theologie.geschichte - Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte

Antonia Leugers

Widerstand gegen die Rosenstraße. Kritische Anmerkungen zu einer Neuerscheinung von Wolf Gruner [*]


Der deutsche Widerstand und die Rosenstraße

In den Gesamtdarstellungen zum deutschen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime findet der Protest in der Berliner Rosenstraße 1943 im Allgemeinen keine Erwähnung. Umso interessanter ist es, dass der Historiker Gerd R. Ueberschär in seinem 2005 erschienenen Werk "Für ein anderes Deutschland" diesen Protest aufnimmt. Seinem "Überblick über die bisherigen Forschungsergebnisse" liege, so Ueberschär, "ein weiter Widerstandsbegriff zugrunde" [1]. Dennoch überrascht die Einordnung der Rosenstraße ausgerechnet im Kapitel "Widerstand in SPD- und KPD-Kreisen im Krieg" dann doch ein wenig. Den Erzählfluss Ueberschärs zur Rolle Wilhelm Leuschners im Widerstand unterbricht einigermaßen abrupt die knappe Erwähnung der Rosenstraße. Als Stichwort für den ungewöhnlichen Einschub dient Ueberschär die "gewerkschaftliche Solidarität", auf die Leuschner damals vertraut habe. Dieses Stichwort "Solidarität" fand sich 1988 und 1990 schon bei kurzen, nichtsdestoweniger aber sehr lobenden Rosenstraßen-Darstellungen von Wolfgang Benz [2].

Ueberschär führt aus: "Als Ausdruck einer gemeinschaftlichen Solidarität war möglicherweise der öffentliche Protest von mehreren hundert 'arischen' Berliner Fabrikarbeiterinnen in der Rosenstraße und Hamburger Straße bei der so genannten Fabrik-Aktion im Februar und März 1943 anzusehen, als durch Arbeitsverweigerung und tagelange Proteste nichtjüdischer Berlinerinnen und Berliner auf der Straße die längere Inhaftierung und der mögliche Abtransport jüdischer Ehemänner und Jugendlicher sowie Arbeitskollegen nach Auschwitz aufgehalten und verhindert sowie ihre Freilassung erreicht werden konnte. Auch der Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz, Kardinal Adolf Bertram, intervenierte am 2. März 1943 bei der Reichsregierung und NS-Führung zugunsten der Inhaftierten. Vor der spontanen, zweifellos mutigen und kollektiven Auflehnung der mit jüdischen Männern verheirateten Frauen schreckte sogar Goebbels zurück; angesichts der Irritation nach der militärischen Niederlage in Stalingrad und eines schweren Luftangriffs auf Berlin am 1./2. März 1943 war er als zuständiger Berliner NSDAP-Gauleiter gerade zu diesem Zeitpunkt um öffentliche Ruhe bemüht. Er gab deshalb Anordnung, 'die Judenevakuierung nicht ausgerechnet in einer so kritischen Zeit fortzusetzen', und befahl, die inhaftierten Juden freizulassen. Auch wenn es Hinweise gibt, dass die in 'Mischehen' lebenden Gefangenen als Austauschpersonal 'nur' für einen Arbeitsplatzwechsel zu noch bestehenden jüdischen Einrichtungen und gar nicht zur Deportation vorgesehen waren, bleibt der spontane öffentliche Protest der Frauen als Akt deutlicher Auflehnung gegen das NS-Regime ein bemerkenswert couragiertes Ereignis, das Möglichkeiten gegen den Nationalsozialismus in einem begrenzten günstigen Handlungsspielraum aufzeigte. Ein Erfolg für die Abwendung der Judendeportation resultierte daraus zweifelsfrei jedoch nicht". [3]

Für diejenigen, die sich seit Jahren mit den Ereignissen in der Rosenstraße befassen, dürfte Ueberschärs Darstellung nicht nur wegen der Einordnung im oben genannten Kapitel irritieren, sondern wohl noch mehr wegen leicht erkennbarer sachlicher Fehler, vor allem aber wegen der Inkonsistenz des Erzählten. Offenkundig ist selbst für renommierte Wissenschaftler wie Ueberschär der Stand der Forschungsergebnisse nicht problemlos wiederzugeben.


Wolf Gruner als Rosenstraßen-Spezialist

Von daher ist es zu begrüßen, dass der 1960 in Berlin (Ost) geborene Historiker Wolf Gruner mit seiner im November 2005 erschienenen Monographie "Widerstand in der Rosenstraße. Die Fabrik-Aktion und die Verfolgung der 'Mischehen' 1943" den "wahren Hergang der Ereignisse" (Klappentext) akribisch nachzeichnen möchte. Gruner beschäftigt sich, wie den Angaben in seinem Buch zu entnehmen ist, schon seit 15 Jahren ausschließlich mit Fragen, die die antijüdische Politik in Deutschland zwischen 1933 und 1945, insbesondere das Zwangsarbeitersystem und die Verfolgung der Juden in Berlin betreffen [4]. Die Ereignisse in der Rosenstraße hatte er dabei schon früh mit im Blick, so dass er sie 1995 zunächst in einem Aufsatz [5], schließlich auch in seiner von Wolfgang Benz betreuten und 1997 erschienenen Dissertation zur Zwangsarbeit berücksichtigte [6]. In den folgenden Jahren wurde er sogar auf Honorar-Basis als historischer Fachgutachter für das Drehbuch des von Margarethe von Trotta produzierten Spielfilms "Rosenstraße" herangezogen, bevor der Film 2003 seine Premiere hatte [7]. 2002 und 2004 mischte sich Gruner in zwei umfänglichen Aufsätzen, also vor wie nach der Filmpremiere, in die öffentliche Diskussion zur Rosenstraße mit dezidierten Stellungnahmen ein [8]. Durch rasche Übersetzungen sorgte er für die leichtere Rezeption im angelsächsischen Raum [9]. Nach dem amerikanischen Historiker Nathan Stoltzfus, der 1989 mit einem "Dossier"-Artikel in der Wochenzeitschrift "Die Zeit" [10] erste Forschungsergebnisse präsentierte und 1996 die erste wissenschaftliche Monographie zur Rosenstraße vorlegte [11], und Gernot Jochheim, der seit 1990 die Rosenstraße in populärwissenschaftlichen Büchern behandelt [12], hat sich Wolf Gruner somit ebenfalls auf die Rosenstraße spezialisiert. Seine Neuerscheinung vom Herbst 2005 verdient daher größte Aufmerksamkeit.

Da das einleitende Textbeispiel von G. R. Ueberschär zeigte, dass nicht einmal bei Historikern, die sich jüngst mit der Thematik Rosenstraße befassten, von einem gesicherten Grundwissen ausgegangen werden kann, möchte ich in diesem Aufsatz zunächst, auch wenn dies ungewöhnlich ist, ausführlich auf den Inhalt des Werks von Gruner eingehen (siehe unten: Aufbau und Inhalt der Neuerscheinung von Wolf Gruner). Danach werde ich mich detailliert mit Gruners Argumentation, seiner Auswertung der Sekundärliteratur, insbesondere aber mit seinem Umgang mit historischen Quellen befassen (siehe unten: Kritische Anmerkungen zu Wolf Gruners Arbeit). Denn erst die akribische Überprüfung der Arbeitsweise Gruners und der von ihm vorgelegten Dokumente, die er wie in einem Beweisverfahren benutzt, wird zu einer abgewogenen Beurteilung seiner Thesen führen können. Meine Vorschläge für die zukünftige Erforschung der Rosenstraßenereignisse sollen dabei einen möglichen Weg zur Lösung der strittigen Fragen weisen.


Aufbau und Inhalt der Neuerscheinung von Wolf Gruner

Gruners Buch, das einen umfangreichen wissenschaftlichen Apparat aufweist, umfasst nach der Einleitung vier Kapitel und schließt mit einer Zusammenfassung. Im Anhang finden sich das Abkürzungsverzeichnis, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie das Personenregister.

In der Einleitung (S. 8-12) wird deutlich, warum G. R. Ueberschär in seiner Darstellung zur Rosenstraße den für nicht mit der Diskussion vertraute Personen unverständlichen Einschub "Auch wenn es Hinweise gibt [....]" liefert: Wolf Gruner betont, dass er schon 1994 die These entwickelt habe, die in der Rosenstraße festgehaltenen "Mischehe"-Partner sollten gar nicht deportiert, sondern lediglich auf ihren "Mischehestatus" überprüft werden. Aus ihren Reihen sollten Ersatzarbeitskräfte für die dann zu deportierenden jüdischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der letzten Berliner jüdischen Einrichtungen ausgewählt werden. Das werde in seinem Buch "nachgewiesen", so Gruner, denn seine Argumentation stütze sich "auf unberücksichtigte und neu erschlossene Dokumente der Gestapo, der damaligen jüdischen Einrichtungen, der Berliner Schutzpolizei sowie der katholischen Kirche" (S. 10).

Im 1. Kapitel "Geschichte und Erinnerung" (S. 13-33) vertritt Gruner die Ansicht, die seit 1989 einsetzende öffentliche Erinnerung an den Protest in der Rosenstraße "hängt sicher mit dem Bedürfnis in Deutschland zusammen, sich nach der Vereinigung als ein neues und besseres Land nach außen und innen darzustellen. Hierbei hilft es, sich auf moralisch unangreifbare Traditionen zu berufen" (S. 14). Das jeweilige Gedenken am Jahrestag des Protests, das Denkmal in der Rosenstraße in Berlin-Mitte, diverse Zeitungsartikel und Filme zählten zu den öffentlichen Erinnerungen an das Ereignis. Erst der Film von Margarethe von Trotta habe aber 2002/2003 eine medienwirksame kontroverse Diskussion um die Rosenstraße entfacht, wobei "auch die damals vom Autor des hier vorzustellenden Buches in einem Aufsatz entwickelten Argumente", wie Gruner über Gruner schreibt, eine Rolle gespielt hätten (S. 15). Der Historiker Wolfgang Benz habe damals Trotta "Geschichtsklitterung" vorgeworfen (S. 16). Dennoch lebe die "Geschichte vom Erfolg des Protestes unbeschädigt" weiter (S. 18). Gruner geht daher der Frage nach, wie die Erfolgsthese entstanden sei. Er sieht im ersten Zeitungsartikel, der nach dem Krieg in der Zeitschrift "Sie" erschien und die Ereignisse in der Rosenstraße als Protesterfolg darstellte, sozusagen die Ursprungsquelle für die spätere Rezeption. Der Artikel selbst sei von Georg Zivier wahrscheinlich unter Beteiligung von Ruth Andreas-Friedrich in Rückgriff auf deren Tagebucheintrag vom 7. März 1943 zustande gekommen. Heinz Ullstein, der Herausgeber der Zeitschrift "Sie", war selbst Insasse der Rosenstraße gewesen. Seine Frau hatte vor dem Gebäude mit anderen Angehörigen der dort Gefangenen ausgeharrt (S. 20f.). Gruner schlussfolgert: "Die Verbreitung und Kenntnis beider Texte hat in den folgenden Jahrzehnten nicht nur manche später befragte Zeitzeugen beeinflusst, sondern sie prägte lange auch entscheidend die Historiographie der Geschehnisse" (S. 22).

Für die historische Erforschung benennt Gruner ebenfalls einen frühen Aufsatz, wiederum von einem Zeitzeugen verfasst: Bruno Blau habe 1948 in der Zeitschrift "Judaica" zur Geschichte der "Mischehe im Nazireich" vom erfolgreichen Protest der Frauen berichtet, wofür er allerdings "keine Belege" angegeben habe (S. 22). Die nächste Quelle aus dem Jahr 1963, ein Aufsatz von Kurt Ball-Kaduri, habe sich wiederum auf einen Insassen aus der Rosenstraße, Ernst Groß, gestützt, der seinerseits den Zeitschriftenbericht ("Sie") als Beleg aufbewahrt hatte, wodurch Gruner Groß' "Kenntnis über den Protest zumindest von den damaligen Presseberichten beeinflusst" sieht (S. 23). Im Bericht einer ehemaligen Angestellten der Berliner Jüdischen Gemeinde von 1946 habe es keine Erwähnung des Protests gegeben. Die Quelle, auf die sich 1974 Hans Günther Adler in seinem Standardwerk "Der verwaltete Mensch" bezogen habe, schätzt Gruner als "eine sehr vage Quelle" ein: Martha Mosse, Mitarbeiterin der Jüdischen Gemeinde, sagte 1958 in einer Vernehmung aus, dass "durch Intervention der arischen Partner der Abtransport dieser Gruppe unterblieb und das Durchgangslager wieder geräumt werden musste" (S. 25). Erst Ende der 1980er Jahre und verstärkt in den 1990er Jahren habe sich dann die Geschichte vom Protesterfolg in der Rosenstraße bis zur "Anerkennung des Protestes als zu würdigende Widerstandshandlung" (S. 26) durchgesetzt, womit Gruner insbesondere die Arbeiten von Nathan Stoltzfus sowie die populären Darstellungen von Gernot Jochheim und Nina Schröder meint [13]. Doch stützten sich diese Arbeiten auf nachträgliche Berichte und Interviews, nicht auf zeitgenössische Quellen, wie sie Gruner benutze. Zudem sei folgende Schlussfolgerung, wie bei Stoltzfus und schon bei Bruno Blau, mit dem Protest verbunden: "Hätten mehr Menschen so gehandelt wie jene in der Rosenstraße, so hätte man die Judenvernichtung aufhalten können" (S. 28).

Es hätten bislang nur wenige Historiker an der "bis heute gängigen Lesart des erfolgreichen Widerstandes gegen die Deportationen" gezweifelt, so Christof Dipper [14] und einige "andere Historiker und Historikerinnen", die sich angeschlossen hätten wie Beate Meyer oder Diana Schulle [15]. Das Heft 1 der "Zeitschrift für Geschichtswissenschaft " 2004 enthalte zudem neuere Untersuchungen zur Rosenstraße. Auf der Tagung in Berlin im April 2004 hätten Zeitzeugen und Historiker schließlich erstmals die bisherigen Forschungsergebnisse diskutiert [16]. Lange Zeit hätten sich "viele Legenden" um Ursachen, Verlauf und Folgen der Rosenstraßenereignisse gerankt (S. 30), weil es kaum Originalzeugnisse davon gebe. Gruner möchte daher den "Fakten und Fiktionen um die Fabrik-Aktion" nachgehen (S. 30). Abschließend zum 1. Kapitel geht Gruner auf die Begrifflichkeiten ein: Den Terminus "Fabrik-Aktion" hätten schon Opfer 1945/1946 benutzt. Ebenso sei er in einem Nachkriegsprozess verwendet worden. In einem Berliner Polizeirevier habe man hingegen für die Razzia vom 27. Februar 1943 die Bezeichnung "Großaktion Juden" gewählt. "Das war offenbar die offizielle Bezeichnung der Großrazzia vom 27. Februar 1943" (S. 31).

Als Quellen für seine Untersuchung ziehe Gruner "neben diversen Aussagen Überlebender bisher unberücksichtigte Dokumente der Gestapo, der Schutzpolizei, jüdischer Einrichtungen und der katholischen Kirche" heran. Allerdings sei die Quellenlage "äußerst schwierig". Trotz aufwendiger Recherchen hätten sich keine Dokumente finden lassen im Bundesarchiv in den zentralen Beständen der SS, der Leibstandarte "Adolf Hitler", der Ordnungspolizei, des Reichssicherheitshauptamtes. Im Landesarchiv Berlin seien keine Akten der Berliner Gestapo und der Schutzpolizei des Stadtbezirks Mitte überliefert. In diversen anderen Archiven seien hingegen Einzeldokumente der Gestapo, Schutzpolizei und jüdischer Einrichtungen erhalten geblieben, "die wie in einem Puzzle zusammengesetzt werden mussten". Zeitzeugenberichte seien in den Aussagen überlebender Opfer und Täter bei den Ermittlungsverfahren für geplante bzw. durchgeführte Prozesse in den 1960er Jahren überliefert, so gegen die ehemaligen Berliner Gestapo-Angehörigen im so genannten "Bovensiepen-Verfahren" vor dem Berliner Landgericht. Nathan Stoltzfus, Gernot Jochheim und Nina Schröder hätten zudem zahlreiche Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen durchgeführt. Als eine neu entdeckte Quellensammlung durfte Gruner auch die Anträge Überlebender zur Anerkennung als "Opfer des Faschismus" aus den Jahren 1945/46 nutzen, die im Archiv der Berliner Stiftung "Neue Synagoge - Centrum Judaicum" verwahrt werden. Außerdem konnte Gruner die Ergebnisse Beate Meyers heranziehen, die Zeitzeugenaussagen vom Mai 1963 für einen in der Deutschen Demokratischen Republik geplanten Prozess gegen Hans Globke auswertete [17]. Abschließend stellt Gruner fest: "Während man für den Protest vor dem Gebäude Rosenstraße aufgrund der disparaten Quellenlage weiter allein auf die oft widersprüchlichen Erinnerungen der Überlebenden angewiesen bleibt, lassen sich die Vorgeschichte, der Verlauf und die Nachwirkungen der Fabrik-Aktion sowie die Umstände und Ziele der Internierung der Juden aus 'Mischehen' in der Rosenstraße mittlerweile durch Dokumente und Zeitzeugenaussagen detailliert rekonstruieren" (S. 33).

Im 2. Kapitel "Die Fabrik-Aktion" (S. 34-84) gibt Gruner zunächst einen Überblick über die Entwicklung in der Judenpolitik des Deutschen Reiches seit 1933 mit den entsprechenden Stufen und Radikalisierungen der Judenverfolgung, insbesondere dem Wandel von Kollektivvertreibungen zu gezielten Deportationsmaßnahmen, die erstmals kurz nach dem Überfall auf Polen, nicht erst 1941, begannen und vom neu gegründeten Reichssicherheitshauptamt organisiert wurden. "Entschieden wurde über die Massentransporte in der NS-Führung, Planung und Durchführung oblagen dem Reichssicherheitshauptamt" (S. 38). Von dort erhielten die lokalen Gestapostellen die Opferzahlen und Termine. "Vor Ort organisierte die Gestapo dann Auswahl, Zusammenfassung, Behandlung und Abtransport der einzelnen Opfer. Nur hierbei konnten Gestapobeamte Handlungsspielräume nutzen" (S. 39). Im Zuge der Deportationen seien dann Tausende Menschen aktiv beteiligt gewesen: Gestapobeamte, städtische Angestellte und Arbeiter, Finanzbeamte, Schutzpolizisten, Bahnangestellte, Rotkreuzhelfer, Gerichtsvollzieher. Bis Ende 1942 seien keine öffentlichen Proteste gegen die Massentransporte in Deutschland bekannt. Gruner erwähnt hingegen zwei Proteste im so genannten "Protektorat Böhmen und Mähren".

Berlin zählte im Herbst 1942 zwei Drittel der im "Altreich" noch lebenden 75.816 jüdischen Deutschen, Ende November 1942 hatte sich die Zahl durch Deportationen auf 54.000 reduziert. Hitler forderte mehrfach die Entfernung jüdischer Zwangsarbeiter aus Deutschland. Sie sollten von nichtjüdischen Polen ersetzt werden. Bis zum 1. Dezember 1942 sollten alle Berliner Juden neu registriert werden. Die "Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" musste auf Anordnung des Reichssicherheitshauptamtes die Unterlagen anhand der so genannten Abwanderungskartei und der Kartei des Berliner Arbeitsamtes überprüfen für die "nächsten 'Abwanderungs-Transporte'" (S. 44). Im Dezember 1942 seien offenbar die Vorbereitungen für den Abschluss der Massendeportationen geplant und die Unternehmen davon unterrichtet worden, dass bis zum 31. März 1943 die Zwangsarbeiter abgezogen würden. Zu Beginn des Jahres 1943 seien in Berlin 15.100 Zwangsarbeiter von der SS registriert worden.

Hitler und Goebbels hätten in ihrer "radikalisierten Haltung" am 22. Januar 1943 angesichts der drohenden Niederlage von Stalingrad "schnellstmöglichst" nun "die Judenfrage" lösen wollen (S. 47), was in Goebbels' Rede am 30. Januar zum Ausdruck gekommen sei. Hitler habe am 7. Februar in einer Ansprache vor Reichs- und Gauleitern gefordert, dass sie rücksichtslos "das Judentum" aus dem Reichsgebiet und Europa "eliminieren müssen" (48). Für Goebbels stand fest, dass zuerst Berlin an die Reihe komme. Am 18. Februar, dem Tag seiner Sportpalastrede zum "totalen Krieg", notierte er für die endgültige Abschiebung, die bis spätestens Ende März "Berlin gänzlich judenfrei" (S. 49) machen solle, den 28. Februar als Beginn der schrittweisen Abschiebung.

