Bevor sich die wissenschaftliche historische Forschung dem Widerstand der Weißen Rose und Willi Grafs annahm, war deren Interpretation grob ein halbes Jahrhundert durch nach wie vor wirkmächtige Legendenbildungen und die Deutungen durch Familienangehörige geprägt. Darauf weist Detlef Bald in seinem Beitrag ‚Willi Graf im Widerstand der weißen Rose‘ hin. Es handelt sich um ein Gutachten zu August H. Leugers-Scherzbergs Diskussionspapier ‚Willi Graf (1918-1943) und sein Entschluss zum aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus‘. Bald sieht es als begründet an, der Ableitung von Grafs Widerstandstätigkeit aus seiner frühen Prägung durch Familie und Kirche mit Skepsis zu begegnen. Weder war die Familie Grafs, der als Jugendlicher selbst im NS-Fliegerkorps mitmachte, gegen das NS-Regime eingestellt, sondern sein Vater schon 1930 einem ersten NS-Bund beigetreten. Noch war die Kirche ein Akteur institutionellen Widerstands. Bald geht von einer Entwicklung Grafs von naiver Frömmigkeit zur Bereitschaft, Aktionen des Widerstands für gut zu befinden und selbst an solchen mitzuwirken, aus. Als bedeutsam für diesen Prozess betrachtet er zum einen Grafs Zeit im Militär mit den Erlebnissen des Vernichtungskriegs. Zum anderen regten ihn Studium sowie die Begegnung und der intellektuelle Austausch mit den Akteuren des Widerstands Scholl und Schmorell zu Meinungsbildung und Aufklärung an. Als entscheidenden Moment erachtet Bald die Einweihung in die Aktivitäten der Weißen Rose durch diese beiden. https://theologie-geschichte.de/ojs2/index.php/tg/article/view/1247/1618 |