Stefanie Mathilde Frank, Wiedersehen im Wirtschaftswunder. Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik 1949-1963

Stefanie Mathilde Frank, Wiedersehen im Wirtschaftswunder. Remakes von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik 1949-1963, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2017, 451 S., 32 Abbildungen, 1 Begleit-CD, 65 €; ISBN 978-3-8470-0743-2

Laut Norbert Grob stellen Remakes von Filmen „immer das Gleiche“ dar, „nur immer anders“. Anat Zanger zufolge sind sie etwas unglücklich „zwischen Ritual und Verstellung“ angesiedelt. Stefanie Mathilde Frank geht nun, in der ersten systematischen Arbeit zu diesem Thema für das Kino der frühen Bundesrepublik, der erstaunlichen Anzahl solcher Remakes nach. Es handelt sich im untersuchten Zeitraum um einen Korpus von 154 Produktionen, etwa zehn Prozent der Gesamtfilmproduktion, dazu kamen 38 aus Österreich eingeführte Remakes (S. 31). Der Höhepunkt dieser häufig erfolgreichen Neuverfilmungen lag in den Jahren 1952 bis 1958, und bemerkenswerter Weise handelte es sich in der deutlichen Mehrzahl der Vorlagen um solche aus der Zeit 1933-1945. Dem lag seitens der Produzenten und Verleiher das Kalkül zugrunde, dass sich das Publikum an frühere Erfolgstitel erinnerte oder die Stoffe noch immer attraktiv fand, aber die Originalfilme weit genug zurück lagen, um in der Neuauflage nicht zu bekannt zu erscheinen.

Überzeugend definiert Stefanie Mathilde Frank die Wiederaufnahmen als solche Produktionen, wo „wesentliche Übereinstimmungen zwischen den Stories der Filme“ bestanden oder eine „Übernahme der Hauptfiguren und –konflikte“ stattfand, wenn Urheberrechte übertragen wurden oder sich beide jeweils miteinander zu vergleichende Filme auf die gleiche Vorlage bezogen (S. 27): Eine immense Forschungsaufgabe, die Frank kenntnisreich angegangen ist. Einerseits ist die Autorin auf Vollständigkeit (auch bei schwierigen Quellenlagen) bedacht, andererseits gibt sie durch exemplarische Fallstudien ihrer Darstellung die nötige Tiefe.

Die Verfasserin geht nicht nur den Filmen ihres Korpus und den jeweiligen Vorbildern, sondern auch den Kontinuitäten der beteiligten Produzenten, Regisseure und Darsteller sowie der Frage nach, inwiefern sich die Publiken in der (frühen) Bundesrepublik an ihre früheren Seherlebnisse erinnert haben könnten. Wichtig ist auch die Frage danach, was sich – im neuen politischen Klima der Bundesrepublik und des Wirtschaftswunders  - am Modus der Filme änderte, welche Einflüsse des generationellen Wandels sich wohl zeigen (bis hin zu den immer häufiger auftauchenden Symbolen der neuen Konsumkultur), und welche Schlüsse hinsichtlich des filmtheoretischen Charakters von Remakes überhaupt jeweils zu ziehen sind. Die Arbeit bewegt sich somit zwischen Filmwissenschaft und Kinogeschichte, freilich unter Ausklammerung transnationaler Dimensionen. Darüber hinaus werden die Kulturgeschichte der Bundesrepublik als Hintergrund sowie explizit die Ökonomie der Filmproduktion, die filmpolitischen Rahmenbedingungen sowie die erheblichen Probleme bei der Handhabung des Urheberrechts einbezogen. Die Studie geht ferner auf die sich ziemlich kritisch gerierenden zeitgenössischen Debatten zum Gegenstand (auch aus dem Umfeld der Kirchen) ein sowie auf die, wie meist, schönfärberischen Stellungnahmen der Filmwirtschaft. Sie behandelt ausführlich filmästhetische Fragen, orientiert an den Hauptgenres des Heimatfilms und der (wachsenden Anzahl der) Gegenwartskomödien. Diese semantische Ebene der Darstellung orientiert sich in vielfältigen Facetten am Kriterium von Tradition/Modernität sowie unterstreicht immer wieder, dass trotz personeller Kontinuitäten „neue Konflikte“ und explizite „Generationengeschichten“ thematisiert wurden. Damit geht Franks Darstellung deutlich über ihr engeres Thema hinaus in Richtung einer Rekonstruktion allgemeiner Kinogeschichte der – in der Forschung immer noch unterschätzten - 1950er Jahre.

Als Hauptergebnisse der eingehenden Studie kann man zum Publikumserfolg der Wiederaufnahmen zunächst festhalten, dass diese gut akzeptiert waren; in den Einschätzungen der Kinobesitzer stellte dies ein „gut“ dar. Zu den Top-Titeln gehörte 1952/3 der Streifen „Ferien vom Ich“ des unverwüstlichen Erfolgsautors Heinrich Spoerl, der schon einmal 1934 als Buch und Film so überaus beliebt gewesen war. Der moderat modernisierte Heimatfilm „Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt“ von 1953/4 hatte schon zwanzig Jahre zuvor am Markt reüssiert. Der „Hauptmann von Köpenick“ schlug 1955/56 mehr durch als sein Vorgänger von 1931. Die Crossdressing-Komödie „Charley´s Tante“ von 1934 kam in der neuen Fassung von 1955/6 äußerst gut an, als das Setting modernisiert wurde und mit Heinz Rühmann und anderen Stars bemerkenswert besetzt war (S. 125, 190). Ein weiteres Ergebnis ist, dass viele Neuproduktionen zwar nicht vom Stoff, aber vom Interieur her in der Gegenwart angesiedelt wurden. Es finden sich sogar Neuproduktionen, die, wie 1955 „Urlaub auf Ehrenwort“ oder 1956 „Reifende Jugend“, Konflikte deutlich neu „verhandeln und inszenieren“ (S. 256). Dazu passt auch, dass Heimatfilme zwar ihr Handlungsschema beibehielten, sich aber dem Schlager zuwandten, überhaupt tritt die Kontrastierung von Stadt und Land etwas zurück, und findet eine „Hybridisierung“ von zuvor stark voneinander abgegrenzten Genres statt (S. 256-261). Recht bemerkenswert ist ferner, dass Remake-Produzenten die Eigenständigkeit und den gesellschaftspolitischen Sinn ihres Metiers gegen Kritiker verteidigten. Neben zahlreichen Kontinuitäten von Stoffen, Rollenbesetzungen und inhärenten Ideologien lassen sich neue Konfliktkonstellationen und eine erhöhte Sensibilität gegenüber politisierten Entwürfen und Kriegsszenen beobachten. Insofern standen „Anknüpfung“ und „Wandlungsprozesse“ gleichermaßen im Mittelpunkt (S. 395-407).

Somit: Neben den Überläuferfilmen, den Filmimporten und den ‚echten’ Neuproduktionen etabliert Frank die Remakes in ihrer überaus informierend gehaltenen Studie als eine vierte Säule des Kinoangebots einer mäßig modernisierten Bundesrepublik.

Zum Rezensenten:
Dr. Clemens Zimmermann ist Professor für Kultur- und Mediengeschichte an der Universität des Saarlandes.

Refbacks

  • Im Moment gibt es keine Refbacks




Tübingen Open Journals - Datenschutz