Geschichtsverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.), Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte, Band 35: Mann – Frau – Partnerschaft. Genderdebatten des Christentums

Geschichtsverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.), Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte, Band 35: Mann – Frau – Partnerschaft. Genderdebatten des Christentums, Ostfildern 2016, Jan Thorbecke Verlag, 432 S., 29,80 €, ISBN: 978-3-79956385-7.


Dieser thematisch orientierte Sammelband geht auf eine gleichnamige Tagung zurück, die Andreas Holzem im Jahr 2015 abhielt. Spezieller auf das Profil des Jahrbuchs abzielend folgen dann noch drei Beiträge, die auf Rottenburg und Württemberg fokussiert sind sowie ein umfangreicher, sorgfältiger Rezensionsteil.

Um es gleich am Anfang zu betonen: Ich habe die Aufsätze mit Gewinn und sich steigerndem Interesse gelesen. Wie fruchtbar die Frage nach einer gegenderten Kirchengeschichte ist, zeigt sich hier gelehrt und materialreich. Ich greife nur einige der sämtlich sehr guten, fundierten und reflektierten Aufsätze heraus.

Andreas Holzem übernimmt die Einleitung in den Teil zur Geschlechtergeschichte. Erfreulich ist, dass nun auch die (katholische) Kirchengeschichtsschreibung gender als relevant registriert und die bipolare Eindeutigkeit der Geschlechter in Frage zu stellen wagt (vgl. 22). Regina Heyder zeigt anhand des Briefwechsels des Mönches und Theologen Abaelard mit der Äbtissin des Klosters Paraklet Heloise die subtilen Strategien, mit denen Heloise zwar „Andersheit, aber kein hierarchisches Geschlechterverhältnis“ (41) zulässt. Mit der Schriftkonformität als Maßstab monastischen Lebens und dem Rückbezug auf biblische und historische Frauenvorbilder gelingt es Heloise, einen Autonomieraum für ihr Kloster zu behaupten. Stefanie Monika Reinhardt wendet sich mit der Kirchheimer Chronik vom Ende des 15. Jahrhunderts einer von einer Dominikanerin verfassten Schrift zu, die ihre Schwesternschaft als „von der Observanz überzeugte und wehrhafte Glaubensgemeinschaft“, als Soldatinnen oder Ritterinnen Christi darstellt (71). Wiederum beide Geschlechter hat Tjark Wegner in den Blick genommen, der die Briefwechsel von Söflinger Klarissen im 15. Jahrhundert mit franziskanischen Ordensbrüdern aus Ulm, die für die geistliche Fürsorge zuständig waren, untersucht hat. Auch wenn es sich nicht um „Liebesbriefe“ handelt, lassen sich die Kontakte zum einen als „strategische Partnerschaften“ (92), zum anderen als „tiefgehende Freundschaften“ (95) qualifizieren. Um eine „geistliche Ehe“ handelt es sich dezidiert in keinem Fall (vgl. 95). Instruktiv und den Forschungsstand aufarbeitend ist der Aufsatz von Bernhard Schneider über „Männer der Tat und Hüterinnen des Hauses. Geschlechterkonstruktionen in katholischen Männer- und Frauenbüchern um 1900“. Wie ein Krimi lesen sich die Auswertungen der Tage- und Notizbücher Dr. Franziska Bösmillers, einer promovierten katholischen Lehrerin (die vormals evangelisch war), die eine intensive Freundschaft mit Kardinal Faulhaber gepflegt hat: Der Titel des Aufsatzes von Antonia Leugers „,Du hast alles vereint: Seele, Geist und Körper’ – Kardinal Faulhaber und seine Freundin“ spricht für sich. Der unnahbare und nach außen sittenstrenge Kirchenfürst Faulhaber erlaubte sich eine Freundschaft, die „für einen Kleriker kirchenrechtlich nicht vorgesehen“ (210) war. Sensibel zeigt die Untersuchung die Intensität und Problematik des Kontakts.     

Drei Beiträge behandeln evangelische Bereiche: Judith Pfeiffer betrachtet Susannadramen des 16. Jahrhunderts im Hinblick auf ihre Implikationen für evangelische Eheideale, die sie stützen. Ulrike Gleixner untersucht „Die lutherisch pietistische Ehe im Entwurf und in der Praxis“ und betont, dass im Pietismus – im Gegensatz zum 16. Jahrhundert – nun auch die Ehelosigkeit aufgewertet wurde (vgl. 139) – jedoch Spener innerhalb der Ehe die Enthaltsamkeit nur sehr bedingt akzeptierte. Konfliktfelder ergaben sich aus der Diskrepanz von spiritueller Symmetrie bei festgehaltener Hierarchie Mann – Frau. Juliane Mager befasst sich mit den Gefängnisbriefen von Helmuth James und Freya von Moltke aus Berlin Tegel und deren berührender Transzendierung ihrer Ehe.

Auch wenn ich nicht sämtliche Aufsätze besprochen habe, empfehle ich die Lektüre aller.                      


Zur Rezensentin:
Dr. Ute Gause, Professorin für Reformationsgeschichte und Neuere Kirchengeschichte, Universität Bochum.


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