Am 20. Februar 1943 fasste das Reichssicherheitshauptamt die "Richtlinien zur technischen Durchführung der Evakuierung von Juden nach dem Osten (K[onzentrations]L[ager] Auschwitz)" und die Richtlinien über die "Wohnsitzverlegung von Juden nach Theresienstadt" neu. Gruner resümiert: "Ausgenommen von den kommenden Deportationen nach Auschwitz blieben also alle in 'Mischehe' lebenden Juden, außer erstmals die kleine Gruppe Juden aus geschiedenen bzw. wegen Tod nicht mehr bestehenden 'nichtprivilegierten Mischehen', sowie alle 'Geltungsjuden', außer wenn sie mit einem Juden verheiratet waren. [...] Auch die Richtlinien für die Transporte nach Theresienstadt klammerten Juden in 'Mischehen['] aus, ebenso alle 'Geltungsjuden', die mit nichtjüdischen Angehörigen zusammenlebten. Alle anderen Deutschen, insbesondere die bislang noch 'geschützten' jüdischen Zwangsarbeiter in rüstungswichtigen Betrieben, sollten nach diesen Richtlinien also restlos abtransportiert werden" (S. 51f).

Im ganzen Reich sollte eine "koordinierte Großrazzia" durchgeführt werden. Daher schickte das Reichssicherheitshauptamt "Anweisungen an die Gestapo im Reich heraus, die den konkreten Ablauf der geplanten Großaktion festlegten". Es sollten aber auch die Zwangsarbeiter aus Rüstungsfirmen entfernt werden, die in "Mischehen" lebten. Aus einem Erlass der Gestapo Frankfurt/Oder vom 24. Februar 1943 gehe hervor, welches Ziel das Reichssicherheitshauptamt verfolgte, nämlich alle noch beschäftigten Juden aus den Betrieben "zum Zwecke der Erfassung" (S. 52) zu entfernen, darunter auch die in "Mischehe" lebenden Juden. Deren Einsatz sollte reorganisiert werden, sie durften aber nicht deportiert werden. Am 27. Februar 1943 sollte die Entfernung aus den Betrieben "schlagartig" geschehen. Für Bielefeld sei ein Beschäftigungsverbot für die deutsch-jüdischen Zwangsarbeiter verhängt worden. Die Gestapo Dortmund habe angeordnet, die Juden sollten aus dem Arbeitsprozess herausgenommen werden, um sie teilweise zu evakuieren. Gruner meint, diese drei Gestapo-Erlasse würden "im Großen und Ganzen übereinstimmend" die Anweisungen vermitteln. Das "Doppelziel der Großrazzia [gehe] sehr deutlich hervor": Deportation der "ungeschützten" Juden und Entfernung der "'geschützten' Juden aus 'Mischehen'" aus den Unternehmen (S. 55).

Die Durchführung sei lokal unterschiedlich gewesen. So seien im Westen Deutschlands "offenbar im Zuge der Großrazzia alle Arbeitslager für Juden aufgelöst" (S. 57) worden. Obwohl im Gestapo-Erlass von Frankfurt/Oder das nicht vorgesehen war, habe die Gestapo dann doch auch Lager aufgelöst. An anderen Orten erhielten die Betroffenen "Deportationsaufforderungen" (S. 58), wonach sie sich zur Deportation einzufinden hatten. In größeren Städten wurden Personen verhaftet, viele in den Wohnungen. In Berlin habe die Staatspolizeileitstelle die Razzia organisiert und schon am 26. Februar die betroffenen Firmen informiert sowie der Reichsvereinigung befohlen, für den nächsten Tag Personal bereit zu halten. Diese habe vorsorglich Verpflegung vorbereitet. Die Berliner Schutzpolizei erhielt am Samstag, den 27. Februar 1943, um 8 Uhr von der Staatspolizeileitstelle den Funkspruch für die "Großaktion Juden". Sie solle die Juden auf der Straße und in den Revieren festnehmen und in die Sammellager einliefern. Die Razzia führten Gestapobeamte in den Firmen und Betrieben schon am frühen Morgen durch, die Waffen-SS mit Stahlhelm und Gewehr ausgestattet half durch Absichern der Festnahmen und durch Transport der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf Lastkraftwagen, oftmals mit brutalen Methoden. Manchen Juden gelang die Flucht. Die Personen wurden noch auf dem Werksgelände anhand von Listen überprüft, durften aber meist nicht einmal ihre persönlichen Sachen und ihre wärmende Kleidung mitnehmen. In den Folgetagen wurden auch die jüdischen Angehörigen in den Wohnungen und auf den Straßen festgenommen, wie in den Tagebüchern Berliner Polizeireviere vermerkt war. Andere Juden wurden bei den Lebensmittelkartenstellen erfasst, wieder andere hatten zum 27. Februar Vorladungen bekommen, wonach sie sich einzufinden hatten auf Polizeirevieren oder bei der "Sonderdienststelle" des Arbeitsamtes, die die Zwangsarbeit organisierte. Mit Lastwagen wurden sie dann in Lager gebracht. Folgende Gebäude waren als Sammellager in verschiedenen Berliner Stadtteilen vorgesehen: in Reinickendorf eine Fahrzeughalle der Hermann-Göring-Kaserne, in Moabit die Pferdeställe der Kaserne Rathenower-Straße und die Synagoge in der Levetzowstraße, in Berlin-Mitte das Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße, der Saal des Vergnügungslokales "Clou", das ehemalige jüdische Altersheim Große Hamburger Straße und das Lager in der Gerlachstraße.

Ca. 9.000 Personen wurden am Samstag, den 27. Februar 1943, erfasst. Die Gestapo erlaubte Helfern der jüdischen Gemeinde, sich in den Lagern um deren Verpflegung und Versorgung mit Kleidung und Decken zu kümmern. Finanzbeamte und Gerichtsvollzieher waren mit dem Raub des Vermögens der zur Deportation bestimmten Menschen beschäftigt. Am späten Abend des 1. März gab es einen schweren Luftangriff, dem die Insassen der Lager ungeschützt ausgesetzt waren. Auch in der ersten Märzwoche ging die Erfassung von Berliner Juden weiter. Aus Angst vor der Deportation nahmen sich viele das Leben.

Mit Reichsbahnzügen wurden aus zahlreichen anderen Orten im Reich Juden nach Auschwitz deportiert, zusammen 10.948 Menschen. Aus Berlin gingen am 1., 2., 3., 4. und 6. März Züge nach Auschwitz, zusammen etwa 7.000 Personen; in den Berliner Waggons waren allerdings auch Personen anderer Herkunftsorte eingereiht worden. Auch bei der Überführung von den Sammellagern in die Deportationszüge kam es zu brutalen Gewaltszenen. In Auschwitz wurden die Ankommenden entweder zur Ermordung in die Gaskammern geschickt oder in das Lager. Die meisten Deportierten waren Frauen, Alte und Kinder, die nicht zur Zwangsarbeit verwendet werden konnten. Die SS in Auschwitz hatte aber mehr Arbeiter erwartet. Das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt in Berlin hatte dem Kommandanten des Vernichtungslagers Auschwitz, Rudolf Höß, noch am 2. März 1943 15.000 Berliner Juden aus der Rüstungsindustrie in Aussicht gestellt für die Buna-Werke. Diese Zahlen würden jedoch aus dem so genannten Korherr-Bericht von Ende 1942 stammen, so Gruner, die im März 1943 schon überholt gewesen seien durch zwischenzeitliche Deportationen. So habe die Wehrmacht Ende Februar 1943 nur noch 11.000 jüdische Zwangsarbeiter in Berlin registriert, darunter die "geschützten" in "Mischehe" lebenden Juden. Die aber sollten nicht deportiert werden, so Gruner.

Es seien auch deswegen so wenige, zur Zwangsarbeit in den Buna-Werken einsetzbare Menschen in Auschwitz angekommen, weil im Zuge der "Fabrik-Aktion", wie Goebbels selbst vermerkt habe, sich ca. 4.000 durch Flucht und Untertauchen vor der Deportation retteten. Da im Vorfeld des 27. Februar nicht nur die Arbeitsverwaltung, die Rüstungsinspektion der Wehrmacht, Firmen und Ministerien informiert worden waren, konnten viele Betroffene zuvor gewarnt werden. In den Betrieben erfuhren die Zwangsarbeiter von den dortigen Arbeitern, Angestellten, Meistern oder Inhabern davon. Aber auch Ärzte, Polizeibeamte, Bekannte bei der SS oder Mitarbeiter in der jüdischen Gemeinde, umbenannt in "Jüdische Kultusvereinigung", warnten gezielt. Andere waren an dem Tag wegen Krankheit daheim und entgingen so der Erfassung. Bei etwa 4.000 Untergetauchten hätten, so Gruner, "die Opfer selbst die größte Aktion gegen die Verfolger" (S. 81) unternommen. Die jüdische Widerstandsgruppe "Chug Chaluzi" sei noch am Abend der "Fabrik-Aktion" gegründet worden. Das Untertauchen "als eine äußerst wirksame Form des individuellen Widerstandes gegen die NS-Deportationspolitik" (S. 82) sei noch zu wenig erforscht worden. Es sei nur möglich gewesen unterzutauchen durch Hilfe vieler nichtjüdischer Deutscher, oftmals halfen ganze Netzwerke und Gruppen.

Im 3. Kapitel "Die Internierung in der Rosenstraße" (S. 85-138) liefert Gruner zunächst einen Überblick über die nationalsozialistische Politik gegenüber "Mischehen" bis Ende 1942. Mit den Nürnberger Gesetzen von 1935 war die Heirat zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen verboten, bestehende "Mischehen" wurden jedoch nicht zwangsweise getrennt. Von zahlreichen rechtlichen Benachteiligungen und Diskriminierungen waren die jüdischen und nichtjüdischen "Mischehe"-Partner oder nur die jüdischen Partner betroffen. Seit Dezember 1938 wurde unterschieden zwischen "privilegierten" und "nichtprivilegierten Mischehen", die in weitere antijüdische Maßnahmen unterschiedlich einbezogen wurden. Seit 1940 wurden auch in "Mischehe" lebende Juden zur Zwangsarbeit herangezogen, doch waren Freistellungen davon möglich. Es habe allerdings "kein klarer Kurs" in der Behandlung dieser Gruppe geherrscht, besonders im Hinblick auf die Massendeportationen. "Die wegen der radikalen Maßnahmen befürchtete Unruhe bei den 'arischen' Angehörigen spielte in der Diskussion eine entscheidende Rolle". Daher sei die Gruppe "ausdrücklich verschont" geblieben (S. 88). Das Wort "vorläufig" bei der Ausnahme von den zu Deportierenden habe aber angedeutet, dass dies in der Zukunft nicht ausgeschlossen sei. Bei der so genannten Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 habe Reinhard Heydrich theoretisch für fallweise Entscheidung zur Deportation oder Abschiebung nach Theresienstadt plädiert, Staatssekretär Wilhelm Stuckart habe den Weg der Auflösung der "Mischehen" per Gesetz als Voraussetzung für notwendig erachtet. Die Folgekonferenz am 6. März erbrachte als Entscheidung, man solle Scheidungen per Einzelfall auf Antrag leichter durchführen. Ende Oktober 1942 besprach man die Möglichkeiten der Zwangsscheidung, damit wegen der Abschiebungsmöglichkeiten klare Rechtsverhältnisse geschaffen würden. Eine Intervention der katholischen Kirche gegen ein mögliches Scheidungsgesetz sei dann "nicht ohne Wirkung" geblieben. Die nationalsozialistische Führung habe "jede Unruhe in der 'deutschblütigen' Bevölkerung während des Krieges vermeiden" wollen (S. 93). Bezüglich der "Mischlinge" habe sich auch eine kontroverse Diskussion ergeben über deren Behandlung. Die Zwangsscheidung von "Mischehen" sei dann Ende 1942 "auf Eis" gelegt worden. "Wenn aber der Plan einer Zwangsscheidung nicht ins Werk gesetzt wurde, fiel damit auch die von der NS-Führung als notwendig erachtete Voraussetzung weg, diese Gruppe deportieren zu können" (S. 94). Falls das doch geschehen sei 1942 und Anfang 1943, so seien das Einzelfälle gewesen.

Dem so genannten Korherr-Bericht zufolge lebten Anfang 1943 im Altreich 51.327 Juden, davon zwei Drittel in Berlin. Etwa 16.760 jüdische "Mischehe"-Partner seien in der Gesamtzahl enthalten. In Berlin habe man etwa 6.000 "privilegierte Mischehen" und 2.800 "nichtprivilegierte Mischehen" gezählt. Die "Annahme", dass auch diese Gruppe nach Auschwitz transportiert werden sollte, gründe "aber lediglich auf der Tatsache der Internierung in der Rosenstraße sowie auf Aussagen der Überlebenden. Es existieren aber keine Dokumente, die beweisen, dass die Deportation dieser Gruppe insgeheim vorbereitet bzw. erklärtes Ziel der Fabrik-Aktion vom Ende Februar 1943 gewesen ist". Da aber die neuen Deportationsrichtlinien nach Auschwitz und nach Theresienstadt vom 20. Februar 1943 "galten", "konnte jetzt erstmals eine einzige kleine Gruppe, nämlich Juden aus aufgelösten 'nichtprivilegierten Mischehen', die zum Tragen des 'Judensterns' verpflichtet waren, sowie 'Geltungsjuden', die mit Juden verheiratet waren, deportiert werden". Alle anderen waren "geschützt" (S. 95). Eine Deportationsabsicht habe nicht bestanden, was schon der Vergleich mit anderen Ländern wie den Niederlanden und Frankreich zeige. "Wieso sollten deutsche Juden aus 'Mischehen' deportiert werden, während sie in Frankreich und den Niederlanden noch Protektion genossen, wo doch die NS-Führung gerade in Deutschland während des Krieges eine Unruhe bei der 'arischen' Verwandtschaft vermeiden wollte?" (S. 96)

Die Anordnungen des Reichssicherheitshauptamtes zur Fabrik-Aktion, wie sie in Frankfurt/Oder von der Gestapo vermittelt wurden, hätten als Zweck die Entfernung aus den Betrieben und die Erfassung der in "Mischehe" lebenden Juden genannt, die in die Wohnungen zu entlassen und nicht wieder in den Betrieben einzustellen seien. Über die weitere Verwendung ergehe noch Anweisung. Auch die Gestapo Dortmund ordnete an, die verbleibenden Juden dürften nicht mehr zu Arbeiten herangezogen werden. In Berlin aber wurden auch die eigentlich "geschützten" Personen mit den anderen bei der Fabrik-Aktion erfasst, was Dr. Margarete Sommer, die mit der Betreuung der Katholiken jüdischer Herkunft betraut war, dem Breslauer Kardinal Bertram am 2. März 1943 mitteilte und von ihm eine Intervention forderte. Noch am 2. März richtete er an das Reichsinnen-, Reichskirchen-, Reichsjustizministerium, die Reichskanzlei und das Reichssicherheitshauptamt Telegramme. Bischof Wienken beauftragte er, bei den Stellen mündlich Protest einzulegen. Man nahm also an, es bestehe die Gefahr der Deportation. "Allerdings achtete die Berliner Gestapo bemerkenswert genau darauf, dass die 'Geltungsjuden' und Juden, die in 'Mischehe' lebten, nach ihrer Ankunft in den Lagern von den zu Deportierenden stets getrennt wurden" (S. 101). In den Sammellagern hätten sie beispielsweise zunächst zur Kennzeichnung Zettel bekommen oder seien in einem besonderen Raumteil gesammelt worden, um dann zur Rosenstraße weiter transportiert zur werden, allerdings nicht unbedingt sofort, sondern auch erst "nach einigen Tagen". Die "spekulative Behauptung" sei damit widerlegt, diese seien überraschend oder aus Versehen einbezogen worden. "Auch eine Übertretung der Richtlinien durch die Berliner Gestapo kommt nicht in Frage, weil sie in Berlin direkt im Blickfeld des R[eichs]S[icherheits]H[aupt]A[mts] operierte, das die Durchführung der Deportationen steuerte und kontrollierte" (S. 104). Gestapobeamte hätten die Ausgewählten vor dem Transport in die Rosenstraße beruhigt, dass sie von der "Evakuierung" ausgenommen würden. Es kam auch schon zu Entlassungen am 28. Februar und in den nächsten Tagen. Manche meldeten sich, nachdem sie von der Gestapo gesucht worden waren, freiwillig, wurden aber wieder entlassen, wenn auch erst nach einer Woche.

In der Rosenstraße seien die dorthin verbrachten Personen in die ehemaligen Büroräume gepfercht worden, die dafür nicht vorbereitet waren. Es seien ca. 2.000 Personen gewesen, d.h. von der Aktion sei nur ein Viertel der in Berlin noch lebenden "geschützten" Juden erfasst worden. Wenn man die Deportation beabsichtigt hätte, hätte man doch wohl alle verhaftet. Für die Internierung sei nicht der Status, also ob "privilegiert" oder nicht, sondern die Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie entscheidend gewesen. Gruner errechnet die Zahl von 11.000 aus den Betrieben entfernten Rüstungsarbeitern: 5.000 bis 5.500 deportierbare Zwangsarbeiter, 4.000 Untergetauchte, 1.500 bis 2.000 "geschützte" Zwangsarbeiter in der Rosenstraße. Männer hätten die Mehrheit der Internierten gestellt, daneben habe es Frauen und Jugendliche gegeben, denn "vierzehn Jahre bildete genau die Altersgrenze bei der Rekrutierung von deutschen Juden zur Zwangsarbeit". "Neuerdings ist auch von einer ganzen Anzahl von in der Rosenstraße festgehaltener Kinder - 'viele unter sechs Jahren' - die Rede. Damit soll untermauert werden, dass ein Abtransport bevorstand. Doch bislang gab es kaum verlässliche Aussagen über die Anwesenheit von Kindern in der Rosenstraße. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass dort mindestens fünf Kinder unter 12 Jahren, wie die damals achtjährige Evelin-Gisela, interniert waren. Allerdings reicht diese Zahl nicht aus, um damit eine Deportationsabsicht nachzuweisen". Denn es sei nicht die Gesamtzahl der Kinder der 2.000 Internierten, "zweitens sollten die Kinder aus 'Mischehen', die ja als 'Mischlinge' galten, nicht deportiert werden. Grund für die Einlieferung einiger Kinder in die Rosenstraße war offenbar, sie nicht bei der Festnahme eines Elternteils allein zu Haus [zu] lassen" (S. 109).

Gruner zufolge schickte man aus allen anderen Sammellagern die Gruppe der "Mischehen" zur Rosenstraße, damit dort deren "Rassestatus" zu überprüfen und zu entscheiden sei, wer nach den Richtlinien doch zu deportieren sei. Das sei in den anderen Lagern nicht möglich gewesen. Der Gestapobeamte Walter Stock war für die Überprüfung "anhand von nachgereichten Papieren sowie durch Nachfragen bei anderen Behörden" zuständig. Die Gestapo sei korrekt verfahren. Man könne es bisher nicht exakt nachweisen, aber es sei "wohl auch zu Deportationen von Einzelnen aus der Rosenstraße" (S. 111) gekommen, wenn sie nach den Richtlinien als nicht mehr "geschützt" galten. Da es auch schon zu frühen Entlassungen gekommen sei, sei eine allgemeine Deportation nach Auschwitz nicht geplant gewesen. dass es sich bei den frühen Entlassungen um keine Ausnahmen handelte, "sondern die Freilassung der in der Rosenstraße Festgehaltenen von der Gestapo von vornherein geplant war" (S. 112), zeige ein Entlassungsschein von Albert Goldberg. Dieser sei am 1. März entlassen worden, doch sei sein Schein mit einem vorgestempelten Datum vom 5. März versehen gewesen und von SS-Hauptscharführer Karl Krell unterschrieben worden. "Wenn jedoch diverse Entlassungen von Partnern aus 'privilegierten und nichtprivilegierten Mischehen' sowie von 'Geltungsjuden' seit dem 1. März bezeugt sind, ist die bisher vermutete Deportationsabsicht gegenüber den Insassen der Rosenstraße kaum glaubhaft" (S. 115). Das würden auch drei weitere Dokumente unterstützen.

