19] Es kam zu einem Eklat in der „Dr. Lepsius-Orient-Mission“. Da es Paul Schütz nicht gelang, das Missionswerk umzugestalten, trat er 1928 als geschäftsführender Direktor zurück.
Von 1929 bis 1934 gab er die Zeitschrift Orient und Occident mit heraus. Im Oktober 1929 griff Paul Schütz die schon seit mehr als zehn Jahren geplante Idee der Habilitation wieder auf. Ein Jahr später nahm die Theologische Fakultät der Universität Gießen seine Arbeit „Missionsgedanke und Eschatologie im 19. Jahrhundert. Untersucht an den Predigten Schleiermachers, J. T. Beck's und Christoph Blumhardts“ an.[20] 1937 wurde seine Lehrbefugnis von Praktischer Theologie auf Systematik geändert, doch noch im gleichen Jahr legte er seine Venia legendi aufgrund der für ihn nicht mehr tragbaren Doppelbelastung als Pfarrer und Hochschullehrer nieder.
Welche Position nahm er zum „Dritten Reich“ ein? Paul Schütz' Verhältnis zum nationalsozialistischen Staat war nicht ohne gravierende Konflikte. Er war kein Mitglied der NSDAP; der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) gehörte er ab 1934, dem Reichsluftschutzbund von 1936 bis 1941 an, ohne jedoch einen Aufnahmeantrag gestellt zu haben, wie er später angab.[21] 1935 deutete die Geheime Staatspolizei sein Buch Der Anti-Christus als Kritik am nationalsozialistischen Staat und ließ zwei Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen die zweite Auflage einstampfen. Der Inhalt versuche bewusst die nationalsozialistische Weltanschauung und den neuen Staat herabzusetzen und sei daher geeignet, „die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden“.[22] Ursache dieser Maßnahme war vermutlich, dass der Pfarrernotbund diesen Titel auf den Plan für das gemeinsame Studium gesetzt hatte, was bei einer Hausdurchsuchung der Gestapo zur Kenntnis kam.[23]
1939 wurde ein von ihm für den Kasseler Bärenreiter Verlag entworfenes Flugblatt Was ist ein Christ ebenfalls verboten und eingezogen.[24] Probleme mit der Zuweisung von Druckpapier für zusätzliche Auflagen gab es bei seinen Büchern Warum ich noch ein Christ bin (1938) und Das Evangelium (1940). Seine von 1935 bis 1937 verfasste, bereits zitierte Arbeit Das Mysterium der Geschichte konnte nicht erscheinen und wurde erst 1950 veröffentlicht.[25]
1938 stand eine Hausdurchsuchung kurz bevor, weswegen Johanna Schütz-Wolff dreizehn ihrer Bildteppiche vernichtete. Eine ihrer frühesten Arbeiten war im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“ im Magdeburger Museum beschlagnahmt worden, und sie wollte ihren Mann nicht zusätzlich belasten. Doch der Bürgermeister Schwabendorfs, Konrad Zimmer (1892-1945), verbürgte sich für Paul Schütz, so dass es nicht zur Hausdurchsuchung kam.[26] Erst 1941 beantragte Schütz die Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer.[27]
Die Schrift Der Anti-Christus von 1933 war der Versuch, das prophetische Wort für die konkrete geschichtliche Situation und den besonderen Auftrag der Kirche im deutschen Volk zu finden. Schütz verstand den Anti-Christus als personhafte, in der Geschichte Spuren hinterlassende Macht des Bösen, die als sich selbst absolut setzende Ideologie oder politische Bewegung wirke. Schütz sah diese Gestalt des Anti-Christus sowohl im Kommunismus des Ostens als auch im Kapitalismus des Westens heranziehen. Beides seien technokratische Systeme, die auf Weltherrschaft – und damit schließlich auch auf „Welterlösung“ – ausgerichtet seien. Das deutsche Volk befinde sich von seiner geographischen Lage in der Mitte und habe den historischen Auftrag, diesen Messianismen zu widerstehen. Schütz interpretierte dies als die „Michaels-Sendung“ der Deutschen und den Auftrag des deutschen Protestantismus, den Blick für diese Sendung zu schärfen.
Paul Schütz, der sonst eine scharfe Trennung von Theologie und Politik anmahnte, wurde hier selbst hochpolitisch: Unverkennbar liegen in diesen Gedanken stark nationalistische Züge, die Nähe zu jungkonservativen Kreisen und der Konservativen Revolution ist deutlich.[28] Der Heidelberger Pfarrer Rudolf Kremers (Jahrgang 1922) stellt mit Recht folgende Fragen: „Und hat Schütz, indem er die Rollen des Antichristus und des Erzengels Michael auf diese Weise in der Zeitgeschichte verteilte, nicht seine eigene Warnung vor direkter Identifizierung des Reiches Gottes und damit auch seines Widersachers mit politischen Bewegungen mißachtet? Hat er vielleicht, von solcher Geschichtsdeutung geblendet, die Größe der Gefahr, die vom Nationalsozialismus drohte, verkannt bzw. zu spät erkannt? Hat er sich vielleicht auch darum am Kampf der Bekennenden Kirche nicht beteiligt? Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Von der dargestellten Geschichtssicht her konnte ja die nationalsozialistische Erhebung zumindest in den Anfängen als Erfüllung des geschichtlichen Auftrages des deutschen Volkes verstanden werden, als Widerstand gegen die auf Weltbeherrschung angelegten Systeme des Bolschewismus im Osten und des Kapitalismus im Westen. (...) Selbst wenn es so wäre, daß die göttliche Vorsehung dem deutschen Volk und in ihm wieder besonders dem deutschen Protestantismus eine solche Rolle im Weltgeschehen zugeteilt hat - kann dann ein deutscher Protestant das behaupten, ohne sofort aus dieser Berufung herauszufallen? Nicht einmal Jesus hat ja von sich gesagt, daß er der Messias sei.“[29]
Hintergrund für Schütz Einstellung könnte seine biographische Prägung sein, die auch für seine Formulierungen über das Judentum aussagekräftig ist. 1936 schrieb er in einem Brief: „Für mich gehört das Verhältnis zu Volk und Heimat, Blut, Boden und Rasse noch zu den Selbstverständlichkeiten des Daseins. Aus dieser stummen unreflektierten und darin ungebrochenen Selbstverständlichkeit heraus sind wir damals in den Krieg gezogen – Sie wissen ja, dass ich ein Langemarkkämpfer bin – und habe ich mit vielen Tausenden der gleichen Haltung vier Jahre lang für mein Volk gekämpft.“ Ein Jahr später betonte er: „Ich bin ja nun nicht nur ein Christ, sondern wahrlich auch ein Deutscher. Es will mir da scheinen, dass wir vor dem Schicksal die Pflicht haben, mit allerhöchster Gewissenhaftigkeit nicht so sehr das Christentum als Christus selbst zu prüfen, ohne den nun einmal der Weltsendungscharakter unseres Volkes nicht da wäre, bevor wir uns endgültig von ihm lösen.“[30]
Wie deutete Schütz den Nationalsozialismus? Es gibt nur sehr wenige Aussagen von ihm zum „Dritten Reich“, eine kritische Auseinandersetzung hat sich in den vorliegenden Unterlagen nicht widergespiegelt. In einem Brief an den Tübinger Systematiker Adolf Köberle (1898-1990) schrieb er Anfang 1946: „Die Lage ist die: unser Volk ist in seiner Mehrheit einer antichristlichen Dämonie von ungeahnter Stärke verfallen.“[31] Damit folgte Schütz einer gerade in kirchlichen Kreisen verbreiteten oberflächlichen und wenig konkreten Interpretation der Jahre von 1933 bis 1945. Dämonen seien über „das Vaterland“ hereingebrochen und hätten das Unheil der zwölf Jahre bewirkt. Da ein Mensch gegenüber Dämonen machtlos ist, erübrigte es sich mit diesem Verständnis auch, die eigene Vergangenheit kritisch zu analysieren.[32]
Wenn man sich mit der (kirchen-) politischen Einstellung von Paul Schütz beschäftigt, so fällt auf, dass er zwar mit dem Bonner Systematischen Theologen und Religiösen Sozialisten Fritz Lieb (1892-1970) für einige Jahre zusammen die Zeitschrift Orient und Occident herausgab, sich aber sonst politisch eher nach „rechts“ orientierte. So publizierte er mehrfach in der Zeitschrift Die Tat, die – wie der Politologe Kurt Sontheimer (1928-2005) es formulierte – „zu einem nicht geringen Teil daran mitgewirkt (hat), den Nationalsozialismus unter deutschen Gebildeten salonfähig zu machen“, obwohl sie die Machtübertragung an die NSDAP und deren Konsequenzen so nicht gewollt hatte.[33] 1932 und 1933 bot Schütz vergeblich der völkischen Zeitschrift Deutsches Volkstum Manuskripte, 1933 der Hanseatischen Verlagsanstalt, dem institutionellen Rückgrat der „Konservativen Revolution“, ein Buchprojekt an, was allerdings ebenso abgelehnt wurde.[34]
Den „Anschluss“ Österreichs 1938 begrüßte Schütz nachdrücklich. An den damaligen Mitarbeiter im Kirchlichen Außenamt der Deutschen Evangelischen Kirche und späteren Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier (1906-1986) schrieb er: „Die Vereinigung mit Oesterreich, auf die ich seit dem Kriege gehofft habe, bewegt mich nicht wenig. Für unser völkisches Schicksal ist die Tragweite dieses Ereignisses kaum zu überschätzen. (...) Ich selbst wäre bereit, meine Gemeinde hier aufzugeben, wenn ich in Oesterreich eine wirkliche Einsatzmöglichkeit heute fände.“[35]
Im „Kirchenkampf“ wandte sich Paul Schütz weder der „Bekennenden Kirche“ noch der „Glaubensbewegung Deutschen Christen“ zu, kurzzeitig im Sommer 1934 hatte er offenbar erwogen, aufgrund der „veränderten kirchlichen Verhältnisse“ aus „Gewissens- und Glaubensgründen“ sich in den Ruhestand versetzen zu lassen, diesen Gedanken aber nicht weiter verfolgt.[36] Er kritisierte jede Vermischung von Politik und Religion in der Kirche, die „Bekennende Kirche“ bezichtigte er, aus der Kirche eine „Religionspartei“ machen zu wollen.[37] Er missbilligte die politische Haltung einiger Vertreter der Dialektischen Theologie, vor allem ihres Hauptes Karl Barth, der zeitweilig Sozialdemokrat war. Hier wurden Schütz‘ national-konservativen Einstellungen wieder deutlich.
