Jörg Ernesti, Benedikt XV.. Papst zwischen den Fronten, Freiburg u.a. 2016, Herder, 332 S., 34,99 €, ISBN 978-3-451-31015-7
Der Augsburger Professor für Kirchengeschichte, Jörg
Ernesti, legt mit seinem Buch die erste umfangreiche deutschsprachige
Biographie Giacomo Della Chiesas bzw. Benedikts XV. als einem der in
der Forschung weitgehend „’vergessenen Päpste’ der jüngeren
Kirchengeschichte“ (S. 15) vor. Dabei nimmt er nicht für sich in
Anspruch, eine Lebensbeschreibung i.e.S. zu liefern, sondern vielmehr
eine „Würdigung verschiedener Aspekte des Pontifikats Benedikt XV.
Es geht (...) darum, den Beitrag dieser Persönlichkeit zur
Kirchen- und Theologiegeschichte in den Blick zu nehmen“ (S. 9).
Entsprechend diesem Ansatz widmet sich der Verfasser, ausgehend von
einer knappen Einführung mit einer ebenso konzisen wie kritischen
Bestandsaufnahme des Forschungsstands zum Wirken Benedikts XV., in
sechs Hauptkapiteln den zentralen Stationen seines Lebens - von seinem
familiären Hintergrund und seinem Weg von der Geburt bis zum
Bischof (1854-1907), seiner Tätigkeit als Erzbischof von Bologna
(1907-1914) und der Wahl zum Papst (1914) über die „große
Herausforderung“ (S. 67) des Ersten Weltkriegs (1914-1918) und das
päpstliche Engagement für die Nachkriegsordnung (1918-1921)
bis hin zu seinen innerkirchlichen Reformen (1914-1921). Nach einem
kurzen Abschnitt zu Tod und Begräbnis des Papstes (1922) steht
dann eine zusammenfassende Würdigung des Wirkens Benedikts XV., an
die sich ein Anhang mit neun ausgewählten Quellentexten aus der
Zeit von 1914 bis 1921 und dem üblichen Anmerkungs-, Chronologie-
und Literaturapparat anschließt.
Vorprägend für sein späteres Wirken als Papst waren
zweifellos Della Chiesas elterlicher und sozialer Hintergrund und die
Erfahrungen seiner kirchlichen Laufbahn bis zum Konklave von 1914. Von
Haus aus befand sich der junge Genueser Graf in einem
grundsätzlichen „Konflikt zwischen Patriotismus und Kirchentreue“
(S. 27) einerseits und (als Priester) zwischen konservativem
vatikanischem Zentralismus und Modernisierungsbestrebungen in der
Kirche andererseits. Dabei verfolgte er letztlich – auch als Benedikt
XV. – stets einen wohlüberlegten, trotz seiner Prinzipientreue
durchaus pragmatischen Mittelweg. So begegnete er dem strikten
Konservatismus Pius X. skeptisch, auch wenn man offenen „Widerstand
gegen die antimodernistischen Exzesse, die in den Jahren nach 1907 von
Rom ausgingen, (...) bei ihm vergebens [sucht]. Das hätte auch
nicht seinem Naturell entsprochen“ (S. 45). Gleichzeitig war er, etwa
in seiner Zeit als Erzbischof von Bologna durchaus bestrebt, das
theologische und seelsorgerische Niveau der Priester zu steigern und
zugleich eine allzu direkte Involvierung des Klerus in die (Partei-)
Politik zu verhindern. Laut Ernesti war sein „Anliegen, durch
Zentralisierung die theologischen Standards zu heben, (...) durchaus
weitblickend. (...) Noch als Papst war er überzeugt, der Priester
müsse sich aus der Politik heraushalten, um nicht die ihm
anvertrauten Gläubigen zu polarisieren. Das bedeutete freilich
nicht, dass er überzeugt gewesen wäre, die Kirche müsse
nicht in die Gesellschaft hineinwirken. So förderte er das
katholische Pressewesen, gründete neue Zeitschriften und
unterstützte die bestehenden“ (S. 45). Letztendlich war Della
Chiesa trotz seiner grundsätzlichen tagespolitischen
Neutralität damit keineswegs ein apolitischer oder politisch
naiver Kopf, was sich nicht nur in seinen bekannten Friedensinitiativen
während des Ersten Weltkriegs niederschlagen sollte, sondern sich
auch in seinem zentralen politischen Projekt, der „Aussöhnung des
Vatikans mit dem Königreich Italien“ (S. 58) zeigte. Als Papst
fand Benedikt XV. hier einen geradezu perfekten Partner in Pietro
Gasparri, den er kurz nach seiner Wahl als durchaus überraschender
„Kompromisskandidat“ (S. 52) im Konklave zum
Kardinalstaatssekretär ernannte. Die Zusammenarbeit der beiden
dient dem Verfasser zugleich als Möglichkeit, den Charakter Della
Chiesas näher zu beschreiben: „Auch menschlich passten Benedikt
und Gasparri gut zusammen: Beide waren bedächtig und
nüchtern; beide liebten nicht die großen Auftritte vor
zahlreichen Menschen; beide suchten stets vorausschauend unter
Berücksichtigung aller möglichen Folgen einer Handlung
vorzugehen; beide waren akribische und äußerst
fleißige Arbeiter, nach heutigen Begriffen wohl ‚workaholics’.