Bischof Wienken habe am 2. [!] März 1943 auf Drängen Kardinal Bertrams bei Adolf Eichmann interveniert, der ihm mitteilte, dass die "nichtarischen Katholiken in rassischen Mischehen" von der "Abwanderungsaktion nicht erfasst" würden, auch jene kinderlosen Ehen nicht. Die "Geltungsjuden" könnten gemäß den Richtlinien nicht ausgenommen werden, sie würden aber nach Theresienstadt "und nicht zum Osten abtransportiert". "Die in Berlin Ende voriger Woche von den Arbeitsstätten und zum Teil auch aus den Familien abgeholten nichtarischen Katholiken rassisch gemischter Ehen werden wieder freigelassen und auch wieder als Arbeitskräfte in Rüstungsbetrieben eingestellt" (S. 115). Nach Gruner sei damit nicht nur der kleine Kreis von Katholiken von der Freilassung betroffen. Die katholische Kirche habe eben nur nach ihren Mitgliedern gefragt. "Während der Satz über die Wiedereinstellung in Rüstungsbetriebe offenkundig der Beruhigung dienen sollte, stand der Passus aus der Antwort Eichmanns, der sich auf die 'Geltungsjuden' bezieht und von deren geplanten Abtransport ins Ghetto Theresienstadt spricht, völlig im Einklang mit den RSHA-Richtlinien vom 20. Februar 1943, die das erste Mal allein stehende 'Geltungsjuden', die nicht mit 'arischen' Verwandten zusammen lebten, in den Kreis der nach Theresienstadt zu Deportierenden einbezogen hatten". Es seien offensichtlich jene Betroffenen mit Familie schon freigelassen worden. Außerdem habe es einem anderen Erlass vom 5. März 1943 zufolge, der sich auf in Deutschland lebende Juden anderer Staatsangehörigkeit bezog, "keine offizielle Änderung der Richtlinien in Bezug auf die 'Mischehe'" gegeben (S. 116). Zudem zeige eine Antwort von Eichmanns neuem Chef Ernst Kaltenbrunner vom 8. März 1943, dass die Lage unverändert sei. Reichsinnenminister Frick habe gemeint, er halte die Verabschiedung einer geplanten "Verordnung über Rechtsbeschränkungen für Juden in Deutschland" nicht mehr für nötig "im Hinblick auf die Entwicklung der Judenfrage". Kaltenbrunner aber schrieb: "Die bisherigen Judenevakuierungen haben sich auf die nicht in einer Mischehe lebenden Juden beschränkt", daher sei die Zahl im Inland "nicht unerheblich". Die 13. Verordnung zum Reichsbürgergesetz wurde dann am 1. Juli 1943 erlassen. Sie hob den Rechtsschutz für Juden auf, strafbare Handlungen fielen unter Polizeigewalt, nach dem Tod verfiel ihr Vermögen automatisch dem Reich. Gruner folgert: "Deutlich wird an diesen Dokumenten, dass weder Eichmann noch Kaltenbrunner zur Zeit der Ereignisse in der Rosenstraße von einer Deportation der Juden in 'Mischehen' ausgingen. Weder ist in den Dokumenten von einem kurzfristigen Abbruch geplanter Transporte, noch von einer Änderung langfristiger Planungen die Rede. Kaltenbrunner hätte in seinem internen Schreiben an Frick wohl kaum ein Blatt vor den Mund genommen und ihm sicher seine Unkenntnis bei einer kurzfristig vom RSHA geänderten Transportplanung zugute gehalten" (S. 117).

Da die Gestapo in der Rosenstraße nicht alle 8.000 Berliner Juden aus 'Mischehen' festhielt, sondern vor allem die aus den Betrieben entfernten Zwangsarbeiter, sei die Überprüfung des "Rassestatus" der Personen auch nicht das einzige Ziel gewesen. Es hätten sich viel mehr Männer als Frauen und Kinder dort befunden. Weil das Ziel der Großrazzia gewesen war, sämtliche nicht 'geschützten' Juden nun nach Auschwitz oder Theresienstadt zu deportieren, sollte auch ein Teil des jüdischen Personals der noch in Berlin verbleibenden jüdischen Einrichtungen deportiert werden. Ihre Arbeitsstellen, die insgesamt reduziert wurden, sollten von den "geschützten" in "Mischehe" lebenden Juden übernommen werden. D.h. es ging um einen Arbeitsersatz. In anderen Orten sei es allerdings anders verlaufen. So organisierte in Hamburg das Arbeitsamt den Austausch. In Berlin habe sich die Zahl der noch in den jüdischen Einrichtungen beschäftigten Personen auf 1.000 belaufen. Man brauchte qualifizierten Ersatz. "Anstelle wochenlang in den durch die Fabrik-Aktion veralteten Karteien nach Kandidaten zu suchen, schien die einfachste Lösung für die Gestapo zu sein, die aus den Betrieben entfernten Zwangsarbeiter, die damit auch gesundheitlich für die Aufgabe geeignet waren, an einem Platz zu sammeln" (S. 120f). Eine Auswahl durch das Arbeitsamt sei wegen des zu hohen Personalbedarfs und weil das Amt Zwangsarbeiter unabhängig von der Profession rekrutiert hatte und daher nicht nach entsprechenden Qualifikationen von "Mischehe"-Partnern suchen konnte, nicht möglich gewesen. Nach der Razzia stimmten die Karteien nicht mehr, so dass die Gestapo eine neue "Kartei der in Berlin verbliebenen Juden" anfertigen ließ. "Die Internierung von 2000 Menschen in der Rosenstraße stellte den effektivsten Weg dar, binnen weniger Tage mehrere hundert geeignete Personen, darunter viel Fachpersonal, für eine Tätigkeit bei jüdischen Stellen zu rekrutieren" (S. 121). Die Auswahl wurde unter Mithilfe der Reichsvereinigung vorgenommen. Über den geplanten Austausch aber ließ die Gestapo zunächst nichts verlauten, die Mitarbeiter der Reichsvereinigung hätten sich sicher gewähnt, die Leute in der Rosenstraße hätten das wahre Ziel auch nicht erfahren. Dem unerträglichen Druck erlag ein Mann: Er starb in der Rosenstraße.

Die Entlassungen aus der Rosenstraße hätten sich zwischen dem 1. und 12. März 1943 hingezogen, weil manche Klärung des "Rassestatus" so lange benötigt hätte. Der Hauptgrund für die Zeitspanne habe aber im Austauschplan gelegen. Es wurden Männer und Frauen für Tätigkeiten in der Berliner Jüdischen Gemeinde und der Reichsvereinigung (Steuer-, Grundstücks-, Archivabteilungen) und für das Jüdische Krankenhaus ausgesucht. Außerdem brauchte die Sicherheitspolizei Männer für Hilfs- und Transportdienste bei den Festnahmen und Deportationen sowie bei Bauarbeiten. Es habe Einzelselektionen für bestimmte Arbeiten, aber auch Hofappelle für die größere Auswahl gegeben. Die Gestapo habe sich jedoch erst nach der Abfertigung des letzten Auschwitz-Transports "der Auswahlprozedur in der Rosenstraße vollständig widmen" (S. 124) können. Zunächst seien diejenigen entlassen worden, die nicht in Frage kamen. Sie mussten sich bei der "Zentralen Dienststelle für Juden" des Berliner Arbeitsamtes zur Zwangsarbeit melden, wodurch sie neue Lebensmittelkarten erhalten konnten.

Das Gebäude Rosenstraße sei völlig verdreckt gewesen nach den Entlassungen. "Wenn die Jüdische Gemeinde aber künftig dreimal wöchentlich die Müllabfuhr bestellte, rechnete sie am 8. März 1943, da die Selektion des Personals noch nicht abgeschlossen war, mit weiterem tagelangen, wenn nicht wochenlangen Aufenthalt vieler Menschen im Gebäude Rosenstraße 2-4. Und das mit gutem Grund, denn die Auswahl des Personals durch die Gestapo zog sich hin" (S. 126). Im Zusammenhang mit der "Entlassungswelle" bis zum 8. März habe die Gestapo mehrere Hofappelle abgehalten, bei denen die Beamten die Leute nach ihren Kenntnissen fragten oder ihnen nach Abzählen den Befehl zum Antritt bei einer Institution gaben. Die Zahl der Auszuwählenden für die jüdischen Einrichtungen sei auf rund 225 begrenzt worden und sollte aus den von der Deportation befreiten Gruppen bestehen. Hunderte von ehemaligen Angestellten wurden deportiert, wie Gruner aufgrund des Vergleichs der Personallisten vom 31. Januar 1943 und 1. April 1943 zeigt, denen auch die Zahl der neuen Mitarbeiter und der "Rassestatus" des Personals zu entnehmen sei. Für die Gestapo und das RSHA wurden Ordner, Männer für die Transportkolonne, Personen zum Erstellen der neuen Kartei, zu Bibliotheksarbeiten oder zu Bauarbeiten ausgewählt.

Der erste Austausch des Personals fand am 9. März 1943 statt. Dann begannen auch die Massenverhaftungen der ehemaligen Angestellten der Jüdischen Gemeinde und der Reichsvereinigung. Am 12. März verließen zwei Züge Berlin nach Auschwitz, am 17. März ging ein Transport nach Theresienstadt, worin sich auch Juden aus aufgelösten oder geschiedenen "Mischehen" befanden. Goebbels notierte über ein Gespräch mit Hitler am 19. März 1943, Hitler sei glücklich, dass "die Juden zum größten Teil aus Berlin evakuiert sind". Also seien sie doch von einer erfolgreichen, nicht von einer gescheiterten Aktion ausgegangen, so Gruner. "Das bekräftigt einmal mehr, dass das Ziel der Fabrik-Aktion eben nicht in der Deportation aller Juden in 'Mischehen' bestand" (S. 135). Nicht alle Ersatzarbeitskräfte bewährten sich in ihren neuen Stellen, andere mussten neu ausgewählt werden. Am 1. April 1943 waren mehr als ein Drittel der Beschäftigten der jüdischen Einrichtungen in "Mischehe" lebende Juden. Bis zum November 1943 gingen weitere Transporte nach Auschwitz und Theresienstadt. Die Reichsvereinigung wurde am 10. Juni 1943 aufgelöst, eine verkleinerte Zwangsorganisation als Restinstitution geschaffen. In den Berliner Einrichtungen arbeiteten 203 aus "Mischehen" stammende Personen und 81 "Geltungsjuden" und "Geltungsjüdinnen".

Im 4. Kapitel "Der Protest und die Folgen" (S. 139-189) setzt Gruner mit einem Zitat Goebbels' vom 11. März 1943 ein. Die Evakuierung aus Berlin habe "zu manchen Misshelligkeiten geführt". Es seien leider dabei auch "die Juden und Jüdinnen aus privilegierten Ehen" mit verhaftet worden. Das habe zu Angst und Verwirrung geführt und in "Künstlerkreisen stark sensationell gewirkt". Die Angehörigen und Verwandten der in der Rosenstraße Internierten hätten sich, so Gruner, "spontan und rasch vor dem Gebäude" eingefunden. Dezidiert stellt er fest: "Zeitgenössische Dokumente zu diesen Vorgängen gibt es bisher nicht". Er meint, die Notiz von Ruth Andreas-Friedrich "scheint nicht ganz authentisch, sondern erst kurz nach dem Kriegsende angefertigt worden zu sein" (S. 139). Die meisten Berichte stammten aus jahrzehntelangem Abstand zu den Ereignissen und sie wiesen viele Widersprüche auf. "Aus den Interviews, Erinnerungen und Prozessaussagen, die sich mit den Ereignissen vom Februar 1943 beschäftigen, gewinnt man deshalb nur ein diffuses und widersprüchliches Bild". In Erinnerungen von Überlebenden hätte "die bereits seit dem Kriegsende kursierende Geschichte vom 'Aufstand der Frauen' offenbar ihre Spuren hinterlassen" (S. 140). Unter "ausdrücklicher Befragung zur Rosenstraße und zum dortigen Protest" in Vernehmungen bei Prozessen oder Interviews mit Historikern seien die meisten Aussagen entstanden. Gruner meint "zeitgenössische Quellen" fehlen, so dass Teilnehmerzahl, Umstände, Dauer, Form des Protests ungesichert seien (S. 141). Gruner hält die höheren Zahlenangaben von 6.000 Teilnehmenden schon wegen der Kürze der Straße für nicht sicher. Es hätten 3.000 Menschen dort rein theoretisch auf dem vorhandenen Platz stehen können, doch in Bewegung begriffen wohl nur einige hundert. Unsicher sei, ob der Straßenbahnverkehr umgeleitet worden sei, der regulär durch die Straße führte. Da andere Zeitzeugen von einer Absperrung des Gebäudes sprechen, seien wohl nur 150-200 Personen zusammen dort gewesen. "Wenn es einen tagelangen Protest mehrerer tausend Menschen in Berlin gegeben hätte, sollten sich auch mehr Zeitzeugen daran erinnern". Wahrscheinlich seien nicht so viele Menschen dort gewesen, die zudem "damals nicht über das Bewusstsein verfügten, widerständig zu handeln". In den Akten der "Opfer des Faschismus" hätten sich viele Hinweise zur Fabrik-Aktion "und manche über die Internierung in der Rosenstraße" gefunden. Doch in den Akten der Buchstaben B, F, L und P, die Gruner durchsah, habe "kein einziger Überlebender die Demonstration in der Rosenstraße" erwähnt, obwohl nach Widerstandshandlungen gefragt worden sei. Auch in den Akten zum geplanten Prozess in der Deutschen Demokratischen Republik gegen Hans Globke hätten sich "nur wenige Details zum Protest Rosenstraße" (S. 144) gefunden. Im übrigen müssten zwei Zeitzeugengruppen unterschieden werden: Die Insassen und die Personen auf der Straße. Vieles, was Zeitzeugen erzählten, sei nicht aus eigener Anschauung. "Vieles deutet so auf einen geringeren Umfang des Protestes hin" (S. 146). Tagelange Demonstration von mehreren Tausend Menschen hätte doch für Gesprächsstoff im Haus gesorgt, also seien es wohl eher weniger gewesen. Gruner nennt den Protest: "dieser unglaubliche Akt der Opposition" (S. 148).

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichteten, es sei ein Hin- und Hergehen in der Rosenstraße gewesen, sie erinnerten sich auch an gesprochene oder gerufene Forderungen "Wir wollen unsere Männer wiederhaben!" (S. 148). Auch vom Schweigen werde berichtet. Die Angehörigen brachten Kleidung und Essen für die Insassen im Gebäude, andere forderten Lebensmittelkarten oder Schlüssel von jenen, weil sie diese zur Arbeit mitgenommen hatten. Die arbeitenden Angehörigen kamen morgens vor, abends nach der Arbeit vorbei. Den Aufenthaltsort hatten sie auf diversen Wegen erfahren: bei der Fabrik selbst oder über Informationen von der Hilfsstelle von Margarete Sommer oder in Sammellagern, auf Polizeistationen, in den jüdischen Einrichtungen. Unter den Menschen vor dem Gebäude waren hauptsächlich Frauen, aber auch Kinder und Männer. Die Polizei habe die Frauen auseinandergetrieben, die Wachhabenden hätten befohlen, sie sollten sich zerstreuen. Dann seien sie ein wenig auseinander gegangen, aber wieder gekommen. Gruner meint, dass "hier möglicherweise über hundert Menschen tagelang der Polizei trotzten und öffentlich provozierendes Verhalten an den Tag legten" (S. 153). Innen habe das Haus unter Aufsicht von SS-Leuten der Berliner Gestapo gestanden, aber draußen seien Schutzpolizisten gewesen. Gruner zweifelt Zeitzeugenaussagen an, die von SS-Leuten sprechen, welche mit Maschinengewehren die Angehörigen bedroht hätten. Er meint, sicher sei wohl nur, dass die Polizei mehrfach die Versammelten auseinander trieb. "Nach sorgfältiger Auswertung der heute zugänglichen Berichte von Zeitzeugen muss man sich die Proteste wohl weniger mächtig und provokativ vorstellen als es heute oft getan wird. Tatsache ist: Es versammelten sich viele Menschen tagelang in der Rosenstraße. Allerdings war der Protest keine Demonstration im heutigen Sinne. Eher handelte es sich wohl um einen spontanen Auflauf, der zustande kam, da die Menschen auf der Suche nach Informationen in die Rosenstraße kamen, um Kontakt zu ihren Liebsten herzustellen, um diesen Kleidung oder Lebensmittel zu bringen. Beharrlich kehrten viele Angehörige Tag für Tag wieder, da sie keinerlei Nachricht über das künftige Schicksal der im Gebäude Rosenstraße Festgehaltenen erhielten. Die Ansammlung wurde mehrmals durch die Polizei zerstreut, löste sich aber trotz Bedrohung nie vollständig auf. Manche Teilnehmer erhoben die Forderung nach Freilassung der Angehörigen, wenngleich offenbar die Protestierenden das berühmte 'Gebt unsere Männer frei' mehr sagten als riefen, es eher in vereinzelten Sprechchören als in mächtigen Schreien äußerten. Die Mehrzahl der heute verfügbaren Aussagen spricht für Inge Unikowers ambivalente Charakterisierung der Ereignisse als 'stummer Protest'". Die "Courage der Angehörigen der Insassen der Rosenstraße bleibt für immer bewundernswert", so Gruner (S. 156).

Die Zeitzeugen würden uneinheitliche Gründe nennen, warum es zur Freilassung der Insassen kam: Protest, Bestechung der Gestapo durch die Opfer, Einschreiten gegen Eigenmächtigkeiten eines Gestapobeamten, der Insassen deportieren wollte, der Status der "Mischehe". Gruners These lautet, "dass die Internierung in der Rosenstraße zum Zwecke der Klärung des individuellen 'Rassestatus' erfolgte sowie um aus den Internierten Ersatzkräfte für diejenigen Mitarbeiter der jüdischen Einrichtungen zu rekrutieren, die die Gestapo deportieren wollte" (S. 157). Deshalb dauerte es bis zu den Entlassungen mehr als zwölf Tage. Gernot Jochheim und Nathan Stoltzfus hingegen würden behaupten, man habe die Leute entlassen, weil man den Protest nicht mit Gewalt hätte beenden können. Gruner fragt, warum die Gestapo dann so lange gewartet haben sollte. Warum sollte sie "tagelang den öffentlichen Protest einer großen Menschenmenge im Herzen Berlins in Kauf genommen haben? Warum hat die Gestapo nicht einfach, um dem störenden Protest das Ziel zu nehmen, eines Nachts die Insassen mit Lastwagen an andere Orte verlegt? Viel plausibler scheint als Erklärung, dass eben keine Deportation der Insassen der Rosenstraße geplant war und dass man in der NS-Führung nicht wirklich beunruhigt war, weil weit weniger Menschen und diese weit weniger auffällig als bislang angenommen protestierten". Die These vom Stopp und der Freilassung könne sich nicht auf "zeitgenössische Dokumente" stützen, die sie belegten. Meist werde der Tagebucheintrag von Goebbels zitiert vom 6. März 1943, in dem er von "unliebsame[n] Szenen vor einem jüdischen Altersheim" spricht, "wo die Bevölkerung sich in größerer Menge ansammelte und zum Teil sogar für die Juden etwas Partei ergriff. Ich gebe dem S[icherheits]D[ienst] Auftrag, die Judenevakuierung nicht ausgerechnet in einer so kritischen Zeit fortzusetzen. Wir wollen uns das lieber noch einige Wochen aufsparen; dann können wir es um so gründlicher durchführen" (S. 158). Mit dem Altersheim sei jenes in der Großen Hamburger Straße gemeint, das nun als Sammellager für die Deportation benutzt wurde. Es handele sich nicht um die Rosenstraße, da von "Bevölkerung" und von einem "bisher unbeachteten Protest gegen die Transporte" die Rede sei. Eine weitere Erwähnung, "die bisher übersehen oder für die Rosenstraße gehalten wurde" (S. 159), habe Ursula von Kardorff in ihrem Tagebuch festgehalten über einen lauten Protest von Arbeiterfrauen am Rosenthaler Platz gegen Judentransporte. In Goebbels' Notiz aber stehe, man halte sich "an ein geschriebenes Wort", womit nur die Richtlinien vom 20. Februar 1943 gemeint sein konnten, die doch ausdrücklich "Mischehen" ausnahmen. "Somit richtete sich die Kritik von Goebbels wohl gegen die forcierte Gesamtdeportation in einer schwierigen Kriegssituation. Weil der Propagandaminister immer am Morgen die Erlebnisse des Vortages in sein Tagebuch niederschrieb, musste er seine 'Anweisung' am 5. März gegeben haben, allerdings offenbar ohne jeden Erfolg, denn noch am 6. März verließ ein weiterer, großer Deportationszug Berlin in Richtung Auschwitz" (S. 160).

Am 8. März 1943 sei Goebbels zu Hitler geflogen, dort war die Rede davon, dass "so schnell wie möglich die Juden aus Berlin" herausgeschafft werden müssten. Hitler habe ihm den Auftrag gegeben "Berlin gänzlich judenfrei zu machen". Daher müsse Goebbels "so schnell wie möglich die Juden aus Berlin herausschaffen, wenn das auch im Augenblick vielleicht einige psychologische Belastungen mit sich bringt" (S. 160). Hätte es einen Abbruch eines Deportationsplanes bei "Mischehen" gegeben, so hätte Goebbels diesen wieder zurücknehmen müssen. Außerdem konnte Goebbels nicht in die Vorgänge der Rosenstraße eingreifen, weil letztlich Hitler und das Reichssicherheitshauptamt über den konkreten Ablauf der Transporte entschieden hätten. "Als Propagandaminister zeichnete er [Goebbels, A.L.] im NS-Staat für den Kultur- und Propagandabereich verantwortlich, als Berliner Gauleiter für die Belange der Partei in der Reichshauptstadt" (S. 161). Erst mit Jahresbeginn 1943, vor allem im Zusammenhang mit der "totalen Krieg"-Propaganda, sei Goebbels' Stern bei Hitler wieder aufgegangen. Goebbels habe dann als Reichsverteidigungskommissar für Berlin in neuer staatlicher Funktion fungiert. "Dennoch verhinderte wohl gerade die Führerstaatsstruktur einen direkten Eingriff Goebbels' in die Fabrik-Aktion". Er hätte zwar mit dem Reichsführer SS Himmler oder dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes Kaltenbrunner sprechen können, aber kaum mit den Untergebenen, die die Ausführungen vornahmen.