1934 wandte er sich fragend an den Hannoverschen Landesbischof August Marahrens (1875-1950)[38], von dem er als einzigem Hilfe erwartete, da er in der Bekennenden Kirche den Keim einer Sektenkirche sah. Von einer gewissen inneren Nähe zur Bekennenden Kirche wandelte er sich nach der Botschaft der Zweiten Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche zu Dahlem im Oktober 1934 zu einem scharfen Kritiker, weil er eine Spaltung der Kirche befürchtete und sich mit seinem am Dritten Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnis orientierten Kirchenverständnis ausgegrenzt fühlte. Obwohl die Bekennende Kirche betonte, dass Kirche Kirche bleiben müsse, worin Schütz mit ihr konform ging, stand er ihr distanziert gegenüber. Wörtlich schrieb er: „Trotzdem konnte ich mich nicht entschliessen, weder der Bekenntnisfront, noch dem Notbund anzugehören. Einer meiner Hauptgründe war der Eindruck, dass die Bekenntnisfront den Keim der Sektenkirche in sich berge. Zu meiner Bekümmernis findet diese Befürchtung ihre Bestätigung in fast allen Aeusserungen, die in den letzten Tagen aus der Bekenntnisfront laut werden. Vor allem aber in Absatz III, 3 der offiziellen ‚Botschaft' vom 20.10. der den Bruch mit allen ihr nicht Eingegliederten fordert. Die ‚Botschaft' in ihrem offiziellen Charakter macht diese Forderung besonders schwerwiegend. Damit hört die Synode auf, die selbstlos dienende Kampftruppe der Gesamtkirche zu sein. Damit stellt sie der DeCe-Kirche die ‚BeKa'-Kirche gegenüber. Die Kampftruppe will selbst Kirche sein. Wie es nun aber keine DeCe-Kirche gibt, so auch keine BeKa-Kirche. Auch heute, und heute mehr denn je, gilt nur die Kirche des Dritten Artikels. Jedes Weichen von diesem Hauptstück des Glaubens, mit welchem Vorzeichen auch immer bewaffnet, führt zur Sekte. Ausser Ihnen, hochwürdigster Herr Bischof, weiss ich niemanden mehr, der noch objektiv genug wäre, hier helfen zu können. Ich bitte Sie daher inständigst alles zu tun, um diese Zerreissung des brüderlichen Bandes zu verhindern. Denn durch Artikel III,3 der Botschaft wird auch die grosse und wertvolle Gruppe der innerlich der Bekenntnissynode Zugewandten getroffen und ausgeschieden, der es um ihres kirchlich gebundenen Gewissens willen niemals möglich sein wird, einer kirchenpolitischen Organisation anzugehören.“[39] Schütz hat die Dahlemer Botschaft einseitig überinterpretiert, denn es ist nicht von einem Bruch mit den nicht zur Bekennenden Kirche Zählenden die Rede, sondern von einem Rückzug aus der Zusammenarbeit. Wörtlich hieß es in Absatz III, 3: „Wir fordern die christlichen Gemeinden, ihre Pfarrer und Ältesten auf, von der bisherigen Reichskirchenregierung und ihren Behörden keine Weisungen entgegenzunehmen und sich von der Zusammenarbeit mit denen zurückzuziehen, die diesem Kirchenregiment weiterhin gehorsam sein wollen. Wir fordern sie auf, sich an die Anordnungen der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche und der von ihr anerkannten Organe zu halten.“[40]
Schütz erklärte sich in diesem Punkt solidarisch mit seiner Gemeinde, „die aus ihrem konservativem Instinkt heraus alles was auch nur den Anschein einer Kirchenpartei an sich hat, mit Distanz betrachtet. Die DC haben hier überhaupt keinen Eindruck gemacht. Aber auch ein ‚Uebergang‘ – denn als solcher stellt sich dem bäuerlichen Empfinden eine Eingliederung in die Beka-Kirche vor – ist hier nicht möglich. Ich hätte gegen die tragende Substanz meiner Gemeinde angehen müssen, wenn ich sie gerade an diesem Punkte zu einer ‚Bewegung' mit hingerissen hätte. Und nach meiner nun bald zehnjährigen Arbeit hier bin ich gerade in dem Punkte, wo es um die ‚Kirche‘ geht, nicht Einzelpfarrer, sondern mit meiner Gemeinde identisch. Wir sind also seit einem Jahre ungefähr hier zur ‚Selbstregierung‘ übergegangen. Ein Zustand, der sich angesichts der ausserordentlichen Unfruchtbarkeit der kirchlichen Verworrenheit unserer Landeskirche, sehr bewährt hat.“[41]
1940 schrieb er an einen Amtsbruder: „Ich habe den Weg der Bekennenden Kirche (..) als stärksten Ausdruck der inneren Katastrophe der evangelischen Christenheit unserer Zeit empfunden, nämlich in ihrem Anspruch: die Kirche zu sein. So wurde das Gute, was in dieser Bewegung als Mahnmal für uns aufgerichtet war, zur Vermessenheit.“[42]
Die Barmer Theologische Erklärung konnte Paul Schütz nicht mittragen. Er sah in ihrer Berufung auf Jesus Christus als das „eine Wort Gottes“ eine Vertiefung der in der Reformation wurzelnden christologischen Verengung des Glaubens. Die Betonung des „Christus allein“ mochte zwar zur Abwehr der deutschchristlichen Irrlehre geeignet sein, für ihn aber bedeutete es in erster Linie eine einengende Irreführung des biblischen Glaubens – hier deutete sich bereits ein Grundzug seiner Theologie an, die zu Beginn der fünfziger Jahre zum offenen Konflikt mit dem lutherischen Bekenntnis und zu seiner Versetzung in den Ruhestand führte.[43]
Doch auch die Deutschen Christen blieben nicht ohne Kritik: „So sind uns die ‚Deutschen Christen' zum verdienten Gottesgericht geworden. Aber darin, dass sie religiöse Erneuerung durch Politik wollten (entgegen dem so klugen Wort des Führers) haben sie nicht nur gegen Schöpfung, Gnade und Glauben, sondern gegen die tiefsten Lebensgesetze der Seele selbst verstossen. Diese Gesetze sind Geheimnisse. Sie sind der intellektuellen Diskussion entzogen. Wer aber wider sie verstösst, wird mit Verlust am Leben selbst gezüchtigt und zwar am irdischen und himmlischen Leben. Das ist es, was im gegenwärtigen Zusammenbruch seiner Kirche der evangelische Mensch in Deutschland erlebt.“[44]
Schütz klagte Reichsbischof Ludwig Müller (1883-1945) am Reformationstag des Jahres 1934 der Irrlehre an, weil dieser eine an die Gemeinden gerichtete Kanzelabkündigung für das „Winterhilfswerk“ mit dem Satz beendet hatte: „Gott führe im Dritten Reich ein Stück seines heiligen Gottesreiches weiter über Deutschland gnädig herauf!“. Schütz verfasste daraufhin eine Anklageschrift, die von den Ältesten seiner Gemeinde gebilligt[45] und dann von ihm weiter an die Kirchenleitung und die theologischen Fakultäten Marburg und Gießen geschickt wurde.[46] Müller sage in seinem Satz, dass das Gottesreich von dieser Welt sei, was im Widerspruch zum Satz Jesu Christi „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18, 36) stehe. Im „Dritten Reich“ das Gottesreich zu preisen, verleugne zugleich eine Grundwahrheit der Reformation. „Im Menschenreich gibt es nur einen einzigen Weg zum Gottesreich. Das ist der Weg ‚allein aus Glauben'. Allein aus Glauben - nämlich an die Vergebung der Sünde. Die Irrlehre des Herrn Reichsbischofs schliesst das einzige Wort aus, das im Menschenreich den Weg zum Gottesreich öffnen kann, das einzige Wort, das einst wie heute am Tor jeder Reformation steht: das Wort ‚Busse‘.“ Zudem sah er in dem Satz des Reichsbischofs eine Umdeutung der politischen Erneuerung zur religiösen Reformation: „Da wird das Evangelium nationalsozialistisch und der Nationalsozialismus Evangelium.“ Eine Reaktion darauf konnte bislang nicht ermittelt werden, weder in den Gemeindeunterlagen noch im Nachlass Schütz findet sich etwas darüber.[47] Einen Monat später, am 21. November 1934, erhielt Reichsbischof Müller eine Aufforderung zum Rücktritt, die Vertreter von 16 Theologischen Fakultäten Deutschlands unterzeichnet hatten, darunter auch Paul Schütz.[48]
Paul Schütz hat sich auch mit der „Deutschen Glaubensbewegung“ des Tübinger Indologen und Religionswissenschaftlers Jakob Wilhelm Hauer (1881-1962) auseinandergesetzt und ihr viel Verständnis entgegengebracht. Im Oktober 1933 schrieb er an Hauer – und da dieser Brief sehr aussagekräftig für Schütz' eigenes Glaubensverständnis ist, soll er ausführlich zitiert werden: „Mit starker Anteilnahme habe ich im ‚Reichswart‘ die Entstehung einer ‚deutschen Glaubensbewegung‘ verfolgt. Sie wissen ja, dass ich mich zu Luthers ‚sola fide in Christum‘ halte, mich zugleich aber als ein so Glaubender in Abkehr von der Geisteshaltung des Westens und von dem Konfessionalismus seiner Kirchen dem tiefströmenden Leben des östlichen Christentums offenhielt. Ich bin also nicht deutschgläubig im Sinne Ihrer Bewegung. Und doch erkenne ich, dass mich mit Ihnen ein ganz Wesentliches verbindet: der gemeinsame Kampf um die elementaren Voraussetzungen des Glaubens überhaupt. Ich sehe in Ihrer Bewegung eine radikale Ehrlichkeit lebendig. Ehrlichkeit ist freilich noch kein Glaube. Sie enthält vielmehr mindestens gleich stark die Möglichkeit der Verzweiflung und des Selbstbetruges in sich. Dennoch bleibt sie die unabdingbare Voraussetzung des Glaubensgeschenkes. Dass Sie dieser – heute leider nicht mehr unbedingten – Selbstverständlichkeit mit leidenschaftlicher Kraft Ausdruck gegeben haben, dafür danken Ihnen mit mir noch Viele. Noch wichtiger aber ist der hier noch lebendige Instinkt für das Grundgeheimnis alles religiösen Lebens: dass Glaube nur aus Freiheit möglich ist. Nicht nur um der Ehrlichkeit des Menschen sich selbst gegenüber, sondern vor allem um der Ehrfurcht vor dem Gegenstand des Glaubens selber willen. Der Glaube bleibt auf Erden in der vergänglichen Zeit immer Kampf und Wagnis in der gefährlichen Freiheit getan, in der Raum frei gehalten bleibt für jene letzte Entscheidung über Wahr und Falsch, die allein bei Gott selbst liegt. In der deutschen Glaubensbewegung verspüre ich etwas von jenem deutschen ‚Protest‘, im Angesicht der vermessenen Grenzüberschreitung, durch die der Mensch seine freie Hingabe, Gott aber um seine Hoheit gebracht werden muss. Und diese beiden, Hingabe und Hoheit, ist ganz unlösbar der Freiheit verhaftet. Hier sehe ich den tiefen Sinn des deutschen Freiheitsgedankens, in der Verteidigung des Raumes, in dem Glaube überhaupt erst wird. Dieser Raum aber steht heute in Gefahr durch einen neuen Kryptoromanismus.“[49]
Über die kirchliche Situation in Deutschland schrieb Paul Schütz 1937: „Daß ich nun vom Letzten am liebsten schwiege: von der politisierenden Kirche! Es mag uns solcher Politismus als noch so unvermeidlich bewiesen werden – er wird zum Gift in dem Brote, das man unseren Seelen reicht. Er ist die Wunde, aus der sich die Christenheit heute zu Tode blutet, und zwar ausnahmslos auf allen Fronten.“[50] Hier wird die radikale Denkart von Paul Schütz deutlich; ausgewogene Urteile waren seine Sache nicht. Das mag seine geringe theologische Resonanz erklären. Bereits 1933 hatte er erkannt: „Wenn ich mich umsehe und genau zusehe, so finde ich mich in Deutschland ziemlich einsam in meiner von Anfang innegehaltenen Linie der ausschließlichen Kirchlichkeit.“ Auch später blieb er ein Einzelgänger, der zwischen „Konfessionalisten“ und „Dialektikern“ stand, durch und durch Nonkonformist war und sich in seiner Rolle als Querdenker wohl auch gefiel.[51]
Nach 1945 finden sich zahlreiche intensive Kontakte zu Personen, die durch ihre nationalsozialistische Vergangenheit sehr belastet waren, z.B. dem Kaufmann Wolfgang Essen (1903-1955), der für Schütz 1953 die Klopstock-Stiftung gründete, dem Kirchenhistoriker Ernst Benz (1907-1978), dem Physiker Pascual Jordan (1902-1980) oder dem ehemaligen Rektor der Hamburger Universität und Vorkämpfer für eine „politische Universität“ im „Dritten Reich“, dem Historiker Adolf Rein (1885-1979).[52]
Paul Schütz wirkte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weiter als Hauptpastor in Hamburg, lehrte am Allgemeinen Vorlesungswesen der Universität sowie an der 1948 gegründeten Kirchlichen Hochschule Hamburg, wo ihm 1950 der Titel "Professor der Theologie an der Kirchlichen Hochschule Hamburg" verliehen wurde. Neben seiner kirchlichen Tätigkeit hatte er in größerem Maße theologisch publiziert.