Gleichwohl war der umbrische Bauernsohn Gasparri direkter und
herzlicher als der ligurische Aristokrat Della Chiesa. Die beiden
Männer arbeiteten jedenfalls kongenial zusammen“ (S. 58).
Insgesamt war der Papst im Übrigen „in seiner Lebensführung
um besondere Schlichtheit bemüht“ (S. 60).
Benedikts XV. Verhalten angesichts des Ersten Weltkriegs, der kurz vor
Beginn seines Pontifikats ausgebrochen war, nimmt naturgemäß
das umfangreichste Kapitel des Buches ein. Ganz auf der Linie der
gängigen Literatur identifiziert Jörg Ernesti dabei fünf
Schwerpunkte seines Wirkens: erstens das Mahnen zum Frieden und die
Verurteilung des Krieges, zweitens die diplomatischen Versuche, Italien
von einem Kriegseintritt abzuhalten, drittens das Bestreben, strikte
Neutralität zu wahren und sich nicht von einer Seite einvernehmen
zu lassen, viertens das humanitäre Engagement des Heiligen Stuhls
und fünftens die Bemühungen um einen Verhandlungsfrieden.
Richtungsweisend war hierfür bereits seine erste Enzyklika Ad
beatissimi apostolorum vom 1. November 1914. Dabei stand sein „geradezu
apokalyptisches Bild der Kriegsfolgen (...) konträr zur
allgemeinen Kriegspropaganda. (...) Der päpstliche Verfasser
müht sich (...) um eine religiöse Deutung des Krieges und
seiner tieferen Ursachen. Zugleich stellen seine Beobachtungen einen
Seitenhieb auf diejenigen politischen Systeme dar, welche im Gefolge
der Aufklärung die Staatsgewalt als vom Volk, nicht aber von Gott
ausgehend ansahen. (...) Indirekt wendet er sich gegen Versuche, die
gegenwärtige Auseinandersetzung als einen gerechten Krieg zu
rechtfertigen“ (S. 72f.).
Gleichwohl wird auch in Ernestis Darstellung des diplomatischen
Engagements Benedikts XV. um eine Verhinderung eines
italienisch-österreichischen Krieges 1914/15 und des Verhaltens
des Vatikans nach dem Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 das
grundsätzliche Dilemma deutlich, in dem sich Della Chiesa
gegenüber seinem Heimatland befand: „Man wird ihn (...) durchaus –
bei allem Bemühen, nach außen hin die Neutralität zu
wahren – als einen italienischen Patrioten bezeichnen können.
(...) Während des Krieges, den er nicht hatte verhindern
können, blieb Della Chiesa seinem Heimatland verbunden und suchte
ihm zu nützen“ (S. 81f.). Dies verband sich zweifelsohne mit der
Sorge um die „Römische Frage“ und die Souveränität des
Heiligen Stuhls, welche aus Sicht des Papstes etwa durch den Londoner
Vertrag Italiens mit den Entente-Mächten (1915), welcher explizit
einen Ausschluss des Apostolischen Stuhls aus etwaigen
Friedensverhandlungen vorsah, weiter gefährdet wurde. Auch hieraus
entstand eine Beeinträchtigung der sichtbaren Neutralität,
denn „sicher auch als Reaktion auf derartige Bestrebungen, den Vatikan
staatspolitisch herabzustufen und zu isolieren, bemühten sich
Deutschland und Österreich-Ungarn, als dessen Sachwalter
aufzutreten und die Römische Frage virulent zu halten“ (S. 87).