Gegen einen Deportationsstopp von Goebbels am 6. März 1943 spreche auch, dass die Festgesetzten schon vorher und noch nachher entlassen worden seien. Der Tagebucheintrag Goebbels' sei wohl eine "Selbststilisierung", "worin er sich gern als Macher präsentierte und mit fremden Federn schmückte" (S. 162). Sonst gäbe es keine zeitnahen Quellen zur These vom Deportationsstopp. Und nach den Anordnungen des Reichssicherheitshauptamtes sei verboten, "auch nur den Anschein zu erwecken, dass [!] 'Mischeheproblem' zu 'bereinigen'". "Auch einige zeitgenössische Quellen, die für den Abbruch eines Deportationsplanes herangezogen werden, zeigen nur die damalige Wertung von Personen, die die Ereignisse von außen beobachtet hatten" (S. 163), so die Depesche der amerikanischen Botschaft in Bern aus dem April 1943, die vom Abbruch der Maßnahmen gegen jüdische Ehefrauen und -männer sprach wegen eines Protestes. Auch Landesbischof Theophil Wurm habe an den Reichskirchenminister Hanns Kerrl [!] geschrieben, neuerdings würden die in "Mischehe" lebenden Juden eine freundliche Behandlung erfahren, es sei am 6. März zu Entlassungen gekommen, ein Gestapo-Beamter habe gesagt, dass die Entlassenen "in die Volksgemeinschaft eingegliedert werden sollen". Auch Ruth Andreas-Friedrich habe auf den 1. März bezogen von der Eingliederung in die "Volksgemeinschaft" geschrieben, die die SS beschlossen hätte. Wahrscheinlich, so Gruner, hätten "Beamte eine solche Auskunft den Wartenden gegeben", um sie "zu beruhigen" (S. 164) oder die Schlussfolgerung stamme aus Berichten von Insassen, die dann in jüdischen Einrichtungen angestellt wurden und daher teilweise eine bessere Beschäftigung erhielten. Aber diese Hoffnung wurde zerstört.

Gruner stellt dezidiert fest: "Angesichts der hier präsentierten Fakten und Hintergründe kann die Auffassung, dass es Ende Februar 1943 einen Deportationsplan gegen die Juden in 'Mischehen' gegeben habe und dieser infolge des Protestes von der Gestapo aufgegeben worden sei, kaum noch überzeugen. Auch die in diesem Zusammenhang ab und an gezogene Schlussfolgerung, Demonstrationen wie in der Rosenstraße hätten zu diesem späten Zeitpunkt die Deportationsplanungen im NS-Staat noch beeinflussen oder deren Realisierung behindern können, geht an den historischen Tatsachen vorbei" (S. 165).

Um eine Deportationsabsicht der Gestapo gegenüber den in "Mischehe" lebenden Juden zu untermauern, werde der Fall der 25 Männer aus der Rosenstraße, die am 6. März 1943 nach Auschwitz deportiert wurden, als Argument angeführt. Von dort seien sie nach einiger Zeit wieder nach Berlin zurückgebracht worden. "Zugleich wird heute behauptet, sie seien nur aufgrund des Protestes in der Rosenstraße freigelassen worden". Man interpretiere die Verschleppung als "Versuchsballon" (S. 167) oder als eigenmächtiges Handeln von Gestapobeamten. Zeitzeugen aus der Gruppe der 25 hätten ausgesagt, ihr Abtransport sei als Strafmaßnahme für den Protest vorgenommen worden, ein anderer sagte, man habe ihnen politische Verfehlungen vorgeworfen. Gruner meint, "die Gestapo wusste sehr genau, was sie tat. Eine versehentliche Deportation ist aus folgendem Grund völlig ausgeschlossen: Im Gegensatz zu allen anderen der über 600 am 6. März 1943 aus Berlin nach Auschwitz Verschleppten hatte man diese 25 Juden noch in Berlin eigens als so genannte Schutzhäftlinge klassifiziert, was bisher kaum beachtet worden ist. Eine Meldung aus Auschwitz an das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt vom 8. März 1943 belegt das". Dort seien "25 Schutzhäftlinge (Buna)" vermerkt worden (S. 167). "Schutzhaft bedeutete für die Männer einen grundlegenden Unterschied in ihrem Verfolgtenstatus gegenüber den Deportierten, die, im Vernichtungslager angekommen, meist gleich ermordet wurden. Zudem enthielt das Schutzhaftverfahren noch einen weiteren gravierenden Unterschied zur regulären Deportation: Das Vermögen der 25 Verhafteten wurde nicht wie bei allen anderen Deportierten des Transportes am 6. März 1943 per Anordnung der Gestapo noch im Sammellager zugunsten des Reiches enteignet". Aus "Repressionsgründen" hätten die Anordnungen des Reichssicherheitshauptamtes die Verhängung von Schutzhaft gegen einzelne Juden in "Mischehen" zugelassen, wie es im Erlass der Gestapo Frankfurt/Oder stehe. "Freches Benehmen" könne durch Schutzhaft und Anträge auf Unterbringung in einem Konzentrationslager geahndet werden. Es könne dabei "sehr großzügig verfahren werden", aber der Eindruck müsse vermieden werden, dass "bei dieser Aktion das Mischeheproblem gleichzeitig grundlegend bereinigt werden soll" (S. 168). Einweisung in ein Konzentrationslager bedeutete seit Herbst 1942 die Überstellung nach Auschwitz aufgrund eines Erlasses von Himmler. "Eine jede solche Schutzhaftverfügung musste sich die lokale Gestapo vom Reichssicherheitshauptamt in Berlin einzeln genehmigen lassen. Das konnte einige Tage dauern, aber auch bis zu drei Wochen. Wenn die 25 Männer also als Schutzhäftlinge nach Auschwitz gekommen sind, kann von einem Test der Gestapo nicht gesprochen werden, und auch ein irrtümlicher Abtransport ist ausgeschlossen" (S. 169). Die 25 Schutzhäftlinge der Rosenstraße seien zur Zwangsarbeit in die Buna-Werke überstellt worden. Nach etwa 14 Tagen Zwangsarbeit in Auschwitz-Monowitz habe man 35 Berliner aufgerufen, darunter 24 [!] aus der Rosenstraße, einer [!] sei krank zurück geblieben. Die anderen 10 [!] stammten möglicherweise aus dem Sammellager Große Hamburger Straße. Es sei nicht eindeutig zu belegen, ob auf Anweisung Himmlers die Männer zurück kamen, denn wahrscheinlich bezog sich seine Anordnung auf französische Juden. Sie könnte sich auch auf eine von Göring protegierte Gruppe von Juden bezogen haben. Die aus Auschwitz zurückgekehrten Männer kannten nicht den Grund ihrer Rückkehr. Gruners Meinung: "Der plausibelste Grund für die Rückkehr scheint zu sein, dass die 25 Männer aus der Rosenstraße als Schutzhäftlinge nach Auschwitz gekommen waren, somit als K[on]Z[entrationslager]-Häftlinge geführt wurden. Allerdings handelte es sich bei ihnen nicht um 'ungeschützte Volljuden', die die SS unter diesen Voraussetzungen unbefristet in Auschwitz eingekerkert gelassen hätte, sondern nur um noch 'geschützte' Juden in 'Mischehen'. Darum brachte man sie nach einiger Zeit ins Reich zurück. Hier kamen sie allerdings nicht frei. Sie wurden in Berlin diversen weiteren Verhören unterworfen, wie Kurt Blaustein bezeugt. Danach wies die Gestapo alle Männer in das Arbeitserziehungslager Großbeeren ein. Die Einlieferung als Schutzhäftling in ein Konzentrationslager, selbst wenn viele das nicht überlebten, war für die Gestapo etwas fundamental anderes als die Deportation in ein Vernichtungslager" (S. 172).

Im Frühjahr 1943 häuften sich an vielen Orten Verhaftungen von jüdischen Partnern in 'Mischehen', so in Frankfurt am Main. "Doch genau wie die Berliner Gestapo bei den 25 Männern aus der Rosenstraße hatte die Frankfurter Gestapo die Menschen unter bestimmten Anschuldigungen verhaftet und damit die formellen Voraussetzungen im NS-Regime für eine Schutzhaft und für die Verbringung in ein KZ erfüllt. Die seit Beginn des Jahres 1943 erfolgten Festnahmen von Juden in 'Mischehen' begründete die Frankfurter Gestapo immer mit tatsächlichen bzw. auch erfundenen Verstößen gegen antijüdische Bestimmungen" (S. 172f). In Hessen habe Gauleiter Jakob Sprenger "ein scharfes Zufassen" (S. 173) verlangt, was seit Jahresbeginn 1943 durch Verhaftungen und Gefängnis und späteres Einliefern auf dem Schubweg in KZ umgesetzt wurde. Vor dem Gefängnis in Frankfurt habe es kleinere Szenen mit Ansammlungen von Angehörigen gegeben wie in Berlin. Festnahmen von "Mischehe"-Partnern seien seit März 1943 auch in Offenbach, Mainz, Wiesbaden und Darmstadt vorgenommen worden. Die Anordnungen vom Reichssicherheitshauptamt seien vor Ort "im Einzelfall" durch die Beamten "nach Gutdünken" ausgelegt worden. "Damit kam es des Öfteren auch zu einer verschärften Interpretation der Anweisungen. Nicht in der Macht der lokalen Gestapobeamten lag hingegen eine Änderung des generellen Zieles einer vom Reichssicherheitshauptamt angeordneten Maßnahme" (S. 175). Während der Fabrik-Aktion wurden "Mischehe"-Partner in Hamburg verhaftet, in das KZ und Polizeigefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel eingewiesen, bis auf einen entlassenen, einen geflohenen und einen gestorbenen Mann wurden die übrigen nach Auschwitz verschleppt. Auch in Dresden und Krefeld gab es Verhaftungen. Im Kern seien diese Schutzhaft-Aktionen von den Anordnungen des Reichssicherheitshauptamtes gedeckt gewesen. "Wenn aber örtliche Willkür das Gesamtkonzept zu stören begann, reagierte Berlin und bremste". Möglicherweise durch vermehrte Anfragen von "arischen" Verwandten aus Hessen habe Kaltenbrunner dann reagiert und am 21. Mai 1943 die Gestapostellen hingewiesen, dass "Mischehe"-Partner "auf keinen Fall" ab zu befördern seien. Nur wenn "tatsächlich" sicherheitspolizeilich etwas vorliege, könnten sie verhaftet werden, nicht "aus allgemeinen Gründen". Sie seien "sukzessive wieder zu entlassen" (S. 176). Damit spiele Kaltenbrunner auf die Anordnungen an vom Februar 1943, die auch Schutzhaft in Einzelfällen zuließen. In Frankfurt am Main habe der Judenreferent Heinrich Baab seinen Posten räumen müssen. Die Verhaftungswellen hätten lange vor der Fabrik-Aktion eingesetzt und sie seien nicht auf das ganze Reichsgebiet erstreckt worden; es habe sich um "lokale Aktivitäten" gehandelt. "Dennoch symbolisierten die Verhaftungswellen die nach der Fabrik-Aktion auf vielen Ebenen radikalisierte Politik des NS-Staats gegenüber der Gruppe der Juden in 'Mischehen'" (S. 177).

Goebbels habe am 11. März 1943 notiert: "Die Verhaftung von Juden und Jüdinnen aus privilegierten Ehen hat besonders in Künstlerkreisen stark sensationell gewirkt, denn gerade unter den Schauspielern sind ja diese privilegierten Ehen noch in einer gewissen Anzahl vorhanden. Aber darauf kann ich im Augenblick nicht übermäßig viel Rücksicht nehmen". Gruner meint, die Notiz beziehe sich nicht auf die Rosenstraße, sondern auf die neue Diskussion um die Zwangsscheidung von "Mischehen". Auch die Notiz von Goebbels, die er am 21. März niederschrieb, mache deutlich, dass er nichts über ein Scheitern eines Abtransports vermerkt, sondern nur, dass mit einiger Mühe Berlin und das Reich "zum großen Teil judenfrei" gemacht worden seien. "Allerdings leben in Berlin noch die Juden aus Mischehen; diese betragen 17000" (S. 178). Das war jedoch die reichsweite Zahl, die im Korherr-Bericht vom 1. April 1943 mit 16.668 Juden angegeben wurde. In Berlin seien es rund 8.800 in "Mischehe" lebende Juden gewesen, so Gruner. Hitler habe Reichsinnenminister Frick den Auftrag erteilt, die Scheidung dieser Ehen zu erleichtern auf Antrag des "deutschblütigen Teils". Am 20. März hatte Frick Hitler deswegen gesprochen. Goebbels meinte, mit der Scheidung könnten sie eine Reihe der Ehen beseitigen und die jüdischen Partner evakuieren. Also habe man eine "Zwangsscheidung von 'Mischehen' per Gesetz als unabdingbare Voraussetzung für eine Deportation der jüdischen Partner" (S. 179) angesehen. Der Berliner Bischof Konrad von Preysing habe am 16. April 1943 den katholischen Bischöfen seine Besorgnis mitgeteilt, die "rassische Mischehe" werde in Kürze "auf Grund staatlicher Anordnung getrennt werden" (S. 180), falls die "arischen" Partner nicht zuvor freiwillig einen Antrag gestellt hätten. Sollte das Gesetz kommen, so werde man ein Hirtenwort verlesen.

Im Mai 1943 hätten Reichsinnen- und Reichsjustizministerium einen neuen Entwurf "Gesetz über die Scheidung von deutsch-jüdischen Mischehen" vorgelegt. Von den darin angenommenen 19.000 "Mischehen" im Reich sollten 3.500-4.000 von der "radikalen Zwangsscheidung ausgenommen werden" (S. 180). Das Gesetz wurde jedoch nicht verabschiedet wegen Hitlers ablehnender Haltung. Himmler deutete im Oktober 1943 an, dass diese Frage der "Mischehen" auch gelöst werde. Laut Korherr-Bericht vom 1. April 1943 zählte man noch 31.910 Juden im Altreich, davon in Berlin 18.500. Etwa die Hälfte davon trug den "Judenstern", d.h. vor allem "Geltungsjuden", jüdische Partner in "nichtprivilegierter Mischehe" und einige noch "geschützte" Juden. Die in "privilegierten Mischehen" lebenden Juden mussten keinen Stern tragen. Im Reich habe es 16.668 "Mischehen" gegeben, davon 12.117 in "privilegierten" und 4.551 in "nichtprivilegierten Mischehen". Nach der Fabrik-Aktion hätten sie in Angst gelebt.

Im Anschluss an die Fabrik-Aktion sei der Zwangsarbeitseinsatz der damals aus der Industrie herausgenommenen Arbeiter, die in "Mischehe" lebten, reorganisiert worden. Ihr Einsatz in unqualifizierten Kolonnen habe den jederzeit widerrufbaren Arbeitseinsatz bedeutet. Damit ersparte man sich Konflikte mit der Industrie und konnte die Zwangsarbeiter zu jedem Zeitpunkt abtransportieren. Die Reichsarbeitsverwaltung habe aber seit März 1943 auch die Arbeit der außerhalb der Industrie tätigen "Mischehe"-Partner reorganisiert im geschlossenen Einsatz. Das Berliner Arbeitsamt habe im März und April 1943 diese Personengruppe in neue Arbeit verpflichtet, so bei Reichsbahn, Baufirmen, Großwäscherei, Müllabfuhr oder beim Jauchefahren. Das Arbeitsamt habe auch die in der Rosenstraße entlassenen, aber nicht in den jüdischen Einrichtungen als Ersatzpersonal ausgewählten Personen in neue Arbeiten vermittelt. "Aufgrund fehlender Ersatzkräfte wurde das neue Prinzip, Juden nur im unqualifizierten Zwangseinsatz außerhalb der Industrie zu beschäftigen, von der Arbeitsverwaltung gleich wieder gebrochen" (S. 183). Auch in anderen deutschen Städten wurde der Zwangseinsatz reorganisiert, so in Frankfurt am Main, Essen, Dresden. Die in "Mischehe" lebenden Deutschen mussten die so genannten "Judenhäuser" beziehen. "Reichsweit wies die Gestapo jüdische 'Mischehe-Partner' schon bei geringstem Anlass, mancherorts auch unter Vorwänden, vermehrt in Arbeitserziehungslager ein. Viele wurden dort ermordet oder starben aufgrund der KZ-ähnlichen Zwangsarbeitsbedingungen" (S. 184). "Nur wenn die 'deutsch-blütigen' Partner dem massiven ideologischen und sozialen Druck, sich scheiden zu lassen, standhielten, konnten sie ihre Ehegatten künftig noch vor der Deportation retten". Am 18. Dezember 1943 habe auf Anweisung Himmlers der Gestapochef Heinrich Müller die Deportation derjenigen Juden aus "Mischehen" nach Theresienstadt befohlen, deren Partner verstorben waren oder sich hatten scheiden lassen. Ausgenommen werden sollten diejenigen jüdischen Ehegatten, deren Söhne im Krieg gefallen waren oder "wo mit Rücksicht auf die vorhandenen Kinder zu erwarten ist, dass dadurch eine gewisse Unruhe hervorgerufen werden würde" (S. 185). Seit Januar 1944 setzten dann die Deportationen nach Theresienstadt ein. Ab Herbst 1944 wurden "jüdische Mischlinge" und "jüdisch Versippte", d.h. die nichtjüdischen Ehepartner einer noch bestehenden "Mischehe", aus ihren Arbeitsstätten genommen und in den Zwangseinsatz meist außerhalb des Wohnortes in Arbeitslager verschleppt.

Am 15. Januar 1945 bestimmte das Reichssicherheitshauptamt: "Alle in Mischehen lebenden arbeitsfähigen Staatsangehörigen und staatenlosen Juden/Jüdinnen (auch Geltungsjuden) sind ungeachtet z[ur] Z[eit] bestehender Arbeitsverhältnisse möglichst bis zum 15.2.1945 in Sammeltransporten dem Altersghetto Theresienstadt zum geschlossenen Arbeitseinsatz zu überstellen" (S. 187). Die Betroffenen wurden von der Rest-Reichsvereinigung aufgefordert, sich zu einem bestimmten Termin zum Transport zu stellen, wodurch sich viele Opfer entzogen. In Berlin habe es an Transportkapazitäten gefehlt, um die bereits Festgenommenen zu deportieren. Ende März 1945 habe das Reichssicherheitshauptamt wegen des Kriegschaos diese Aktion abgebrochen.

Man habe also 1945 die lange diskutierte Deportation der in "Mischehen" lebenden Juden in Angriff genommen, als man "keine Rücksicht mehr auf die 'arischen Angehörigen'" nehmen musste, "die zudem zum Teil weit weg von ihren Angehörigen im Zwangseinsatz standen" (S. 188). Ein Zwangsscheidungsgesetz habe man offensichtlich nicht mehr für nötig erachtet. Ende Februar 1945 habe man in Berlin offiziell noch 4.814 jüdische Deutsche in "Mischehen" gezählt, das war etwas mehr als die Hälfte von 1942. Nach der Befreiung 1945 schätzte die Jüdische Gemeinde, dass von den ehemals 160.000 jüdischen Einwohnern nur noch 8.000 in Berlin lebten, davon über 4.000 "Mischehe"-Partner, 1.900 jüdische Überlebende, die aus Lagern und Ghettos zurückkehrten, 1.400 Menschen, die in der Stadt versteckt überlebt hatten.

