theologie.geschichte, Bd. 9 (2014)

theologie.geschichte - Zeitschrift für Theologie und Kulturgeschichte

Antonia Leugers

„Kardinal Faulhaber zeigt ein zwiespältiges Wesen.“ Beobachtungen zu den Jahren 1923/24 und 1933/34[*]




Beobachtungen zum Jahr 1923/24 [1]

Im Herbst 1923 zeigte sich Reichskanzler Gustav Stresemann aufgrund der gesamtpolitischen Lage in Deutschland alarmiert und wandte sich an den Münchner Kardinal Faulhaber. Stresemann hatte den erfolglos verlaufenen passiven Widerstand gegen die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen im September abgebrochen. Dies wirkte wie ein Affront auf weite Teile der deutschen Bevölkerung und der Eliten. In einer Welle des allgemeinen Wehrkonsenses hatten sie sich zunehmend „wehrhaft“ gezeigt. Die Geheimrüstung wurde intensiviert, die Ausbildung der so genannten „Schwarzen Reichswehr“ und paramilitärischer Einheiten voran getrieben. [2] In Bayern stieß der Abbruch des passiven Widerstands auf heftigste Gegenwehr. Gerüchte um einen von rechtsradikaler Seite drohenden Putsch gingen um. Das reichsweite Verbot des nationalsozialistischen Völkischen Beobachters wegen seiner Angriffe auf den Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt, und antisemitischer Äußerungen zum Reichskanzler und zum Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding wurde von Bayern boykottiert. Der als Generalstaatskommissar eingesetzte Gustav von Kahr verweigerte die Ausführung des Verbots. Für Bayern verhängte Kahr den Ausnahmezustand. [3]

Das Beispiel eines katholischen Studenten vermag die damalige Stimmungslage in Bayern zu veranschaulichen. Der 21jährige, in Würzburg geborene Student der Rechte an der Ludwig Maximilians-Universität München, Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg [4] nahm im September 1923 an einem mehrwöchigen Wehrkurs in Passau teil, den die „Schwarze Reichswehr“ durchführte, eine paramilitärisch aufgebaute Organisation zur Umgehung der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrags. Schon als 17jähriger hatte er sich der „Marschabteilung Würzburg“ angeschlossen gegen den Thüringer Hölzaufruhr. Er hatte bei der Demobilisierung Waffenverstecke mit organisiert, die die Interalliierte Kontrollkommission nicht entdecken sollte. Guttenberg pflegte ein Netzwerk, das als extrem rechts, völkisch, antisemitisch und paramilitärisch charakterisiert werden muss. Er hatte Kontakte zu den Süddeutschen Monatsheften um Paul Nikolaus Cossmann, gehörte wie Cossmann der Vereinigung „Gäa“ an, die gegen die so genannte Kriegsschuldlüge agitierte und die Dolchstoßlegende verbreitete, gegen den Friedensvertrag von Versailles auftrat und Finanziers für rechte Propaganda sammelte. Mit seinem Freund Anton Ritthaler zählte Guttenberg zum Umfeld des Herausgebers der rechtskatholischen „Gelben Hefte“, Max Buchner. Guttenberg trat der neu gegründeten katholischen Studentenverbindung im Kartellverband, Rheno-Bavaria, bei. Sie schlug damals unter dem 25jährigen Philosophen Joachim von Rintelen einen Rechtskurs ein. Guttenberg war zudem im Führungsausschuss des „Hochschulring Deutscher Art“ (HDA) tätig, der sich ins Lager der völkischen Bewegung um Adolf Hitler begeben hatte. Als Vorsitzender des HDA agierte der 24jährige Student und Mitglied des „Bund Oberland“, Ernst-Rüdiger von Starhemberg, der ihr den Charakter der interkonfessionellen, radikal rassistischen Verbindung gab. Guttenberg besuchte Massenveranstaltungen Hitlers und begegnete ihm im Salon der 58jährigen Elsa Bruckmann, Ehefrau des Münchner Verlegers Hugo Bruckmann, in deren Wohnung am Karolinenplatz 5. Im „Jungadel“, der zur Adelsgenossenschaft zählte, engagierte sich Guttenberg in führender Position. Er lud in diesen Kreis regelmäßig Referenten ein, darunter Adolf Hitler.

Nach dem Passauer Wehrkurs lag Guttenberg an Furunkulose erkrankt den ganzen Oktober 1923 in einer Münchner Klinik. Guttenbergs Freund Anton Ritthaler beschrieb in der Nachkriegszeit, Guttenbergs Zimmer sei „zu einer Art politischem Taubenschlag“ geworden, was er als „eine erstaunliche Leistung“ [5] des Studenten qualifizierte. Die Aufschlüsselung der Namen, die der Historiker Ritthaler auflistet, vermag das Profil der Besucherschaft zu charakterisieren: ein Vertreter von Generalstaatskommissar v. Kahr, der Hauptschriftleiter der Münchner Neuesten Nachrichten und damalige Unterstützer Hitlers, Fritz Gerlich, Polizeipräsident Ernst Pöhner, der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler, Sanitätsrat Otto Pittinger von den „Vaterländischen Verbänden“, Marine-Kapitän Hermann Ehrhardt, der gegen die Räterepublik 1919 in München kämpfte, nach dem gescheiterten Kapp-Putsch 1920 als Führer der Marine-Brigade Ehrhardt Mitglieder in der getarnten „Organisation Consul“ in München sammelte, die politische Fememorde in der Weimarer Republik beging. Auch Max Erwin von Scheubner-Richter, ebenfalls Beteiligter des Kapp-Putsches von 1920, zählte zu den Kontakten Guttenbergs. Scheubner-Richter war in München zu einem entscheidenden Förderer und Berater Hitlers geworden. Die erstaunliche Leistung bestand also darin, dass sich bei diesem jungen katholischen Adeligen und Studenten jene Persönlichkeiten und Vertreter von Organisationen trafen, die aus nächster Nähe Hitlers und von Kahrs stammten. Es verwundert daher nicht, dass Guttenberg am 19. Oktober 1923 im Völkischen Beobachter in einem Artikel die Loyalität der völkischen Studenten aussprach, da die „Einmütigkeit“ der „Gruppen um Kahr und Hitler“ wichtig sei. Kahr müsse sich, anders als Hitler, als Staatsmann Beschränkungen auferlegen, doch: „Im Augenblick der Tat wird dieser Gegensatz verschwunden sein.“ [6] Die „Tat“, also der erhoffte Putsch, sollte nach Guttenberg das rechtsradikale Lager geschlossen vorfinden.

In der sich zuspitzenden Lage des Herbstes 1923 ersuchte der protestantische Reichskanzler Stresemann den überregional bekannten Münchner Kardinal Michael von Faulhaber, er möge das Wort ergreifen. Dies war insofern ein geschickter Schachzug, als Faulhaber gerade im rechten Lager Anerkennung genoss. [7] Faulhaber reagierte in dieser krisenhaften Situation, in der gerade auf ihn große Hoffnungen gesetzt wurden, wie schon in der ihn ängstigenden Münchner Revolutions- und Rätezeit höchst sensibel: mit Herzklopfen und dem Gefühl, als ob sein Lebensende nahe. Er beichtete und machte sein Testament. [8] Dann trat er zunächst in der Allerseelenpredigt am 4. November 1923 [9] gegen befürchtete Judenpogrome auf. Besonders heftige Reaktionen folgten auf seine Formulierung: „Mit blindem Hass gegen Juden und Katholiken, gegen Bauern und Bayern werden keine Wunden geheilt. [...] Wir fragen nicht nach [der] Partei, jedes Menschenleben ist etwas Kostbares.“ [10]

Baron Geier als Unterhändler Stresemanns drängte darauf, Faulhaber solle noch einen Antwortbrief an den Reichskanzler zur Stärkung des „Gedankens der sittlichen Erneuerung des Volkes“ richten. [11] Damit war für den Kardinal der ihm wichtige kirchliche Kompetenzbereich im öffentlichen Leben in Abhebung von dem von ihm abgelehnten politischen Engagement umschrieben. Geier warnte eindringlich, es seien Informationen darüber durchgedrungen, dass es am 8. November 1923 zu einem Rechtsputsch kommen werde. Ein Bürgerkrieg drohe.

Am 6. November reagierte der Völkische Beobachter auf Faulhabers Allerseelenpredigt und griff ihn als „Judenschützer“ an, weil er gesagt habe, „dass auch die Juden Menschen seien, und dass wir auch diese im Winter nicht hungern und frieren lassen dürften.“ Noch auf dem Katholikentag 1922 habe er aber „ganz anders“ gesprochen, „indem er sehr scharfe Worte gegen die Judenpresse gebrauchte.“ [12] Die sozialdemokratische Münchener Post brachte am 8. November einen Artikel zu den Anwürfen gegen den Kardinal. [13] Rabbiner Leo Baerwald bedankte sich persönlich beim Kardinal. [14] Katholische Münchner Antisemiten schickten dem Erzbischof empörte Briefe, weil sie Faulhaber nach dessen Katholikentagsreden von 1922, in denen er die „jüdische Presse“ und die „Börse“ angegriffen hatte, auf ihrer Seite wähnten. Nun sprach er sich, für sie unverständlich, ausgerechnet für Juden aus. [15]

Faulhaber hatte inzwischen am 6. November abends 23 Uhr Baron Geier seinen Brief an Stresemann übergeben, der ihn telefonisch weiter leitete, so dass er, wenngleich noch mit Hörfehlern, schon ab dem 7. in den Tageszeitungen erscheinen konnte. [16] Wiederum wandte sich Faulhaber gegen den Hass, „der blindwütig über unsere israelitischen Mitbürger oder über andere Volksgruppen in Bausch und Bogen, ohne Schuldnachweis von Kopf zu Kopf, den Stab bricht“. In Anspielung auf einen möglichen Putsch forderte er: Änderungen müssten auf „verfassungsmäßigem, unblutigem Wege geschehen, nicht durch Umsturz und gewalttätige blutige Eingriffe in den Gang der Entwicklung.“ [17]

Ein Besucher schilderte Faulhaber persönlich, welche Aufregung in der Stadt wegen der Äußerungen zu den Juden herrschte; er selbst teilte nämlich diese Empörung. [18] Am Abend des 8. November 20 Uhr begab sich Faulhaber zum Hotel Wagner in der Sonnenstraße, um die von den Franzosen ausgewiesenen Pfälzer zu begrüßen, deren Bischof in Speyer er einst gewesen war. Gleichzeitig fand im Bürgerbräukeller die „vaterländische“ Kundgebung statt, bei der von Kahr sprach. Gegen 21.30 Uhr habe Faulhaber telefonisch erfahren, Kahr sei von der „Hitlergarde“ gefangen, die Regierung gestürzt. Er trat zu Fuß den weitgehend ruhigen Heimweg an. Nachts um 1 Uhr informierte ihn der per Taxi herbei geeilte Abgeordnete der Bayerischen Volkspartei Hans Rauch über seinen Informationsstand: Kahr sei gezwungen worden, Ludendorff führe die nationale Armee, Hitler sei Reichskanzler. Rauch wollte Faulhaber dazu drängen, fort zu gehen, doch dieser lehnte ab. Faulhaber vermutete, über den Taxifahrer könne das sich rasch am nächsten Tag verbreitende Gerücht gestreut worden sein, nachts sei Kahr noch bei ihm gewesen. Denn Oberstadtbaurat Rauch sähe nach Figur und Gesichtsfarbe dem Generalstaatskommissar ähnlich. [19]

Der Student Guttenberg erzählte später, er sei am 8. November am Abend mit einer Dame im Theater gewesen und habe sie nach Hause begleitet, weil er inzwischen von der Unruhe in der Stadt etwas bemerkt habe. Dann sei er zum Bürgerbräukeller gegangen. Wo er vom späten Abend des 8. November bis zum 12. November war, ist nicht belegt. [20]

Am Morgen des 9. November erfuhr Faulhaber, [21] die Lage in der Nacht habe sich gedreht: Kahr, Generalleutnant Otto Hermann von Lossow und Polizeioberst Hans von Seisser hätten sich von Hitler losgesagt. Sie hätten Reichswehr und Landespolizei aufgerufen, für die rechtmäßige Regierung einzutreten. Gegen 10 Uhr informierte ein BVP-Abgeordneter Faulhaber über die nächtliche Sitzung in der Katholischen Frauenschule, zu der die BVP-Abgeordnete Ellen Ammann diskret Kollegen und Regierungsmitglieder hatte zusammenrufen lassen. Regierungsmitglieder seien anschließend nach Regensburg gefahren. Ellen Ammann schickte vorsorglich ihren Sohn mit der Bitte, Faulhaber möge sich zurückziehen. Baron Stengel hingegen fragte an, ob der Kardinal nicht zwischen den Lagern vermitteln könne, die doch „alle das Gleiche“ wollten. Faulhaber widersprach. Kahr sei die rechtmäßige Regierung, die anderen seien „Revolutionäre“. [22]

Warum der erfahrene 61jährige bayerische Generalstaatskommissar Gustav von Kahr am Abend des 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller dem 34jährigen Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Adolf Hitler bei dessen Putsch eine Zusage gegeben hatte, diese aber später widerrief, beschäftigte die Münchner Öffentlichkeit. Hitler trat zusammen mit Weltkriegsgeneral Erich Ludendorff und anderen „Getreuen“ daraufhin noch am 9. November seinen Marsch vom Bürgerbräukeller aus an, scheiterte jedoch kläglich vor der Feldherrnhalle.