Zum 1. Mai 1952 ließ er sich aufgrund seines Dissenses zum lutherischen Bekenntnis der Hamburger Landeskirche in den Ruhestand versetzen. Schütz fühlte sich nicht mehr an die christozentrisch ausgerichteten reformatorischen Bekenntnisschriften gebunden, in denen er eine Reduzierung auf Christologie sah, sondern in erster Linie an die altkirchliche Trinitätslehre. Wörtlich schrieb er: „Auf eine abkürzende Formel gebracht möchte ich es heute so aussprechen, dass es mir unmöglich ist, die christologische Bestimmtheit der Bekenntnisschriften der Reformation in Einklang zu bringen mit der Trinitätslehre. Ist die Entscheidung aber, wie bei mir, für die letztere gefallen, so verliert die Rechtfertigungslehre ihre centrale Stellung, die sie kraft ihres christologischen Ausgangspunktes besitzt. Die tiefgreifenden Konsequenzen für die Gesamtkonzeption liegen auf der Hand. (...) Nach langem Kampf habe ich mich zu der Erkenntnis durchgerungen, dass ich eine Entscheidung nicht länger hinauszögern darf im Blick auf mein Amt, wie auf mein Gewissen.“ Nach seiner Pensionierung zog er nach Bayern und konzentrierte sich auf die Ausarbeitung seiner Theologie. 1960 erschien sein Hauptwerk Parusia – Hoffnung und Prophetie, dem zahlreiche weitere Arbeiten folgen. 1971 erhielt er die theologische Ehrendoktorwürde der Universität Basel verleihen, 1993 wurde die PaulSchütz-Gesellschaft gegründet, die sein Werk bekannter machen will.[53]
4. Das Konzept der politischen Religion bei Paul Schütz
4.1 Entstehung und Aufbau des Konzeptes der politischen Religion
In dem geschilderten biographischen, politischen und kirchenpolitischen Kontext entstand 1935 das Manuskript „Die politische Religion. Eine Untersuchung über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte“. Vermutlich hatte Schütz aufgrund der Erfahrungen mit dem Anti-Christus von einer Veröffentlichung abgesehen. Werkgeschichtlich steht dieses Manuskript zwischen den Büchern Der Anti-Christus und Das Mysterium der Geschichte. Entscheidend für diese Ausarbeitung war seine oben beschriebene Reise in den Nahen Osten 1928.[54] Irgendwo zwischen Kairo und Teheran hatte Paul Schütz die entscheidende Erfahrung in der Begegnung mit dem Islam bzw. einer besonderen Wahrnehmung des Islam. Hier machte er die Beobachtung, die ihn dazu führte, die westliche Mission zum Rückzug aus dem Nahen Osten aufzufordern, missionarische Aktivitäten als politisiert, als involviert in imperialistische Projekte zu empfinden. Die westliche Christenheit sei innerlich leer, ihre Mission sei in kapitalistischer Rationalität gefangen und diene nur dazu, westliche Ideologie zu unterstützen. Die universalistische Eschatologie der Bibel sei zum politischen Programm reduziert, das messianische Züge annehme und den Imperialismus heilige. Demokratie werde „religiös“, der Kapitalismus „ethisch“. In diesem Kontext verstand er diese politische Religion als wirkliche Religion, die im Dienst der Kreatur und nicht des Schöpfers stehe.
Diese Gedanken setzte Schütz in seiner bereits erwähnten Habilitationsschrift über Säkulare Religion fort. Religion werde säkular oder politisch, wenn die gefallene Menschheit die Grenzen ihrer Existenz überschreiten und das Reich Gottes auf Erden verwirklichen will. Das Anderssein Gottes und die Verborgenheit der Wahrheit werden nicht akzeptiert, vielmehr breche die säkulare Religion die Distanz zwischen Gott und Mensch. Gott werde zum Attribut der Menschheit, der Himmel werde zu einem Platz auf Erden. Auch die Theologie kann die Grenze zu Gott nicht überschreiten. Christlicher Glaube setze die Grenze voraus und akzeptiere sie, die die säkulare und die politische Religion zu überwinden trachten.
Diesen theologischen Überlegungen gingen bereits ähnliche Ansätze voraus. 1925 hatte Paul Tillich den Kapitalismus als auf Glauben in der endlichen Welt basierend bezeichnet, der dämonische Kräfte besitze. Karl Barth sprach 1931 von genuin religiösen Zügen in Kommunismus und Faschismus. Zudem fand in der Missionswissenschaft in den zwanziger Jahren ein Diskurs statt, der die westliche liberale Kultur einer radikalen theologischen Kritik unterzog. In den dreißiger Jahren gab es in der missionswissenschaftlichen Debatte die Auseinandersetzung mit der politischen Religion – 1938 legte der Missionswissenschaftler und Religionshistoriker Hendrik Kraemer (1888-1965) eine beachtliche Analyse dieses Phänomens auf der Tagung des Internationalen Missionsrates in Madras vor.
Das Manuskript von Paul Schütz „Die politische Religion“ umfasst 63 Schreibmaschinenseiten, die sich in die Abschnitte: Die wahre Erkenntnis der Geschichte, Der Ursprung der politischen Religion, Die Entwicklung der politischen Religion, Die Wirkung der politischen Religion, Die Überwindung der politischen Religion gliedern. Eingerahmt wird der Text durch Vor- und Schlussbemerkungen. In zwei Anhängen beschäftigt Schütz sich mit den Themen: Das hugenottische Leiden im deutschen Raum (14 Seiten handgeschrieben) und Der protestantische Mensch und der preußische Staatsgedanke (5 Seiten maschinenschriftlich). Die handschriftliche Vorbemerkung stammt aus dem Jahr 1975. Schütz hat offensichtlich vierzig Jahre nach der Entstehung sich wieder mit dem Manuskript beschäftigt und seinen Inhalt nachdrücklich bekräftigt, es aber wieder nicht publiziert. War es ihm möglicherweise wegen der Ausführungen zum Judentum inhaltlich zu heikel? Verschiedene Verleger, u. a. der Herder-Verlag, hatten Bücher von Schütz aufgrund seiner Aussagen zum Judentum abgelehnt.[55] Vielleicht war er auch nur dabei, sein unpubliziertes Werk zu sichten, zu ordnen und für die Nachwelt zu erläutern. Im Gegensatz zu Unterlagen im Nachlass über sein Ausscheiden aus der Orient-Mission, die Schütz mit einem zehnjährigen Sperrvermerk nach seinem Tode versehen hatte, hat er dieses Manuskript nicht mit Nutzungsauflagen versehen.[56] Auf jeden Fall war ihm also daran gelegen, dass seine Darstellung der politischen Religion überliefert und eingeordnet werden kann.
4.2 Geschichtliche Erkenntnis
Bevor er sich der politischen Religion zuwendet, setzt Schütz sich mit der „wahren Erkenntnis der Geschichte“ auseinander, spricht aber sein Thema schon direkt an. Er betont, dass es hier um „die eine, ewige Wahrheit“ gehe, die „geoffenbarte Wahrheit“ sei. Eine wissenschaftliche Wahrheit gebe es nicht mehr.[57] In diesem Kontext betonte er die Rolle des Teilhabers an der geschichtlichen Wirklichkeit und konkret „das Erlebnis der Einsamkeit des Frontsoldaten“.[58] Seine Prägung durch den Ersten Weltkrieg wird hier deutlich.
Die naturwissenschaftliche Wahrheit sieht Schütz „als blosse Zweckwahrheit“. „Bezweckte die geschichtliche Wahrheit die politische Bemächtigung der Menschenseele, so die naturwissenschaftliche Wahrheit die technische Bemächtigung der Naturkraft.“ Die Wahrheit bleibe bei der Offenbarung: „Es gibt nur geoffenbarte Wahrheit.“[59]
Der Ursprung der Geschichte sei religiöser Natur, der Ursprung liege in der Geschichtsmacht des jüdischen Volkes.[60] In der politischen Religion forme sich der Geschichtswille des Menschen, „in der politischen Religion wirkt der Mensch, ‚als ob‘ er Gott wäre.“ Dieses „als ob“ sei der religiöse Ursprung der Geschichte.[61] Das Erlösungsverlangen der Kreatur sei der „Ur-Wille des geschichtlichen Geschehens“. „Es wird der Mensch politischer Gott und die von ihm gestiftete Religion politische Religion.“[62] Der „unmittelbarste Ausdruck des Erlösungswillens als Willen zur Macht, den es je auf Erden gab“ sei die Technik. „Der technische Mensch ist der mächtige Mensch schlechthin, mächtig der Lüfte, mächtig der Räume, mächtig der Kräfte, mächtig der Seelen. Technik heißt Heil durch Macht. Der technische Mensch trägt schon gotthafte Züge.“[63] Schon in diesem ersten Teil stellt Schütz klar: „Auch die politische Religion ist Religion!“[64]
4.3 Das Judentum als Ursprung der politischen Religion
„Der Stifter der politischen Religion ist das Volk der Juden.“ Mit diesem Satz beginnt Schütz den zweiten Abschnitt „Der Ursprung der politischen Religion“. Weiter heißt es: „Das Volk der Juden aber war es, in dessen Mitte die zeugende Grundnot in ihrem politischen Charakter sichtbar wurde. Es ist der vom Tod bedrohte Lebenswille der Kreatur.“ Religion werde „politisch“ „in dem Augenblick, wo der Mensch als ‚Erwählter‘ diese Setzung von sich aus vollzieht. Waren die Mythen der Völker bisher Teile eines großen Naturmythos der Heidenschaft, so bricht in der Judenschaft mitten in dieser Völkerwelt die neue, ja fremdartige Vision auf, in der die Geschichte als Gegenstand des Mythos lebt. Zwar ist im Geschichts- wie im Naturmythos der Gegenstand immer das vom Tode bedrohte Leben. Im Geschichtsmythos aber zieht sich die Bedrohung aus der kosmischen Unendlichkeit zusammen auf die menschliche Mitte. Hier wird sie erst als ein letztes Gestelltsein auf Tod und Leben als eine letzte unentrinnbare Wirklichkeit erfahren, die endgültige, leibhaftige und seinswagende Entscheidung heischt. Erst im Geschichtsraum wird es ernst. Die leibhafte Gestalt, die im Geschichtsraum Träger des politischen Schicksals ist, heißt ‚Volk‘. Im Geschichtsmythos der Juden wird sich das Volk der Juden selbst zum Gegenstand des Mythos. Wo das geschieht, da wird das Volk ‚erwähltes Volk‘. Da ist es das ‚Gottes-Volk‘.“ Durch die Formel „Ein Volk – Ein Gott“ sei „die Gottheit des Volkes zugleich auch [zu] denken als die Gottheit der Welt“. Die Dialektik der politischen Religion formuliert Schütz so: „Ihr Wollen der Einung ist das Wirken der Spaltung“. In dieser Formel trage „die Kreatur den Anspruch auf Gott selbst“ vor. Damit setze „es den Gott Himmels und der Erden in der Enge der Sippenreligion gefangen“, mache ihn „zum Haus- und Blutsgott des völkischen Ghettos“. Dieses Ghetto sei das „totale Diesseits. Mit unabdingbarer Unerbittlichkeit durchherrscht die politische Religion mit ihrer Zersetzungskraft die Gesamtheit aller menschlichen Dinge“.[65]
In diesen Kontext stellt Schütz Jesus Christus: „Christus behauptete für sich den Königscharakter. Sein Reich aber sei nicht von dieser Welt. Es werde aber kommen. Es werde kommen mit ihm einst in den Wolken des Himmels. Damit war das Grundgesetz der völkischen Gottesherrschaft verneint. Volk ist Erde und sein Reich von dieser Welt. Es kann nie und nimmer ‚in den Wolken des Himmels‘ kommen. Ein Reich, das nicht von dieser Welt, das vom Himmel ist, dessen König nicht auf der Burg Jerusalem sitzt, sondern zur Rechten Gottes bedeutet das Ende des völkischen Messiasreiches. Der Vertreter der völkischen Gottesherrschaft muss urteilen, ja kann gar nicht anders urteilen als: ‚Lästerung‘ und ‚des Todes schuldig‘. In Jesus Christus war das große Andere mit schweigender Majestät in das Gesichtsfeld dieser Welt getreten. Diese Welt aber konnte nicht anders, sie musste sagen: Kampf bis aufs Blut. Denn dieser große Andere bedeutete ihr Ende.“ Mit der Kreuzigung habe „das Volk der Juden aufgehört, ein Volk zu sein. Es wird aufhören, ein Volk zu sein bis an das Ende. Das Gottesvolk wird zum Volk in der Zerstreuung. Es trägt den Sauerteig der Massewerdung in die Völkerwelt. Unter dem Ruf ‚Ein Volk – ein Gott‘ zerfallen die Völker, zerspaltet sich der Glaube. Denn mit dem Feldgeschrei des abtrünnigen Gottesvolkes überkommt auch sein Fluch die Heidenschaft. (...) Hier liegt das religiöse Geheimnis des Nihilismus verborgen, dem die moderne Völkerwelt in der Massewerdung unaufhaltsam entgegentreibt. (...) Es gibt fortan nur noch Christusverwerfer und Christusgläubige in der Welt. Es gibt fortan nur noch Juden und Judengenossen in der Welt – oder Christen.“[66]