Die Zusammenfassung (S. 190-206) liefert auf 17 Seiten nochmals die für Gruner entscheidenden Ergebnisse seiner Darstellung, die den Lesenden jedoch schon von der Einleitung über die gesamte Darstellung hin immer wieder vor Augen geführt wurden. Gruner betont, es zeigten "alle heute verfügbaren Dokumente, dass das Reichssicherheitshauptamt diejenigen jüdischen Deutschen, die in 'Mischehen' lebten, zu diesem Zeitpunkt nicht abtransportieren wollte" (S. 193). Die in der Rosenstraße Internierten sollten nicht deportiert werden, das wäre eine "radikale und abrupte Änderung in der zentralen Politik gegenüber den 'Mischehen'" gewesen, die sich nicht belegen lasse. "Die Richtlinien und Anweisungen des Reichssicherheitshauptamtes vom Februar widersprechen dem ebenso wie zwei interne Schreiben Kaltenbrunners von Anfang März 1943. Überall im Reich wurden deshalb folgerichtig während der Fabrik-Aktion die jüdischen Partner aus 'Mischehen' entlassen. Und nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, den Niederlanden und Belgien blieben 1943 'Mischehen' von den Deportationen ausgenommen" (S. 194). Gruner schließt: "Wenn also alle Dokumente gegen einen generellen reichsweiten Abtransport dieser Gruppe sprechen, bliebe als einzige vorstellbare Möglichkeit eine Berliner Sonderaktion". Das stütze sich aber wieder auf lange nach den Ereignissen gemachte Aussagen von Zeitzeugen. Die "Fakten" würden dagegen stehen, weil bei der Razzia die "Mischehe"-Partner "in sämtlichen Sammellagern" noch am 27./28. Februar 1943 aussortiert worden seien und zur Rosenstraße gefahren worden seien. Es sei auch nur ein Viertel der "Mischehe"-Partner Berlins erfasst worden. "Die Gestapo hielt sie gerade in der Mitte Berlins fest und nicht an einem abgelegenen Ortsteil, obwohl man doch stets die Unruhe in der 'arischen' Verwandtschaft fürchtete" (S. 195). Der Grund der Internierung sei die Überprüfung des "Rassestatus" gewesen, der sie vor der Deportation schützte, und die Auswahl als Ersatzpersonal für die zu deportierenden Angestellten der jüdischen Einrichtungen. Die Gestapo habe das korrekt überprüft. Von Anfang an sei eine Entlassung der Insassen geplant gewesen, denn schon seit dem 1. März habe es Entlassungen gegeben. Außerdem würden "die dabei ausgegebenen, von der Gestapo eigens vorbereiteten und vordatierten Entlassungsformulare" darauf verweisen. Bis zum 12. März 1943 hätten sich die Entlassungen hingezogen. Man habe qualifiziertes Ersatzpersonal gesucht. "Wegen der Großrazzia waren die Karteien der Jüdischen Gemeinde überholt, auch das Arbeitsamt verfügte nicht über Qualifikationsnachweise. Um geeignete Kandidaten zu finden, schien die kurzfristige Lösung für das RSHA, die aus den Betrieben entfernten Zwangsarbeiter aus 'Mischehen' festzuhalten" (S. 196). Es habe also keinen Plan zur Deportation gegeben und Goebbels sei auch nicht für deren Internierung in der Rosenstraße verantwortlich. Wegen der befürchteten Unruhe in der Bevölkerung und der fehlenden gesetzlichen Voraussetzung einer Zwangsscheidung sei die Deportation lange vertagt worden. Allerdings hätten die Angehörigen und die Insassen in der Rosenstraße nicht wissen können, was geplant gewesen sei. "Da keine Deportation der Insassen geplant war, konnte ein Protest diese nicht stoppen. Auch eine erst jüngst stärker ins Blickfeld gerückte Intervention der katholischen Kirche von Anfang März konnte diesen Effekt also nicht bewirken". Auch Goebbels habe nicht intervenieren können, weil er nicht über die "alleinige Autorität, Deportationsvorhaben zu blockieren" (S. 199), verfügt habe. Hitler, Frick und Goebbels hätten ein Gesetz zur Zwangsscheidung als Voraussetzung für den Abtransport angesehen. Der tagelange Protest in der Rosenstraße habe womöglich die nationalsozialistische Führung irritiert, aber die radikale Verschärfung der Politik gegenüber "Mischehen" habe er nicht verhindert. Auch die 25 nach Auschwitz transportierten Insassen der Rosenstraße könnten keine Deportationsabsicht belegen, weil sie als "Schutzhäftlinge" eingeliefert worden seien. Hätte wirklich eine Deportationsabsicht bestanden, hätte man sie nach Theresienstadt deportieren müssen. Dafür wäre aber eine gesetzliche Zwangsscheidung nötig gewesen. "Weder damalige Dokumente noch die weitere historische Entwicklung stützen also die Annahme, dass Proteste wie in der Rosenstraße die Deportationsplanungen der NS-Führung verändert oder deren Realisierung behindert hätten" (S. 201).

Ins "kollektive Gedächtnis der Deutschen" sei die "Legende" vom Protesterfolg in der Rosenstraße eingeschrieben. Sie fuße auf "Berichten von Überlebenden und ihren subjektiven Eindrücken". Sie habe die Geschichtsschreibung bestimmt und die "individuelle Erinnerung mancher Zeitzeugen" beeinflusst. Erst Ende der 1980er Jahre habe die Geschichte wieder "Konjunktur" erfahren nach der Wiedervereinigung. "Letzteres hatte politisch sicher viel mit dem öffentlichen Bedürfnis nach Neubestimmung und Legitimierung Deutschlands zu tun, wissenschaftsgeschichtlich aber auch mit der nun erstarkenden Frauen- und Friedensforschung sowie den sich ausdifferenzierenden Widerstands- und Holocauststudien". Durch Margarethe von Trottas Spielfilm "Rosenstraße" habe sich dann seit 2002 [!] ein öffentlicher Disput um Erinnerung, Gedächtnis und Geschichte entwickelt. Damit sei nicht die "Courage" der Beteiligten bestritten. Fragen nach Erfolg oder Misserfolg seien "irrelevant für die Bewertung der Ereignisse und ihre Charakterisierung als Widerstand" (S. 202). Die Schlussfolgerungen, die aus dem angenommenen Erfolg des Protestes "von Forschung und Öffentlichkeit gezogen" würden, seien ein Problem: "Hätten mehr Menschen so protestiert, hätte man die NS-Judenverfolgung bzw. -vernichtung aufhalten können! Doch in der Rosenstraße leisteten Menschen in der allerletzten Phase der Massendeportationen Widerstand. Sie wollten ihre jüdischen Angehörigen retten, die Teil einer 'privilegierten' Gruppe waren. [...] Angesichts des fortgeschrittenen Standes des Völkermordes steht die Annahme auf tönernen Füßen, man hätte nur Goebbels oder Hitler beeindrucken müssen, um den Lauf der Verfolgungspolitik zu ändern". Gruner meint: "Eine reale Chance, den Prozess der Judenverfolgung aufzuhalten, der schließlich in den Massenmord mündete, bestand nur an seinem Beginn. Schon 1933 hätte sich eine breite Opposition formieren müssen, als der NS-Staat die ersten antijüdischen Maßnahmen einleitete und die ersten diskriminierenden Gesetze erließ, um die deutschen Juden zu vertreiben" (S. 203). Es hätte sich innerhalb des Führerstaates auf allen Ebenen Raum für die handelnden Personen eröffnet, "Verfolgung auch zu blockieren" (S. 204). Die Spielräume hätten sich verengt, seien aber nie ganz verschwunden.

Nach "Würdigung aller Umstände in der historischen Analyse" (S. 204) kommt Gruner zum Schluss, eine Deportation sei nicht beabsichtigt, also der Protest auch nicht erfolgreich gewesen. Er rät: "Statt einer Geschichte vom Erfolg zu erliegen, scheint es für Forschung und Öffentlichkeit ertragreicher, dem individuellen Handeln der Menschen seit dem Beginn der NS-Diktatur mehr Aufmerksamkeit zu widmen, ob als Planer, Mitgestalter oder Verweigerer antijüdischer Maßnahmen oder als von diesen betroffene Opfer". Der Widerstand der jüdischen Deutschen werde leider vernachlässigt. Viele Juden hätten sich den Verfolgungen durch Flucht und durch den Gang in die "Illegalität" entzogen, das sei ein "Massenphänomen". "Das war eine unerhörte, bisher viel zu wenig gewürdigte Massenaktion der Opfer, die in den meisten Fällen durch die Warnungen und Hilfe von Nichtjuden erst ermöglicht wurde. Diese Beispiele von unglaublichem Mut müssen intensiver erforscht und beschrieben werden". Der öffentliche Protest in der Rosenstraße sei ein "bleibendes Zeugnis für Zivilcourage" (S. 205f), auch ohne Erfolg, denn daran messe man das nicht, wie das gescheiterte Attentat auf Hitler von Georg Elser 1939 und das Attentat vom 20. Juli 1944 oder die Flugblattaktion der Weißen Rose in München zeigten. Sie dienten dennoch "als leuchtende Beispiele für individuellen Mut und gemeinsame Zivilcourage in einer Diktatur. Ein Hinterfragen der Ereignisse in der Rosenstraße stellt also keineswegs eine Diskreditierung der damals opponierenden Menschen dar" (S. 206).

Wenn man die Ereignisse in der Rosenstraße hinterfrage, würden damit nicht die "damals opponierenden Menschen" diskreditiert. "Nur eines verliert dadurch an Kontur, die - ungewollt - ins Apologetische changierende Geschichte vom erfolgreichen Widerstand von Nichtjuden gegen die Deportationen der jüdischen Deutschen". Den habe es auf andere Art gegeben: durch Warnungen vor der Fabrik-Aktion, durch Hilfe für die Untergetauchten. Gruner schließt sein Buch mit der Lehre: Wichtiger als für die Retter "Bäume in Israel zu pflanzen" sei es, "die Geschichten der nichtjüdischen Helfer und der widerständischen jüdischen Deutschen dem Vergessen in Deutschland zu entreißen und dies Nachgeborenen zu erzählen" (S. 206).


Kritische Anmerkungen zu Wolf Gruners Arbeit

Der letzte, oben zitierte Satz Gruners zeigt, dass er die Erforschung der Rosenstraße mit diesem Buch im Grunde genommen für abgeschlossen erklärt; man müsse sich wichtigeren Themen zuwenden. Das gegeneinander Ausspielen von angeblich mehr oder weniger wichtigen Themen im Zusammenhang der Judenverfolgung wirkt befremdlich und künstlich. Die Forschung muss sich selbstverständlich auch weiterhin mit der akribischen Untersuchung der Rosenstraßenereignisse befassen, nicht zuletzt angesichts des unter der Leitung von Wolfgang Benz, Gruners Doktorvater, am Zentrum für Antisemitismusforschung durchgeführten Projekts über Retter für verfolgte Juden, das bereits umfängliche Forschungsergebnisse zutage förderte [18], sondern auch, weil Gruners Buch nicht das hält, was es verspricht.

Gruner streicht häufig heraus, dass in der bisherigen Literatur zur Rosenstraße dieses oder jenes, worüber er schreibt, zu wenig oder gar nicht beachtet worden sei. Im großen und ganzen wiederholt er jedoch nur das, was er schon in seiner Dissertation 1994 und später in kürzeren oder umfangreicheren Aufsätzen dargelegt hat. Er zitiert sich dabei implizit oft mit ganzen Textbausteinen. In seinem neuen Buch baut er zwar zuweilen Hinweise auf Dokumente oder Literatur ein, auf die ihn Kolleg(inn)en aufmerksam machten, soweit sie geeignet erscheinen, seine Thesen zu stützen oder Gegenargumente zu entkräften. Seine Auseinandersetzung mit Kritikern seiner Thesen ist jedoch selektiv. Wichtige Argumente, die gegen seine Sicht der Dinge sprechen, nimmt er schlicht nicht zur Kenntnis. Doch nun der Reihe nach.

Die Arbeit ist fast ohne Tippfehler, klar gegliedert, flüssig geschrieben und im Prinzip gut lesbar. Hier und da unterlaufen grammatikalische Fehler (z.B. S. 13). Zuweilen kommt ein Satz merkwürdig verschachtelt daher: "Die Staatspolizeileitstelle Berlin, die die Großrazzia hier organisierte, hatte am Abend des 26. Februar 1943 die vom Abtransport ihre[r!] Zwangsarbeiter betroffenen Firmen, am Morgen des 27. Februar, des Tages der Razzia, die Reviere der Berliner Schutzpolizei informiert" (S. 191). Der Versuch, nationalsozialistische Bestimmungen mit eigenen Worten wiederzugeben, gelingt Gruner nicht immer: "[...] sowie jüdische Männer in einer kinderlosen 'Mischehe', außer wenn der Sohn im Krieg gefallen war" (S. 96). Manche Titel aus den Anmerkungen fehlen im Literaturverzeichnis (S. 89, Anm. 16; 134, Anm. 195; 150, Anm. 49), manche Personennamen im Register sucht man vergeblich (so Wurm, S. 164f).

Gelegentlich zeigt Gruner, dass ihm die Gepflogenheiten innerbehördlichen Schriftverkehrs nicht geläufig sind, wodurch seine Interpretation der Quellentexte tangiert ist. So deutet er etwa das "Vorgang: ohne" im Erlass der Gestapostelle Frankfurt/Oder: "Da eine solche reichsweite Groß-Aktion keinen Vorläufer bei den bisherigen Massendeportationen in Deutschland kannte, erhielt der Erlass von der Gestapo den Vermerk 'Ohne Vorgang'" (S. 53). "Vorgang" ist jedoch ein behördeninterner registraturtechnischer Begriff, der rein formale, keine inhaltliche Bedeutung hatte. "Vorgang: ohne" heißt nichts weiter, als dass der Empfänger des Schreibens in seiner Registratur (noch) kein Schriftstück haben kann, auf das sich der Verfasser des Schreibens beziehen könnte. Es ist hierbei ohne Belang, ob es zu dem konkreten, im Schreiben angegebenen Geschäftsvorfall irgendwann oder irgendwo etwas Ähnliches (einen "Vorläufer") gegeben hat oder nicht.

An anderer Stelle deutet Gruner die Angabe "2093/42g (391)" im Briefkopf der Richtlinien vom 20. Februar 1943 als hohe "Tagebuchnummer" (S. 44, Anm. 41). Auch das scheint keine unbedingt zutreffende Deutung zu sein. Tagebuchnummern werden von der Geheimregistratur fortlaufend vergeben. Verschiedene Schriftstücke, auch wenn sie auf denselben Tag datiert sind, erhalten auch unterschiedliche Tagebuchnummern. Dieselbe angebliche "Tagebuchnummer" 2093/42g (391) trägt auch das bei Gruner zitierte Fernschreiben des RSHA IV B 4a vom 21. Mai 1943 (S. 137, Anm. 208): "2093/42" ohne den Zusatz "g[eheim]". Das Zeichen findet sich auch auf Personalbogen jüdischer Auschwitz-Häftlinge, die mit anderen Transporten als denen der "Fabrik-Aktion" deportiert wurden. Daher ist es höchstwahrscheinlich ein Aktenzeichen, keine Tagebuchnummer [19].

Überhaupt hat Gruner mit den Deportationsrichtlinien vom 20. Februar 1943 seine Probleme. Er zitiert sie immerhin erstmals vollständig (S. 50f) und korrekt belegt. In seiner Dissertation und in seinen Aufsätzen gab er stets eine falsche Bundesarchivsignatur [20] an, worauf er hingewiesen werden musste [21]. Er hatte vermutlich bis dahin dieses Dokument nie in der Hand gehabt! Leser(innen) seiner Dissertation und seiner Aufsätze würden es sicher zu schätzen wissen, wenn er in aller Bescheidenheit selbst auf diesen Fehler aufmerksam machen würde. Auch bei anderen Dokumenten oder Literaturangaben scheint es zuweilen, als habe er nur einen Hinweis von dritter Seite übernommen (siehe sein Vorwort), ohne nochmals präzise Stellen und Angaben zu überprüfen (S. 78, Anm. 188; 101, Anm. 56; 153 mit Anm. 60).

Weitere Fehler rühren offenkundig davon, dass sich Gruner in manchen Bereichen nicht sachkundig machte. So finden sich etwa bei ihm nicht adäquate Literaturhinweise (z.B. S. 63, Anm. 107), ja sogar falsche Bezeichnungen, Termine, Daten. Einige Beispiele: S. 99: "Deutsche Bischofskonferenz"; S. 99, Anm. 52: "Hilfswerk für 'Nichtarier' beim Bischöflichen Ordinariat Berlin"; S. 100: "Kommissar der Fuldaer Bischofskonferenz"; S. 115 und 116: Wienken war nicht am 2.3.1943 bei Eichmann, da erhielt er das Telegramm Bertrams; er war am 4.3.1943 bei Eichmann, also am 6. Protesttag, was die Interpretation der Auskunft im zeitlichen Kontext verändert; S. 163: Reichskirchenminister Hanns Kerrl war 1943 schon tot, wie auch aus Anm. 90 hervorgeht.

Gravierender als diese Mängelliste - die sich noch um etliches verlängern ließe, zöge man Gruners Aussagen zu Auschwitz und zur Rolle des SS-Wirtschaftsverwaltungsamtes heran - ist aber die Tatsache, dass Gruner keineswegs immer die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens beachtet. Es erweckt den Eindruck, als wolle er mit allen Mitteln seine Sicht der Dinge als die allein gültige präsentieren und durchsetzen. Das zeigt sich im gesamten Aufbau des Buches und der damit verbundenen Argumentationslinie. So zieht er etwa schon Schlüsse an Stellen, wo er die Fakten überhaupt erst gründlicher hätte studieren müssen. Als Beispiel möge hier die Rezeptionsgeschichte des Rosenstraßenprotests dienen. Gruner sieht die "Wiedervereinigung" als Schnittstelle der Rosenstraßenerinnerung, berücksichtigt dabei aber nicht, dass schon seit 1979 in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik Heinz Knobloch und Konrad Münz die Erinnerung an die in Ostberlin gelegene Rosenstraße pflegten. Münz sprach darüber am 24. Februar 1993 im Deutschlandfunk in einem von Gruner ebenfalls übersehenen Radiofeature, in dem sich auch bislang unberücksichtigte O-Ton-Interviews von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zum Protest fanden. Nathan Stoltzfus' 1985 - ebenfalls Jahre vor der "Wiedervereinigung" - einsetzende wissenschaftliche Erforschung der Ereignisse beeinflusste vor allem mit seinem Artikel in der "Zeit" (1989) entscheidend die weitere Rezeptionsgeschichte. Gruner hätte analysieren müssen, warum die (west-)deutsche Historikerzunft so wenig Interesse an einer wissenschaftlichen Erforschung des Rosenstraßenprotests zeigte.

Der Sprung, den Gruner recht bald (S. 15f) zur Kontroverse um Margarethe von Trottas Film "Rosenstraße" macht, zeigt in aller Deutlichkeit, wo das eigentliche Problem liegt: in der medialen Vermarktung der Thesen Gruners. Gruner war als Fachgutachter engagiert worden (siehe Endnote 7), um das Drehbuch auf historische Authentizität hin zu überprüfen. Die Filmemacherin nahm sich jedoch offenkundig die künstlerische Freiheit, sich nicht an Gruners Sicht und Wertung der Ereignisse zu halten. Damit haben sich Konrad Weiß, Beate Meyer und Frank Noak in H-German sachlich-kritisch auseinandergesetzt [22]. Die emotional aufgeladene, an Gruners Thesen orientierte Kritik am Spielfilm durch Gruners Doktorvater, Wolfgang Benz, erschien jedoch bezeichnenderweise nicht in historischen Fachzeitschriften, sondern medienwirksam in Rundfunkinterviews und in den Spalten der Süddeutschen Zeitung. Sie wird wohl nur auf dem Gruner-Trotta-Benz-Hintergrund in ihrer merkwürdig berührenden Aggressivität verständlich. Seltsam muss auch anmuten, dass die Süddeutsche Zeitung einen Leserbrief des Zeitzeugen Hans-Oskar Baron Löwenstein de Witt nicht druckte, in dem dieser sich gegen seine Vereinnahmung durch Benz sowie gegen Gruners Thesen energisch zur Wehr setzte [23]. Auch dies übergeht Gruner mit Stillschweigen.

Das Ausweichen Gruners vor einer offenen Debatte, seine unvollständige Recherche und seine ausschnitthafte Darstellung der Rezeptionsgeschichte setzen sich in seinem Buch fort. So erwähnt er zwar, dass ein Internet-Diskussionsforum zur Rosenstraße anlässlich der Filmpremiere in den USA im Sommer 2004 eröffnet wurde (S. 16, Anm. 20). Unerwähnt lässt er, dass in diesem Forum nicht nur der Film, sondern vor allem auch seine Thesen zur Rosenstraße diskutiert wurden. Der knappe Hinweis (S. 24, Anm. 47) zeigt dies nicht an, auch nicht, dass Gruner selbst sich mit einem längeren Beitrag beteiligte [24]. Die Chance, sich mit den ihm dort entgegen gehaltenen und neu in die Diskussion eingeführten Dokumenten und Argumenten auseinander zu setzen, hat er in seinem Buch nicht ergriffen. Von einem Wissenschaftler hätte man dies erwartet.

Oberflächlich verfährt er auch bei seiner Recherche nach der Entstehung der "Erfolgsthese" vom Protest in der Rosenstraße. Sie sei erst nach dem Krieg aufgekommen durch einen Zeitschriftenartikel ("Sie") und einen Tagebucheintrag (Ruth Andreas-Friedrich), den er ebenfalls auf die Nachkriegszeit datieren möchte und der dem Zeitschriftenartikel zugrunde lag. Auch wenn dies möglicherweise am Anfang der Erzählung vom Erfolg des Protests stand, muss dies nicht besagen, hier sei eine Legende vom Erfolg geschaffen worden, denn dieser konnte ja unabhängig vom Zeitpunkt der Tagebucheintragung tatsächlich eingetreten sein. Für die Authentizität der Tagebuchnotiz vom 7. März 1943 spricht jedoch, dass dort die Rede ist vom Zusammenhang von Entlassungen und der Ankündigung, man wolle die Rosenstraßeninsassen in die "Volksgemeinschaft" eingliedern (S. 21). Dies hat Gruner wohl auch ein wenig stutzig gemacht, nachdem er sich um weitere Quellen aus dem kirchlichen Raum bemüht hatte. Denn auch der protestantische Landesbischof Wurm erwähnt dies in einem Brief vom 12. März 1943 an das Reichskirchenministerium (S. 164). Gruner ist jedoch der Informationsquelle Wurms nicht nachgegangen. Dabei wäre er nämlich auf den Berliner Syndicus Gerhard Lehfeldt gestoßen, der sowohl Wurm in Stuttgart als auch den katholischen Kardinal Bertram in Breslau über die Ereignisse in der Rosenstraße in Kenntnis gesetzt hatte. Lehfeldt - und ihm folgend Wurm - datiert die Ankündigung der Eingliederung in die "Volksgemeinschaft" auf den 6. März 1943. Dieser Termin gilt allgemein als der Tag, mit dem durch die Entlassung der weitaus größten Zahl der Insassen der Protesterfolg in Verbindung gebracht wird [25]. Diesem Zusammenhang hätte Gruner nachgehen müssen. Eine weitere zeitnahe Quelle, die Gruner offenbar nicht vorliegen hatte, sei hier noch im Originaltext zitiert: "A source which is considered trustworthy has reported that action against Jewish wives and husbands on the part of the Gestapo, reported in my telegram no. 1597 dated March tenth, had to be discontinued some time ago because of the protest which such action aroused" [26]. Es handelt sich um ein Telegramm der Gesandtschaft der USA in Bern vom 1. April 1943 an das Office of Strategic Services der USA. Wenn also der Zusammenhang zwischen Protest und Entlassung eine "Legende" sein soll, dann ist deren Entstehung nicht auf die unmittelbare Nachkriegszeit, sondern auf Mitte März 1943, unmittelbar nach Abschluss der "Fabrik-Aktion", zu datieren.