Faulhaber ging am Abend des 9. November zu Fuß in die Nußbaumstraße 5, wo sich das Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern befand, sein schon während der Revolutions- und Rätezeit der Öffentlichkeit verborgen gebliebener Rückzugsort. Unterwegs bemerkte er die Plakatierung an Mauern, die auch andere betrachteten: „Da fallen schon die Ausdrücke: der Hund und andere Namen für Kahr.“ [23] Als am Abend die „Hitler-Leute über den Marienplatz marschierten“, so berichtete der Bayerische Kurier, hätten „die Hitlers“ geschrieen: „’Nieder mit Kahr, nieder!’“ sowie „’Und den Faulhaber, den Judenfreund, dazu!’“ [24]

Am 10. November fuhr Faulhaber zur Kirchenkonsekration nach Töging am Inn, erblickte noch die berittene Landespolizei mit Lanzen in der Theatinerstraße und kam am 11. November abends zurück zum Palais in der Promenadestraße 7. Der Wagen wurde sogleich umringt von etwa 30 Männern, doch ließen sie ihn schweigend durch. Erst als er im Haus war, sei es mit dem Pfeifen und Schreien los gegangen. Er erfuhr, am Tag zuvor habe in der Universität eine Versammlung gegen ihn stattgefunden mit anschließendem Zug durch die Stadt und den Rufen: „Nieder mit Kahr, nieder mit Faulhaber“. [25] Am Morgen des 12. fuhr Faulhaber wieder ins Mutterhaus und kehrte erst am 14. November in sein Palais zurück.

Am 12. November war erneut eine Versammlung in der Universität. Sie richtete sich gegen die Polizei wegen ihres Verhaltens an der Feldherrnhalle. Faulhaber und Kahr wurden wiederum für das Scheitern des Hitler-Ludendorff-Marsches verantwortlich gemacht. Angehörige katholischer Studentenverbindungen wurden als „Faulhaberknechte“ bezeichnet. [26] Nachdem die Professoren Karl Alexander von Müller, Wilhelm Kisch und Ferdinand Sauerbruch keine Beruhigung der Studenten erreichen konnten, habe Guttenberg den ihm bekannten Kapitän Ehrhardt geholt, so dass sich die Versammlung auflöste. Guttenberg trat später nochmals in den Vordergrund zusammen mit seinem Freund Ernst-Rüdiger von Starhemberg. Dieser war am Hitler-Ludendorff-Putsch beteiligt gewesen wie auch Scheubner-Richter, mit dem Guttenberg noch im Oktober zusammen getroffen war. Hitler war neben dem tödlich getroffenen Scheubner-Richter zu Boden gesunken, konnte noch unerkannt flüchten und wurde erst später verhaftet. Guttenberg und Starhemberg entrüsteten sich Rektor Karl von Kraus gegenüber wegen Kultusminister Franz Matts Äußerungen, die bayerische Bevölkerung solle Ludendorff die Gefolgschaft verweigern. Starhemberg und Guttenberg wurde ein Disziplinarverfahren angedroht. [27]

Baronin Gebsattel berichtete Faulhaber von den Flugblättern der „Vaterländischen Verbände“, die die Version vom Wortbruch Kahrs verbreiteten, der nachts noch zu Faulhaber gegangen sei. [28] Der Bayerische Kurier zitierte in den Trambahnen verteilte Handzettel, die den „Wortbrecher Kahr“ als „willenloses Werkzeug des um die Wohlfahrt der Juden so sehr besorgten römischen Sendlinges Faulhaber“ beschimpften. Ein Flugblatt vaterländischer Verbände suche „dem Herrn Kardinal die Schuld am ‚Umfalle’ Kahrs aufzubürden.“ [29]

Der Schriftleiter der Münchener Katholischen Kirchenzeitung wertete es sogar als positiv, dass der „antikatholische Charakter der Bewegung rechtzeitig an den Tag“ gekommen sei. „‚Nieder mit den Pfaffen und Juden’ heißt auf einmal jetzt die Parole.“ [30] Der Milchlieferant weigerte sich wegen des Schimpfens in der Stadt, dem Erzbischof Milch zu bringen. [31] Am Odeonsplatz hörte ein Pater eine der Reden an, die forderten: Die „1. Kugel für Kahr, die 2. Kugel für Faulhaber.“ [32] Vor dem Palais schrie einer, Faulhaber habe die „Blutschuld von allen Toten,“ [33] denn beim Stoppen des Marsches vor der Feldherrnhalle am Odeonsplatz waren Polizisten und Putschteilnehmer zu Tode gekommen. Die Kirchenzeitung beklagte, dass in der „katholischen Hauptstadt eines katholischen Landes“ die kirchliche Hierarchie derart beschimpft werden konnte. Die Nationalsozialisten hätten „urplötzlich gezeigt, wes Geistes Kinder wenigstens ein Teil dieser Nationalsozialisten sind.“ [34] Offenkundig war die NS-Bewegung bis dahin nicht als katholikenfeindlich wahrgenommen worden. „Viele Katholiken sehen jetzt erst zu ihrem schmerzlichen Erstaunen, dass sie eine Bewegung unterstützt haben, deren Führer zum guten Teil von der alten Los-von-Rom-Bewegung herkamen und die nun endlich ihre Maske abgeworfen haben“, so der Bayerische Kurier. [35]

Das jüdische Echo lobte Faulhaber als „Rufer in der Wüste [...] mit seinen Worten der Selbstverständlichkeit gegen die Judenhetze“. [36] In der Allerseelenpredigt habe er die Judenhetze gegeißelt: „’Nicht der Hass kann die Not lindern, auch nicht der Hass gegen die Juden.’ [...] ‚Kein Mensch soll verhungern oder erfrieren in diesem Winter, kein Leben soll zerstört werden, auch nicht das Leben eines Juden, denn es ist etwas wertvolles, wie jedes menschliche Leben.’“ Auch die entscheidende Passage aus dem Stresemannbrief, wo die Rede war vom Hass, „’der blindwütig über unsere israelitischen Mitbürger’“ den Stab breche, zitierte das Jüdische Echo. [37] Dankschreiben anonym bleiben wollender Münchner Juden erreichten den Kardinal. [38] Doch es trafen wiederum Briefe völkischer Katholiken ein, die sich um den geflohenen und dann verhafteten Hitler sorgten, weil der „Juden-Regierung“ Kahr alles zuzutrauen sei. Wenn Hitler nur das geringste passiere, „richten wir unter den Juden ein Blutbad an“, so drohten sie. [39]

Der Münchner Korrespondent des Argentinischen Tag- und Wochenblatts, Carl Christian Bry, [40] kam im Blick auf die Katholikentagsreden Faulhabers aus dem Jahr 1922 ähnlich wie die katholischen Antisemiten und der Völkische Beobachter zu dem Schluss, der Kardinal habe sich gewandelt. Die „Widersprüche“ wurden im Völkischen Beobachter mit „Befremden“ vermerkt: „Welchem Kardinal Faulhaber soll also der gute Katholik glauben? Dem vom vorjährigen Katholikentag oder dem von den letzten Tagen? Woher stammt also diese Wandlung?“ [41] In Brys Augen jedoch war es eine Wandlung zum Positiven. Faulhaber sei vom „Saulus zum Paulus“ geworden, weil er „gegen die unfruchtbare, rein negative Kritik an der Reichsregierung, gegen Judenhass und Bürgerkrieg das Wort nahm.“ Bry deutete an: „Soviel bekannt, war er es, der Kahr ‚bekehrte’. Miraculum!“ [42] Am 18. November 1923 dementierte von Kahr öffentlich die Gerüchte über Faulhaber und sich. [43] Auch Bry musste Mitte Dezember das „Miraculum“ enträtseln: Faulhaber wolle es „auf das Bestimmteste nicht gewesen sein“, der Kahr umgestimmt habe. Der Kardinal habe die Angriffe gegen seine Person als schlimmer als jene von den „Rätegardisten“ bezeichnet. Mittels des Zentralkomitees der Münchner Katholiken habe er sodann die „in den letzten vier Wochen so beliebt gewordene Flucht in die Öffentlichkeit“ angetreten. „Hätte er das nur nicht getan!“, so der Ausruf von Bry. [44] Mit der Stellungnahme des Zentralkomitees schien Bry nämlich der Eindruck einer guten Wandlung des Erzbischofs verflogen zu sein.

Während sich der Kardinal vom 5. bis20. Dezember 1923 in Rom aufhielt, nahm das Zentralkomitee mit seinem Vorsitzenden Oberbaurat Rauch in einer öffentlichen Kundgebung den Ortsbischof in Schutz gegen die von Ludendorff verbreitete Lüge, Faulhaber habe Kahr umgestimmt. Das Zentralkomitee zitierte Faulhabers Passage aus der Allerseelenpredigt in der Version: „’Der Hass gegen Juden und Katholiken, wie er in einzelnen Zeitungen geschürt wird, ist nicht christlich. Wir müssen in christlicher Liebe zusammenhelfen. Trotz aller Not darf in diesem Winter kein Mensch verhungern und erfrieren. Jedes Menschenleben ist kostbar, auch das eines Israeliten.’“ Faulhaber habe nur gesagt, was das Gebot der Nächstenliebe künde. Das Zentralkomitee trat möglichen Missverständnissen aber entgegen: „Selbstverständlich wollte er nie das entschuldigen, was in den letzten Jahren durch jüdische Revolutionäre und Wucherer am deutschen Volk und Volkswohl gesündigt worden ist.“ [45] Das aber war auch die Position von Antisemiten.

Hans Rauch, der Vorsitzende des Zentralkomitees, hatte schon in seinem Artikel von Mitte November 1923 ausführlich und in scharfen Formulierungen dargelegt, wie dies zu verstehen sei:

„Was für einen Anlass sollten wir Katholiken haben, uns als besondere Schützer des Judentums aufzuwerfen? Haben wir von ihnen je irgendeine Förderung erfahren oder nicht vielmehr eine teils offene, teils versteckte Gegnerschaft? Nein, auch wir Katholiken stehen auf dem Standpunkte, dass die zahlreichen Ostjuden, die sich während des Krieges und nach demselben auf das todwunde deutsche Volk gestürzt haben, als lästige Parasiten zur baldigsten Rückkehr in ihre östliche Heimat zu zwingen sind. Auch wir sind der Meinung, dass alle Juden und Nichtjuden, die sich an dem Novemberumsturz des Jahres 1918 irgendwie, sei es durch aktive Teilnahme, sei es durch Geldhingabe, nachweislich beteiligt haben, als staatsgefährliche Elemente der vollen Schärfe des Gesetzes verfallen müssen. Das deutsche Volk ist ein christliches Volk, ist duldsam gegen Andersgläubige, verlangt aber, dass sein christlicher Charakter respektiert werde, und muss jeden, der offen oder insgeheim gegen diesen Charakter ankämpft, als schädlichen Fremdkörper behandeln. Wir Katholiken bekämpfen deshalb auch mit aller Entschiedenheit den sittlichen Schmutz und die geistige Verwirrung, die von einer jüdisch beherrschten Presse und Literatur als tägliches Gift in die Seele unseres Volkes gegossen werden. Wir bekämpfen dieses Gift, wenn es sich gegen den deutschen, aber auch dann, wenn es sich gegen den christlichen Geist unseres Volkes wendet, bekämpfen es, wenn es von jüdischen, aber auch dann, wenn es von anderen glaubensfeindlichen Kräften, und sei es in einer nationalen Aufmachung dargereicht wird. Das wollen wir Katholiken, aber eines wollen wir im Gegensatz zu anderen nicht, wir wollen nicht einstimmen in den allgemeinen, unterschiedslosen Hassgesang gegen jeden, dem weiter nichts zur Last gelegt werden kann, als dass er als Kind jüdischer Eltern auf deutscher Erde geboren wurde. Das ginge gegen das Gebot unseres Heilandes, der wohl strenge Gerechtigkeit gegen alle Übeltäter, nicht aber Hass gegen Andersgläubige und Andersgesinnte gepredigt hat. In diesem Sinne waren auch die jüngsten Ausführungen unseres hochverehrten Herrn Kardinals gemeint und für jeden Unbefangenen verständlich, Ausführungen, die nun aus durchsichtigen Gründen zu einer Schutzaktion für alle Juden ohne Unterschied des staatsbürgerlichen Verhaltens gestempelt werden wollen.“ [46]