In seinem von 1935 bis 1937 verfassten und 1950 erstmals gedruckten Buch: „Das Mysterium der Geschichte. Eine Meditation der Christus-Apokalypse“, erneut aufgelegt in Band zwei seiner Werkausgabe, führt Schütz diese Gedanken weiter aus.[67] „Der ‚Messias‘ ist der Inhalt der Verheißung und der Grund der Erwählung. Er ist ‚das‘ Zeichen Israels. Die Verführungsmacht aber, die von diesem Zeichen auf die Völkerwelt ausgeht, ist geraubte Verheißungskraft und geraubter Erwählungssegen. Geraubt von dem abtrünnigen Gottesvolk, das aufhörte, Israel zu sein, und Judentum wurde. (...) Es ist der Zauber des Verführers, der die Verheißung nicht mehr hinnimmt aus Gottes Hand, sondern der sie verwirklicht mit eigener Faust. Es ist der Zauber des politischen Messias.“[68] „Die Juden verwarfen Christus, weil sie nach Wirklichkeit verlangten. Sie wollten kein geglaubtes Heil, sondern ein wirkliches Heil.“[69] „Der jüdische Wille ist politischer Wille. Und politischer Wille ist Wille zur Verwirklichung. Er ist als messianischer Wille der Wille zur totalen Verwirklichung. Mit unbändiger Leidenschaft setzt er das Letzte an die Verwirklichung des höchsten Zieles, das Gott ist.“[70] „Das Volk will selbst der Messias sein.“ Überall sei zwar die Idee Gottes, des Menschen, der Gemeinschaft, aber nicht ihre Wirklichkeit.[71]
Zur Kreuzigung Christi heißt es weiter: „Kaiphas war aus Willen schuldig, Pilatus aus Unterlassung. Der Jude hatte den Willen, der Heide die dumpf gewährende Kraft. ‚Messianismus‘ – der Name spricht es aus, daß hier der Jude noch die Führung hat, wie unsichtbar auch immer. Er spricht es aus, daß hier die Religion am Werke ist, und zwar die Religion, die zugleich Politik ist.“[72] Schütz formuliert aber auch an einer Stelle: „Jesus Christus ist der politischen Religion der Juden und der Heiden gemeinsam zum Opfer gefallen.“[73] Zum „politischen Messianismus der Juden“ trete „der mammonische Messianismus der Heiden“ hinzu, sie „verbinden sich in ihm zu jenem neuen, unteilbaren Element des totalen Messianismus ‚anti Christum‘“.[74]
In seinem wenige Jahre später, 1940, in zwei Auflagen publizierten und später im ersten Band der Gesammelten Werke nachgedruckten Buch Das Evangelium. Dem Menschen unserer Zeit dargestellt formulierte Paul Schütz aber pointiert: „Christus weissagt das Judentum als den Hauptfeind seiner künftigen Gemeinde.“[75]
Fasst man zusammen, so ist das Bild des Judentums, das Schütz im Kontext seiner Ausführungen zur politischen Religion zeichnet, ausschließlich das dualistische Gegenüber, ja der Gegner des Christentums. Ob er in seiner Darstellung das historische Judentum vor Augen hat, ist fraglich. Doch selbst wenn man vermuten würde, dass Schütz typologisch argumentiert, so macht er das doch nirgends deutlich und stellt das Judentum in einen historischen Kontext. In dem Manuskript argumentiert Schütz durchweg historisch, so dass seine Aussagen über das Judentum noch dazu mit den Pauschalisierungen und zeitgenössischen Termini auch historisch zu interpretieren sind. Auch in seiner Bearbeitung 1975 hat Schütz seine Formulierungen nicht modifiziert, sondern ohne Abstriche nachhaltig bestätigt.
4.4 Die politische Religion und ihre historische Entwicklung
Paul Schütz hat pointiert formuliert, dass Religion politisch wird, „in dem Augenblick, wo der Mensch als ‚Erwählter‘ diese Setzung von sich aus vollzieht.“[76] Die Dialektik der politischen Religion sei, dass sie einen wolle, tatsächlich jedoch aber gerade dadurch spalte. In der Formel „Ein Volk – Ein Gott“ trage die Kreatur den Anspruch auf Gott selbst vor.[77] Er unterscheidet in diesem Zusammenhang im Alten Testament zwischen Volk der Juden und Volk Israel: „Israel heißt Gottes-Kämpfer. Hier ist die Freiheit noch in Kraft zwischen beiden, zwischen dem freien Volk und dem freien Gott. Das Volk kämpft mit Gott und Gott kämpft mit dem Volk, Hier ist noch die Wahrheit der Unterscheidung gegenüber der Lüge der Einheit in Kraft. Gott kämpft durch die Propheten mit dem Volk.“[78] Christus behaupte auch „für sich den Königscharakter. Sein Reich aber sei nicht von dieser Welt. Es werde aber kommen. Es werde kommen mit ihm einst in den Wolken des Himmels. Damit war das Grundgesetz der völkischen Gottesherrschaft verneint. Volk ist Erde und sein Reich von dieser Welt.“[79] Nunmehr gebe es – wie bereits zitiert – „nur noch Christusverwerfer und Christusgläubige in der Welt. Es gibt fortan nur noch Juden und Judengenossen in der Welt – oder Christen.“[80] Allerdings werde auch die Christenheit gespalten: „Die Dialektik der politischen Religion hat nämlich die diabolische Wirkung bei sich, dass sie das Christentum selbst aufspaltet und den Christen zum Verfolger des Christen verflucht. Es wird der politische ‚Christ‘ zum Verfolger des bekennenden Christen. Damit endet der dialektische Selbstvernichtungszwang.“[81]
Paul Schütz geht in seinem Manuskript durch ausgewählte Bereiche der Geschichte, um dieses Grundverständnis weiter zu verdeutlichen; sie können hier nur angedeutet werden. Er beginnt mit dem Urchristentum, das dem römischen Herrscher die göttliche Ehrung verweigere. Die römische Staatsreligion sei politische Religion, daher sei Jesus Christus „der politischen Religion der Juden und der Heiden gemeinsam zum Opfer gefallen.“[82] Im Weiteren sieht Schütz England als das Volk, das den Anspruch erhebe, „das auserwählte Volk des neuen Bundes zu sein“.[83] Auch der Anglikanismus sei „eine Gestalt der politischen „Religion“.[84] Ebenso kritisiert er Frankreich: „Die Kraft der Rückbiegung der Verheissungen in das Irdisch-Politische ist im französischen Volk von besonders zäher Folgetreue. Frankreich bleibt das klassische Land des Positivismus, des Rationalismus, der Humanität, der Civilistion, des Laicismus.“[85] Frankreich habe durch die Revolution von 1789 das „politische Zeitalter“ heraufgeführt, was zur „Einweltung, der Verdiesseitung, und schliesslich der Ausscheidung des Christentums aus dem Geschichtsgang“ geführt habe.[86] Der Atheismus als Weltanschauung entstehe „gleichsam als Stück der Menschenwürde und des Menschenrechts.“[87] Schütz bezeichnete Gewissensfreiheit als „säkularisierte Glaubensfreiheit“, als „ein ins Weltläufige zurückgefallenes Zersetzungsprodukt des christlichen Glaubens“. „Die Gewissensfreiheit ist das Dogma der politischen Religion in ihrer liberalen Ausprägung. Sie ist ein Vorprodukt des Nihilismus.“[88] Die Ideen von 1789 seien zur Theologie geworden.[89] Die Kritik an der Französischen Revolution und den damit verbundenen Ideen ist ein Grundtopos der Konservativen Revolution, auf die Schütz sich direkt bezieht.[90]
Aufgrund ihres politischen Charakters sei für die politische Religion die Gewaltanwendung wesentlich. Ihr Sinn sei die Zwangseinheit der Gemeinschaft „‚Ein Volk – Ein Gott‘! ‚Ein Reich – Eine Kirche‘!“[91] „Ist die Zwangseinheit der gottmenschlichen Gemeinschaft also der Sinn der politischen Religion, so ist die Inanspruchnahme der politischen Gewalt durch die Kirche und die Inanspruchnahme der Kirche durch die politische Gewalt notwendig, natürlich und rechtens unter dem Bogen dieser Einheit. Nun aber besteht diese Einheit nicht mehr, seitdem sich das jüdische Volk zu seinem Abgott und gegen den Gott Himmels und der Erde gewandt und Christus gekreuzigt hat.“[92]
Eine positive Rolle nehmen bei Schütz die Protestanten ein: „Ja, die starke Abneigung gegen alles ‚katholische‘ wurzelt bei uns evangelischen Deutschen in der Abneigung gegen die politische Religion. Politik auf der Kanzel wird noch weithin bei uns mit dem feinsten Sensorium empfunden und verpönt.“[93] „Jeder Versuch, vom politischen Wesen auf das Evangelium zu schlußfolgern, führt zu Konstruktionen, die mit der Realität der Dinge nichts mehr zu tun haben. Es führt aus der heidnischen wie aus der jüdischen Welt kein menschlicher Weg in den Gottes-Staat der christlichen Verheißung.“[94]
Überwunden werden könne die politische Religion nur durch den Glauben. „War die politische Religion die vermessene Überschreitung jener Grenze, so ist der Glaube die Macht, die sie öffnet. Daher geschieht es, dass gerade in jener Gestalt des Christentums, die protestantisch heisst, das sola fide den Schwerpunkt des christlichen Lebens enthält. Denn der Glaube ist nichts anderes als der auf Erden gegenwärtige Gott selbst.“[95] „Die Ordnung, unter die das Evangelium ein Volk und seinen Staat vor Gott stellt, ist die Ordnung der Freiheit, die Wagnis ist; nicht aber der Knechtschaft, die Sicherheit bietet und um die es sich verlohnte. Denn der Gott des Evangeliums ist der lebendige Gott. Darum schließt es das Wesen des Christentums aus, daß der Mensch sich Gottes durch seine klug berechneten Konstruktionen bemächtige.“[96] Der Ausschluss des Lohngedankens gehöre „entscheidend zum Wesen des Evangeliums.“[97] Somit sieht Schütz im protestantischen Christentum die Antwort auf die von ihm aufgeworfene Frage der Überwindung der politischen Religion.
5. Kritische Anmerkungen zum Konzept von Paul Schütz
Grundsätzlich gibt Paul Schütz in seinem Manuskript zur politischen Religion keine Belege an. Mit einer noch zu nennenden Ausnahme werden weder ähnliche Denkansätze benannt, noch erwähnt er, auf welchen Werken z.B. seine Aussagen zur geschichtlichen Entwicklung basieren. Dadurch kann nicht geprüft werden, wie er zu seinem Geschichtsbild gelangt. Das ist nicht nur methodisch problematisch, sondern angesichts der zentralen Bedeutung der Historie für seinen Ansatz inakzeptabel. Man bedenke: Schütz zog Anfang der zwanziger Jahre sogar eine Habilitation im Fach Geschichte in Erwägung.
Schütz begründet auch nicht, warum er welche Epochen und Länder einbezieht und andere nicht. Warum lässt er seinen Ansatz erst mit der Zeit Christi beginnen, warum fragt er nicht – wie z.B. Eric Voegelin – vorher nach politischer Religion? Liegt die Wurzel dieses Ansatzes wirklich im Judentum dieser Zeit? Dadurch gewinnt sein Konzept eine Stringenz, zumal er auf Widersprüche im Gang der Geschichte, die seine Position widerlegen und ihren Absolutheitsanspruch infrage stellen, nicht eingeht.
Zugleich arbeitet Schütz durchgehend mit Pauschalisierungen, wie z.B. der Formulierung „der Jude“, „dem Russen“.[98] Er behauptet, dass „das jüdische Volk“ Christus gekreuzigt und die politische Religion begründet habe.[99] Er verzichtet auf jegliche Differenzierung und wendet grob vereinfachende Formulierungen an, mit denen Menschen eines Landes bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Er arbeitet mit Stereotypen, die generell dazu angetan sind, Vorurteile zu schüren und eine dichotomische Sichtweise zu fördern. Gerade im „Dritten Reich“ hat solches, von der nationalsozialistischen Propaganda besonders gefördertes Denken massiven Anteil an der Durchsetzung der Ausgrenzungs- und Vernichtungspolitik des Regimes gehabt.