Gerade diese ausgesprochen schwierige Konstellation für die
vatikanische Diplomatie zwischen den Avancen und Vorwürfen beider
Konfliktparteien vor dem Hintergrund der Römischen Frage, der
nationalen Zerrissenheit der katholischen Kirche und der durchaus
bestehenden Sympathien des Heiligen Stuhls für
Österreich-Ungarn [1]
wären sicherlich einer noch
detaillierteren Betrachtung wert gewesen, etwa im Hinblick auf die
finanzielle Unterstützung des Vatikans durch Deutschland oder das
Ausspionieren der päpstlichen Diplomatie durch den italienischen
Geheimdienst [2]. Dies
gilt umso mehr, als an anderer Stelle deutlich
gemacht wird, dass die „päpstliche Neutralität (...) freilich
ihre Grenzen [hatte]. (...) die Haltung des Papstes und seines
Staatssekretärs zum zaristischen Russland [war] aufgrund der
Benachteiligung des katholischen Bekenntnisses im russischen
Machtbereich durchweg negativ (...). (...) Geradezu eine Phobie hatten
der Papst und sein Staatssekretär vor der Vorstellung, Kleinasien
mit der Hohen Pforte (...) und der nahe Osten mit dem Heiligen Land
könnten (...) in russische Hände fallen“ (S. 110f.).
Relativ ausführlich widmet sich Jörg Ernesti dem
humanitären Engagement des Heiligen Stuhls und verweist u.a. auf
die päpstlichen Bemühungen um eine Beendigung des
türkischen Völkermords an den Armeniern. Sie konnten
letzteren zwar „nicht verhindern, denn sie kamen für die meisten
Betroffenen zu spät. Doch sie führten immerhin zu einer
weitgehenden Einstellung der türkischen Maßnahmen. So konnte
wahrscheinlich immerhin zehntausenden von Menschen das Leben gerettet
werden“ (S. 102). Über die konkrete Wirkung der stillen
päpstlichen Diplomatie gegenüber dem Osmanischen Reich (und
Deutschland) mag man sich uneins sein; zweifellos richtig ist der
Hinweis, dass das „Vorgehen des Papstes (...) weit in die Zukunft
[wirkte]. Öffentlich schwieg er über die Gräueltaten der
Osmanen und verurteilte sie nicht, sondern wirkte hinter den Kulissen
darauf hin, dass sie beendet würden“ (S. 103). Hier liegt damit
die Blaupause für den späteren hochumstrittenen Umgang Pius’
XII. mit dem Holocaust während des Zweiten Weltkriegs vor, wobei
der Verfasser anmerkt, dass „der Vergleich seine Grenzen [hat]: Pius
XII. hatte zumindest während der deutschen Besetzung Roms und in
deren Vorfeld einen begrenzten Aktionsradius. Im Übrigen waren die
Armenier Christen“ (S. 103). Dass zumindest für Benedikt XV. der
letztgenannte Einwand nur begrenzt stichhaltig ist, zeigt der Verfasser
unmittelbar im folgenden Absatz, in dem er aufzeigt, dass der Papst
1916 auf Bitten des American Jewish Committee seine moralische
Autorität einsetzte, um der Deportation hunderttausender
osteuropäischer Juden durch die sich zurückziehenden
russischen Truppen entgegenzutreten, diesmal sogar auf öffentliche
Weise, in Form eines publizierten Antwortbriefes an das AJC. Von
besonderer Bedeutung ist dies auch deshalb, weil Benedikt XV. sich
dabei darauf beruft, dass brüderliche Nächstenliebe und die
Prinzipien des Naturrechts für alle Menschen gelten. Hier deutet
sich eine Position an, die erst mit dem Zweiten Vaticanum Eingang in
die offizielle Haltung der katholischen Kirche gefunden hat: „Nicht zu
unterschätzen ist (...), dass die Juden in eine naturrechtliche
Begründung einbegriffen werden, also die zivilen Rechte der Juden
und Christen, ja aller Menschen auf eine Stufe gestellt werden. (...)