Seine eigentliche Verteidigung ergriff Faulhaber persönlich, als er am 15. Februar 1924 im Münchner Löwenbräukeller vor Akademikern eine Ansprache hielt, die in der Presse [47] und im folgenden Jahr als Sonderdruck erschien. Faulhaber betonte, dass er seit 1918 gegen den „Marxismus“ und die Regierung Eisners aufgetreten, für die von Ausweisung bedrohten Ostjuden nicht eingetreten sei und 1922 auf dem Münchener Katholikentag „jüdische und sozialistische Zeitungsschreiber“ gewarnt habe. [48] Faulhaber verwahrte sich demnach – wie schon Hans Rauch – vehement dagegen, generell ein „Judenschützer“ zu sein, wie es ihm der Völkische Beobachter im November vorgehalten hatte. Faulhaber verwies eigens auf die Anerkennung, die ihm 1922 nach der Katholikentagsrede in München zuteil geworden, [49] um diese mit der dramatischen Wendung, die seinem öffentlichen Auftreten im November 1923 gefolgt war, zu kontrastieren:

„Als ich hier auf dem Königsplatz die Revolution von 1918 Meineid und Hochverrat nannte, zu einer Zeit, als in vielen später völkischen Wipfeln noch Ruhe war, kam in hundertfachem Widerhall ein Hosianna von Nah und Fern und heute schallt es auf dem gleichen Königsplatz: Ans Kreuz mit ihm.“ [50]

Faulhaber war bemüht, seine Anschauung nun differenzierter zu vermitteln. Er wertete die damalige „faschistische Welle“ als positiv, die „dem Bankrott der sozialistischen Weltanschauung“ gefolgt sei. Nach seiner Romreise ins faschistische Italien Benito Mussolinis im Dezember 1923 – die Welle dort sei am „reinsten und erfolgreichsten“ – war das eine deutliche Positionsbestimmung des Kardinals. [51]

„In Deutschland ist der nationale Gedanke, nachdem er in den Kriegs- und Nachkriegsjahren durch die Überlast von Opfern, die er forderte, und durch die Revolution verschüttet worden war, neuestens wie ein Quell aus verborgenen Tiefen wieder hervorgebrochen, droht aber für einen großen Teil des Volkes wieder zu versanden, weil er im weiteren Stromlauf von dem rein Nationalen abirrte und in den Kirchenhass der Ku-Klux-Klaner einmündete, die schon in ihrem Namen als Indianerrest aus überwundenen Zeiten sich bekennen. Adolf Hitler wusste besser als die Diadochen seiner Bewegung, dass die deutsche Geschichte nicht erst 1870 und nicht erst 1517 begann, dass für die Wiederaufrichtung des deutschen Volkes die Kraftquellen der christlichen Kultur unentbehrlich sind, dass mit Wotanskult und Romhass das Werk der Wiederaufrichtung nicht geleistet werden kann. Als Mann des Volkes kannte er auch die Seele des süddeutschen Volkes besser als andere und wusste, dass mit einer Bewegung, die in ihrer Kehrseite Kampf gegen Rom ist, die Seele des Volkes nicht erobert wird. Es liegt eine erschütternde Tragik in der Tatsache, dass die ursprünglich reine Quelle durch spätere Nebenflüsse und durch Kulturkampf vergiftet wurde. Mehr aus vaterländischen als aus religiösen Gründen ist diese Umstellung der völkischen Bewegung zum völkischen Kulturkampf zu beklagen.“ [52] Man habe sich „nicht gescheut, die zuerst mit reiner vaterländischer Begeisterung gesammelten bayerischen Katholiken statt gegen Moskau und gegen Berlin seit November 1923 gegen Rom in Marsch zu setzen, und auch dafür noch vaterländische Ziele vorzutäuschen.“ [53]


Vor Beginn des Hitler-Prozesses Ende Februar 1924 wollte Faulhaber in seiner Rede also ausführen, wo für ihn die eigentliche Fehlentwicklung der letzten Monate lag. Es war somit ein berechtigtes Anliegen gewesen, „vaterländische“ bayerische Katholiken gegen den „Bolschewismus“ (Moskau) und gegen die Politik der Berliner Reichsregierung „in Marsch zu setzen“ – eine nicht zufällig gewählte sprachliche Anlehnung an den von Hitler unternommenen Marsch am 9. November. Faulhaber wich in diesem Punkt ab von seiner Unterscheidung von „Revolutionären“ und rechtmäßiger Regierung, wie er sie noch Baron Stengel vorgehalten hatte. Erst der „völkische Kulturkampf“ gegen „Rom“ habe diese gute Sache „vergiftet“. Die dem gescheiterten Putsch folgende antikatholische Kampagne des Protestanten Ludendorff [54] mit dem Focus auf Faulhaber ließ den Kardinal misstrauisch werden gegenüber weiterhin in der nationalsozialistischen Bewegung agierende Personen. Nach der Landtagswahl von 1924, bei der in München der Völkische Block mit 34,92% die meisten Stimmen errungen hatte, reagierte Faulhaber mit psychosomatischen Symptomen. Er notierte: „Die Straße so aufgeregt nach dem ‚Sieg’ der Völkischen, dass ich nicht vor die Türe gehe und darüber wieder Herzbeschwerden bekomme.“ [55] Hitler selbst, der auch in späteren Prozessen den Wahrheitsgehalt der umlaufenden Gerüchte über Faulhaber als wenig überzeugend hinstellte und von seinem Rechtsanwalt als gläubiger Katholik aufgebaut wurde, [56] genoss bei Faulhaber wohl schon allein deshalb Respekt, auch als Häftling. General Hans von Seeckt vermittelte ihm Ende April 1924 seinen Eindruck von einem Gespräch mit Hitler aus dem Jahr 1922. Hitler sei „ein gefährlicher Demagoge. Das Schwere sei nur, weil ein guter Kern in der Sache sei.“ [57] Das jüdische Echo griff 1924 die häufig zu hörende Formulierung vom angeblich „’guten Kern’“ in einem äußerst kritischen Artikel auf. „Für die Judenhetze in jeder Form und mit allen Mitteln, die sich ihre Hauptdomäne in München geschaffen hat und deren sich jeder Kulturstaat schämen müsste, findet die Regierung kein Wort des Tadels.“ Die Bayerische Staatsregierung protestiere lediglich gegen die Katholikenhetze. [58]

Nachdem Hitler im Dezember 1924 aus der Landsberger Festungshaft auf Bewährung entlassen worden war, veröffentlichte Faulhaber 1925 seine Ansprache ungekürzt mit dem positiven Hitlerbild. Für die Neugründung der NSDAP im Jahr 1925 eine bleibende Empfehlung des Ortsbischofs für seine Gläubigen, die im krassen Gegensatz zum Redeverbot stand, das die Bayerische Staatsregierung gegen Hitler bis zum Frühjahr 1927 verhängte.


Beobachtungen zum Jahr 1933/34

Solange sich die nationalsozialistische Bewegung und Partei offen antikatholisch und antikirchlich verhielt, war für Faulhaber wegen dieses „Kulturkampfes“ [59] ein Zusammengehen nicht vorstellbar trotz gemeinsamer Feindbilder: Gemeinsamer äußerer Feind blieb der „Bolschewismus“, dem als ubiquitäre Gefahr und als Wegbereiter im Innern der „Kulturbolschewismus“ zugeordnet wurde. Die Bischöfe in Deutschland sahen sich angesichts der Wahlsiege der NSDAP mit der Frage des seelsorglichen Umgangs mit katholischen Nationalsozialisten konfrontiert und entschlossen sich nach einem Präzedenzfall im Mainzer Bistum Pastoralanweisungen für Klerus und Gläubige zu erlassen. [60] Im Gegensatz dazu engagierten sich bereits namhafte Kreise der protestantischen Kirche offen für Hitler. Olaf Gulbransson griff dies im Simplicissimus süffisant in seiner Karikatur auf: „Wer schützt Gott vor seinen Freunden?“ Während auf der Erde zwei protestantische Pfarrer mit erhobenem Arm eine Abordnung von Nationalsozialisten empfangen, spricht der über ihnen in den Wolken thronende Herrgott: „Mit den Gottlosen wäre ich schließlich auch noch ohne Notverordnung fertig geworden, aber mit den Pastoren, die mich für Hitler reklamieren wollen, ist das nicht so einfach!“ [61]

Um die Mehrheitsverhältnisse in Deutschland entscheidend verändern zu können, strebte die NSDAP an, den katholischen Bevölkerungsteil zu gewinnen. Daran war auch einflussreichen Rechtskatholiken aus Akademiker- und Adelskreisen gelegen, die deswegen zwischen Nationalsozialisten und Kirchenvertretern vermittelten. [62] In Bayern sorgten der Illustrierte Beobachter und Adolf Wagners Kampfblatt Die Front mit Fotoserien dafür, eine bereits offene katholische Unterstützung der nationalsozialistischen Bewegung zu proklamieren. Publiziert wurden Fotos von katholischen Beerdigungen, Trauungen und vom Kirchgang von Nationalsozialisten. Wahlaufrufe und Wahlergebnisse sollten Katholiken ermuntern, sich offen zu bekennen. Nur der „politische Katholizismus“ und die Verlautbarungen der Bischöfe würden noch immer Katholiken hindern, sich für Hitler entscheiden zu dürfen, so Wagners Argumentation. Dabei sei durch Verlautbarungen der Päpste und nicht zuletzt durch die Lateranverträge im faschistischen Italien verbürgt, dass Katholiken weder auf eine Staatsform noch auf eine Partei festgelegt seien und der Klerus nicht politisch tätig sein solle. [63] Der Aufruf der Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher [64] im Vorfeld der Reichspräsidentenwahl war ein prominentes Zeugnis für das Anbahnungsjahr 1932: Die Unterzeichner Georg Lossau, Katholische Vereinigung für nationale Politik, Edgar von Schmidt-Pauli, Stahlhelm, und Karl von Schorlemer, NSDAP, votierten offen für Hitler. [65] Hitler wurde als Kirchgänger präsentiert auf dem Wahlplakat „Das ist Adolf Hitler, der Mensch und Führer des deutschen Volkes“. [66] Faulhaber aber hegte 1932 weiterhin Ängste vor einer „Nazi Revolution“ und ordnete seine Papiere, [67] da ihm noch keine nachhaltigen Anzeichen für das Ende des „Kulturkampfes“ der Kirchengegner erkennbar waren, um die Rückkehr zum „guten Kern“ ausmachen zu können.

Die Reichskanzlerschaft des Katholiken Hitler [68] mit dem katholischen Vizekanzler Franz von Papen war für Faulhaber die Vollendung einer rechtmäßigen Regierungsübernahme unter Ausschluss von „Marxisten“, d.h. Sozialdemokraten. Der sich vom „politischen Katholizismus“ los sagende Papen versprach, der Garant einer Berücksichtigung kirchlicher Interessen zu sein. Vor den Märzwahlen 1933 legte Faulhaber, der im November selbst nicht gewählt hatte, [69] mit seinem Fastenhirtenbrief die Öffnung zu anderen Parteien und Staatsformen geradezu nahe. [70] „In Parteikreisen hat es damals großes Aufsehen erregt“, so Faulhaber, weil er erklärt habe, die Kirche verschreibe sich nicht einer einzelnen Partei. [71] Die NSDAP nutzte Passagen des Hirtenbriefs, um sie auf sich zu beziehen als eine für Katholiken wählbare Partei. [72] Die BVP versuchte demgegenüber, durch Faulhaber-Zitate die Unwählbarkeit der NSDAP für Katholiken zu untermauern. Faulhaber war entsetzt, als er das BVP-Plakat in München sah, denn er fürchtete, der Hass werde sich nun gegen ihn richten. [73] Die Erinnerung an die Anfeindungen aus dem Jahr 1923 stieg bei ihm wieder auf.

Die Märzwahlen hatten tatsächlich noch ein retardierendes Moment gezeigt. Während der Abwesenheit Faulhabers, der vom 8. bis 18. März die Reise nach Rom zum ad-limina-Besuch unternahm, fand in München das statt, was dem Kardinal am Telefon als „Revolution“ geschildert wurde. [74] Mit der von Berlin aus vorgenommenen Einsetzung von Kommissaren in den Ländern [75] wurden die regionalen „Machtübernahmen“ abgeschlossen und in Faulhabers Sicht quasi legalisiert.