Paul Schütz bekämpft die „politische Religion“, die er als Religion versteht. Durch die Kritik an den Ideen der Französischen Revolution und den direkten Bezug auf Arthur Moeller van den Bruck (1876-1925), ihrem wichtigsten Protagonisten, weist Schütz sich als Theologe im Kontext der Konservativen Revolution aus.[100] Explizit schreibt Schütz in seinem Manuskript – und der Bezug auf das „Dritte Reich“ ist unverkennbar, persönlich und vor allem positiv: „In einem leidenschaftlichen Ansturm haben wir den Bolschewismus als die gefährlichste, weil die entwickeltste Formation dieses neuen Weltprinzips bei uns niedergeworfen.“[101] Schütz handelte also aus einer bestimmten politischen Position heraus, die er selbst nicht weiter offen legte und als unpolitisch begriff. Dadurch entzog er seine Anschauung jeglicher Kritik.
Paul Schütz kritisierte vehement eine Verbindung von Theologie und Politik. Gleichzeitig hatten aber seine eigenen Veröffentlichungen politische Wirkungen, wie die Maßnahmen des nationalsozialistischen Staates gegen den Anti-Christus oder das Flugblatt Was ist ein Christ zeigen. Er verstand sich als unpolitisch, obwohl er es selbst nicht war und auch sein Anti-Christus durch und durch politische Aussagen enthielt. Schütz hatte Kontakte zu Religiösen Sozialisten wie zu konservativen Theologen, zu Angehörigen der Bekennenden Kirche wie auch zu Deutschen Christen. Letztlich stand er – wie seine zitierten Aussagen deutlich machen – in Distanz zur (kirchen-)politischen „Linken“ und unterstützte die „Rechte“. Dies sah Paul Schütz selbst aber nicht als politisch an. So erscheint es, als sei Schütz ein Vertreter des in politisch konservativen Kreisen weit verbreiteten Topos der „Überparteilichkeit“: Er nahm für sich selbst in Anspruch, „über den Parteien“ zu stehen, unpolitisch zu sein, obwohl er tatsächlich konkrete, konservative Interessen vertrat und jungkonservativen Kreisen nahe stand. Auch sein Freundeskreis war eher national-konservativ geprägt, von dem Religiösen Sozialisten Fritz Lieb hatte er sich deutlich distanziert.[102]
Auch vier Jahrzehnte später lehnte Paul Schütz die politische Religion vehement ab, wie seine Ergänzungen zeigen. Er modifizierte seine von der Konservativen Revolution geprägte Position und insbesondere sein Bild des Judentums nicht, auch nicht nach dem millionenfachen Mord des „Dritten Reiches“ an Juden. In einem handschriftlichen Nachtrag zum Manuskript „Die politische Religion“ ergänzte er 1975: „Ich stehe zu dieser These heute noch. Eher will ich Israel Unrecht tun, als zum Verräter an Jesus Christus werden. Nach Hitlers apokalyptischem Völkermord am jüdischen Volk entstand notwendiger Weise eine Überzeugungsströmung philosemitischen Charakters. Hitlers antisemitischem Psychoterror antwortete ein philosemitischer Psychoterror als genaues Spiegelbild, dialektisch bis hinein in den Gegensatz physisch-intellektuell. Beide Terrorformen sind antichristliche Endphaenomene der Geschichte.“[103] Mit der Gleichsetzung der nationalsozialistischen Judenverfolgung und -vernichtung mit einem als „Psychoterror“ charakterisierten angeblichen Philosemitismus wird der Genozid, die millionenfache Ermordung von Menschen, verharmlost und relativiert.[104]
Paul Schütz hat seine Position gegenüber den Juden vor allem im Jahr 1935 formuliert, dem Jahr der Verkündung der berüchtigten „Nürnberger Rassegesetze“. Das war zwar vor dem Genozid aber doch nach der beginnenden Entrechtung und Vertreibung von zu „Nichtariern“ erklärten und politisch andersdenkenden Menschen, nach dem Verblassen der Anfangseuphorie gegenüber dem Nationalsozialismus, die vor allem im Jahr 1933 – trotz der zahlreichen Entlassungen und Verfolgungen, trotz des Boykotts jüdischer Geschäfte, trotz der Bücherverbrennungen und dem Verbot politischer Parteien – in weiten, gerade auch kirchlichen Kreisen verbreitet war. Auch drei Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erhielt Schütz sie so aufrecht.
Dass nach 1945 der Holocaust in seiner theologischen Auseinandersetzung nicht prägend wurde, wird aus einem Brief deutlich, den er 1976 an den Verlagslektor und freien Schriftsteller Dr. Walter Strolz (Jahrgang 1927) schrieb: „Die Entscheidungen sind für mich im ersten Weltkrieg und in Zusammenhang mit der russischen Revolution gefallen. Ich lernte von den Slawen und Russen. Ihre Entscheidungen fielen, wie mir scheint, im Zusammenhang mit den Nazierfahrungen [gestrichen: Nazierscheinungen, RH] und dem ungeheuerlichen Schicksal der Juden, denen jetzt Ihre Liebe gehört, wie die meine damals dem Slawentum.“[105] Eine vorsichtige Andeutung einer Veränderung seiner Sichtweise – allerdings ohne jegliche Auseinandersetzung mit seiner früheren Position – findet sich in dem auf den 6. Dezember 1980 datierten Schlussbrief zur letzten Ausgabe seines Buches Warum ich noch ein Christ bin heißt es: „Ich bin dem Volk Israel Dank schuldig, für den es kein Wort gibt noch geben wird, so lang es noch Geschichte auf diesem rätselhaften Stern Erde gibt. Zur Verwirklichung dieses Selbstopfers Gottes in der Geschichte mußte das Volk Israel herhalten. Das ist sein Sinn, das ist seine Erwählung: Das Kreuz ist die Verwirklichung des Mysteriums der Geschichte, dessen Logik nur die Auferstehung des Geopferten sein kann.“[106]
Selbst wenn man einer theologischen Sprache eine besondere Stellung zuerkennen will und Paul Schütz sich in einem theologischen Diskurs befand, so kann man die von Schütz gebrauchte Wortwahl doch nicht von dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Entstehung seiner Texte trennen. Liest man seine Aussagen im politischen Kontext des „Dritten Reiches“, so finden sich Anklänge an gängige judenfeindliche Stereotypen: Generell finden sich auch nach 1945 Verallgemeinerungen durch die undifferenzierten Bezeichnungen „der Jude“[107], „das Judentum“[108] – als ob es nur einen einzigen monolithischen Block gäbe. Im Zusammenhang mit dem Judentum wird von der „Verführungsmacht“[109] gesprochen. Auch den Terminus „Zersetzungskraft“ benutzt Schütz ohne Distanzierung.[110] Das Bild von „den Juden“ als Verführer, die die Arier bedrohen und „zersetzen“ wollen, taucht in antisemitischen Aussagen oft auf. Der Begriff „völkisch“ wird oft in den genannten Textstellen gebraucht, sogar vom „Haus- und Blutsgott des völkischen Ghettos“ ist die Rede. Hat Schütz diese Lesart seiner Texte im zeitgenössischen Kontext ihrer Entstehung nicht gesehen oder hat er sie stillschweigend akzeptiert oder gar bewusst gefördert? Hat er die Sprache seiner Zeit und ihre Mitte der dreißiger Jahre schon erkennbaren physischen Konsequenzen für politisch und „rassisch“ Verfolgte nicht gesehen oder sehen wollen? Und ganz offensichtlich hat er auch Mitte der siebziger Jahre keine Distanz zu seinem so formulierten Manuskript aus den dreißiger Jahren eingenommen.
6. Zusammenfassung
Mit dem Terminus politische Religion bezeichnete Paul Schütz diejenigen Ansätze, in denen sich der Mensch selbst zum Erwählten mache und das Paradies im Diesseits, in weltlichen Ordnungen realisieren wolle. Der Mensch mache sich zum Maß aller Dinge, nehme hier die Position Gottes ein, sage sich von ihm los und erstrebe die Erlösung auf Erden. Damit aber werde Gott geleugnet. Politik werde so zur Religion.
Paul Schütz war stark in der Ideenwelt der „Konservativen Revolution“ verwurzelt. Er war ein konservativer, nationalistisch geprägter Theologe. In seiner Sicht des Judentums verbindet er zwei Sichtweisen des konservativen Spektrums: Antijudaismus und die Vorstellung einer vom Judentum begründeten politischen Religion. Seine Auseinandersetzung mit politischer Religion und Judentum findet insbesondere Mitte der dreißiger Jahre statt. Sie ist zwar eine theologische Position, doch lassen ihre Formulierungen auch eine politische Lesart im damaligen Kontext zu. Seine eigene, von ihm selbst nicht reflektierte politische Prägung und Position wird hier vor allem sprachlich deutlich. Schütz warnt vor einer „politischen Religion“, doch ist er auch selbst politisch und nimmt einen spezifisch politischen Standpunkt ein, obwohl er für sich selbst eine quasi apolitische, überparteiliche Haltung postuliert. Hier zeigt sich der im Konservatismus oft gebrauchte Topos der „Überparteilichkeit“, der eine eigene politische Position und konkrete eigene Interessen verschleiern sollte, um sie als allgemeine, „überparteiliche“ leichter realisierbar werden zu lassen. Deutlich wird: Paul Schütz ist als politischer Analytiker bedenklich, methodisch entspricht seine Vorgehensweise nicht wissenschaftlichen Standards.
Die Schrift von Paul Schütz über die politische Religion von 1935 weist darauf hin, dass der Diskurs um die politische Religion Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre ursprünglich im missionswissenschaftlichen Kontext, in dem auch Paul Schütz stand, geführt wurde, bevor er in den politologischen, soziologischen und historischen Kontext übertragen wurde. Er diente der Abwehr der Idolatrie und enthielt vor allem ein gegenüber konkurrierenden Theologien kritisches Potential. Dazu gedacht, das Religiöse in einer säkularisierten Umwelt zu erhalten und neu zu konstituieren, war das Konzept nicht dazu fähig, den politischen Bereich einer umfassenden Kritik zu unterziehen. Der Nationalsozialismus oder die deutsche Glaubensbewegung blieben als Phänomene einer „politischen Religion“ bei Paul Schütz ausgeklammert. Erst die Arbeiten von Voegelin und Aron kehrten das Verhältnis um und kritisierten den Nationalsozialismus als „politische Religion“, um die Resakralisierung des politischen Raums abzuwehren.
Anmerkungen
[1] Paul
Schütz, Die politische Religion. Eine Untersuchung
über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte, Ms. Schwabendorf
1935 (Staatsarchiv Hamburg [StA HH], 622-1 Familie Paul Schütz,
248). Eine Edition des Textes ist geplant. Für die
Übertragung der Rechte am Manuskript danke ich der
Paul-Schütz-Gesellschaft. Vgl. dazu bislang: Werner Ustorf,
„Political Religions“ – A Theological Perspective, in: Neuere
religiöse Bewegungen in internationaler Perspektive. Festschrift
für Erhard Kamphausen. Hg. von Andreas Heuser; Wolfram
Weiße, Aachen 2005, S. 5-14; ders., Political Religions.
Conference on “Enlightenment and Modernisation, Secularisation and
Sacralisation in Western Europe and East Asia”, University of
Wuhan,
17-20 September 2006; Rainer Hering, „Christus weissagt das Judentum
als den Hauptfeind seiner künftigen Gemeinde”. Das Judentum bei
Paul Schütz, in: Jahrbuch der Hessischen
Kirchengeschichtlichen
Vereinigung 52 (2001), S. 143-165.
[2] Rainer Hering, Von
Hessen nach Hamburg: Der Theologe Paul
Schütz im „Dritten Reich“, in: Mitteilungen des Oberhessischen
Geschichtsvereins N.F. 84 (1999), S. 1-39; Rudolf Kremers, Paul
Schütz - Auf der Suche nach der Wirklichkeit. Ein Lebens- und
Erkenntnisweg, Moers 1989. Ein Verzeichnis seiner Werke und seiner
Rezeption bei: Rainer
Hering, Schütz, Paul Wilhelm Lukas, in:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Begründet
und hg.
von Friedrich Wilhelm Bautz, fortgeführt von Traugott Bautz. Bd.