Diese päpstliche Intervention (...) stellt doch eine Revolution
dar: Zum ersten Mal in der Geschichte tritt ein Papst öffentlich
für die Juden ein und verurteilt ihre Verfolgung, und das unter
Berufung auf die allgemein gültigen Menschenrechte“ (S. 104f.).
Auf die Darstellung der hinreichend bekannten Friedensinitiativen
Benedikts XV. und ihres Scheiterns muss an dieser Stelle nicht
näher eingegangen werden. Interessant sind in jedem Fall die
Hinweise Jörg Ernestis auf die Bemühungen des Papstes, die
Existenz der österreichisch-ungarischen Monarchie zu erhalten und
später die exilierte Kaiserfamilie unmittelbar zu
unterstützen, wobei sich Benedikt XV. 1918/19 aus der
Südtirol-Frage praktisch völlig heraushielt. Dennoch
versuchte der Heilige Stuhl durchaus, „das neugewonnene gute
Verhältnis zur italienischen Regierung“ (S. 159) zu nutzen, um
(mäßigenden) Einfluss auf die italienischen Positionen in
den Versailler Friedensverhandlungen zu nehmen, beispielsweise im
Hinblick auf die Gebietsforderungen in Dalmatien. Insgesamt kommt der
Autor zu dem völlig nachvollziehbaren Schluss, dass durch „die
Aktivitäten des Heiligen Stuhls während des Krieges (...)
dessen Prestige gemehrt [wurde]. (...) Der Heilige Stuhl als
Friedensmacht und humanitärer Akteur wurde im Ersten Weltkrieg
erst recht ‚erfunden’“ (S. 160). Dies wurde auch nicht dadurch
geschmälert, dass Benedikt XV., aufgrund des Londoner Vertrags von
den Friedensverhandlungen ausgeschlossen, die von den
Siegermächten vorgenommene Neuordnung der internationalen
Beziehungen immer wieder massiv kritisierte, da sie nicht seinen
Vorstellungen für einen „Frieden ohne Sieger und Besiegte, ohne
Rache und ohne Vergeltung, eine Wiederherstellung des Rechtes und der
Versöhnung“ (S. 168) entsprach.
Besorgt beobachtete er auch die innenpolitische Entwicklung Italiens
nach dem Krieg. Die wachsende politische Polarisierung mit der
Gründung der Faschisten 1919 und der Kommunistischen Partei 1921
führte ihn schließlich zur Überzeugung, dass sich die
„Abstinenz der Katholiken, die die italienische Politik seit 1874
bestimmt hatte, (...) aus Gründen der Staatsräson nicht mehr
aufrechterhalten [ließ], wollte man nicht die Zukunft des Landes
und damit auch die Stellung des Vatikans dauerhaft gefährden“ (S.
202). Anders als „viele rechte Katholiken (...) befürwortete der
Papst dagegen nie die Gründung einer konfessionellen, konservativ
geprägten neuen Partei. Entscheidend war, dass er die Autonomie
der Katholiken in politischen Fragen billigte (...). (...) Die Sammlung
aller Katholiken, um eine starke politische Formation zu bilden, war
dem Pontifex also ein Anliegen (...). Dagegen war es skeptisch, was
eine mögliche Zusammenarbeit der Christdemokraten mit den
Sozialisten anging (...). (...) In den Sozialisten sah er den
eigentlichen Feind der Kirche, während er die Faschisten in ihrer
Frühform (...) wohl eher für eine vorübergehende
Erscheinung hielt“ (S. 205).
Im letzten großen Abschnitt des Buches wendet sich Jörg
Ernesti schließlich den innerkirchlichen Reformen Benedikts XV.
zu. Der 1917 promulgierte neue Codx Iuris Canonici stellte de facto
„einen weiteren Schritt zur Zentralisierung sowie zur Stärkung der
Autorität des Papstes und seiner Kurie [dar] (...). (...) Mit dem
neuen Gesetzbuch wurde der 1870 definierte Jurisdiktionsprimat des
Papstes in der ganzen Kirche durchgesetzt“ (S. 212). Hinzu kommen eine
Neuorganisation der Heilig- und Seligsprechung, verschiedene Neuerungen
in der Liturgie und Bemühungen um eine Verbesserung der Pastoral,
etwa durch eine bessere Ausbildung der Priester. Den
Zentralisierungstendenzen stand dabei eine Lockerung der
antimodernistischen Ausrichtung der Kurie gegenüber, die etwa zur
Aufhebung der Indexkongregation und einer ständig abnehmenden Zahl
zensierter Bücher während des Pontifikats führte.