Nachdem Hitler mit seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 sozusagen die nur angelehnte Tür zur katholischen Kirche mit einem kräftigen Tritt aufgestoßen hatte und dadurch nicht nur das Signal für ein Ende des „Kulturkampfes“ gab, sondern auch mit Rom die Pflege eines freundschaftlichen Verhältnisses ankündigte, folgte seitens der Bischöfe die nachholende Aufhebung ihrer Warnungen vor der Partei. [76]

Faulhaber feierte am 28. April zur Eröffnung des bayerischen Landtags in gewohnter Tradition das Pontifikalamt – unter Beteiligung der katholischen nationalsozialistischen Abgeordneten. Er anerkannte die nationalsozialistische bayerische Regierung als rechtmäßig und bekräftigte dies mit den üblichen „Antrittsbesuchen“, bei denen er auch mit erhobenem rechten Arm grüßte. [77] Noch in seinen Aufzeichnungen im Jahr 1939 strich er seine Haltung in den damaligen öffentlichen Auftritten heraus: „War das kein Bekenntnis zur neuen, rechtmäßigen Regierung?“ [78]

Faulhaber setzte, den politischen und monarchistischen Katholizismus praktisch aufgebend, ganz darauf, mit Papens Initiativen Kreuz und Adler und Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher [79] seine kirchlichen Interessen sichern zu können. Hitler wurde, wie schon 1924, gleich bleibend positiv gewertet: Schlüsselargumente für Faulhaber waren dabei die in Rom im März erfahrene Belobigung Hitlers als Kämpfer gegen den „Bolschewismus“ durch Papst Pius XI., Hitlers „Friedensrede“ im Mai 1933 und der rasche Abschluss des Reichskonkordats im Juli 1933. [80] Besuchern und Besucherinnen gegenüber lobte Faulhaber Hitler ostentativ und suchte deren Zweifel zu zerstreuen, insbesondere an der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher. [81] Er empfahl dem Klerus die Zusammenarbeit mit dem neuen Staat auch 1934 noch, was „einen ungewöhnlich lauten Widerhall geweckt“ habe: allein in 52 deutschen Zeitungen wurde diese Meldung gebracht. [82] Staatssekretär Hans Dauser griff auf diese Stellungnahme Faulhabers für die AKD öffentlichkeitswirksam zurück. [83]

Faulhaber verhielt sich also konsequent so, wie es seine Rede von 1924 erwarten lassen musste, sobald sich die NS-Führung offen kirchenfreundlich zeigen und kirchentreue Nationalsozialisten beteiligt werden würden. Auftretende Konflikte wurden nun als Konflikte mit dem „politischen Katholizismus“, nicht mit dem geschätzten „religiösen Katholizismus“ gedeutet. Faulhaber konnte auch selbst wieder die „reine Quelle“ offen legen, um den Gläubigen Zusammenhänge zeitgemäß zu deuten.

In seiner Predigt in Weingarten bei der Wallfahrt zur „Hl. Blut-Reliquie“ im Mai 1933 wird dies in einer Passage besonders deutlich. Er thematisierte die „Blutsgemeinschaft“, worüber der Bayerische Kurier auf seiner Titelseite berichtete. Die NS-Regierung schickte sich damals an, das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ [84] durchzusetzen, nachdem sie mit dem „Arierparagraphen“ [85] im April schon die Konsequenz der nationalsozialistischen Rassen- und Gewaltpolitik dem In- und Ausland vor Augen geführt hatte. Dass Faulhaber auf diesem Hintergrund „Blutsgemeinschaft“ als Thema wählte, lässt aufhorchen:

„In der natürlichen Blutsgemeinschaft werden nach dem Gesetze der Vererbung von den Vorfahren auf die Nachkommen gute oder schlechte Eigenschaften, Gesundheit oder Krankheit weitergeleitet. [...] Bedauernswert der Mensch, der von den Eltern mit dem Leben gleich Keime des Todes und seelische Anlagen mitbekommen hat, die nur mit einem ganz starken Willen und einer ganz großen Gnade überwunden werden können! Er ist sozusagen mit einer zweiten Erbsünde belastet, sozusagen mit einer Blutvergiftung ins Leben getreten. Die Ärzte in den Kinderkliniken, die Barmherzigen Schwestern in den Kinderheimen, Erzieher und Seelsorger können davon erzählen, wie oftmals die Keime der Lungensucht und andere Leiden, die Anlagen zur Trunksucht und [zu] anderen Lastern schon im Blute liegen. Da erfüllt sich das furchtbare Wort: Der Herr straft die Sünden der Väter an den Söhnen bis in das dritte und vierte Geschlecht. Wir stehen hier vor Geheimnissen des Blutes in der natürlichen Blutsgemeinschaft. Eine schwere Verantwortung für alle, die eine Familie gründen wollen!“ [86]


Faulhaber autorisierte mit dem Verweis auf die Erfahrungsberichte des professionellen Personenkreises aus den relevanten Einrichtungen den auch von katholischen Eugenikern wie Hermann Muckermann [87] vertretenen weiten Begriff von genetisch bedingten Abweichungen von der Normvorstellung zu Gesundheit, Tugenden und guten Eigenschaften. Er griff darüber hinaus zu religiösen Wertungen, als seien diese Abweichungen Folgen der „Sünden“ der Vorfahren, die die Betroffenen als eine Art „zweite Erbsünde“ und „Blutvergiftung“ erlitten. Die betroffenen Personengruppen und deren Familien wurden somit nicht nur gemäß der wissenschaftlich zweifelhaften erbbiologischen Auffassung, sondern auch religiös stigmatisiert und demgemäß gesellschaftlich und religiös ausgegrenzt. Nachdem das Gesetz am 14. Juli 1933 ratifiziert worden war, das eine Zwangssterilisierung der in Frage kommenden Personengruppen vorsah, erhob sich kein öffentlicher Protest seitens der Bischöfe. Am 1. Januar 1934 trat es in Kraft.

Faulhaber wählte bezüglich der betroffenen Personengruppen weiterhin eine entwürdigende Sprache. Er bezeichnete sie als „Schädlinge der Volksgemeinschaft“, [88] für die der Staat wie bereits für die „Schutzhäftlinge“ eigene Lager einrichten könne, um sie nicht zwangssterilisieren zu müssen.

Nachdem Papst Pius XI. Ende des Jahres 1933 nochmals in Erinnerung gerufen hatte, dass das Gesetz der Eheenzyklika „Casti connubii“ (31.12.1930) widerspreche, [89] drängte auch Faulhaber zu einer gemeinsamen öffentlichen Erklärung des Episkopats, die freilich ausblieb. Faulhaber fügte erst in seinen Fastenhirtenbrief von 1934 [90] ein Zitat aus der Eheenzyklika ein, das jedoch in seiner allgemeinen Aussage wie ein Verbot der freiwilligen Sterilisierung als vermeintlich moderne Geburtenplanung Gesunder wirkte.

Warum wählte der Kardinal eine entwürdigende Sprache gegenüber Betroffenen? [91] Warum sah er ihre permanente Lagerunterbringung, d.h. ihre Freiheitsberaubung, als zulässiges Mittel an? Mehr Sensibilität, nicht zuletzt in der Sprachwahl, wäre wegen Faulhabers eigenen familiären Erfahrungen zu erwarten gewesen: Sein Bruder Ignaz war in einer Heil- und Pflegeanstalt untergebracht. [92] Zudem vermerkte er im Tagebuch zu seiner Schwester Katharina, sie habe wieder einmal einen Anfall – wie früher – gehabt. [93] Es ist also nicht ausgeschlossen, dass auch bei seiner jüngsten Schwester gesundheitliche Beeinträchtigungen vorlagen. Die übrigen Geschwister waren verhältnismäßig früh gestorben. Eine Schwester war schon einige Wochen nach der Geburt gestorben, eine zweite Schwester nur 35 Jahre, seine anderen beiden Brüder 47 bzw. 58 Jahre alt geworden. [94] Gemäß der eigenen Ausführungen in seiner Weingartener Rede hätte Faulhaber letztlich bezogen auf Ignaz Maßstäbe der „zweiten Erbsünde“ und „Blutvergiftung“ der Familie aufgrund der Vorfahren anlegen müssen. Auffällig bleibt, dass er die Kontaktaufnahme zu seinem Bruder nicht persönlich pflegte, sondern seiner Schwester Katharina, die in seinem Haushalt im erzbischöflichen Palais wohnte und diente, überließ. Doch auch dies geschah auf eigenen Wunsch verdeckt. Die Pflegeeinrichtungen mussten die Absenderangaben an Katharina neutral halten. Vermutlich sollte also auch über den Briefträger keinerlei Bezug des Kardinalshaushalts zu einer Anstalt hergestellt werden können. Als die organisierte „Euthanasie“ einsetzte, von deren Tötungsziel Faulhaber Kenntnis hatte, wurde Ignaz privilegiert und jeweils in eine andere Einrichtung verlegt, um den Transporten zu entkommen. Schließlich starb er im Juli 1943 in der letzten Anstalt im Alter von 72 Jahren. [95]

Faulhaber war unsicher. Als während seiner Erholungsphase in Adelholzen ein Sippenforscher im Palais vorgesprochen hatte, war er in Sorge. [96] Die Vorstellung, wie seine Geschwister einen frühen Tod zu erleiden, ließ ihn nicht los. [97] Andererseits hatte er in seiner Weingartener Rede die Chance angedeutet, man könne mit starkem Willen und großer Gnade „Keime des Todes“ und schlechte Anlagen überwinden. Er mochte sich als Kleriker zu jenen Auserwählten zählen. Für ihn war es beispielsweise undenkbar gewesen, sich als Abiturient wegen seiner „Knickzehe“ ausmustern zu lassen. Als „Staatskrüppel“ wolle er nicht gelten. [98] D.h. für ihn waren „Körper“ und „Nation“ eine Wertegemeinschaft: der im Militär durch Eingliederung und Exerzieren aufgrund von Befehl, Gehorsam und körperlicher Funktionstüchtigkeit ausgewiesene Mann war Berechtigter in der Nation. Alle anderen „Krüppel“ waren „beschädigt“ ohne wirkliche Teilhabe und letztlich bemitleidet oder verachtet, von denen man sich nicht nur räumlich in Anstalten, sondern auch sprachlich distanzierte. Dass in ein zwischen 1892 und 1895 datierendes Familienfoto Faulhabers erst später Ignaz als Soldat in Uniform einretouchiert wurde, ist bezeichnend dafür, seinen zeitweiligen anerkannten Status dokumentieren zu wollen. [99]

Hatte sich Faulhaber im November 1923 in Wort und Schrift explizit gegen den Hass und für das Lebensrecht der deutschen Juden eingesetzt, als Pogrome drohten, so schwieg er zehn Jahre später zur offenen Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung der Juden, ja er verwahrte sich gegen eine angebliche „Greuelpropaganda“ des Auslands gegen Vorgänge im „Dritten Reich“. [100]

Im November 1933 sprach Faulhaber Besuchern gegenüber allerdings vom „kommenden Kulturkampf“, den er befürchte. [101] Anfang Dezember stand es für ihn fest: „Wir in Bayern stehen mitten im Kulturkampf.“ [102] Er äußerte sich in seinen Adventspredigten im Winter 1933 [103] folgerichtig nur zum „Alten Testament“ und zum Judentum der Vorzeit, womit er der nationalsozialistischen Kampagne gegen die „jüdische“ Bibel Einhalt gebieten wollte. Diese Kampagne stellte für ihn einen unzulässigen „Kulturkampf“ dar. Wahrgenommen wurden die Ansprachen allerdings wie 1923, als habe Faulhaber sich für die aktuell bedrängten Juden eingesetzt, die es ihm erneut dankten. [104] Einen Anknüpfungspunkt konnte man in Faulhabers Formulierung erblicken, „die Liebe zur eigenen Rasse [darf] in der Kehrseite niemals Hass gegen andere Völker werden“. Zuvor noch hatte er aber unterstrichen, vom kirchlichen Standpunkt sei „nichts einzuwenden gegen das Bestreben, die Eigenart eines Volkes möglichst rein zu erhalten und durch den Hinweis auf die Blutsgemeinschaft den Sinn für die Volksgemeinschaft zu vertiefen.“ [105] Das grenzte wiederum die deutschen Juden aus. Die NS-Seite sah in Faulhabers Auftritten einen offenen Angriff gegen die NS-Ideologie. Hermann Esser attackierte den Kardinal öffentlich. [106] Unmittelbar danach machte Faulhaber am Morgen des 28. Januar 1934 eine beklemmende Entdeckung: Geübte Schützen hatten beim erzbischöflichen Palais in der Promenadestraße die Scheiben des Mittelfensters des großen Sprechzimmers zerschossen – neben seinem Arbeitszimmer. [107]

Dieses Reaktionsmuster erinnert stark an die Abläufe 1923/24, noch dazu in einem weiteren Punkt. Als eine gefälschte Predigt Faulhabers, die sich gegen den Antisemitismus der Nationalsozialisten verwahrte, 1934 in Umlauf gebracht worden war, stellte Faulhaber nicht einfach nur klar, dass sie nicht von ihm sei. [108] Ludwig Volk bemerkte dazu, Faulhaber verfolgte „das Zeitungsgerücht mit soviel nervöser Geschäftigkeit, als ob es nicht nur zu beweisen gelte, dass er die Predigt nicht gehalten habe, sondern gar nicht gehalten haben könne.“ [109] Noch in seiner späteren Abhandlung zu den Adventspredigten gegen den „Wust von Unwahrheit“ wandte Faulhaber sich gegen die „Falschmeldung“, in den Adventspredigten „seien die Juden von heute in Schutz genommen, sei der Antisemitismus verurteilt“ und dass die Adventspredigten „die ‚Ungerechtigkeiten’ des Dritten Reiches gegen das heutige Judentum verurteilt“ hätten. [110] Das alles hatte Faulhaber also explizit nicht gemeint.