IX, Herzberg 1995, Sp. 1080-1098; ein erweiterter Sonderdruck unter
dem
Titel: Der Theologe Paul Schütz. Biographie und Bibliographie
ist
von der Paul-Schütz-Gesellschaft Heidelberg 1996 in zwei Auflagen
vorgelegt worden.
[3] Heinrich Ott,
Konfessionelles oder universelles Christentum?
Zur
gegenwärtigen Aktualität von Paul Schütz' Kritik am
Luthertum, in: Theologische Zeitschrift 54 (1998), S. 151-161,
hier: S.
152. Bei Ott wurde 1990 eine sehr umfangreiche Hausarbeit über
Schütz angefertigt: Christian C. Adrian, Eine Theologie des
heiligen Geistes. Versuch einer systematischen Darstellung des
theologischen Denkens von Paul Schütz, Ms. Basel 1990,
überarbeitet Visp/Schweiz 1997.
[4] Hierzu und zum
Folgenden mit weiterführenden
Literaturhinweisen: Michael Ley/Julius H. Schoeps (Hg.), Der
Nationalsozialismus als politische Religion, Bodenheim bei Mainz
1997;
Hans Günter Hockerts, War der Nationalsozialismus eine politische
Religion? Über Chancen und Grenzen eines Erklärungsmodells,
in: Zwischen Politik und Religion. Studien zur Entstehung, Existenz
und
Wirkung des Totalitarismus, hg. von Klaus Hildebrand (Schriften des
Historischen Kollegs, Kolloquien 59), München 2003, S. 45-71;
Totalitarismus und Politische Religionen. Konzepte des
Diktaturvergleichs. Band III: Deutungsgeschichte und Theorie, hg.
von
Hans Maier, in Zusammenarbeit mit Katrin Mey/Michael Schäfer/Hans
Otto Seitschek (Politik- und Kommunikationswissenschaftliche
Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft 21).
Paderborn-München-Wien-Zürich 2003; Richard Steigmann-Gall,
Was National Socialism a Political Religion or a Religious Politics?
In: Religion und Nation. Nation und Religion. Beiträge zu
einer
unbewältigten Geschichte, hg. von Michael Geyer/Hartmut
Lehmann
(Bausteine zu einer europäischen Religionsgeschichte im Zeitalter
der Säkularisierung 3), Göttingen 2004, S. 386-408; Friedrich
Kießling, Nationalsozialismus als politische Religion. Zu einer
neuen und alten Deutung des Dritten Reichs, in: Archiv für
Sozialgeschichte 45 (2005), S. 529-547.
[5] Zum Überblick mit
weiterführenden Hinweisen vgl.
Detlef Schmiechen-Ackermann, Diktaturen im Vergleich
(Kontroversen um
die Geschichte), Darmstadt 2002.
[6] Michael Burleigh, Die
Zeit des Nationalsozialismus. Eine
Gesamtdarstellung, Frankfurt/M 2000; engl. Original: The Third
Reich. A
New History, London 2000.
[7] Klaus-Georg Riegel, Der
Marxismus-Leninismus als „politische
Religion“, in: Politische Religion und Religionspolitik. Zwischen
Totalitarismus und Bürgerfreiheit, hg. von Gerhard
Besier/Hermann
Lübbe (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für
Totalitarismusforschung 28), Göttingen 2005, S. 15-48, bes. S.
15-17.
[8] Eric Voegelin, Über
politische Religionen, Wien
1938,
Stockholm-Berlin ²1939; ders., Die politischen Religionen,
hg. und
mit einem Nachwort versehen von Peter J. Opitz, München 1993,
²1996.
[9] Hans-Christof Kraus,
Eric Voegelin redivivus? Politische
Wissenschaft als Politische Theologie, in: Michael Ley/Julius H.
Schoeps (Hg.), Der Nationalsozialismus als politische Religion,
Bodenheim bei Mainz 1997, S. 74-88; Politische Religion? Politik,
Religion und Anthropologie im Werk von Eric Voegelin, hg. von
Michael
Ley/Heinrich Neisser/Gilbert Weiss (Periagoge Studien), München
2003; Hans Otto Seitschek, Die Deutung des Totalitarismus als Religion,
in: Totalitarismus und Politische Religionen. Konzepte des
Diktaturvergleichs. Band III: Deutungsgeschichte und Theorie, hg.
von
Hans Maier, in Zusammenarbeit mit Katrin Mey/Michael Schäfer/Hans
Otto Seitschek (Politik- und Kommunikationswissenschaftliche
Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft 21),
Paderborn-München-Wien-Zürich 2003, S. 129-177, bes. S.
129-149; Klaus Vondung, Die Tücken des millenarischen
Sendungsbewusstseins. Religiöses und Politisches gehen auch in
säkularen Gesellschaften Verbindungen ein – notwendige oder
gefährliche? In: Frankfurter Rundschau Nr.166 v.
20.7.2004, S. 16;
Monika
Neugebauer-Wölk, Esoterik und Neuzeit. Überlegungen
zur historischen Tiefenstruktur religiösen Denkens im
Nationalsozialismus, in: Zeitenblicke 5 (2006), Nr.1 (URL:
http://www.dipp.zeitenblicke.de/2006/1/Neugebauerwoelk/index_html
(eingesehen am 13.04.2006).
[10] Raymond Aron,
L’avenir des religions
séculières,
in: La France libre 1944, S. 210-217 und S. 269-277, erneut in:
Commentaire 8 (1985), S. 369-383; ders., Das Zeitalter der
Tyrannen,
in: Ders., Über Deutschland und den Nationalsozialismus.
Frühe politische Schriften 1930-1939, hg. von Joachim Stark,
Opladen 1993, S. 186-208 (zuerst in: Revue de métaphysique
et de
morale 46 (1939)).
[11] Seitschek, Deutung,
S. 150-162.
[12] Hans Günter
Hockerts, Mythos, Kult und Feste.
München
im nationalsozialistischen „Feierjahr“, in: München –
„Hauptstadt
der Bewegung“, München 1993, S. 331-341; Jay W. Baird, To
die for
Germany. Heroes in the Nazi Pantheon, Bloomington-Indianapolis
1990,
bes. S. 41-72; vgl. auch: Benedikt Weyerer, München 1918-1939.
Stadtrundgänge zur politischen Geschichte, München 1993;
Zitate und weitere Nachweise bei Kießling, Nationalsozialismus,
S. 535.
[13] Monika
Neugebauer-Wölk versteht den Nationalsozialismus
nicht als Religion eigener Art, da er kein eigenes Glaubenssystem oder
Erlösungsdenken entwickelt habe. Er sei vielmehr eine Variante des
Formenkreises esoterischer Religiosität der Neuzeit
(Neugebauer-Wölk, Esoterik, S. bes. 58).
[14]
Schmiechen-Ackermann, Diktaturen, S. 22-62.
[15] Hierzu und zum
Folgenden Hering, Hessen; Kremers,
Schütz.
[16] Paul Schütz, Richard
Hooker. Der grundlegende
Theologe
des
Anglikanismus. Eine Monographie zur Reformationsgeschichte und zu den
Anfängen der Aufklärung, Dissertation (Halle) 1922, als
Mikrofilm Göttingen 1952.
[17] Rainer
Hering, Schütz-Wolff, Johanna, in:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Begründet
und hrsg.
von Friedrich Wilhelm Bautz, fortgeführt von Traugott Bautz, Band
XXI Nordhausen 2003, Sp. 1376-1397.
[18] Paul Schütz, Zwischen
Nil und Kaukasus. Ein
Reisebericht
zur religionspolitischen Lage im Orient, München 1930, 19302,
Kassel 19533, 4. Aufl. mit einem Vorwort von Hans Bürki
Moers
1991; vgl. dazu: Hans-Werner Gensichen, Zur Orient- und
Missionserfahrung von Paul Schütz, in: Zeitschrift für
Missionswissenschaft und Religionswissenschaft 77 (1993), S.
152-159;
Hans-Joachim Klimkeit, Zum Paul Schütz-Kolloquium (Heidelberg,
13.-14.12.1991), in: Zeitschrift für Religions- und
Geistesgeschichte 46 (1994), S. 256-257; ders., Zwischen Nil und
Kaukasus. Bemerkungen zum Werk von Paul Schütz, in: Ebd.,
S.
270-275; Heinrich Balz, Berliner Missionstheologie und Karl Barth:
Aneignung und Widerspruch, in: 450 Jahre Evangelische Theologie in
Berlin, hg. von Gerhard Besier/Christof Gestrich, Göttingen
1989,
S. 419-437, bes. S. 421f.
[19] Auch Karl Barth nahm
die Thesen von Schütz ernsthaft
als
Anfrage und Warnung auf, vgl. Karl Barth, Die Theologie und die Mission
in der Gegenwart. Vortrag, gehalten an der Brandenburgischen
Missionskonferenz in Berlin am 11. April 1932, in: Ders., Theologische
Fragen und Antworten. Gesammelte Vorträge 3. Band, Zollikon
1957,
S. 100-126, hier: S. 115f.
[20] Gedruckt als Paul
Schütz, Säkulare Religion.
Eine
Studie über ihre Erscheinung in der Gegenwart und ihre Idee bei
Schleiermacher und Blumhardt d.J. (Beiträge zur systematischen
Theologie, 2), Tübingen 1932.
[21] StA HH, 221-11
Staatskommissar für die Entnazifizierung
und Kategorisierung, HMb c/P 541.
[22] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 97, Furche-Verlag an
Schütz 11.10., 18.10. und 24.10.1935 (im letzten Brief wird die
zitierte Begründung des Verbots mitgeteilt). Paul Schütz, Der
Anti-Christus. Eine Studie über die widergöttliche Macht und
die deutsche Sendung (Stimmen aus der deutschen christlichen
Studentenbewegung, 83), Berlin 1933, ²1935, Neuausgabe Kassel
1949, in Auszügen in Band zwei der Gesammelten Werke aufgenommen;
Kremers, Schütz, S. 46 und 54. Reaktionen auf das Buch
sind
überliefert in: StA HH, 622-1 Familie Schütz, 134.
Darüber schrieb Schütz an den Dekan der Theologischen
Fakultät in Gießen, Ernst Haenchen (1894-1975), am
4.12.1935: „Zu der Ihnen bereits mitgeteilten Beschlagnahmung meines
‚Anti-Christus' füge ich noch hinzu, daß die Bemühungen
des Verlegers um Freigabe erfolglos geblieben sind. Der einzige Erfolg
war die Zusicherung der Entscheidungsinstanz, daß mit der
Beschlagnahmung ‚keinesfalls eine persönliche Kränkung des
Verfassers verbunden ist'“ (Universitätsarchiv Gießen [UA
GI], Theol K 12). Diese Mitteilung der Geheimen Staatspolizei vom
27.11.1935 war die Resonanz auf die umfangreiche Beschwerde des
Furche-Verlages vom 15.11.1935, der u.a. Zeugnisse des
Ortsgruppenleiters der NSDAP zu Albhausen, des Bürgermeisters von
Schwabendorf und des Dekans der Theologischen Fakultät
Gießen beigefügt waren (StA HH, 622-1 Familie Schütz,
97).
[23] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 98, Schütz an Ernst
Haenchen 2.4.1936.
[24] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 99, Schütz an Dr.
Karl
Troebs (1904-1941), den Pressereferenten im Reichsministerium für
die kirchlichen Angelegenheiten, 11.2.1939.
[25] Paul Schütz, Das
Mysterium der Geschichte. Eine
Meditation
der Christusapokalypse, Kassel 1950; Nordelbisches Kirchenarchiv
Kiel
(NEKA), 32.03.03, Personalakte Schütz, Bl. 74,
Entnazifizierungsfragebogen vom 21.11.1945; Kremers, Schütz, S. 46
und 69; Paul Schütz, Warum ich noch ein Christ bin. Briefe an
einen jungen Freund, Berlin 1937, 19384, zweite Fassung
Hamburg 19465,
Kassel 19496, dritte Fassung: Warum ich noch ein Christ
bin. Eine
Existenzerfahrung, Hamburg 19697, Neuausgabe mit einem
zusätzlichen Brief als Schlußwort vom 6.12.1980. Moers
19818, 19849 überarbeitete Neuausgabe mit
einem Vorwort des
EKD-Vorsitzenden Landesbischof Klaus Engelhardt, Augsburg 1996
(niederländisch Den Haag 1970); ders., Das Evangelium. Dem
Menschen unserer Zeit dargestellt, Berlin 1940, 1940²,
Tübingen 19513
[26] Gespräch mit
ihrer Tochter Anne von Miller-Schütz
am
14.12.1986 in München; Katja Schneider, Johanna
Schütz-Wolff.