Den Beginn der historischen Forschung zur Rosenstraße sieht Gruner im Aufsatz von Bruno Blau aus dem Jahr 1948. Der Protest werde dort als Ursache der Freilassung genannt, doch belege Blau dies nicht. Gruner hat allerdings nicht recherchiert, dass Blau als Vorlage einen Bericht von Dr. Margarete Sommer, der Leiterin des Hilfswerks beim Bischöflichen Ordinariat Berlin, die die Katholiken jüdischer Herkunft betreute, benutzte [27]. Margarete Sommer aber hatte sich damals, im Frühjahr und Sommer 1943, als Zeitzeugin in mehreren Berichten zu den Rosenstraßenereignissen geäußert, wobei sie explizit von "laut erhobenen Protesten" und Entlassungen schrieb [28]. Hans Günther Adler, der in seinem Standardwerk "Der verwaltete Mensch" vom "Vorstoß" in Berlin mit der versuchten Deportation und dem Demonstrationserfolg der Frauen berichtet, berufe sich, so Gruner abqualifizierend, mit Martha Mosse nur auf eine "sehr vage" Quelle. Martha Mosse war jedoch als Mitarbeiterin der jüdischen Gemeinde unmittelbare Zeitzeugin und hat zudem mit Margarete Sommer Kontakt gepflegt. dass Mosse in ihrer Erinnerung die "Leibstandarte" in Zusammenhang mit der Rosenstraße erwähnt, ist insofern interessant, weil auch Lehfeldt in seinem Bericht vom Plan der "Leibstandarte Adolf Hitler" schreibt, "die Juden totschlagen" zu wollen [29]. Auch wenn die Leibstandarte zu dieser Zeit nur in Teil- oder Ersatzeinheiten in Berlin war, wie Gruner schreibt (S. 61, Anm. 101), spricht das nicht gegen ihre Beteiligung an der "Fabrik-Aktion". Zur Klärung der Rezeptionsgeschichte des Rosenstraßenprotests werden die Historikerinnen und Historiker also nicht umhin kommen, neben den von Gruner genannten auch die neu aufgefundenen Quellen zu analysieren.

Die Einordnung der Publikationen seines Doktorvaters, Wolfgang Benz, innerhalb der Rosenstraßenforschung - andere Autoren werden explizit als Vertreter oder Gegner der "Rosenstraßenlegende" (ab)qualifiziert - nimmt Gruner seltsam wertneutral vor. Als einzige Veröffentlichung erwähnt er den 1988 von Benz herausgegebenen Sammelband "Die Juden in Deutschland 1933-1945". Dort würden, so Gruner, "die Ereignisse angesprochen" (S. 25). Das ist reichlich verharmlosend, denn Benz lobt (siehe Endnote 2) in seinem Beitrag emphatisch den erfolgreichen Protest gegen die geplante Deportation! Auch Konrad Kwiet, der ebenfalls in diesem Band auf die Rosenstraße eingeht, zeigt keinerlei Zweifel am Erfolg des Protests [30]. Benz pries den Protesterfolg übrigens nicht nur in dieser Publikation, sondern erneut 1990, worauf Gruner allerdings nicht hinweist (siehe Endnote 2).

Gänzlich problematisch wird es, wenn Gruner den Historiker Christof Dipper zum Zeugen seiner eigenen Auffassung erhebt: "Nur wenige Historiker zweifelten bisher an der bis heute gängigen Lesart eines erfolgreichen Widerstandes gegen die Deportationen. So kritisierte Christof Dipper 1996 die Thesen von Nathan Stoltzfus [...]" (S. 29). Dipper kritisierte in der Tat Stoltzfus' Widerstandsbegriff und die Schlussfolgerung, man hätte den Genozid mit mehr Protesten verlangsamen oder stoppen können, als zu hypothetisch. Er schreibt aber unmissverständlich zu den Rosenstraßenereignissen: "Daraufhin kam es zum Protest Hunderter von Ehefrauen in der Rosenstraße 2, einem der Gebäude der Jüdischen Gemeinde, der erst mit der Anordnung Goebbels endete, die betreffenden Männer freizulassen. Es war dies, wie Stoltzfus richtig feststellt, 'der einzige Fall massenhafter deutscher Opposition gegen die nationalsozialistische Judenvernichtung'". Dipper meint, der Protest sei "erfolgreich [gewesen], weil die 'Fabrik-Aktion' ein ganz ungewöhnlicher, großes Aufsehen erregender Vorgang war". Die Razzia habe "völlig vom herkömmlichen Gestapo-Verfahren" abgewichen als kurzfristige Razzia mit bewaffneter SS. "Allein diese Umstände wirkten empörend, sie lähmten die einen, mobilisierten die anderen". Bei der Rosenstraße habe man Rücksicht auf die Stimmung der Bevölkerung genommen, wie "aus dem Goebbelschen Tagebuch mit aller wünschenswerten Klarheit" hervorgehe. Die Rosenstraße gehöre "in den Bereich der Resistenz", das habe "bisher niemand bestritten. Insofern rennt Stoltzfus offene Türen ein". Aus Sicht des Regimes sei der Vorfall ein "Politikum", aus Sicht der Teilnehmer nicht. "Daraus bezog der Protest seine Stärke". "Für Kaltenbrunner und die SS war der Protest eine Herausforderung ihrer Autorität, daher der Aufmarsch mit Maschinengewehren. Für Goebbels war er ein Instrument, um mit Blick auf Hitler, dem Obersten Schiedsrichter, seine Kompetenzen als Berliner Gauleiter gegenüber dem RSHA zu demonstrieren. Es ging nicht um die Mischehen, es ging um Kompetenzen innerhalb der nationalsozialistischen Polykratie" [31].

Am Beispiel Dipper zeigt Gruner, dass er offenkundig nicht in der Lage ist, den Inhalt eines historischen Fachaufsatzes zur Rosenstraße korrekt wiederzugeben, ihn in die Forschungsgeschichte einzuordnen und zutreffend zu bewerten. dass Gruner auch das Grundanliegen des Dipperschen Aufsatzes - die Diskussion um den Widerstandsbegriff - als für sich irrelevant ansieht, bezeugt seine unbekümmerte, von jahrzehntelanger Diskussion um den richtigen Widerstandsbegriff ungetrübte Verwendung beliebiger Begrifflichkeiten für das Verhalten der in der Rosenstraße vor dem Sammellager ausharrenden Personen: "Widerstand", "dieser unglaubliche Akt der Opposition", "'Stummer Protest'", "Courage", "Protestaktion", "Zeugnis für Zivilcourage", "opponierende[n] Menschen" (S. 148, 156, 166, 202, 203, 205, 206). Der absatzfördernde Buchtitel "Widerstand in der Rosenstraße" dürfte aus der Marketing-Abteilung des S. Fischer-Verlages stammen. Zu Gruners Intentionen hätte besser ein Titel wie: "Die Legende von der Rosenstraße" gepasst.

Immerhin hat Gruner in diesem Buch erstmals zur Kenntnis genommen, dass es im Zuge der "Fabrik-Aktion" noch andere Proteste gegeben hatte. So erwähnt er wenigstens die seit langem bekannten Proteste in der Großen Hamburger Straße und jenen am Rosenthaler Platz, den Ursula von Kardorff in ihrem Tagebuch vermerkt. Aber er forscht hier nicht weiter. Er hätte dann nämlich auch den von Lehfeldt beschriebenen "Krawall" vom 5. März 1943 zur Kenntnis nehmen müssen. Lehfeldt zieht die Schlussfolgerung, das sei Goebbels unangenehm gewesen, daher sei es am 6. März zu Entlassungen gekommen. Das ist zweifelsohne für die Rosenstraßendiskussion von Bedeutung. Ebenso scheint Gruner nicht den Bericht von Margarete Sommer vom August 1942 zu kennen, der also weit vor den Ereignissen in der Rosenstraße verfasst wurde. Sie schreibt dort, es sei bei Transporten von Alten und Kranken, die aus Altersheimen, Pensionen und Wohnungen nach Theresienstadt deportiert wurden, "in Berlin zu Unruhen gekommen, da die Bevölkerung in scharfer Weise Stellung genommen hatte gegen diese unmenschliche Art des Transportes. Es fanden anlässlich dieser Unruhen auch Verhaftungen statt. Die Tatsache dieser Unruhen wird mit strengstem Stillschweigen behördlicherseits übergangen" [32]. Gruners Feststellung, öffentliche Proteste gegen die Massentransporte in Deutschland seien für die Zeit bis Ende 1942 nicht bekannt, ist also falsch (S. 40). Wann, wo und unter welchen Bedingungen es zu Protesten gegen die Deportationen kam und wie die NS-Seite darauf reagierte - also der Kontext der Rosenstraßenereignisse - ist bisher nur in Ansätzen erforscht.

Zum Schluss des Abschnitts, in dem Gruner die historische Erforschung der Rosenstraße behandelt, verweist er auf die im April 2004 in Berlin veranstalte Konferenz, bei der "erstmals Zeitzeugen und Historiker gemeinsam" diskutiert hätten. Doch schon im Herbst 2001 fand in Königswinter die Tagung "Frauen und Widerstand" statt, auf der der Rosenstraßenprotest durch den Historiker Nathan Stoltzfus und die Perspektive der in der Rosenstraße internierten Zeitzeugin, Evelin-Gisela Halke, thematisiert worden waren [33]. Nur in einer Fußnote erwähnt Gruner einen Band mit neuen Forschungsergebnissen zur Rosenstraße, der am 25. Mai 2005 erschien: "Während der Drucklegung" seines Buches, das im November 2005 ausgeliefert wurde, sei er erschienen und habe daher nicht mehr diskutiert werden können. Dennoch urteilt Gruner, der Band enthalte "auch Beiträge von der Tagung [Berlin 2004, A.L.] und neue Details, aber nichts zur Revision der hier vertretenen Thesen" (S. 30, Anm. 74). Sehen wir einmal davon ab, dass im Band nur ein einziger, überarbeiteter Beitrag von der Berliner Tagung zu finden ist, nämlich jener von Joachim Neander zu den Auschwitz-Rückkehrern [34]. Offenbar hat Gruner aber den Band so gründlich gelesen, dass er sich ein abschließendes Urteil über die dort vorgestellten "neuen Details" erlauben konnte. Das rechtfertigt, ihm diese "neuen Details" auch in der hier vorzubringenden Kritik vorzuhalten.

Bei der Terminologie für die Razzia vom 27. Februar 1943 zieht Gruner statt der "Judenschlussaktion" oder "Schlussaktion" die Bezeichnung "Großaktion Juden" vor, behält aber dennoch den schon 1945/46 auftauchenden Begriff "Fabrik-Aktion" bei. Er diskutiert nicht, dass in anderen Gestapo-Dokumenten, die die Aktion vom 27. Februar 1943 betreffen, die Bezeichnung "Entjudung des Reichsgebietes" verwendet wird [35]. Vielleicht klingt dies Gruner zu sehr nach einem totalen Deportationsplan, letztlich auch für Juden in "Mischehen", obgleich diese dem Buchstaben nach "vorerst" davon ausgenommen waren?

Gruner verwendet für den von der Verfolgung betroffenen Personenkreis die Bezeichnung "jüdische Deutsche" oder "deutsche Juden" bzw. in "'Mischehe' lebende Juden", "Mischlinge", "Geltungsjuden". Konsequenterweise müsste er dann aber auch Katholiken oder Protestanten, die allein wegen ihrer jüdischen Herkunft im NS-Sprachgebrauch als "Juden" bezeichnet wurden, als "deutsche Katholiken" oder "deutsche Protestanten jüdischer Herkunft" bezeichnen. Einem breiteren Leserkreis, der bei Taschenbüchern naturgemäß angesprochen werden soll, wäre dies sicher kurz zu erläutern gewesen, spätestens aber im Zusammenhang mit der Intervention Bischof Wienkens bei Eichmann, die sonst kaum verständlich ist (S. 115f).

Gruners Umgang mit den von ihm herangezogenen Quellen kann nicht immer überzeugen. So etwa bei den Dokumenten aus dem kirchlichen Raum, die er - protestantische wie katholische Quellen - nur ausschnitthaft verwendet, was im Grunde auf eine Verweigerung zur Auseinandersetzung mit neu in die Debatte gebrachten Quellen hinaus läuft. Er zitiert zum Beispiel einige Dokumente aus eben jener Aktenedition, in der auch weitere, die Rosenstraße tangierende Quellen zu finden sind. Diese hätten bei seriöser wissenschaftlicher Arbeit nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. So erweckt Gruner den Eindruck, er habe sie bewusst übergangen, weil sie beispielsweise zur Rosenstraße von "Protest" oder "Entlassungen" sprechen, also seiner These zuwiderlaufende Feststellungen zeitnah und somit nicht "legendär", in der Nachkriegszeit entstanden, machen [36]. Zweifelsohne wichtig ist es, dass Gruner Tagebucheinträge von Berliner Polizeirevieren während der Razzia ausgewertet hat und Dokumente der Jüdischen Gemeinde, in denen der Ersatz von Personal nach der "Fabrik-Aktion" nachgewiesen wird. Er hat ferner drei Ausführungserlasse regionaler Gestapostellen zu den Deportationsrichtlinien des Reichssicherheitshauptamtes vom 20. Februar 1943 recherchiert, wenngleich sich jene nicht auf Berlin, dem Ort des Geschehens selbst, beziehen. Daher bleibt die Frage nach den eigentlichen Intentionen der für die Berliner Aktion Verantwortlichen weiterhin offen, trotz aller optimistischen Selbsteinschätzung Gruners, die Lösung gefunden zu haben.

Gruner selbst nutzte die Möglichkeit, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu befragen, nur begrenzt. So etwa am 25. März 1990 (Margarete S.) und am 2. April 1990 (Walter Besser). Ein Telefongespräch führte er am 4. April 2002 (Ruth Recknagel), eine Auskunft erbat er von Werner Goldberg am 30. April 2004. Gruner hatte offenkundig wenig Interesse, Überlebende in Berlin, wo er seit Jahren forscht, oder an anderen Orten selbst zu befragen. Nicht einmal die unbedingt notwendige Recherche bei den Zeitzeugen, wichtige persönliche Dokumente als Belege in Augenschein nehmen zu können, zog er in Betracht, abgesehen von der Goldberg-Quelle. Diese Chance auszuschlagen, ist befremdlich für eine Geschichte, die von Zeitzeugenaussagen und von deren persönlichen Dokumenten lebt. Die historisch-kritische Verwendung von schriftlichen Erinnerungen und von Zeitzeugenaussagen in Prozessakten (Bovensiepen, Hans Globke), Antragsformularen ("Opfer des Faschismus") [37] oder Interviews (Stoltzfus, Schröder, Jochheim, Film- und Radio-O-Töne u.a.) sowie in veröffentlichten Erinnerungen (siehe seine Literaturliste) hat Gruner leider nicht eigens diskutiert. Dagegen versucht er den Ereignisablauf, wie er ihn sieht, mit jeweils dazu passend erscheinenden Zeitzeugenaussagen zu belegen. Immer, wenn es für seine Sicht der Dinge eine "sperrige" Aussage gibt, lässt er sie entweder ganz weg oder interpretiert sie nach eigenem Ermessen: dieser oder jener Zeuge erinnere sich nicht richtig, habe die "Legende" internalisiert und erzähle, was dort schon als Narrativ zum Rosenstraßenprotest stehe usw.

Gruner zweifelt bezeichnenderweise vor allem die Aussagen derjenigen Zeitzeugen an, die vom Protest sprechen: die Quellenlage sei disparat, die Erinnerungen seien widersprüchlich. Trotzdem nimmt er für sich in Anspruch, Vorgeschichte, Verlauf und Nachwirkungen sowie Umstände und Ziele der Aktion detailliert rekonstruiert zu haben. Zwar ist ihm bewusst, dass es unter den Zeitzeugen solche gibt, die im Gebäude Rosenstraße einsaßen und solche, die vor dem Gebäude standen. Wie er diese unterschiedlichen Perspektiven berücksichtigt, um den Ablauf der Ereignisse zu rekonstruieren, macht er den Lesenden nicht transparent.

Symptomatisch für Gruners Arbeitsweise ist auch, dass er die Zeugenaussagen der in den Sammellagern eingesetzten Ordner und insbesondere der Täter so gut wie fortlässt und erklärt, es gäbe keine zeitnahen Quellen aus dem Umfeld der Täter (S. 162f). Warum diskutiert er nicht die Aussagen von Sartorius im Bovensiepen-Prozeß, die auch Stoltzfus aufführt? Warum liest man bei ihm mehr von dem angeblich "korrekten" Verhalten der Gestapo in der Rosenstraße als von Folterungen und Gewaltanwendung (S. 114), die nichts mit der Feststellung des "Rassestatus" und der Auswahl von Ersatzpersonal zu tun haben konnten. Auch hier mag der Grund darin liegen, dass von Täterseite aus Deportationsabsicht, Protest und Protesterfolg nicht ernsthaft bestritten wurden, wie etwa der Fall Leopold Gutterer zeigt, den Stoltzfus interviewte, und dem an einer "Legende" wenig gelegen sein konnte. Auch der Hinweis darauf, dass Beamte Sanktionen wegen des Vorgehens in der Rosenstraße erfuhren - Gruner erwähnt dies nur für einen Beamten in Frankfurt am Main (S. 177) -, hätte diskutiert werden müssen und nicht nur innerhalb eines Interviewtextes (S. 146) unkommentiert geliefert werden dürfen [38].

Zu den in der Fachdiskussion strittigen Fragen zählt weiterhin, wie viele Personen eigentlich in der Rosenstraße bis zur Freilassung ihrer Angehörigen zusammen kamen und beharrlich täglich wieder erschienen. Gruner berücksichtigt für seine Berechnung den zur Verfügung stehenden Platz in der kurzen Straße, eine Absperrung des Gebäudes und die nach unten korrigierten Zeitzeugenaussagen: So kommt er auf eine Ansammlung von etwa 150 bis 200 Leuten, die da ausharrten. Auch wenn also zu jedem Zeitpunkt nur bis zu 200 Angehörige der Insassen in der Rosenstraße waren, so ist mit einer um ein Vielfaches größeren Gesamtzahl Protestierender im Verlaufe der Woche zu rechnen, da diese einander abwechselten. Diese Gesamtzahl lässt sich wie folgt abschätzen: Unter den 2.000 Insassen waren etliche miteinander verwandt (Vater-Tochter bzw. Sohn resp. Mutter, Onkel, Tante usw., die gemeinsam eingesperrt waren). So blieben schätzungsweise 1.500 nicht miteinander verwandte Menschen. Nach allen Zeitzeugenaussagen stand für jede internierte Person wenigstens eine Person auf der Straße. Dies ist glaubhaft, denn man wird kaum annehmen können, dass Angehörige eines Internierten nicht zur Rosenstraße gingen. Nicht wenige Zeitzeugen, wie Gad Beck oder Löwenstein de Witt, berichten sogar, es seien noch mehr gekommen, sowohl mehr Verwandte als auch Bekannte. Bezeichnenderweise lässt Gruner bei einer Aussage einer Zeitzeugin, die beschrieb, man habe in kleinen Gruppen dort gestanden, die Fortsetzung des Satzes weg: "pro Familie mehrere Mitglieder", wie es im Original steht (S. 148). Also wären zwar nicht jeden Tag, so doch innerhalb einer Woche wohl 1.500 Menschen wenigstens einmal dort hingegangen, viele aber auch öfters, vielleicht mit allen Angehörigen und Bekannten 2.000 Personen innerhalb der Woche vom 27. Februar bis 6. März 1943.