Zur Feier des Jahrtages von Hitlers Kanzlerschaftsantritt, am 30. Januar 1934, hängte Faulhaber vor die zerschossenen Fenster seines Palais loyal zwei Fahnen aus, da Hitlers Machtübernahme „legal“ gewesen sei, so seine Tagebuchnotiz. [111] Zu Weihnachten 1934 ließ er einen „Weihnachtsgruß an den Führer“ [112] verbreiten, seiner ungebrochenen Hitlerverehrung erneut öffentlich Ausdruck verleihend, was in manchen Kreisen auf Unverständnis stieß. Im Juni 1934 hatte Hitler im Zusammenhang des so genannten Röhm-Putsches mit der Ermordung des prominenten Konvertiten zum Katholizismus, Fritz Gerlich, einmal mehr gezeigt, dass Gerlichs Warnungen vor dem „Dritten Reich“ begründet gewesen waren. Der Kardinal hatte Gerlich zu seinem publizistischen Kampf in der Zeitschrift Der Gerade Weg ermuntert. Damals meinte Faulhaber noch, man befinde sich im „Kulturkampf“ mit den Nationalsozialisten. [113]


Schlussfolgerungen aus den Jahren 1923/24 und 1933/34

Die Aufeinanderfolge der universalistischen und grundsatzkatholischen Ansprachen, der Dementis, völkischen Reden und Hitlerbelobigungen Faulhabers gleichen 1923/24 und 1933/34 auffällig einander. Die Positionen Faulhabers sind allerdings lehrmäßig inkonsistent und seine Handlungsweisen hinterlassen einen irritierenden Eindruck. Es wirkt, als agierte der Kardinal phasenweise als völkischer Katholik und überzeugter Faschist, der hin und wieder zum Universalismus der katholischen Lehre zurück kehren musste, um gegen die konsequente völkische Durchführung der Rassenideologie bis zur tödlichen Praxis endlich die Stimme zu erheben. Hierin unterschied sich Faulhaber signifikant von „braunen Priestern“: der Dogmatiker Karl Adam oder der Priester der Münchner Erzdiözese, Josef Roth, vertraten aus ihrem nationalsozialistischen katholischen Ansatz heraus nie die der katholischen Lehrauffassung inhärenten universalistischen Positionen. [114] Wie ist also demgegenüber Faulhabers changierende Position zu erklären, durch die er widerstreitende Botschaften aussandte, die von gegnerischen Lagern einmal begrüßt, ein andermal empört verworfen wurden?

Faulhaber war geprägt durch sein Studium in Würzburg beim Reformkatholiken Herman Schell, dessen Werke indiziert worden waren, sowie durch seinen Lehrer, den Reformkatholiken Albert Ehrhard, mit dem er später während seiner Lehrtätigkeit an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg (1903-1911) im Professorenkollegium zusammen war. In seiner Autobiographie verweist Faulhaber mit einer ausnehmend positiven Erinnerung auf Schell, wodurch sich eine Spur seiner Motivlage erschließen mag: „Mir brannte das Herz, wenn er in seiner philosophischen hochfliegenden Sprache für die theologische Wissenschaft und auch für die priesterliche Lebensarbeit, ja, auch für die priesterliche Lebensarbeit, uns begeisterte. Das war kein ehernes Getön und kein Schellengeklingel, das war die katholische Antwort auf die Fragen, die damals in der Luft lagen.“ [115] Faulhaber wollte seinem Selbstverständnis als Bischof zufolge auch Antworten auf die Zeit geben. Seinen verrätselten Wappenspruch auf dem bischöflichen Wappen „Vox temporis vox Dei“ erläuterte er selbst in den Wendungen: „Was diese Zeit fordert, ist ein Gebot Gottes“ bzw. „Was die Zeit fordert, ist zugleich eine Stimme Gottes.“ [116]

In einer Zeit, die von weltanschaulich besetzten (Kampf)Begriffen durchdrungen war, und in der sich umgekehrt weltanschauliche Gruppierungen und Einzelpersonen der traditionell christlichen Begrifflichkeit bemächtigten, um sie in ihre Ideologie einzubauen, [117] kam es nun für Faulhaber darauf an, seine katholischen Inhalte authentisch, aber seinem Anspruch zufolge auch zeitgemäß zu vermitteln. Der Eichstätter Bischof Konrad Graf von Preysing hatte im Frühjahr 1933 seine bischöflichen Kollegen eindringlich daran erinnert, man stehe in der Zeit des Nationalsozialismus in einer ähnlichen Gefahr „wie zur Zeit des Modernismus. – Er hat die christlichen Termini gebraucht und sie zu gleicher Zeit ihres Inhalts beraubt (Wahrheit, Offenbarung). Heute wird den Worten Gott, Christus, Sittlichkeit, Recht ihr Sinn genommen und ihnen ein entleerter, besser gesagt verderbter Sinn gegeben.“ [118] Indem Faulhaber sich auf Aussagen von Nationalsozialisten berief, allen voran Hitler, und indem er Termini aus dem völkischen Lager benutzte, begab er sich in jene von Preysing bezeichnete Gefahrenzone, die er nicht immer meistern konnte.

Die der liberaldemokratischen Deutschen Demokratischen Partei nahe stehende Allgemeine Zeitung hatte über den Münchner Erzbischof nach seinen berühmten Katholikentagsreden von 1922 schon eine kluge Beobachtung angestellt. Es bestünden

„zwischen Faulhaber, Kahr und Hitler nur Gradunterschiede. [...] Kardinal Faulhaber zeigt ein zwiespältiges Wesen. Im Auftreten hoheitsvoll, in seiner ganzen Haltung mutig und offen, kann er doch, wie jetzt schon mehrere Entgleisungen in Volksreden zeigen, in dem Geschmack seiner rednerischen Prägungen oft sehr tief steigen. Offenbar reißt ihn die Verlockung des rauschenden Beifalles hin. Er kämpft gegen die Bierseligkeit seiner Pflegebefohlenen, gefällt sich aber selbst in Redeblüten, die in den großen Bierkellern heimisch sind.“ [119]


Der AZ-Journalist kritisierte scharf, der „Kirchenmann“ Faulhaber sei „in billiger Demagogenrhetorik“ mit „Schlagworten und Witzchen“ auf „einer religiösen Tagung gegen [Republik-]Schutzgesetze, Presse, Juden, Verfassung und Verfassungsschutz“ angegangen und habe „stürmischen Beifall“ und „nicht endenwollende Zustimmung“ [120] dafür erhalten. Faulhabers Auftreten wurde somit als politisches Agieren gewertet, das dem antidemokratischen, antirepublikanischen und antisemitischen völkischen Lager Schützenhilfe von kirchlicher Seite aus gewährte – und das, obwohl Faulhaber auch 1922 von Putschplänen in Kenntnis gesetzt worden war, die Lage also äußerst kritisch war. [121]

Die von Faulhaber als dramatisch bezeichnete Wendung vom „Hosianna“ des Jahres 1922 zum „Ans Kreuz mit ihm“ [122] im Jahr 1923, nachdem er sich für die Juden und gegen den Umsturz ausgesprochen hatte, ist für das Selbstbild des Kardinals aufschlussreich wegen der biblischen Anspielungen. [123] Faulhaber verteilt hier die Rollen zwischen dem „Volk“ und seiner Person: Wie Jesus, der sich immer in der Wahrheit treu bleibt, meinte auch der Kardinal, seine Haltung nicht geändert zu haben, sondern das „Volk“ habe seine Haltung zum Kardinal geändert. Genau genommen trifft diese Aussage nur für die rechten und völkischen Bevölkerungsteile zu, denn die demokratischen und republikanischen Vertreter lobten ihn 1923 geradezu emphatisch. Faulhaber suchte aber nicht auf dieser ihm fern stehenden Seite Anklang zu finden, sondern offenkundig im rechten politischen Lager. Ähnlich dem Wahrheit kündenden Jesus, der gekreuzigt wurde, konnte sich Faulhaber im Falle des ihm entgegen schlagenden Widerspruchs auch den Tod als Bekenner vorstellen, den er – menschlich verständlich – zugleich fürchtete. Phasenweise trug er in den Zwanziger Jahren einen Revolver bei sich. [124]

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass Faulhaber seit der Erfahrung der Münchner Revolutions- und Rätezeit regelmäßig von „Ekel“ [125] vor dem „Volk“ aufgrund bestimmter gesellschaftspolitischer Entwicklungen schrieb, von Befindlichkeitsschocks nach Angriffen auf seine Person, angesichts von Lügen und Gerüchten, die in Umlauf gebracht wurden und die er in Zeitungen entdeckte, gepeinigt war. Es gab Phasen, in denen er krank war, Medikamente nahm, Operationen überstehen musste, [126] sich verborgen hielt, verkleidet incognito ausging oder unter falschem Namen Auslandsreisen antrat, ja selbst den Pass für offizielle Reisen nur mit der Berufsbezeichnung „Prof. a. D.“ ausstellen ließ. [127] Den introvertierten scheuen Phasen standen extrovertierte hyperaktive Phasen gegenüber, in denen sich im In- und Ausland öffentliche Auftritte aneinander reihten, die Reden noch nachts für die Zeitungsredaktionen redigiert wurden, um umgehend den autorisierten Text in Umlauf zu bringen; Zeiten, in denen Faulhaber permanent im Palais Besucherinnen und Besucher empfing, sich in stundenlangen Sitzungen porträtieren ließ von Künstlerinnen, Künstlern und Photographen oder sich, für die neueste Technik begeisternd, auf Spritztouren mit seinem teuren Pullmann (Auto), mit dem Flugzeug oder dem Zeppelin begab, persönliche Kontakte in Privathäusern pflegte, ja sogar während der Adelholzener Erholungsaufenthalte in seinem eigens angefertigten „Holzhackanzug“ Bäume fällte und Holz hackte. [128] Dieses Bild Faulhabers ist weitgehend unbekannt.

Durch akribische Auswertung der eigenen Tagebuch- und „Beiblatt“-Sammlung sowie des erzbischöflichen Schriftgutes (nach mehrfacher Sichtung und Neuordnung seines Archivs) suchte Faulhaber seine Autobiographie zu Lebzeiten im Manuskript abzuschließen: ein Versuch, aus den eigenen Zwiespältigkeiten heraus der Nachwelt eine stimmige Lebens- und Berufsgeschichte zu hinterlassen. [129] Selbst sein Grabrelief, das sich heute im Münchner Dom befindet, hatte Faulhaber schon bei Prof. Dr. Theodor Georgii in Auftrag gegeben, seine eigene Deutung der von ihm gewählten Symbolsprache gegeben und sein an die Diözesanen gerichtetes „Testament“ als letzten Hirtenbrief vorbereitet. „Und habe ich, als ich für die Rechte Gottes und die Freiheit der Kirche und meine Weltanschauung eintreten musste, zu scharfe Worte gesprochen und irgend jemand ohne Absicht gekränkt, so bitte ich, mir nichts nachzutragen und mir den Trost zu lassen, dass ich im Frieden mit allen Menschen zum Vater heimgehe.“ [130]

Diese traditionell katholische Formulierung am Ende des Lebens mit der Bitte um Verzeihung enthält bei Faulhaber besondere Hinweise auf seinen Einsatz und auf dessen Rezeption: Anerkennung wurde Faulhaber immer dann zuteil, wenn er mutig zur Verteidigung von Menschenrechten als in den Rechten Gottes wurzelnd öffentlich auftrat, so im November 1923. Weil er damals von der Kostbarkeit jedes Menschenlebens sprach, also auch des Lebens der Juden, prägte sich dies bleibend ein, denn die Wortwahl fiel völlig aus dem Rahmen der auf Juden bezogenen zeitgenössischen Redeweise. Sobald Faulhaber aber seine diffus katholisch-völkisch-faschistische „Weltanschauung“ öffentlich vertrat, mussten sich sowohl persönliche (familiäre) als auch innere lehrmäßige Widersprüche ergeben, bei denen er Anleihen an aktuelle nationalsozialistische Terminologie machte, um sie katholisch zu interpretieren, so in der Weingartener Predigt und bei späteren Äußerungen: „Blutsgemeinschaft“ und „Schädlinge der Volksgemeinschaft“. Preysings kluger Warnung zufolge musste das misslingen. Doch das hätte auch Faulhaber erkennen müssen. Dem Journalisten, der seinen Artikel für die Allgemeine Zeitung mit dem Pseudonym „Erasmus“ zeichnete, wird man daher mit Blick auf die Jahre 1923/24 und 1933/34 beipflichten müssen: „Kardinal Faulhaber zeigt ein zwiespältiges Wesen.“