Textil und Grafik zum 100. Geburtstag. Staatliche Galerie
Moritzburg
Halle, Halle (Saale) 1996, bes. S. 9, 25 und 30f, sowie StA HH, 622-1
Familie Schütz, 13, Informationsblatt des Arbeitskreises
für
die Geschichte der Hugenotten und Waldenser Schwabendorf e.V.
III/86:
Erinnerung an Prof. Dr. Paul Schütz, Pfarrer in Schwabendorf von
1925-1940. Diese Ereignisse sind nur mündlich überliefert und
daher nicht genau datierbar, möglicherweise war es auch schon
1937.
[27] Bundesarchiv Berlin,
Personenbezogene Unterlagen des Berlin
Document Center (BDC), Schütz an Reichsschrifttumskammer
15.05.1941 und 08.06.1941 (mit ausgefülltem Antragsformular). Die
Höhe seiner Einkünfte aus der schriftstellerischen
Tätigkeit gab er für das Jahr 1940 mit 3.900 RM an. Aufgrund
der Papierknappheit wurde sein Antrag als gegenstandslos angesehen; ihm
wurde nahe gelegt, nach Kriegsende die Mitgliedschaft erneut zu
beantragen. Nachträgliche Befreiungsscheine von der Mitgliedschaft
in der Reichsschrifttumskammer für die bereits
veröffentlichte Werke Das Evangelium und Warum ich
noch ein Christ
bin wurden erteilt (ebd., Reichsschrifttumskammer an Schütz
28.06.1941). Weitere Unterlagen konnten in den Beständen
Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (R
4901) sowie Reichsministerium für die kirchlichen Angelegenheiten
(R 5101) nicht ermittelt werden (freundliche Mitteilung des
Bundesarchivs Berlin, Herr Zarwel, vom 11.04.2006).
[28] Kurt Sontheimer, Antidemokratisches
Denken in der
Weimarer
Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen
1918 und 1933, München ²1983, bes. S. 121-123; Joachim
Petzold, Konservative Theoretiker des deutschen Faschismus.
Jungkonservative Ideologen in der Weimarer Republik als geistige
Wegbereiter der faschistischen Diktatur, Berlin (DDR) 1978; Yuji
Ishida, Jungkonservative in der Weimarer Republik. Der Ring-Kreis
1928-1933 (Europäische Hochschulschriften, 3, 346),
Frankfurt/M
u.a. 1988.
[29] Kremers, Schütz,
S. 53.
[30] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 98, Schütz an den
Theologiestudenten (Heinz ?) Bruchwitz in Tegel bei Berlin 22.6.1936;
ebd., Schütz an den Studenten (Heinrich ?) Link in Berlin
12.8.1937.
[31] Nachlass Paul
Schütz, Schütz an Köberle o.D.,
vermutlich Anfang 1946.
[32] Vgl. dazu Rainer
Hering, Theologie im Spannungsfeld von
Kirche
und Staat. Die Entstehung der Evangelisch-Theologischen Fakultät
an der Universität Hamburg 1895 bis 1955 (Hamburger
Beiträge
zur Wissenschaftsgeschichte, 12), Berlin-Hamburg 1992, bes. S. 106f;
ders., „Einer antichristlichen Dämonie verfallen“. Die
evangelisch-lutherischen Kirchen nördlich der Elbe und die
nationalsozialistische Vergangenheit, in: Bea Lundt (Hg.), Nordlichter.
Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe
(Beiträge zur Geschichtskultur, 27), Köln-Weimar-Wien 2004,
S. 355-370, bes. S. 360f.
[33] Kurt Sontheimer, Der
Tatkreis, in: Vierteljahrshefte
für
Zeitgeschichte 7 (1959), S. 229-260, das Zitat S. 254f. Der
„Tat“-Herausgeber Hans Zehrer (1899-1966) war nach 1945 Chefredakteur
der "Welt" und des evangelischen „Sonntagsblatts“ (Gerhard Heinemann,
„Die Tat“ und das Geheimnis der Geschichte. Von der Apologie des
Nationalsozialismus bis zur „Welt“ – die Kontinuität einer
Karriere, in: Frankfurter Rundschau Nr.52 v. 2.3.1988, S. 6;
Axel
Schildt, Deutschlands Platz in einem „christlichen Abendland“.
Konservative Publizisten aus dem Tat-Kreis in der Kriegs- und
Nachkriegszeit, in: Deutschland nach Hitler. Zukunftspläne im
Exil
und aus der Besatzungszeit 1939-1949, hg. von Thomas Koebner/Gert
Sautermeister/Sigrid Schneider, Opladen 1987, S. 344-369, hier: S.
352f; Otto und Monika Köhler, Unheimliche Publizisten. Die
verdrängte Vergangenheit der Medienmacher, München 1995,
S.
328-339). Zum Hintergrund: Axel Schildt, Konservatismus in
Deutschland.
Von den Anfängen im 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart,
München 1998, S. 131ff. – Paul Schütz, Von Blumhardt zu
Barth. Ein Beitrag zur religiösen Lage, in: Die Tat 14
(1922/23),
S. 423-432; ders., Ernüchterung zur Endlichkeit, in: Die Tat
24
(1932), S. 673-682 und S. 771-778. Vom „Tat“-Kreis geprägt war
auch die Zeitung Christ und Welt, in der Schütz in den
sechziger
und siebziger Jahren publizierte.
[34] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 96, Redaktion Deutsches
Volkstum an Schütz 08.07.1932 und 29.03.1933 sowie
Hanseatische
Verlagsanstalt an Schütz 18.04.1933. Vgl. Knut Bergmann, Das
„Deutsche Volkstum“ – eine Zeitschrift des „Neuen Nationalismus“ in der
Weimarer Republik, Magisterarbeit (Geschichtswissenschaft) ms.
Hamburg
1986; Siegfried Lokatis, Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches
Buchmarketing im „Dritten Reich“, Frankfurt/M 1992. Zur
Konservativen
Revolution s.u.
[35] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 93, Schütz an
Gerstenmaier 14.3.1938. Zum Kirchlichen Außenamt, seinem Bischof
Theodor Heckel (1894-1967) und Eugen Gerstenmaier vgl. Rolf-Ulrich
Kunze, Theodor Heckel. 1894-1967. Eine Biographie (Konfession
und
Gesellschaft, 13), Stuttgart-Berlin-Köln 1997, bes. S. 119-181.
[36] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 97, Schütz an
Rechtsanwalt Dr. Eberhard Fiedler (1898-1947) in Bad Oeynhausen
20.7.1934. Fiedler leitete die juristische Abteilung im Präsidium
der Bekenntnissynode und war Mitglied des Reichsbruderrates und des
Rates der Deutschen Evangelischen Kirche, vgl. Kirche im
Widerspruch.
Die Rundbriefe des Bruderbundes Kurhessischer Pfarrer und der
Bekennenden Kirche Kurhessen-Waldeck 1933-1935, hg. von Martin Hein
(Quellen und Studien zur hessischen Kirchengeschichte, 2), Darmstadt
1996, S. 579.
[37] „Insbesondere
ist das Versagen der BK hier total.
Durch
die in ihr herrschende dialektische und die daraus folgende politische
Verkrampfung ist sie sozusagen grundsätzlich und von vornherein
aus der Kontaktmöglichkeit mit unserem Volk herausgelöst. Es
will mir fast scheinen, als ob heute Christus unserem Volke nur noch
ausserhalb der alten Kirchen begegnen könne.“ (StA HH, 622-1
Familie Schütz, 98, Schütz an Adolf Köberle 12.8.1937).
[38] Zur sehr
kontroversen Einschätzung der Rolle von
Marahrens
im „Dritten Reich“ vgl. Bewahren ohne Bekennen? Die hannoversche
Landeskirche im Nationalsozialismus, hg. von Heinrich Grosse/Hans
Otte/Joachim Perels, Hannover 1996; Die Evangelisch-lutherische
Landeskirche Hannovers in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine
Forschungsbibliographie, bearb. von Thomas Jan Kück
(Veröffentlichungen aus dem Landeskirchlichen Archiv Hannover, 3),
Hannover 1997; Gerhard Lindemann, „Typisch jüdisch“. Die
Stellung
der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers zu Antijudaismus, Judenfeindschaft
und Antisemitismus 1919-1949 (Schriftenreihe der Gesellschaft
für
Deutschlandforschung, 63), Berlin 1998.
[39] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 97, Schütz an
Marahrens
29.10.1934, Hervorhebungen im Original.
[40] Abgedruckt in: Die
zweite Bekenntnissynode der Deutschen
Evangelischen Kirche zu Dahlem. Text – Dokumente – Berichte, hg.
von
Wilhelm Niemöller (Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, 3),
Göttingen 1958, S. 37f.
[41] Ebd., Schütz an
den Berliner Pfarrer, Präses der
dortigen Bekennenden Kirche und späteren oldenburgischen
Landesbischof Gerhard Jacobi (1891-1971) 7.11.1934.
[42] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 100, Schütz an
Pfarrer
Franz Berthoud (1894-1977) 13.12.1940. 1950 schrieb Schütz an den
Theologen Hans Asmussen (1898-1968): „In Ihrer Stellungnahme zu
Niemöller habe ich besonders aufgemerkt auf den Satz: ‚Es ist
unglaubwürdig geworden, dass es uns unter Hitler wirklich um das
Bekenntnis ging.' Nicht Ihnen, aber Niemöller gegenüber und
einer bestimmten Gruppe seiner Anhänger ist mir diese
Unglaubwürdigkeit bereits 1935 in so hohem Masse evident gewesen,
dass es mir nicht möglich war, mich der Bekennenden Kirche
anzuschliessen, obwohl fast alle meine Freunde in ihr standen. Die
politische Religion gehört zu den dämonischen Versuchungen
der Kirche, die deshalb so tödlich wirken, weil hier die
Unterscheidung der ‚Geister' am Schwierigsten ist.“ (StA HH, 622-1
Familie Schütz, 104, Schütz an Asmussen 25.11.1950).
[43] Kremers, Schütz,
S. 50-52; Hering, Hessen,
S. 31-38.
1952
schrieb Schütz sogar: „Plötzlich sieht man, an welchen
Abgrund diejenigen die evangelische Kirche herangeführt haben, die
die Barmer Erklärung einzubauen veranlaßt haben. Hier wird
sichtbar – nämlich im Horizont der communio sanctorum –, daß
diese These [gemeint ist die erste, RH] nichts anderes ist als die
Scylla, die der Charybdis der Deutschen-Christen-Theologie als das
andere, gefährlichere Übel entspricht, gefährlicher,
weil in ihrem häretischen Charakter ungleich schwerer zu
durchschauen als die Naivitäten jener.“ (Besprechung von Max
Lackmann, Vom Geheimnis der Schöpfung, Stuttgart 1952, in: Eckart
22 [1952/53], S. 347-349, Manuskript in: StA HH, 622-1 Familie
Schütz, 81). Zum Konflikt von Schütz mit dem lutherischen
Bekenntnis s.u.
[44] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 97, Schütz an Dr.
Hans
Beyer (1908-1971) in Berlin 11.1.1934.
[45] Das
Sitzungsprotokoll seiner Anklageschrift gegen den
Reichsbischof wurden von sämtlichen Kirchenältesten einzeln
unterzeichnet, was sonst nicht üblich war: „Denn bei diesen
einfachen, handfesten Männern ist noch jenes kostbare Wissen
lebendig, dass die Kirche nicht so sehr im Kampf um das
kirchenpolitische Ziel ihrer Regierung als im Kampf um ihre Wahrheit
die Entscheidungsschlacht zu schlagen haben wird. Diese Schlacht aber
kommt erst. Nicht dass ich den Kampf um die Sache in irgendeiner Weise
gering schätze. Ich aber habe meinen Platz in jenem anderen noch
bevorstehenden Kampf. Mich auf ihn zu rüsten, habe ich indess jede
Stunde hier hinter meinem Walde ausgenutzt. Denn das werden Sie selbst
empfinden, dass nach Abschluss des Kampfes der Kirche um ihre
elementare Selbstbehauptung von der Welt an sie die Frage gerichtet
werden wird, welches das Wort sei, das sie nun eigentlich zu sagen
habe.“ (StA HH, 622-1 Familie Schütz, 97, Schütz an Jacobi
7.11.1934), vgl. auch Schwabendorf, S. 305f.