Zugleich engagierte sich Benedikt XV. um die Einheit der Kirche im
traditionellen Sinne einer „Wiedervereinigung der getrennten Kirchen
mit der katholischen Kirche in Form einer Unterordnung unter den Papst“
(S. 227). Trotz der bleibenden Skepsis gegenüber der Orthodoxie
demonstrierte etwa die Einrichtung der Kongregation für die
orientalischen Kirchen (1917) eine neue Offenheit gegenüber dem
Ostchristentum, während Benedikts XV. Haltung gegenüber den
Protestanten „sicher nicht gerade von Versöhnungsbereitschaft
geprägt“ (S. 229) blieb. Entsprechend entschied er, „sich jeder
Form von Mitarbeit in der Ökumenischen Bewegung zu verweigern“ (S.
233), ein Beschluss, der bis in die 1960er Jahre und darüber
hinaus faktisch Bestand hatte.
Was ist Jörg Ernestis Gesamtwürdigung des „politischen
Pontifikat[s]“ (S. 243) Benedikts XV.? In seinem Fazit resümiert
er nochmals die Bedeutung des diplomatischen wie humanitären
Verhaltens des Heiligen Stuhls während des Ersten Weltkriegs und
betont: „Der Papst trat nicht nur aus pragmatischen Rücksichten
für den Frieden ein, sondern er war auch persönlich von der
Notwendigkeit überzeugt, den Frieden als das höchste Gut in
der menschlichen Werteordnung schützen zu müssen. Fast
möchte man ihn als einen überzeugten Pazifisten bezeichnen.
(...) Der vom Papst angestrebte Friede gründete auf einem
Ausgleich der Interessen und auf der Herrschaft des internationalen
Rechts“ (S. 251). Im innerkirchlichen Kontext werden die
Maßnahmen zur Reform von Kurie und Priesterausbildung, das neue
Interesse an der Orthodoxie sowie die Relativierung des kirchlichen
Antimodernismus unterstrichen. Insgesamt folgt für Jörg
Ernesti daraus, dass es „sich um einen kurzen, aber dichten Pontifikat,
in politischer Hinsicht auch um einen Schlüsselpontifikat für
das 20. Jahrhundert [handelt]. Wirkungsvoll wurde die universale
Dimension des Papsttums stark gemacht und das Prestige des Heiligen
Stuhls als moralische Weltmacht vermehrt“ (S. 255).
Auch wenn an der einen oder anderen Stelle möglicherweise eine
Ergänzung oder eine etwas kritischere Beurteilung des Wirkens
Benedikts XV. angebracht gewesen wäre, etwa bei der Frage der
vatikanischen Neutralität während des Krieges oder
hinsichtlich der Problematik der Ökumene, gelingt es Jörg
Ernesti nicht nur, die teilweise extrem schwierige Position des Papstes
in der vielzitierten „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ zu
verdeutlichen. Vielmehr zeigt er nicht zuletzt auch die beeindruckende
persönlich-charakterliche Integrität und
verantwortungsbewusste Konsequenz Giacomo Della Chiesas zwischen
Prinzipienfestigkeit und Pragmatismus auf. Dies macht den vorliegenden
Band ohne Zweifel zu einer umfassend gelungenen und richtungsweisenden
Betrachtung eines bedeutenden Mannes, „der als Papst zu Unrecht weithin
vergessen ist“ (S. 256).
Zum Rezensenten:
Prof. Dr. Ralph Rotte, geb. 1968, ist Professor für Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen University.
Anmerkungen:
[1] vgl. z.B. Friedrich Engel-Janosi, Österreich und der Vatikan 1846-1918. Zweiter Band: Die Pontifikate Pius’ X. und Benedikts XV. (1903-1918). Graz, Wien, Köln 1960.
[2] vgl. z.B. William A. Renzi, The Entente and the Vatican during the Period of Italian Neutrality, August 1914 – May 1915, in: The Historical Journal, 13 (1970), 491-508 , bzw. David Alvarez, Vatican Communication Security, 1914-18, in: Intelligence and National Security, 7 (1992), 443-453.
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