Anmerkungen
[*]Teilergebnisse wurden bereits in Veranstaltungen des „Münchner Arbeiteskreises Katholizismus-/ Protestantismusforschung“ vorgestellt: „’Die Zahl der Paten in Uniform wächst von Tag zu Tag’. Das Jahr 1933 im Tagebuch Kardinal Faulhabers“. Vortrag auf dem Studientag „Ergriffen und angegriffen – Katholiken, Protestanten und die ‚Machtergreifung’“. Evangelische Akademie Tutzing, 3. März 2013; „Münchner Katholiken und der Hitlerputsch“. Münchner Volkshochschule – Offene Akademie im Gasteig, 6. März 2013. Der Aufsatz ist ein Ergebnis der Forschungen im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts: Katholische Kriegsfriedensdiskurse (1914/18-1939/45). München zwischen kulturellem Pluralismus und „Hauptstadt der Bewegung“, das am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen bei Prof. Dr. Andreas Holzem angesiedelt ist.
[1] Zur Klärung der Fragen sollen die mir seit Mai 2012 zur wissenschaftlichen Erforschung zugänglichen Tagebücher Faulhabers mit herangezogen werden. Sie erlauben neben der Auswertung der öffentlichen Seite des Auftretens die Berücksichtigung der persönlichen Aufzeichnungen zu Gesprächskontakten, eigenen Lagebeurteilungen, Deutungen und Befindlichkeiten. Vgl. zu ersten Auswertungsergebnissen der in Gabelsberger Stenografie geschriebenen Tagebücher Faulhabers: Antonia Leugers, Einleitung: Zwischen Revolutionsschock und Schulddebatte, in: dies. (Hg.), Zwischen Revolutionsschock und Schulddebatte. Münchner Katholizismus und Protestantismus im 20. Jahrhundert, Saarbrücken 2013, S. 9-29. URL: /ojs2/index.php/tg_beihefte/article/view/610
Dies., „weil doch einmal Blut fließen muß, bevor wieder Ordnung kommt“. Erzbischof Faulhabers Krisendeutung in seinem Tagebuch 1918/19, in: ebd., S. 61-115.
URL: /ojs2/index.php/tg_beihefte/article/view/612
Dies., Katholische Kriegsfriedensdiskurse der Münchner Zwischenkriegszeit, in: ebd., S. 143-189. URL: /ojs2/index.php/tg_beihefte/article/view/614
Dies., „Mordpläne offen vor der Welt“. Gerhard Lehfeldt als Mahner der Kirchen im März 1943, in: theologie.geschichte 8 (2013). URL: /ojs2/index.php/tg/article/view/534/573
Dies., „die Kirche soll einschreiten“. Hilferufe von Sinti und Roma angesichts ihrer Deportation 1943, in: theologie.geschichte 8 (2013). URL: /ojs2/index.php/tg/article/view/548/587;
Brigitte Zuber, Die Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher (AKD) in München und Kardinal Faulhaber, in: theologie.geschichte 9 (2014). URL: /ojs2/index.php/tg/article/657/702
[2] Vgl. Rüdiger Bergien, Die bellizistische Republik. Wehrkonsens und „Wehrhaftmachung“ in Deutschland 1918-1933, München 2012, S. 121-130.
[3] Vgl. Markus Schmalzl, Erhard Auer. Wegbereiter der Parlamentarischen Demokratie in Bayern, Kallmünz/Opf. 2013, S. 461-467; Martin H. Geyer, Verkehrte Welt. Revolution, Inflation und Moderne: München 1914-1924, Göttingen 1998, S. 349-350.
[4] Vgl. das von Guttenbergs Freund geschriebene Lebensbild: Anton Ritthaler, Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg. Ein politisches Lebensbild, Würzburg 1970; vgl. die von Guttenbergs Tochter geschriebene Biographie: Maria Theodora Freifrau von dem Bottlenberg-Landsberg, Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg (1902-1945). Ein Lebensbild, Berlin 2003. Vgl. zu den genannten Verbindungen Guttenbergs: Christoph Hübner, Ein bayerischer Vertreter des Weimarer „Rechtskatholizismus“. Max Buchner als Historiker, Politiker und Publizist in München und Würzburg (1919-1933), in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 66 (2006), S. 441-461, hier: S. 449; Uwe Rohwedder, Deutscher Hochschulring (DHR), in: Historisches Lexikon Bayerns. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/article/artikel_44695; Hans-Christof Kraus, Süddeutsche Monatshefte, in: ebd. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/article/artikel_44812; Johannes Baur, Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung, 1920/21-1924, in: ebd. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/article/artikel_44867;  Christoph Hübner, Vaterländische Verbände, 1918/19-1933, in: ebd. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/article/artikel_44623; Bruno Thoß, Brigade Ehrhardt, 1919/20, in: ebd. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/article/artikel_44457; Paul Hoser, Münchner Neueste Nachrichten, in: ebd. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/article/artikel_44551; Artikel Gäa (historischer Verband). URL:  de.wikipedia.org/wiki/Gäa_(historischer_Verband). (Letzter Zugriff jeweils 14.12.2014)
[5] Ritthaler, Guttenberg (wie Anm. 4), S. 9-12, Zitat S. 12; vgl. Bottlenberg-Landsberg, Guttenberg (wie Anm. 4), S. 34-40: Bottlenberg-Landsberg, die sich neben nicht präzise bezeichneten Tagebuchblättern und Aufzeichnungen des Vaters (ohne Angabe des Archivs) auch auf Ritthaler stützt, unterlässt es, die Gruppierungen und Persönlichkeiten um Guttenberg 1923 näher politisch einzuordnen, da ihr Augenmerk auf dem späteren Guttenberg als Mann des Widerstands gegen den Nationalsozialismus liegt.
[6] Zuschrift von Karl Ludwig Freiherr zu Guttenberg, Mitglied des Führerausschusses des Deutschen Hochschulringes, in: Völkischer Beobachter [= VB] v. 19.10.1923, S. 2; vgl. Derek Hastings, Catholicism and the Roots of Nazism. Religious Identitiy and National Socialism, Oxford 2010, S. 144-145.
[7] In den Tagebüchern, losen Blättern und gesonderten Aufzeichnungen schlagen sich die Stufen der Anfragen durch Mittelsmänner Reichskanzler Stresemanns nieder (Baron Geier „Vultur“ und Mittelmann) sowie in den autobiographischen Notizen: vgl. Aufzeichnungen Faulhabers [= AF], 22., 23. u. 27.9., 14.10.1923. Erzbischöfliches Archiv München [= EAM], Nachlass Faulhaber [= NLF], 10008. Faulhaber erklärte (14.10.), er sei Föderalist, der die Weimarer Verfassung für ein Unglück halte. Er wolle in der Michaelskirche über „Nationalsozialismus und Christentum“ sprechen und über Bayern und Reich. Zu Faulhabers Verbindungen ins rechte Lager vgl. Leugers, Krisendeutung, S. 106-114 (wie Anm. 1).
[8] AF, 31.10.1923. EAM, NLF, 10008: „Das Herzklopfen wieder stärker bei Tag und in der Nacht. In der Hl. Messe war ich so ergriffen, als ob es das letzte Opfer wäre. Es ist heilsam und auch schön. Bei der Hl. Messe oder nach dem Deogratias des letzten Evangeliums sterben, erscheint mir nicht mehr furchtbar.“ AF, 2.11.1923. EAM, NLF, 10009: „3 hl. Messen für Allerseelen nach einer schlechten Nacht, die ein lautes Memento mori war. Schweres Herzklopfen und nachmittags ging ich mit großer Ergriffenheit beichten und betete dann den Kreuzweg in St. Anna. Fiat, fiat!“ Er las das Testament nochmals, abends ging er ins Mutterhaus.
[9] AF, 4.11.1923. EAM, NLF, 10009: 5 Uhr Allerseelenpredigt im Dom. „Die Nacht darauf war nicht mal so schlecht, mit der Hilfe von Baldriantropfen.“
[10] „Allerseelenpredigt des Herrn Kardinals im Dom 1923 über das Thema: ‚Die leidende Kirche und der deutsche Job’“, in: Bayerischer Kurier [= BK] v. 6.11.1923, S. 3-4, hier: S. 4. Die Formulierung wurde unterschiedlich überliefert: „Es darf niemand verhungern, niemand erfrieren; auch der Jude nicht. Sein Leben ist ebenfalls kostbar,“ in: „Allerseelenpredigt des Münchner Kardinals“, Zeitungsausschnitt, handschriftlicher Vermerk „aus Meran“, nach 4.11.1923. EAM, NLF, 4203/1; vgl. Leugers, Krisendeutung, S. 98 (wie Anm. 1).
[11] AF, 27.9.1923. EAM, NLF, 10008: Faulhaber hatte Geier gegenüber die „Idee von der sittlichen Erneuerung“ vorgeschlagen. Minister Schweyer erläuterte, warum Kahr so schnell zum Generalstaatskommissar ernannt worden war, weil Hitler schon „losschlagen“ wollte: AF, 6.10.1923. EAM, NLF, 10008. AF, 5.11.1923. EAM, NLF, 10009: Geier kam von Stresemann: „Ich habe große Bedenken – überhaupt in die Politik einzugreifen und ohne die bayr. Inft.“
[12] „Kardinal Faulhaber als Judenschützer“, in: VB v. 6.11.1923; vgl. AF, 6.11.1923. EAM, NLF, 10009: „Nachmittags sehe ich in der Türkenstraße, wie sich die Leute um den blau gestrichenen Völkischen Beobachter drängen – es ist ein Artikel gegen mich, weil ich in der Allerseelenpredigt den Hass gegen die Juden als unchristlich bezeichnet habe.“
[13] „Eine Allerseelenpredigt des Kardinals Faulhaber“, in: Münchener Post v. 8.11.1923.
[14] AF, 8.11.1923. EAM, NLF, 10009: „Rabbiner Baerwald – nicht angemeldet, dankt für die Kundgebung zu Gunsten der Israeliten.“
[15] Vgl. Leugers, Kriegsfriedensdiskurse, S. 159 (wie Anm. 1).
[16] Faulhaber an Stresemann, 6.11.1923, in: Ludwig Volk (Bearb.), Akten Kardinal Michael von Faulhabers 1917-1945. I: 1917-1934, Mainz 1975, S. 318 mit Anmerkung 1, S. 319-320, hier: S. 319 ; vgl. „Kardinal Faulhaber“, in: VB v. 8.11.1923; „Katholizismus und Bürgerkrieg. Eine Warnung Kardinal Faulhabers“, in: BK v. 8.11.1923; vgl. Leugers, Krisendeutung, S. 98-99 (wie Anm. 1).
[17] Faulhaber an Stresemann, 6.11.1923, in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 318 mit Anmerkung 1, S. 319-320; vgl. auch Kardinal Faulhaber, Die Myrrhen meiner Bischofsjahre. 15.1.1939 (Manuskript, S. 312-322). EAM, NLF, 9269.
[18] AF, 8.11.1923. EAM, NLF, 10009: Der Besucher äußerte sich antisemitisch, Stresemann sei Freimaurer, seine Frau eine Jüdin, die russischen Juden würden die Kirchen hier ausplündern! Vgl. für die folgenden Schilderungen Faulhabers vom 8.-12.11. u. 14.11.1923: „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058; vgl. dazu auch die autobiographischen Aufzeichnungen: Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 197-198, 289-291. Ludwig Volk (Der bayerische Episkopat und der Nationalsozialismus 1930-1934, 2. Aufl., Mainz 1966, S. 14-21) durfte diese Quelle bereits für seine Dissertation benutzen.
[19] Ein Fotovergleich zwischen beiden mag hier Anhaltspunkte liefern: Hans Rauch (1876-1936) in: http://www.reichstagabgeordnetendatenbank.de und Gustav von Kahr (1862-1934) in: http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_von_Kahr
[20] Vgl. Ritthaler, Guttenberg (wie Anm. 4), S. 12-13. Guttenberg habe einem Freund acht Tage später geschrieben laut Ritthaler, die „furchtbare Tragik dieser Tage“ sei gewesen, dass Kahr „keinen anderen Weg ausfindig machen konnte als den Betrug und im weiteren Verlauf deutsches Blut, und zwar der Besten, vergießen mußte“. Der Staatsstreich sei verfrüht gewesen. Er wollte, in den Worten Ritthalers formuliert, dann daran arbeiten, das „sinnlose Zerwürfnis zwischen der feurigen völkischen Bewegung“ und den staatlichen Machthabern in eine politische Weggemeinschaft zu verwandeln. Er pflegte nun die Nähe zum Generalstaatskommissariat und zum Wehrkreiskommando VII.