[46] So der Vermerk auf
der Anklageschrift selbst. Im Nachlass
Schütz finden sich keine Hinweise auf eine Versendung an die
beiden Universitäten. Im Universitätsarchiv Gießen (UA
GI) waren ebenfalls keine Hinweise zu ermitteln, im Briefeingangsbuch
(UA GI, Theol C 6) ist weder 1934 noch 1935 eine entsprechende
Zuschrift vermerkt, auch findet sich in den Protokollen der
Fakultätssitzungen kein Hinweis darauf (ebd., Theol C 2;
freundliche Mitteilung von Frau Dr. Eva-Marie Felschow, UA GI, vom
09.01.1997). In den Unterlagen der Theologischen Fakultät Marburg
konnte ebenfalls weder der Fachbereich Evangelische Theologie der
Philipps-Universität Marburg noch das zuständige Staatsarchiv
Marburg Hinweise auf diesen Vorgang ermitteln (freundliche Mitteilung
von Herrn Dipl.-Bibl. Klaus Wittrock vom Fachbereich Evangelische
Theologie vom 18.03.1997).
[47] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 97, Anklageschrift auf
Irrlehre gegen den Herrn Reichsbischof Ludwig Müller,
Hochwürden vom 31.10.1934, Hervorhebung im Original; Schwabendorf,
S. 306. Thomas Martin Schneider, Reichsbischof Ludwig Müller.
Eine
Untersuchung zu Leben, Werk und Persönlichkeit (Arbeiten zur
kirchlichen Zeitgeschichte, 19), Göttingen 1993, erwähnt Paul
Schütz mit keinem Wort.
[48] UA GI, Theol B 6,
Band 1, Schreiben an Ludwig Müller
vom
21.11.1934. Die Rücktrittsforderung war bereits telegraphisch am
06.11.1934 an Müller geschickt worden. Wiedergegeben ist sie im
Rundbrief Bernhard Heppes (1897-1945) an die Pfarrer der Bekennenden
Kirche Kurhessen-Waldeck vom 10.11.1934, allerdings wird dort der
05.11.1934 als Absendedatum des Brieftelegramms angegeben (Hein,
Kirche, S. 179-186, hier: S. 182f).
[49] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 96, Schütz an Hauer
05.10.1933, Hervorhebungen im Original, offensichtliche Tippfehler
wurden stillschweigend korrigiert. Vgl.: Ulrich Nanko, Die Deutsche
Glaubensbewegung. Eine historische und soziologische Untersuchung
(Religionswissenschaftliche Reihe, 4), Marburg 1993; Margarete
Dierks,
Jakob Wilhelm Hauer 1881-1962. Leben-Werk-Wirkung. Mit einer
Personalbibliographie, Heidelberg 1986; Werner Ustorf, Two Tales of
Post-Christendom: Hauer’s Neopaganist Mission of the 1930s and the
‚Soul for Europe‘ Project of the 1990s, in: Swedish Missiological
Themes 87 (1999), S. 179-207.
[50] Zitiert nach: Paul
Schütz, Warum ich noch ein
Christ
bin.
Eine Existenzerfahrung, Hamburg 71969, S. 197.
[51] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 88, Schütz an Fritz
Lieb 9.11.1933; Kremers, Schütz, S. 78.
[52] StA HH, 622-1
Familie Schütz, 80, Schütz an Rein
14.8.1954, und 101, Dr. von Wedel an Schütz, 27.10.1946; Hering,
Spannungsfeld, bes. S. 244-246.
[53] Hering, Spannungsfeld,
bes. S. 240-243, das Zitat S.
241.
[54] Hierzu und zum
Folgenden besonders Ustorf, Political
Religions,
S. 6-10.
[55] Gespräch mit
Horst-Klaus Hofmann am 24.02.2006 in
Marburg/Lahn. 1980 schrieb Schütz über den ausscheidenden
Lektor des Herder-Verlages: „Er ist fanatischer Philosemit und
verachtet mich als Kritiker des Judentums.“ (Schütz an Hans
Bürki 20.6.1980; ich danke Herrn Horst-Klaus Hofmann dafür,
dass er mir eine Kopie dieses Schreibens zur Verfügung gestellt
hat).
[56] StA HH, 622-1
Familie Paul Schütz; und die
dazugehörigen Geschäftsakten Az. 218-167).
[57] Paul Schütz,
Die politische Religion. Eine Untersuchung
über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte, Ms. Schwabendorf
1935, Bl. 3 (StA HH, 622-1 Familie Paul Schütz, 248).
[58] Ebd., Bl. 4.
[59] Ebd., Bl. 6.
[60] Ebd., Bl. 9.
[61] Ebd., Bl. 10.
[62] Ebd., Bl. 11.
[63] Ebd., Bl. 12.
[64] Ebd., Bl. 8.
[65] Ebd., Bl.14-17,
Hervorhebungen im Original.
[66] Ebd., Bl. 20-22.
[67] Paul Schütz, Das
Mysterium der Geschichte. Eine
Meditation
der Christus-Apokalypse, Kassel 1950, hier zitiert nach ders., Das
Mysterium der Geschichte. Von der Anwesenheit des Heilenden in der Zeit
(Gesammelte Werke, 2), Hamburg 1963, S. 113-352. Das
ursprüngliche
Manuskript befindet sich in: StA HH, 622-1 Familie Paul Schütz,
46.
[68] Ebd., S. 198f.
[69] Ebd., S. 208.
[70] Ebd., S. 209.
[71] Ebd., S. 210. Das
Zitat ist im Text hervorgehoben.
[72] Ebd., S. 204f.
[73] Ebd., S. 211.
[74] Ebd., S. 215.
[75] Hier zitiert nach
der Werkausgabe: Paul Schütz,
Evangelium. Sprache und Wirklichkeit der Bibel in der Gegenwart
(Gesammelte Werke, 1), Hamburg 1966, S. 411. Die
Seitenüberschrift
lautet: „Jerusalem! Die du tötest die Propheten!“.
[76] Paul Schütz,
Die politische Religion. Eine Untersuchung
über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte, Ms. Schwabendorf
1935, Bl. 14 (StA HH, 622-1 Familie Paul Schütz, 248).
[77] Ebd., Bl. 16.
[78] Ebd., Bl. 18.
[79] Ebd., Bl. 20.
[80] Ebd., Bl. 22.
[81] Ebd., Bl. 31.
[82] Ebd., Bl. 23;
Hervorhebung im Original.
[83] Ebd., Bl. 25;
Hervorhebung im Original.
[84] Ebd., Bl. 27.
[85] Ebd., Bl. 27f.
[86] Ebd., Bl. 28.
[87] Ebd., Bl. 31.
[88] Ebd., Bl. 42.
[89] Ebd., Bl. 17.
[90] Ebd., Bl. 34.
[91] Ebd., Bl. 39.
[92] Ebd., Bl. 41.
[93] Ebd., Bl. 48.
[94] Ebd., Bl. 52.
[95] Ebd., Bl. 55.
[96] Ebd., Bl. 57.
[97] Ebd., Bl. 58.
[98] Ebd., Bl. 37.
[99] Ebd., Bl. 41.
[100] Unter diesem
Terminus werden in der Forschung Autoren
zusammengefasst, die sich als Gegenbewegung gegen bestimmte Elemente
der Moderne verstanden. Sie wollten die irrational-metaphysische
Komponente des Menschen begreifen, ihn in eine neue Verbindung mit Gott
und der Natur stellen. Sie bezogen sich vielfach auf eine Tradition,
die allerdings erst in einem revolutionären Akt hergestellt werden
musste. Zu konservieren galten ihnen eine ständisch geprägte
Volksgemeinschaft, die Nation und die deutsche Reichsidee; wichtige
Termini waren Kampf, Leben und Bewegung. Sie agierten gegen die
parlamentarische Demokratie wie den politischen Liberalismus und
strebten den Umsturz der bestehenden demokratischen Ordnung zugunsten
antimoderner Utopien an. Ein extremer Nationalismus wurde hier mit der
Glorifizierung des Militarismus verknüpft. Stefan Breuer, Anatomie
der Konservativen Revolution, Darmstadt 1993; Armin Mohler, Die
Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch, 3.,
um
einen Ergänzungsband erw. Aufl. Darmstadt 1989 und 4. Aufl.
Darmstadt 1994; Armin Pfahl-Traughber, „Konservative Revolution”
und
„Neue Rechte”. Rechtsextremistische Intellektuelle gegen den
demokratischen Verfassungsstaat, Opladen 1998.
[101] Paul Schütz,
Die politische Religion. Eine
Untersuchung
über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte, Ms. Schwabendorf
1935, Bl. 62, (StA HH, 622-1 Familie Paul Schütz, 248).
[102] Vgl. Rainer
Hering, „Parteien vergehen, aber das deutsche
Volk
muß weiterleben“. Die Ideologie der Überparteilichkeit als
Element der politischen Kultur, in: Konservative Revolution –
Völkische Bewegung – Nationalsozialismus. Programme und
Institutionen einer politisierten Kultur, hg. von Jay Baird/Walter
Schmitz/Clemens Vollnhals, Dresden 2006.
[103] Paul Schütz,
Die politische Religion. Eine
Untersuchung
über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte, Ms. Schwabendorf
1935, Bl. 14, handschriftlicher „Nachtrag 1975“, an die Seite angeklebt
(StA HH, 622-1 Familie Paul Schütz, 248).
[104] Rainer Hering,
Verwandelten die Alliierten Deutschland in
ein
einziges Konzentrationslager? Der Theologe Paul Schütz
(1891-1985), das „Dritte Reich“ und der Umgang mit der deutschen Schuld
im deutschen Protestantismus nach 1945, in: Kirchliche
Zeitgeschichte
14 (2001), S. 222-236.
[105] StA HH, 622-1
Familie Paul Schütz, 6, Schütz an
Strolz 20.11.1976, bezogen auf Strolz an Schütz 13.11.1976; Strolz
publizierte über Schütz: Walter Strolz, Geprüfte
Hoffnung - angefochtener Glaube - bei Ernst Bloch und Paul Schütz,
in: Vor dem Schweigenden Gott. Vorträge der katholischen
Akademie
der Erzdiözese Freiburg, Freiburg i.Br. 1977; ders., Denker
der
Hoffnung. Ernst Bloch und Paul Schütz, in: Frankfurter Hefte
33
(1978), S. 49-62.
[106] Paul Schütz,
Warum ich noch ein Christ bin
(Edition
Spiritualität), Augsburg 1996, S. 235f. In seinen letzten
Lebensjahren soll Schütz seine Haltung zum Judentum bereut haben
(Gespräche mit Horst-Klaus Hofmann und Rudolf Kremers am
24.02.2006 in Marburg/Lahn). Dieses Zitat könnte der Hinweis auf
eine noch erfolgte Veränderung seiner Haltung sein.
[107] Z.B. Paul
Schütz, Das Mysterium der Geschichte.
Eine
Meditation der Christus-Apokalypse, Kassel 1950, hier zitiert nach
ders., Das Mysterium der Geschichte. Von der Anwesenheit des
Heilenden
in der Zeit (Gesammelte Werke, 2), Hamburg 1963, S. 113-352, hier:
S.
204f.
[108] Ebd., S. 199 und
208.
[109] Ebd., S. 198.
1976 sah Schütz in einem Brief über
Römer 8 die Juden undifferenziert als „Verursacher der Sünde
die jüdische theokratische Gesetzesreligion“ (Schütz an Hans
Bürki 15.09.1976; ich danke Herrn Horst-Klaus Hofmann dafür,
dass er mir eine Kopie dieses Schreibens zur Verfügung gestellt
hat).
[110] Paul Schütz,
Die politische Religion. Eine
Untersuchung
über den Ursprung des Verfalls in der Geschichte, Ms. Schwabendorf
1935, Bl. 17 (StA HH, 622-1 Familie Paul Schütz, 248).
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