In seinem Bemühen, Umfang und Bedeutung des Straßenprotests zu minimieren, weist Gruner mehrfach darauf hin, dass in vielen Berichten von ehemaligen Insassen der Protest gar nicht erwähnt werde. Wenn Tausende dort tagelang demonstriert hätten, dann "sollten sich auch mehr Zeitzeugen daran erinnern" (S. 144). Bei dieser Argumentation wird die Tatsache verkannt, dass nur ein Teil der Räume des Gebäudes in der Rosenstraße Fenster zur Straßenseite hatte. Mindestens die Hälfte aller Insassen dürfte wegen der Raumlage zur Hofseite nichts vom Protest mitbekommen haben. Das kann logischerweise den realen Protest nicht schmälern, verringert aber die Quote der Augen- und/oder Ohrenzeugen, die das auch erzählen könnten.

Eine weitere strittige Frage ist, ob vor dem Gebäude in der Rosenstraße gegen die dort versammelten Menschen Maschinengewehre aufgebaut wurden. Mehrere Zeitzeugen erwähnen das in ihren Erinnerungen, so Charlotte Rosenthal für den 4. März 1943, an dem die Gewehre auf- und dann wieder abgebaut worden seien. Gruner hält dem entgegen: "Andere Teilnehmer, wie Ursula Braun, haben partout keine SS und Maschinengewehre gesehen, obwohl sie jeden Tag da waren" (S. 155 mit Anm. 70). Schaut man im Interviewtext nach, auf den sich Gruner bezieht, so fällt als erstes auf, dass seine Seitenangabe falsch ist. Findet man jedoch die Stelle, so liest man: "Maschinengewehre, wie manche berichteten, habe ich übrigens nicht gesehen. Ich weiß, dass sie in mündlichen und schriftlichen Berichten immer wieder aufgetaucht sind, auch bei Bekannten, die dabei waren. Ich kann nur sagen: Ich habe keine gesehen. Aber ich war ja nicht den ganzen Tag da. Natürlich ist das möglich". Eine kluge, realistische Antwort, denn Charlotte Rosenthal sprach explizit vom Auf- und Abbau am 4. März, da konnte man selbst dann, wenn man jeden Tag da war, genau diese Szene verpasst haben. Warum Gruner die letzten zwei Sätze des Interviews weg lässt, müsste er erklären.

Ein anderer Zeitzeuge erinnert sich, die Straßenbahn, die durch die Rosenstraße fuhr, sei wegen der protestierenden Menge umgeleitet worden. Gruner meint, das müsse ungeklärt bleiben (S. 143). Es verwundert, warum er nicht den Bericht von Margarete Sommer, den er zitiert, in die Überlegungen einbezieht, denn sie schrieb aktuell am 2. März 1943, die Straße sei "polizeilich abgesperrt worden" (S. 99). Der Bericht Sommers lässt es immerhin nicht völlig ausgeschlossen erscheinen, dass auch der Straßenbahnverkehr - zumindest zeitweise - umgeleitet worden sein könnte.

Ein anderer Zeitzeuge machte auf die Besonderheit aufmerksam, dass sein Vater nach der Intervention des Sohnes schon am 1. März 1943 aus der Rosenstraße entlassen wurde, aber eigentümlicherweise einen Entlassungsschein mit vorgestempeltem Datum vom 5. März 1943 erhielt. Gruner wertet dies als Beleg dafür, dass die Insassen der Rosenstraße nach Feststellung ihres "Rassestatus" und der Ersatzarbeitskräfteauswahl sowieso hätten entlassen werden sollen, denn dazu seien vorgestempelte Entlassungsscheine vorbereitet worden. Doch gibt es ein ebenso auffälliges Gegenbeispiel eines anderen Entlassungsscheins vom 2. März 1943 [39]: Dieser ist wie der oben erwähnte Schein ebenfalls von Hauptscharführer Karl Krell handschriftlich unterschrieben, ohne aber vorgestempelt zu sein. Er trägt maschinenschriftliche Einträge. Da man nicht davon ausgehen kann, dass innerhalb eines Tages eine Massenentlassung von Krell vorgenommen worden war, so dass alle vorgestempelten Scheine (so es sie überhaupt aus diesem Grund gegeben hat) ausgegeben waren, so bleibt nur: Dieser Widerspruch lässt Gruners weit reichende Schlussfolgerungen nicht unbedingt zu.

Über die altersmäßige Zusammensetzung der Insassen der Rosenstraße, die seiner Meinung nach als Ersatzpersonal zur Auswahl dort zusammengehalten wurden, schrieb Gruner noch im Jahr 2004: "Nach all den mir bekannten Zeitzeugenberichten waren einige Jugendliche in der Rosenstraße, aber keine Kinder unter 14 Jahren. Und das war genau die Grenze, die für die Rekrutierung zur Zwangsarbeit galt" [40]. Interessanterweise nimmt er dies jetzt zurück: "Erst vor kurzem wurde bekannt, dass dort mindestens fünf Kinder unter 12 Jahren, wie die damals achtjährige Evelin-Gisela, interniert waren" (S. 109). Dies zeigt wieder einmal Gruners selektiven Umgang mit Quellen und Literatur im Dienste seiner These. Denn nicht erst "vor kurzem", sondern schon bei Stoltzfus ist die Internierung von Kindern belegt, ebenso bei Diana Schulle und Nina Schröder, allesamt Titel, die Gruner in seiner Literaturliste nennt und die er auch zitiert, aber offenbar nicht gründlich gelesen hat. Sein Argument, die Gestapo habe die Kinder wohl mitgenommen, um sie nicht bei der Festnahme eines Elternteils allein zu Hause zu lassen (S. 109), erstaunt nicht nur wegen der treu sorgenden Gestapo, sondern vor allem, weil er die Geschichte von Evelin-Gisela nicht einmal nachträglich studierte. Sie war gerade nicht allein zu Hause, sondern hätte wohl versorgt ruhig dort bleiben können! [41] Weiterhin wäre zu klären, warum auch Alte und Kranke, die man von zu Hause abholte, also eben nicht aus den Betrieben, in die Rosenstraße eingeliefert wurden. Zum einen kamen Alte als Ersatzpersonal nicht in Frage. Zum anderen konnten sich Infektionen unter den auf engstem Raum zusammengepferchten Menschen rapide ausbreiten, was sicher der Auswahl von Ersatzpersonal nicht förderlich gewesen wäre. Gruner betrachtet auch nicht den Fall eines Mannes, der sich freiwillig in der Rosenstraße meldete, weil er zum Kreis der betroffenen "Mischehen" zählte und seine Tochter auch schon dort festgehalten wurde. Er wurde ebenfalls interniert, obgleich die Familie "unmittelbar daneben" wohnte, wie seine Tochter als Zeitzeugin erzählte. Alle Papiere zur Feststellung seines "Rassestatus" konnte er sofort beibringen und zur Ersatzpersonalauswahl hätte man ihn jederzeit herüberholen können [42].

Als Schlüsselquellen für seine Thesen, dass Juden aus "Mischehen" nicht deportiert werden sollten, präsentiert Gruner einige Dokumente, die sich jedoch unterschiedlich interpretieren lassen, wie etwa der Erlass der Gestapo Frankfurt/Oder vom 24. Februar 1943. Gruner diskutiert wiederum das Dokument ohne den Zusatz des Landsratsamts Calau, der erst die Richtung für die Interpretation der Quelle gibt: Sie wird zum "Freibrief", wie Gruner in seiner Dissertation noch in einer Anmerkung selbst zugab [43], um in "Mischehe" lebende Juden unter dem Vorwurf des "frechen Benehmens" in Schutzhaft nehmen und in ein Konzentrationslager einliefern zu können. Dies ist bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt worden [44]. Gruner führt selbst an, dass dem Erlass zuwider auch Zwangsarbeitslager für Juden geräumt wurden (S. 72). Beim Erlass der Gestapo Dortmund vom 26. Februar 1943, den Gruner als Beleg für seine These heranzieht (S. 55), übersieht er, dass das Schreiben nicht mehr den Zweck haben konnte, als Anweisung für die schlagartige Aktion am Samstag, den 27. Februar, zu dienen. Zum einen wäre er dafür zu spät gekommen. Zum anderen heißt es dort wörtlich - was Gruner allerdings weg lässt - , dass die Juden am 27. Februar 1943 "aus dem Arbeitsprozess [...] herausgenommen worden" seien, dass Ausnahmen beim Vorgehen gegen diese Juden zu beachten seien und dass für deren Angehörigen und für die "hier verbleibenden Juden" noch Weisungen zu erwarten seien sowie dass "den im hiesigen Dienstbereich vorerst wohnenbleibenden Juden erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen" sei [45]. Mehr gibt diese Quelle nicht her.

Eine weitere Quelle als Beleg dafür, dass keine Deportationen von "Mischehe"-Partnern und "Geltungsjuden" geplant gewesen seien, stellt nach wie vor für Gruner die Auskunft Eichmanns dar, die dieser Bischof Wienken am 4. März gab (Gruner datiert fälschlich auf den 2. März, s.o.), also am 6. Protesttag. Gruner interpretiert Eichmanns Auskunft, die bei der "Fabrik-Aktion" festgenommenen "nichtarischen Katholiken" würden wieder in Rüstungsbetriebe eingestellt, als zur "Beruhigung" Wienkens gedacht, obgleich dies den in Eichmanns Referat verfassten Richtlinien widersprach (S. 115). Warum spricht Gruner nicht klar von einer Lüge Eichmanns? Wohl deshalb nicht, weil dann die anderen beiden Aussagen von Eichmann auch unwahr sein könnten, was nicht zu Gruners These von der nie beabsichtigten Deportation passen würde. Bei der Auskunft bezüglich der "Geltungsjuden" ist auffällig, dass Eichmann - entgegen den Richtlinien, die nicht alle "Geltungsjuden" zur Deportation freigaben - dies eben nicht mit einer Einschränkung formuliert. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass Kardinal Bertram am 1. März 1943 ein Bericht von Margarete Sommer zugegangen war über die Lage von "Geltungsjuden" in Berlin, die aus Köln stammten und separat im Sammellager untergebracht worden waren. Die Berliner Gestapo hatte sich für sie nicht zuständig erklärt, nur die Kölner Gestapo könne über deren Schicksal, also die Deportation, entscheiden, was auch geschah. Wienken dürfte sich speziell danach erkundigt haben [46]. Ich halte daher die Auskunft Eichmanns für keine beweiskräftige Quelle, um die wahren Absichten der Täter zu klären.

Eine vierte, diesmal neu in die Diskussion eingeführte Quelle, ist der Brief vom Chef des Reichssicherheitshauptamtes Kaltenbrunner an Reichsinnenminister Frick vom 8. März 1943. Kaltenbrunner teilt Frick mit, man habe die Deportationen auf die nicht in "Mischehe" lebenden Juden beschränkt. Das Schreiben ist auf den ersten Werktag nach Beendigung des Straßenprotests in der Rosenstraße datiert, den Kaltenbrunner nicht als Grund nennen musste [47]. Eine andere Interpretation der Quelle ist, Frick könnte nach den Entlassungen in der Rosenstraße davon ausgegangen sein, dass die "Mischlinge" und "Mischehe"-Partner nun in die "Volksgemeinschaft" eingegliedert würden, die geplante Verordnung diese Gruppe also nicht mehr tangierte und er die Verordnung für die übrigen, noch abzutransportierenden "Volljuden" im "Hinblick auf die Entwicklung der Judenfrage", wie Kaltenbrunner schrieb, nicht mehr für nötig erachtete. Lehfeldt berichtet sogar, Frick solle persönlich die Beendigung der Aktion verfügt haben [48].

Gruner sieht an anderen Orten die Handlungsspielräume der Gestapo viel weiter und das tatsächliche Vorgehen der Gauleitung viel unabhängiger (S. 173), als er sie Goebbels und der lokalen Gestapo in Berlin zugesteht. Nun trat aber Goebbels gerade in der Phase nach dem Fall Stalingrads und dem Verschwinden Hitlers aus der Öffentlichkeit mit seinen Reden in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit. Er musste am 30. Januar 1943, dem 10. Jahrestag der "Machtergreifung", zunächst eine Erklärung über die Abwesenheit des "Führers" liefern. Insbesondere mit der Sportpalastrede vom 18. Februar 1943 zum "totalen Krieg" unterstrich er diese neue Führungsrolle. Im Gegensatz zu Gruner sehe ich keinen "diametralen" Widerspruch (S. 160) zwischen Goebbels' Tagebucheintrag vom 6. März 1943, in dem er die "unliebsamen Szenen" in der Großen Hamburger Straße schildert und notiert, er habe dem Sicherheitsdienst Auftrag gegeben, "die Judenevakuierung nicht ausgerechnet in einer so kritischen Zeit fortzusetzen" (S. 158), und dem Eintrag vom 8. März 1943, als Goebbels von Hitler den Auftrag erhielt, "Berlin gänzlich judenfrei zu machen", auch wenn das "im Augenblick vielleicht einige psychologische Belastungen mit sich bringt" (S. 160). Hitler ist, wie Gruner stets betont, die Person, die letztlich entscheidet. Goebbels hat zwar in dieser Phase eine gute Position bei ihm, fügt sich aber seinen Wünschen, obwohl er die psychologischen Belastungen dieses Vorhabens sieht. Gerade deswegen hatte er für die Aussetzung der Deportationen in Berlin am 5./6. März 1943 plädiert, vorsorglich jedoch schon notiert, sie würden später fortgesetzt.

Um in der Erforschung der Ereignisse in der Rosenstraße entscheidend voran zu kommen, ist es notwendig, erst einmal möglichst viele Daten zum Kreis der Betroffenen zu erheben, insbesondere nach folgenden Merkmalen: Geschlecht, Alter, Familienstand, Kinder, "Rassestatus" usw. ("Mischehe", "Geltungsjude", "Mischling" usw.), Religions- oder Konfessionszugehörigkeit, erlernter und zuletzt ausgeübter Beruf, wann (27. Februar bis März 1943), wo und von wem abgeholt worden (Fabrik, zu Hause, Polizei, Arbeitsamt, Straße, Lebensmittelkartenstelle usw.), wann und wo sich ggf. freiwillig gemeldet, in welchem Zeitraum in welchem Lager (sozusagen Zwischenlager und dann Rosenstraße oder gleich Rosenstraße), wann, warum und wohin entlassen bzw. deportiert, wo und in welchem Zeitraum danach zu Zwangsarbeiten eingesetzt, das weitere Schicksal. Entsprechende Daten sind für die Teilnehmer des Protests in der Rosenstraße zu erheben. Dann erst kann man eine Statistik zu Festnahmen sowie Zu- und Abgängen aufstellen. Man kann dann auch eher beurteilen, wer zu welchem Tag, Orten und Zeitraum überhaupt eine Aussage machen kann. Wenn, wie oben gezeigt, Maschinengewehre beispielsweise nur am Donnerstag, den 4. März, auf- und dann wieder abgebaut worden sind, so ist die Aussage aller anderen, die vorher entlassen wurden oder noch am 5. März gefangen gesetzt wurden, sie hätten das nicht gesehen, korrekt, würde aber nicht gegen Maschinengewehre am 4. März sprechen. Vielleicht käme man damit auch der Dramaturgie der einzelnen Tage und der gesamten Woche etwas näher, in der einmal mehr, einmal weniger Personen auf der Straße waren, "stummere" Phasen sich mit "lauteren" Zeiten abwechselten. Aus einer Vielzahl von genauen Daten von Gefangennahme und Entlassung ließe sich vielleicht auch auf die Politik und womöglich die Absichten von Gestapo und NS-Führung auf anderem Wege schließen lassen als bisher. Dabei würden sich vielleicht auch Gemeinsamkeiten der Internierten herausstellen. Es wurden ja keineswegs alle Berliner "Mischehe"-Partner verhaftet und in die Rosenstraße verbracht, worauf Gruner unverständlicherweise immer wieder hinweist (S. 101, 195) [49]. Es kämen vielleicht auch weitere Widersprüchlichkeiten zutage, wie etwa der Vermögenseinzug beim "Geltungsjuden" Hans-Oskar Löwenstein de Witt (S. 68), was zwar den Richtlinien zuwiderlief, aber einer Deportationsabsicht entspräche. Um all das untersuchen zu können, müssten alle verfügbaren Erinnerungen von Zeitzeugen, ob als Manuskript oder gedruckt, in Ton- oder Filmdokumenten, in Prozessunterlagen, Anträgen usw. vorliegend, akribisch wissenschaftlich ausgewertet werden können. Dazu müssten alle Archive der Forschung unbeschränkt offen stehen [50]. Gruner hatte im Centrum Judaicum lediglich die Aktenanträge der Buchstaben B, F, L und P ausgewertet, also nur einen Bruchteil der in Frage kommenden Akten. Das müsste natürlich in Zukunft umfänglich geschehen.

Gruner entnimmt seine Daten zu den "Mischehen" aus dem so genannten Korherr-Bericht vom April 1943. Sie dürften wohl kaum zutreffend sein, denn in der Tat waren zahlreiche "Mischehe"-Partner den offiziellen Richtlinien zuwider längst deportiert worden. Den Nachweis für Berlin hat Joachim Neander geliefert im Rahmen seiner akribischen Untersuchung zu den Auschwitz-Rückkehrern. Gruner, der nicht nur auf der Tagung im April 2004 den Vortrag Neanders anhörte, sondern auch den Beitrag Neanders dazu im Diskussionsforum zur Rosenstraße im Internet zur Kenntnis genommen haben dürfte und schließlich den neuesten gedruckten Beitrag Neanders [51] noch während der Drucklegung seines Werkes studierte (S. 30, Anm. 74), geht mit keinem Wort auf die wohl begründeten Forschungsergebnisse Neanders ein. Das ist nicht nur schlechter wissenschaftlicher Stil, es ist auch unklug, weil Gruner so Fehler produziert, die er leicht hätte vermeiden können. Die Ausführungen, die Gruner zu den Auschwitz-Rückkehrern macht (S. 166-172), sind für Kenner der Materie wenig überzeugend und zudem fehlerhaft. So kehrten nicht 24, sondern 23 Männer, die zuvor in der Rosenstraße waren, aus Auschwitz zurück; nicht ein Mann, sondern zwei Männer aus der Rosenstraße blieben dort; es kehrten nicht 10, sondern 12 Männer, die von der Großen Hamburger Straße aus deportiert worden waren, nach Berlin zurück (S. 169, 171, 199, 201). Sie hatten nicht im Buna-Werk (S. 76, 169) Zwangsarbeit leisten müssen, denn das gab es damals noch nicht, sondern körperliche Schwerstarbeit auf der Baustelle des Buna-Werkes. Gruners Vergleich mit den aus Frankfurt am Main per Schutzhaftbefehl deportierten "Mischehe"-Partnern ist falsch (S. 172), denn die Männer in der Rosenstraße waren eben nicht unter bestimmten Anschuldigungen verhaftet worden. Sie wurden nicht schon in Berlin verhört, ihnen wurde vor der Abreise kein Schutzhaftbefehl vorgelesen. Sie wurden demnach auch nicht schon als "Schutzhäftlinge" nach Auschwitz deportiert, sondern in der Rosenstraße als arbeitsfähig selektiert und dann in Auschwitz als "Schutzhäftlinge" registriert, wie alle in den Lagerbestand aufgenommenen Juden aus den Deportationstransporten. Dies hat Neander nachgewiesen. Die Männer aus der Rosenstraße tauchen in den Vermögenseinziehungslisten der Berlin-Transporte nicht auf wegen ihres vermeintlichen "Schutzhaftstatus", wie Gruner meint, sondern weil sie in bestehender "Mischehe" mit einer "Arierin" lebten. Der Grund für die Entlassung der 23 Männer aus der Rosenstraße und der 12 Männer aus der Großen Hamburger Straße könnte dann wohl nur, da andere "Mischehe"-Partner aus Auschwitz nicht entlassen wurden, mit dem Protest in der Rosenstraße zusammen hängen.

Gruner versucht auch, einen Vergleich der "Mischehen"-Situation im Reich mit der in Frankreich und den Niederlanden (S. 96) vorzunehmen. Gruners Meinung allerdings kann man aus dem Munde des Stellvertreters Eichmanns, Rolf Günther, der die Richtlinien vom 20. Februar 1943 unterzeichnet hatte, rasch widerlegen. Vom 1. bis 6. Juli 1943 fand eine Besprechung im Reichssicherheitshauptamt "Zur Frage der Lösung des Mischehenproblems" statt, bei der Günther die prinzipielle Position seiner Dienststelle auch im Vergleich zum Ausland betonte, wie es im Bericht heißt: "Stu[rm]ba[nn]f[ührer] Günther wies darauf hin, dass an sich bei der Behandlung von Judenfragen auf Anordnung des Reichsführers SS das Reich vorbildlich vorgehen müsse und erst, nachdem in Deutschland irgend welche Maßnahmen durchgeführt worden sind, das Ausland bzw. die besetzten Gebiete in zweiter Linie diese Maßnahmen ergreifen" [52]. Die Vergleiche Gruners mit Frankreich und den Niederlanden hat Joachim Neander ebenso gründlich in einem weiteren Beitrag als nicht überzeugend nachgewiesen. Darüber hinaus diskutiert er den sehr interessanten Fall der in Duisburg festgehaltenen, eigentlich geschützten Personen, deren auffällig lange Internierung und späte Entlassung vermutlich nur im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Rosenstraße zu erklären sein dürften [53]. Auf diesen Fall geht Gruner ebenfalls nicht ein.