[21] Vgl. Marianne Neboisa, Ellen Ammann geb. Sandström, 1870-1932. Dokumentation und Interpretation eines diakonischen Frauenlebens, St. Ottilien 1992.
[22] AF, 8.11.1923. EAM, NLF, 10009: Im Hotel Wagner „Nachricht über Revolut[ion]“. Notiz 9.11.1923 (ebd.) „Die Hitler Revolution“. Vgl. Walter Nickmann, Der Hitler-Ludendorff-Putsch, in: Joachim Schröder, Die Münchner Polizei und der Nationalsozialismus, Essen 2013, S. 38-45; Walter Ziegler, Hitlerputsch, 8./9. November 1923, in: Historisches Lexikon Bayerns. URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/article/artikel_44511.
[23] „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058.
[24] „Die Hetze in München“, in: BK v. 13.11.1923. Vor dem Palais hätten sie geschrieen: „’Nieder mit dem Kardinal’. ‚Euer Judenkardinal gehört auch weg’.“
[25] „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058. Vgl. „Die protestierenden Studenten“, in: BK v. 13.11.1923: „Am Samstag [= 10.11.1923] wurde vor dem erzbischöflichen Palais eine Demonstration veranstaltet, die sich in den wüstesten Beschimpfungen des Herrn Kardinals erging.“ „Zur Charakteristik des Hitler-Putsches“, in: BK v. 13.11.1923: „Aber um die Wahrheit war es denen nicht zu tun, die eine unerhört wüste Hetze gegen ‚den Faulhaber’ trieben, die ihm am Samstag vor seinem Palais eine Katzenmusik machten und ihn am Sonntag bei der Rückkehr von einer Kirchenkonsekration anlümmelten.“
[26] „Die protestierenden Studenten“, in: BK v. 13.11.1923.
[27] Vgl. Ritthaler, Guttenberg (wie Anm. 4), S. 13-15; Susanne Meinl, Nationalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutionäre Opposition um Friedrich Wilhelm Heinz, Berlin 2000, S. 84; Karl Alexander von Müller, Im Wandel einer Welt. Erinnerungen Band drei 1919-1932, hg. v. Otto Alexander von Müller, München 1966, S. 173-174. Vgl. „Die Hetze in München“, in: BK v. 13.11.1923; „Wiedereröffnung der Universität“, in: BK v. 16.11.1923.
[28] „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058. Vgl. Marie-Emmanuelle Reytier, Maria Freiin von Gebsattel (1885-1958). Eine Adelige mit bürgerlichem Engagement, in: Gisela Muschiol (Hg.), Katholikinnen und Moderne. Katholische Frauenbewegung zwischen Tradition und Emanzipation, Münster 2003, S. 223-237, hier: S. 231: Gebsattel war unter dem Kultusminister Franz Matt Fachberaterin des höheren weiblichen Bildungswesens.
[29] „Ein Lügensumpf“, in: BK v. 15.11.1923.
[30] „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058. Dass die „antikatholischen Instinkte“ nun „durch den Hitler-Putsch zum offenen Durchbruch“ kamen, wertete auch der BK (v. 14.11.1923: „Katholisches Volk Augen auf!“) als positiv: „Und es ist gut, dass sie ans Tageslicht kamen.“ Vgl. auch die Berichte von Nuntius Eugenio Pacelli zum Hitlerputsch, in: Gerhard Besier, Francesca Piombo, Der Heilige Stuhl und Hitler-Deutschland. Die Faszination des Totalitären, München 2004, S. 64-68; vgl. die Online-Edition der Nuntiaturberichte dieser Tage von Eugenio Pacelli, die seit September 2014 zugänglich sind. URL: http://www.pacelli-edition.de.
[31] „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058.
[32] „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058.
[33] „Persönliches z[um] Hitlerputsch, 9. Nov[ember] 1923. EAM, NLF, 10058.
[34] Münchener Katholische Kirchenzeitung [= MKKZ] v. 25.11.1923, S. 374: „Die Hitlerbewegung“; vgl. MKKZ v. 18.11.1923, S. 365: „Der Hitler-Putsch“.
[35] „Katholisches Volk Augen auf!“, BK v. 14.11.1923.
[36] Ernst Precht: „Die Sturmflut des Hasses“, in: Das jüdische Echo [= DjE] v. 30.11.1923, S. 493. DjE war am 15.10.1923 letztmals erschienen, reagierte also deshalb erst so spät auf die Ereignisse.
[37] „Kardinal Faulhaber gegen die Judenhetze”, in: DjE v. 30.11.1923, S. 497.
[38] Frau Dr. K. an Faulhaber, 30.11.1923, Faksimile in: Kardinal Michael von Faulhaber. 1869 bis 1952 (Ausstellungskatalog), München 2002, S. 324-325.
[39] Die Betriebsräte der Masch. Fab. MAN & L.A. Riedinger, Augsburg, an Faulhaber, 1.12.1923. EAM, NLF, 9262; vgl. Bankbeamter Hanns E. F., München, an Faulhaber, 7.11.1923; Josef K., München, an Faulhaber, 7.11.1923. EAM, NLF, 9262.
[40] Carl Christian Bry, Der Hitler-Putsch. Berichte und Kommentare eines Deutschland-Korrespondenten (1922-1924) für das „Argentinische Tag- und Wochenblatt“, hg. v. Martin Gregor-Dellin, Nördlingen 1987. Für den Hinweis auf diese Quelle danke ich Dr. Ulrich Dittmann.
[41] „Kardinal Faulhaber“, in: VB v. 8.11.1923.
[42] Bry, Hitler-Putsch (wie Anm. 40), S. 161-162: Notiz vom 13.11.1923, Druck vom 22.12.1923.
[43] Vgl. Kahr an Faulhaber, 18.11.1923 (Druck in: BK v. 12.12.1923), in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 320 Anm. 1.
[44] Bry, Hitler-Putsch (wie Anm. 40), S. 177: Notiz vom 17.12.1923, Druck vom 25.1.1924. Carl Christian Bry [= Decke, Karl] war selbst vom Saulus zum Paulus geworden, da er im Januar 1921 in die NSDAP eingetreten war und für den Völkischen Beobachter geschrieben hatte, sich dann aber distanzierte. Vgl. Carl Christian Bry, Verkappte Religionen. Kritik eines kollektiven Wahns, Gotha 1924. Vgl. Hastings, Catholicism (wie Anm. 6), S. 163, 243-244.
[45] „Forderungen der Münchener Katholiken“, in: BK v. 12.12.1923; vgl. Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 323: „Selbstverständlich wollte er nie das entschuldigen, was in den letzten Jahren durch jüdische Revolutionäre und Wucherer am deutschen Volk und Volkswohl gesündigt worden ist.“
[46] Hans Rauch: „Lehren des 8. November“, in: BK v. 17./18.11.1923. Vgl. Michael Volpert, Kardinal Faulhaber in der Münchner Tagespresse nach dem Ersten Weltkrieg (1918-1925/26), in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte 47 (2003), S. 79-252, hier: S. 156-157: Volpert geht auf diesen Artikel nicht ein.
[47] „Deutsches Ehrgefühl und katholisches Gewissen. 23 Thesen unseres Kardinals an die katholischen Studenten“, in: BK v. 16.2.1924.
[48] Michael Kardinal Faulhaber, Deutsches Ehrgefühl und Katholisches Gewissen (Zur religiösen Lage der Gegenwart, H. 1), München 1925, S. 9-46, hier: S. 21-22, 25.
[49] Vgl. Leugers, Kriegsfriedensdiskurse, S. 148-164 (wie Anm. 1).
[50] Faulhaber, Ehrgefühl (wie Anm. 48), S. 42.
[51] Faulhaber, Ehrgefühl (wie Anm. 48), S. 12. Pius XI. halte große Stücke auf Mussolini, so wurde es Faulhaber vom Nuntius zugetragen: AF, 23.3.1923. EAM, NLF, 10008. Beim Papstbesuch in Rom sei Faulhaber für den Stresemann-Brief gelobt worden, habe einen ausgezeichneten Eindruck gemacht: AF. EAM, NLF, 9265/1.
[52] Faulhaber, Ehrgefühl (wie Anm. 48), S. 13-14. Interessant ist die entschiedene Verteidigung dieses Zitates, das beim gekürzten Druck in der Zeitung fehlte („Deutsches Ehrgefühl und katholisches Gewissen. 23 Thesen unseres Kardinals an die katholischen Studenten“, in: BK v. 16.2.1924), auch noch in: Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 24: „Auf alle Hinweise, der Erzbischof von München habe von einem überspannten Nationalsozialismus gesprochen und den Nationalsozialismus die Häresie des 20. Jahrhunderts genannt, hat er selber schon im Jahre 1925 in seinem Buch ‚Deutsches Ehrgefühl und Katholisches Gewissen’ S. 13 die Antwort gegeben“: es folgt das Zitat. Vgl. auch für 1929: AF, [1929]. EAM, NLF, 10038: Falsche Schlussfolgerungen aus seiner Papstrede mit Bemerkung über Mussolini. Der Faschismus in Italien und die Nationalsozialisten seien nicht gleich, sondern wie „Urbild“ und „schlechter Abklatsch“. In Italien: keine Juden- und Katholikenhetze, kein Ludendorff in deren Reihen. In Deutschland fehle ein Mussolini und Diktator. Eine sittliche Wiedergeburt mit der vaterländischen Wiedergeburt sei nötig. Faulhaber bewegte sich offenbar im Rahmen einer „Führererwartung“: vgl. Thomas Mergel, Führer, Volksgemeinschaft und Maschine. Politische Erwartungsstrukturen in der Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus 1918-1936, in: Wolfgang Hardtwig, Politische Kulturgeschichte der Zwischenkriegszeit 1918-1939, Göttingen 2005, S. 91-127. Volpert, Faulhaber (wie Anm. 46), S. 159 vermeidet eine Analyse des Zitats von Faulhaber über Hitler.
[53] Faulhaber, Ehrgefühl (wie Anm. 48), S. 34-35.
[54] Vgl. Hastings, Catholicism (wie Anm. 6), S. 143-185. AF. EAM, NLF, 10038: „Der bayerische Antisemitismus war aber nur das Schild, das vorgehalten wurde, um die antikatholischen Absichten zu verdecken. In den Tagen des Hitlerputsches wurde das Schild sofort weggeworfen und im Hass gegen alles Katholische wälzte sich eine Schlammflut übers Land. Was da zusammengelogen wurde – die Studenten gegen den Hl. Vater und gegen den Bischof, das ist nicht der italienische Faschismus, das ist der amerikanische KuKluxKlan.“
[55] AF, 7.4.1924. EAM, NLF, 10009. Zu den Wahlergebnissen in München vgl. Geyer, Verkehrte (wie Anm. 3), S. 355-356.
[56] Vgl. Der Hitler-Prozess 1924. Wortlaut der Hauptverhandlung vor dem Volksgericht München I, hg. v. Lothar Gruchmann u.a., München 1997-1999; vgl. auch bei späteren Anschuldigungen Faulhabers: Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 290.
[57] AF, 28.4.1924. EAM, NLF, 10010.
[58] „Die bayerische Regierung gegen die Katholikenhetze“, in: DjE v. 9.5.1924, S. 61.
[59] Vgl. dazu auch Christoph Kösters, „Kulturkampf“ im Dritten Reich – Zur Deutung der Konflikte zwischen NS-Regime und katholischer Kirche im deutschen Episkopat, in: Die Kirchen und die Verbrechen im nationalsozialistischen Staat, hg. v. Thomas Brechenmacher, Harry Oelke, Göttingen 2011, S. 67-112.
[60] Zu bischöflichen Warnungen vor der NSDAP, zu den Pastoralanweisungen 1930-1932 vgl. neuerdings: Christoph Hübner, Die Rechtskatholiken, die Zentrumspartei und die katholische Kirche in Deutschland bis zum Reichskonkordat von 1933. Ein Beitrag zur Geschichte des Scheiterns der Weimarer Republik, Münster 2014, S. 619-669.
[61] Olaf Gulbransson: Wer schützt Gott vor seinen Freunden?, in: Simplicissimus 37. Jg. v. 5.6.1932, Nr. 10. Ich danke Dr. Ulrich Dittmann für diesen Hinweis.
[62] Vgl. Hübner, Rechtskatholiken (wie Anm. 60), S. 646-673; vgl. auch Olaf Blaschke, Die Kirchen und der Nationalsozialismus, Stuttgart 2014.