Neander richtet in einem zweiten Beitrag [54] den Blick auf die "Fabrik-Aktion" von der Empfängerseite, von Auschwitz her. Er beantwortet die Frage, warum die Deportation von "Mischehe"-Partnern, wenn auch vielleicht vom Reichssicherheitshauptamt im Prinzip nicht geplant, so aber doch im Falle Berlins ernsthaft erwogen und in die Wege geleitet wurde: Weil gerade zu dieser Zeit ein immenser Druck von Auschwitz ausgeübt wurde, arbeitsfähige Männer zu rekrutieren. Die neue Quelle, der Lehfeldt-Bericht, deutete genau dies an [55]. Wenn man die Forderungen von Auschwitz erfüllen wollte, musste man auch solche Menschen deportieren, die nach den Richtlinien eigentlich "vorerst" vor der Deportation geschützt waren.


Fazit:

Gruner hat sein Versprechen nicht eingelöst, das letzte Wort zur Rosenstraße gesagt zu haben. Die Erforschung der Rosenstraße beginnt erst.


[*] Wolf Gruner, Widerstand in der Rosenstraße. Die Fabrik-Aktion und die Verfolgung der "Mischehen" 1943, (= Die Zeit des Nationalsozialismus. Eine Buchreihe, hg. v. Walter H. Pehle), 224 S., Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005.
[1] Gerd R. Ueberschär, Für ein anderes Deutschland. Der deutsche Widerstand gegen den NS-Staat 1933-1945, Frankfurt am Main 2005 (Lizenzausgabe des Fischer Taschenbuchverlags unter dem Lektorat von Walter H. Pehle für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005), S. 8.
[2] Wolfgang Benz, Überleben im Untergrund 1943-1945, in: ders. (Hg.), Die Juden in Deutschland 1933-1945. Leben unter nationalsozialistischer Herrschaft, München 1988, S. 660-700, hier: S. 688: "Die Verhaftung der jüdischen Männer aus 'Mischehen' im Zuge der 'Fabrik-Aktion' 1943 war ein deutliches Indiz dafür, was letztendlich beabsichtigt war. Die Berliner Ereignisse vom Februar/März 1943 zeigen aber auch, was Solidarität vermochte. Als die nichtjüdischen Partner nämlich erfuhren, dass man ihre Ehegatten verhaftet und zum Sammelplatz in der Rosenstraße gebracht hatte, um sie von dort aus zu deportieren, rotteten sie sich zusammen, belagerten tagelang die Rosenstraße und protestierten lautstark. 'Sechstausend Frauen riefen nach ihren Männern. Schrien nach ihren Männern. Heulten nach ihren Männern', heißt es im Tagebuch der Ruth Andreas-Friedrich. Auch wenn die Zahl mit Sicherheit viel zu hoch angesetzt ist, der Protest war eindrucksvoll. Die Demonstration, die einzige, die je in Deutschland gegen die Deportationen stattfand, war erfolgreich, nach einigen Tagen waren die Verhafteten wieder frei"; vgl. auch: Wolfgang Benz, Deutsche gegen Hitler. Widerstand, Verweigerung, Kampf gegen die nationalsozialistische Herrschaft, in: ders., Herrschaft und Gesellschaft im nationalsozialistischen Staat, (Fischer Taschenbuch Verlag unter dem Lektorat von Walter H. Pehle) Frankfurt am Main 1990, S. 180-196, hier: S. 190: "Eines der ganz seltenen Ereignisse öffentlicher Auflehnung gegen das Regime ereignete sich im Frühjahr 1943. In der so genannten Fabrikaktion hatte die Gestapo am 27. Februar 1943 in Berlin alle Juden in den Fabriken eingefangen, denen sie zur Zwangsarbeit zugewiesen waren. Die Aktion sollte der letzte Schlag gegen die Juden sein. Sie wurden direkt vom Arbeitsplatz zu den Sammelplätzen für die Deportation, für Auschwitz also, gebracht und in den folgenden Tagen ins Vernichtungslager abtransportiert. Bei dieser Aktion waren auch die jüdischen Männer, die mit nichtjüdischen Frauen verheiratet waren, gefangen gesetzt worden. In beispielloser Solidarität protestierten ihre Ehefrauen, etwa 200 an der Zahl, tagelang lautstark auf der Straße vor dem Sammelplatz, bis der Deportationsbeschluss zurückgenommen wurde und die Männer wieder frei wurden. Welch ein Erfolg im Widerstand, geleistet von einer Minderheit, die in der Gesellschaft des NS-Staats an der Grenze zur Rechtlosigkeit existierte!" Vgl. den Literaturhinweis auf diese Seite bei G. R. Ueberschär, Für, S. 267 Anm. 25.
[3] G. R. Ueberschär, Für, S. 84f.; 267, Anm. 25-29 mit Literaturhinweisen.
[4] Hinweis auf ein Interview Gruners mit "Margarete S. am 25.3.1990", in: W. Gruner, Widerstand, S. 209.
[5] Wolf Gruner, Die Reichshauptstadt und die Verfolgung der Berliner Juden 1933-1945, in: Reinhard Rürup (Hg.), Jüdische Geschichte in Berlin. Essays und Studien, Berlin 1995, S. 229-266, hier: S. 251-254.
[6] Wolf Gruner, Der Geschlossene Arbeitseinsatz deutscher Juden. Zur Zwangsarbeit als Element der Verfolgung 1938 bis 1943, Berlin 1997, S. 311-326. Gruner reichte 1994 seine Dissertation an der Technischen Universität Berlin ein.
[7] Dieses Faktum, das der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt war, räumte Wolf Gruner ein während der Diskussion auf der Tagung vom 29.-30. April 2004 im Jüdischen Museum Berlin, die vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin mit dem Jüdischen Museum Berlin in Kooperation mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand veranstaltet wurde unter dem Titel: Protest in der Rosenstraße 1943 - Zeitzeugen und Historiker zwischen Akten und Erinnerung. Vgl. die Tagungsberichte: Akim Jah, Zeitzeugen und Historiker zwischen Akten und Erinnerung - Anmerkungen zur Tagung "Protest in der Rosenstraße" am 29.-30. April 2004 in Berlin, in: Bulletin für Faschismus- und Weltkriegsforschung Heft 24 (2005), S. 110-122; Viktoria Pollmann, Kein Ende einer Legende. Zu den Ereignissen in der Rosenstraße, Berlin, im Februar 1943, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums 43 (2. Quartal 2004), Heft. 171, S. 34-40; Jana Leichsenring, Zeitzeugen und Historiker zwischen Akten und Erinnerung, in: http://www.hsozkult.geschichte.hu-Berlin.de/tagungsberichte/id=501. Der Bericht von Akim Jah erwähnt das Referat von Joachim Neander über die Auschwitz-Rückkehrer nur in einer Fußnote, Viktoria Pollmann lässt ihn überhaupt weg!
[8] Vgl. die Publikationen in den beiden von Wolfgang Benz (mit) herausgegebenen Zeitschriften: Wolf Gruner, Die Fabrik-Aktion und die Ereignisse in der Berliner Rosenstraße. Fakten und Fiktionen um den 27. Februar 1943 - 60 Jahre danach, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 11 (2002), S. 137-177; ders., Ein Historikerstreit? Die Internierung der Juden aus "Mischehen" in der Rosenstraße 1943 - Das Ereignis, seine Diskussion und seine Geschichte, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 52 (2004) H. 1, S. 5-22.
[9] Wolf Gruner, The Factory Action and the Events at the Rosenstrasse in Berlin: Facts and Fictions about 27 February 1943 - Sixty Years Later, in: Central European History 36 (2003) Nr. 2, S. 179-208; ders., A Historikerstreit? A Reply to Nathan Stoltzfus's Response, in: Central European History 38 (2005) Nr. 3, 460-464; ders. Jewish Forced Labor under the Nazis. Economic Needs and Racial Aims 1938-1943/44. A Comparative View, New York, Oxford 2006 [im Druck].
[10] Nathan Stoltzfus, "Jemand war für mich da". Der Aufstand der Frauen in der Rosenstraße, in: Die Zeit v. 21. Juli 1989.
[11] Nathan Stoltzfus, Resistance of the Heart. Intermarriage and the Rosenstrasse Protest in Nazi Germany, New York 1996; Übersetzung: ders., Widerstand des Herzens. Der Aufstand der Berliner Frauen in der Rosenstraße - 1943, München, Wien 1999; ders., Der "Versuch, in der Wahrheit zu leben" und die Rettung von jüdischen Angehörigen durch deutsche Frauen im "Dritten Reich", in: Jana Leichsenring (Hg.), Frauen und Widerstand, Münster 2003, S. 74-88, 89-95 (Diskussion); ders., Widerstand des Herzens. Der Protest in der Rosenstraße und die deutsch-jüdische Mischehe, in: Geschichte und Gesellschaft 21 (1995), S. 218-247; ders., "Third Reich History as if the People mattered". Eine Entgegnung auf Christof Dipper, in: Geschichte und Gesellschaft 26 (2000), S. 672-684; ders., Die Wahrheit jenseits der Akten, in: Die Zeit v. 30. Oktober 2003; ders., Historical Evidence and Plausible History: Interpreting the Berlin Gestapo's Attempted "Final Roundup" of Jews (also known as the 'Factory Action'), in: Central European History 38 (2005) Nr. 3, S. 450-459.
[12] Gernot Jochheim, Protest in der Rosenstraße, Stuttgart, Wien 1990; ders., Frauenprotest in der Rosenstraße. Gebt uns unsere Männer wieder, Berlin 1993; ders., Frauenprotest in der Rosenstraße Berlin 1943. Berichte - Dokumente - Hintergründe, Berlin 2002.
[13] Nina Schröder, Hitlers unbeugsame Gegnerinnen. Der Frauenaufstand in der Rosenstraße, München 1998.
[14] Christof Dipper, Schwierigkeiten mit der Resistenz, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 409-416.
[15] Beate Meyer, "Jüdische Mischlinge". Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933-1945, Hamburg 1999, S. 57; Diana Schulle, "Gebt unsere Männer frei!", in: Beate Meyer, Hermann Simon (Hg.), Juden in Berlin 1938-1945, Berlin 2000, S. 159-168, hier: S. 167.
[16] Siehe Endnote 7.
[17] Beate Meyer, Die Inhaftierung der "jüdisch Versippten" in der Berliner Rosenstraße im Spiegel staatsanwaltlicher Zeugenvernehmungen in der DDR, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 11 (2002), S. 178-197.
[18] Vgl. die im Metropol Verlag Berlin seit 1996 erschienene Reihe "Solidarität und Hilfe für Juden während der NS-Zeit". Vgl. insbesondere Bd. 5: Beate Kosmala/Claudia Schoppmann (Hg.), Überleben im Untergrund. Hilfe und Rettung für Juden in Deutschland 1941-1945, Berlin 2002; Claudia Schoppmann, Die "Fabrikaktion" in Berlin: Hilfe für untergetauchte Juden als Form humanitären Widerstandes, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 138-148, hier: S. 146 Anm. 32: Es seien bislang 3.500 Untergetauchte belegt, denen geholfen worden sei.
[19] Vgl. auch: Dokument vom 25. Januar 1943 (Gruner, S. 96, Anm. 44; 168, Anm. 106): "IV B 4a 3233/41g (1085)"; Evakuierungsrichtlinien (S. 116) vom März 1943: "IV B 4a 2039/42g (392)".
[20] Vgl. die Veröffentlichungen zwischen 1997 und 2004: Gruner, Arbeitseinsatz, S. 311, Anm. 199; Gruner, Fabrik-Aktion, S. 146, Anm. 42; ders., Historikerstreit, S. 13, Anm. 41.
[21] Wolf Gruner vom 14. September 2004; Antonia Leugers vom 20. September 2004, in: H-German discussion forum on Rosenstrasse: http://www.h-net.org/~german/discuss/Rosenstrasse/Rosenstrasse_index.htm#discuss. Der textkritische Druck der Richtlinien vom 20. Februar 1943 mit erläuternden Anmerkungen in: Antonia Leugers (Hg.), Berlin, Rosenstraße 2-4: Protest in der NS-Diktatur. Neue Forschungen zum Frauenprotest in der Rosenstraße 1943, Annweiler 2005, S. 203-220.
[22] Vgl. Frank Noak: _Rosenstrasse_: Margarethe von Trotta's Homage to Non-Political Antifascism, Juli 2004; Konrad Weiß: Anmerkungen zum Film "Rosenstraße", Juli 2004; Beate Meyer: Geschichte im Film - Judenverfolgung, Mischehen und der Protest in der Rosenstraße 1943, Juli 2004, in: H-German discussion forum on Rosenstrasse, siehe Endnote 21; vgl. Beate Meyer, Geschichte im Film - Judenverfolgung, Mischehen und der Protest in der Rosenstraße 1943, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1 (2004), S. 22-36.
[23] Vgl. Druck: Leserbrief von Hans-Oskar Baron Löwenstein de Witt, 20.9.[20]03, in: Leugers, Berlin, S. 244f.; vgl. die Artikel: Kitsch, Klamotte, Klitterei. Die Legende von der "Rosenstraße", in: Süddeutsche Zeitung v. 18. September 2003; Rosenstraßenkrieg. Benz verteidigt sich gegen Trotta, in: Süddeutsche Zeitung v. 20./21. September 2003.
[24] H-German discussion forum on Rosenstrasse, siehe Endnote 21: mit Beiträgen von: Antonia Leugers: Die "laut erhobenen Proteste" in der Rosenstrasse 1943, Juli 2004, Harold Marcuse v. 29. Juli 2004; Rainer Decker, v. 10. August 2004; Wolf Gruner v. 14. September 2004; Antonia Leugers, v. 20. September 2004; Joachim Neander: The Berlin 'Fabrikaktion' and Rosenstrasse - Seen from Auschwitz, v. 22. September 2004; Nathan Stoltzfus v. 22. September 2004.
[25] [Gerhard Lehfeldt], Bericht über die "Fabrik-Aktion" und die Entlassungen, [nach 6. März 1943], in: Leugers, Berlin, S. 229-232, hier: S. 232; vgl. auch: Gerhard Lehfeldt: Bericht über die Lage von "Mischlingen", Mitte März 1943, in: ebd., S. 233-238.
[26] Harrison, Bern, an Office of Strategic Services, 1. April 1943. Für die Kopie danke ich Nathan Stoltzfus.
[27] Freundliche Mitteilung von Jana Leichsenring: Schon zuvor habe Bruno Blau diesen Artikel veröffentlicht in: Der Freund Israels, Heft 1 (1948).
[28] Wie Endnoten 24 und 32.
[29] Gerhard Lehfeldt: Bericht über die Lage von "Mischlingen", Mitte März 1943, in: Leugers, Berlin, S. 237f.
[30] Konrad Kwiet, Nach dem Pogrom: Stufen der Ausgrenzung, in: Benz, Juden in Deutschland, S. 545-659, hier: S. 592-596.
[31] Ch. Dipper, Schwierigkeiten, S. 409-411, 413, 415 mit Anm. 22.
[32] Antonia Leugers, Der Protest in der Rosenstraße 1943 und die Kirchen, in: dies., Berlin, S. 47-80, hier: S. 58f (Lehfeldt, Kardorff) und S. 59 (Sommer; in Anm. 47 muss es dort August 1942 heißen!); vgl. zum Protest in der Großen Hamburger Straße: Pascal Prause, Juden in "Mischehen" und "jüdische Mischlinge" als Opfer der "Fabrik-Aktion" - zur Notwendigkeit einer Re-Interpretation der Ereignisgeschichte, in: ebd., S. 19-46, hier: S. 33-38. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Hinweise auf die Proteste schon in gedruckten Quelleneditionen seit 1964ff vorhanden waren, also keineswegs neu sind. Siehe in den Literaturangaben der genannten Aufsätze.
[33] Nathan Stoltzfus, Der "Versuch, in der Wahrheit zu leben" und die Rettung von jüdischen Angehörigen durch deutsche Frauen im "Dritten Reich", in: Jana Leichsenring (Hg.), Frauen und Widerstand, Münster 2003, S. 74-88, 89-95 (Diskussion); Evelin-Gisela Halke, geb. Weigert, Frauenaufstand in der Rosenstraße, in: ebd., S. 136f, 138-144 (Diskussion).
[34] Joachim Neander, Die Auschwitz-Rückkehrer vom 21. März 1943, in: Leugers, Berlin, S. 115-143.
[35] Rundschreiben Gestapo Dortmund zur Entjudung des Reichsgebietes, 26.2.1943, in: Irmgard Harmann-Schütz/Franz Blome-Drees, Die Geschichte der Juden in Sundern. Eine geschuldete Erinnerung an die Familie Klein, Sundern 1988, S. 84f.
[36] Wie Endnoten 24 und 32 mit zahlreichen Belegen! Bei Gruner, S. 180, Anm. 155 gibt er für das Preysing- Dokument beispielsweise eine Seitenangabe an, wo er, hätte er jemals den Aktenband in der Hand gehabt, in einer Fußnote explizit etwas zu den am 27. Februar 1943 Verhafteten und Entlassenen gefunden hätte! Von da aus hätte er allerdings noch weitere Studien anstellen müssen.
[37] Leider sind die Akten der "Opfer des Faschismus" nicht für alle Wissenschaftler zugänglich, um die Auswertung Gruners überprüfen zu können.
[38] Vgl. Stoltzfus, Widerstand, S. 12f., 315, 333, 399 und passim für Gutterer.
[39] Entlassungsschein von Siegfried Wexberg aus der Rosenstraße, 2. März 1943, in: Leugers, Berlin, S. 239; vgl. Entlassungsschein von Erika Lewin aus der Rosenstraße, 5. März 1943, in: ebd., S. 240.
[40] Gruner, Internierung, S. 15.
[41] Vgl. wie Endnote 33; vgl. Stoltzfus, Widerstand, S. 296f., Schröder, Hitlers, S. 173; Diana Schulle, "Gebt uns unsere Männer frei!", in: Beate Meyer/Hermann Simon (Hg.), Juden in Berlin 1938-1945, Berlin 2000, S. 164. Vgl. Endnote 24: meine Entgegnung auf Gruner im Rosenstraßen-Diskussionsforum vom 20. September 2004. Dort hielt ich ihm dieses Argument mit Literaturhinweis auch auf Jana Leichsenring vor. In der Fußnote dankt Gruner Leichsenring für die Auskunft.
[42] Interview Ruth Magid, aus dem Transkript zu Daniela Schmidts Film "Rosenstraße - wo Frauen widerstanden, Berlin 1943", in: Thilo Wydra, Rosenstraße, Berlin 2003, S. 23.
[43] Gruner, Arbeitseinsatz, S. 316 Anm. 236: "Viel würde also von der Willkür vor Ort abhängen, denn die Beamten hatten einen Freibrief erhalten, 'freches Benehmen' von 'geschützten' Juden mit Schutzhaft zu ahnden, wobei Übergriffe vermieden werden sollten; [...]".
[44] Vgl. Rundverfügung des Landrates des Kreises Calau, 25. Februar 1943. Darin: Erlass der Gestapo Frankfurt/Oder vom 24. Februar 1943, in: Leugers, Berlin, S. 221-224; Leugers, Der Protest in der Rosenstraße 1943 und die Kirchen, in: ebd., S. 51f; Joachim Neander, Die Auschwitz-Rückkehrer vom 21. März 1943, in: ebd., S. 115-143, hier: S. 127f.
[45] Wie Endnote 35.
[46] Vgl. [Margarete Sommer], Bericht über die bedrohliche Lage von "Geltungsjuden", [vor 1. März 1943], in: Leugers, Berlin, S. 225-228; Leugers, Der Protest in der Rosenstraße 1943 und die Kirchen, in: ebd., S. 48-53.
[47] Vgl. zum Schriftwechsel Frick/Kaltenbrunner: Léon Poliakov/Josef Wulf, Das Dritte Reich und seine Diener, München 1978, S. 246-248.
[48] Vgl. Gerhard Lehfeldt: Bericht über die Lage von "Mischlingen", Mitte März 1943, in: Leugers, Berlin, S. 237.
[49] Auch in anderen Sammellagern blieben "Mischehe"-Partner, ohne in die Rosenstraße gebracht zu werden, vgl. Prause, Juden in "Mischehen" und "jüdische Mischlinge", in: Leugers, Berlin, S. 19-46.
[50] Das Centrum Judaicum verweigert den Zugang zu Akten für Joachim Neander.
[51] Neander, Auschwitz-Rückkehrer, in: Leugers, Berlin, S. 127-130.
[52] Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes für die besetzten niederländischen Gebiete, Den Haag, IV B 5, 9. Juli 1943. Eichmann-Prozeß Beweis-Dokumente, Nr. 591. Institut für Zeitgeschichte München.
[53] Joachim Neander, Die Rosenstraße von außen gesehen - Wechsel der Perspektiven, in: Leugers, Berlin, S. 163-202, hier: S. 163-188.
[54] Ebd., S. 188-202.
[55] Gerhard Lehfeldt: Bericht über die Lage von "Mischlingen", Mitte März 1943, in: Leugers, Berlin, S. 236.

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