[63] Adolf Wagner: „Aufruf! Wir wollen katholisch bleiben!“, in: Die Front. Kampfblatt des Gaues München-Oberbayern der N.S.D.A.P. Herausgeber: Adolf Wagner, [= DF] v. 9.4.1932; Gegen die Vorwürfe der Münchener Post: „’Nazibewegung schürt Katholikenhaß’. Geisteskrankheit oder Wahlschwindel?“, in: DF v. 11.6.1932: „Der Nationalsozialismus rüttelt nicht an religiösen Dogmen und steht unerschütterlich auf dem Boden der christlichen Konfessionen.“ Foto mit katholischen Schwestern: „Wahlidyll aus Bayern. Laut Wahltabelle in Nr. 98 der ‚Münchner Neuesten Nachrichten’ wurden in dem Wahlbezirk des Klosters der ‚Frauen vom guten Hirten’ Preysingstraße 83 in München, drei Stimmen für Hitler abgegeben!“, in: Illustrierter Beobachter [= IB] v. 23.4.1932; Adolf Wagner: „Abermals: Wir wollen katholisch bleiben!“, in: DF v. 23.4.1932; „An alle Katholiken!“, in: DF v. 23.7.1932;
„Wie urteilen katholische Persönlichkeiten über die Bayerische Volkspartei?“, in: DF v. 30.7.1932; Foto: „Sturmbann III der Standarte 139 Leisnig beim [evangelischen] Gottesdienst“, in: IB v. 13.8.1932; „’Das heidnische’ Hakenkreuz in der Kirche“, in: DF v. 27.8.1932: „Unser Bild zeigt eine Aufnahme in der Bennokirche in München. Man erkennt deutlich die Hakenkreuze, mit denen der Seitenaltar geschmückt ist. Acht Hakenkreuze in einer Kirche! Steht diese Tatsache nicht in schreiendem Widerspruch zur Wahlagitation der ‚Bayr. Volkspartei’, die immer wieder das Hakenkreuz als ‚heidnisches Symbol’ bezeichnete?“
[64] Vgl. zur „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher“ und ihrer Vorläuferorganisation mit Literatur- und Quellenverweisen: Heike Kreutzer, Das Reichskirchenministerium im Gefüge der nationalsozialistischen Herrschaft, Düsseldorf 2000, S. 52-60; zur AKD und Faulhabers Kalkül für München vgl. Leugers, Kriegsfriedensdiskurse, S. 179-184 mit Anmerkungen (wie Anm. 1). Vgl. neuestens: Zuber, Arbeitsgemeinschaft (wie Anm. 1).
[65] „Die einzige Parole: ‚Wählt Adolf Hitler’, in: DF v. 2.4.1932: „Die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Deutschen erlässt folgenden Aufruf: Katholische Deutsche!“ Unterzeichner: Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher. I.A.: Der Arbeitsausschuss. Lossau, Schmidt-Pauli, Schorlemer; „Bemerkenswerte Tage aus dem Jahre 1933. Geschehnisse in Politik, Wirtschaft und Religion“, in: BK v. 28.12.1933: „3. Okt.: Gründung der ‚Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher’“; „7. Nov.: Erste Massenversammlung der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Deutscher in München. Appell zu einem ‚Ja’ für Hitler“.
[66] „Das ist Adolf Hitler!“, in: Die Front im Bild v. 1.4.1932: „Eine photographische Zufälligkeit wird zum Symbol. Adolf Hitler, der angebliche ‚Ketzer’, beim Verlassen der Marinekirche in Bremerhaven. Glaubst Du, dass dieser Mann ein ‚Wotansanbeter’ ist? Glaubst Du, dass dieser Mann ein ‚Antichrist’ ist? Glaubst Du, dass dieser Mann Kirchen und Klöster anzündet? Das glaubst Du, gegnerischer Redner, ja selbst nicht mehr!“; „Das Geheimnis von Dietramszell“, in: IB v. 3.12.1932: Fotos: Wahlplakat „Das ist Adolf Hitler der Mensch“; Salesianerinnen auf dem Weg zum Wahllokal in Dietramszell, wo mehrheitlich Hitler gewählt wurde, dem Sommersitz Hindenburgs. Vgl. Thomas Weidner, Henning Rader, Typographie des Terrors. Plakate in München 1933 bis 1945 (Ausstellungskatalog Münchner Stadtmuseum) Heidelberg, Berlin 2012, S. 63: Werbeplakat 1932/1933 „Das ist Adolf Hitler der Mensch und Führer des deutschen Volkes“ mit dem Foto und der verkürzten Bildunterschrift „Adolf Hitler, der angebliche ‚Ketzer’ beim Verlassen einer Kirche“.
[67] AF, 8.3.1932. EAM, NLF, 10014; vgl. AF, 13.3.1932. EAM, NLF, 10014: Er rechne mit einem blutigen Putsch, falls Hitler nicht gewählt werde. „Ich habe mich bereitet. Seit 3 Tagen geräumt, geordnet, Testament neu überlesen, rückständige Zahlungen erledigt. In manus tuas Domine. ... jedenfalls werde ich meinen Posten nicht verlassen.“ Vgl. AF, 10.4.1932. EAM, NLF, 10014.
[68] Hitler selbst benutzte „Gott“ „Vorsehung“ „Glaube“ als zentrale Begriffe: vgl. Rainer Bucher, Hitlers Theologie, Würzburg 2008. Faulhaber zeigte sich dadurch beeindruckt, vgl. Aufzeichnung Faulhabers über eine Audienz bei Pius XI., 10.3.1933, in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 660.
[69] AF, 6.11.1932. EAF, NLF, 10014. Beim Besuch Papens im März habe er ihm nicht gesagt, dass er beim letzten Mal die BVP nicht gewählt habe: Aufzeichnung Faulhabers über eine Unterredung mit Papen, 1.3.1933, in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 654.
[70] Fastenhirtenbrief Faulhabers, 10.2.1933, in: Amtsblatt der Erzdiözese München und Freising [= AB MF], 21.2.1933, S. 57-64.
[71] Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 25.
[72] Alois Natterer, Der bayerische Klerus in der Zeit dreier Revolutionen 1918-1933-1945. 25 Jahre Klerusverband 1920-1945, 2. Aufl., München 1946, S. 237: Die NSDAP habe für Hitler mit kleinen Anklebezetteln geworben, auf denen stand: „’Katholiken! Wählt den gläubigen Katholiken Adolf Hitler!’“. In der „Münchner Wacht“ Nr. 5, 1932, wurde das Bild „’Adolf Hitler beim Verlassen einer Kirche’“ abgebildet. „Das gleiche fromme Bild konnte man in München vor der Wahl am 5. März 1933 auf Plakatsäulen sehen; auch Ansichtskarten trugen das Bild des ‚Kirchenbesuchers’ ins Land hinaus.“
[73] AF, 3.3.1933. EAM, NLF, 10015: Faulhaber schaut die Wahlplakate der NSDAP „nach dem Stil Mussolini“ und der BVP an, die aus seinem Fastenhirtenbrief zitiert „also den ganzen Hass auf mich lenken“.
[74] AF, nach 18.3.1933. EAM, NLF, 10015: „Gerade als ich abends 7 [Uhr am 10.3.1933] zur Audienz [Papst Pius’ XI.] kommen sollte, kommt Telef. von Gen.Vic., es sei Revol. gewesen, viele verhaftet, den Geistlichen sei nichts geschehen.“ Vgl. Buchwieser an Faulhaber, 10.3.1933, in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 662-663.
[75] Schmalzl, Auer (wie Anm. 3), S. 514: „unter missbräuchlicher Anwendung der Reichstagsbrandverordnung“.
[76] Zu Hitlers Regierungserklärung vom 23.3. und zur Kundgebung des Episkopats vom 28.3.1933 vgl. Hübner, Rechtskatholiken (wie Anm. 60), S. 762-774.
[77] AF, 24., 25., 27., 29.4.1933, 4., 6.5., 8., 13.6.1933. EAM, NLF, 10015: Siebert, Epp, Esser, Röhm, Schemm, Wagner; Faulhaber notierte beim Gruß Staatssekretärs Dauser z.B. eigens: „Ich grüße mit dem Heil Hitler, weil ich komme, die Denkschrift dem Führer zu überreichen.“ AF, 25.8.1935. EAM, NLF, 10016. Messen zur Eröffnung des bayerischen Landtags 1928, 1932, 1933: AF. EAM, NLF, 10038. Vgl. Ludwig Volk, Kardinal Faulhabers Stellung zur Weimarer Republik und zum NS-Staat, in: Stimmen der Zeit 177, März 1966, H. 3, S. 173-195, hier: S. 184.
[78] Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 25.
[79] Zu „Kreuz und Adler“ (17.3.1933 gegründet) und zur „Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher“ vgl. Hübner, Rechtskatholiken (wie Anm. 60), S. 752-759, 785-786.
[80] Vgl. AF, 30.3., 17.5., 24.7., 9.11.1933. EAM, NLF, 10015. Vgl. Thies Schulze, Antikommunismus als politischer Leitfaden des Vatikans? Affinitäten und Konflikte zwischen Heiligem Stuhl und NS-Regime im Jahr 1933, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 3 (2012), S. 353-379; Klaus Unterburger, Kuriales Interesse, NS-Staat und Demokratie. Weshalb die heutige Quellenlage für Klaus Scholders Junktimsthese spricht, in: Dominik Burkard, Nicole Priesching (Hg.), Katholiken im langen 19. Jahrhundert. Akteure – Kulturen – Mentalitäten, Regensburg 2014, S. 329-348.
[81] AF, 24.7., 23.10., 3.11., 27.11., 21.12.1933. EAM, NLF, 10015.
[82] Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 28; AF, 6.2.1934. EAM, NLF, 10015: Versammlung des Priestervereins im Gesellenhaus, Ansprache Faulhabers „über die friedliche Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat“.
[83] Vgl. AF, 26.2.1934. EAM, NLF, 10015: Faulhaber und Dauser von der AKD. Vgl. Abendblatt, Münchner Telegrammzeitung, 28.2.1934; Bayerischer Kurier, Münchener Fremdenblatt, 5.3.1934. Vgl. Foto Hans Dauser: „Wählt die Männer Adolf Hitlers!“, in: DF v. 23.4.1932: „Dauser Hans, ein alter Kämpfer Adolf Hitlers, Kriegsbeschädigtenobmann Vertreter der Angestellten.“
[84] Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, in: Reichsgesetzblatt 1933 I, S. 529-531; „Verhütung erbkranken Nachwuchses“, in: BK v. 23.-27.12.1933: Dort findet sich kein Hinweis auf den katholischen Standpunkt.
[85] „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, 7.4.1933, in: Reichsgesetzblatt 1933 I, S. 175; vgl. AB MF, 17.8.1933, S. 180: Urkunden zwecks Feststellung arischer Abstammung.
[86] „Eine Predigt von Kardinal Faulhaber”, in: BK v. 29.5.1933, S. 1-2. Die Verwendung des Begriffes „Blutsgemeinschaft“ – ebenso wie „geistig-sittliche Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Volkes“ u.a. – kam aus dem völkischen Begriffsfeld der Völkischreligiösen: vgl. Uwe Puschner, Gemeinschaft. Annäherungen an einen Schlüsselbegriff im völkischen und völkischreligiösen Denken, in: Lucia Scherzberg (Hg.), Gemeinschaftskonzepte im 20. Jahrhundert zwischen Wissenschaft und Ideologie, Münster 2010, S. 97-114, hier: S. 101-109. URL: /ojs2/index.php/tg_beihefte/issue/view/4
[87] Vgl. Hermann Muckermann, Die Religion und die Gegenwart. Grundsätzliches über christliche Welt- und Lebensanschauung im Anschluß an Kanzelvorträge in der St. Matthias-Kirche zu Berlin, 3. Aufl., Essen 1935; Ingrid Richter, Von der Sittlichkeitsreform zur Eugenik. Katholischer Deutscher Frauenbund und eugenische Eheberatung, in: Muschiol, Katholikinnen (wie Anm. 28), S. 255-279.
[88] Faulhaber an Bertram, 29.12.1933, in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 833-834, hier: S. 834; Bericht Faulhabers über eine Unterredung mit Hitler, 4./5.11.1936, in: Ludwig Volk (Bearb.), Akten Kardinal Michael von Faulhabers 1917-1945. II: 1935-1945, 2. durchges. Aufl., Mainz 1984, S. 184-194, hier: S. 191: „in gerechter Notwehr diese Schädlinge von der Volksgemeinschaft fernzuhalten“.
[89] „Weihnachtsansprache des Hl. Vaters“, in: BK v. 29.12.1933: In Casti connubii von 1930 sei „genügend klar ausgesprochen, was die Gläubigen und die Seelsorger davon zu halten haben“.
[90] Fastenhirtenbrief Faulhabers (Auszug), 1934, in: Johannes Neuhäusler, Kreuz und Hakenkreuz. Der Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche und der kirchliche Widerstand, Bd. II, 2. Aufl., München 1946, S. 123-124, hier: S. 123. AF, 9.2.1934. EAM, NLF, 10015: „Heute geht der Hirtenbrief über die Sittenlehre in die Welt – da bisher jede Äußerung über Sterilis[ierungs]Gesetz verboten war, [...].“ Vgl. z.B. zu Berichten über Sterilisierungen in den von katholischen Schwestern betreuten Anstalten: AF, 5.11.1935. EAM, NLF, 10016: Die Generaloberin von Ursberg berichtet „In ihren Anstalten viel steril[isiert worden].“
[91] Vgl. zu einem Fall eines Kindes, das ohne Arm geboren wurde und zu den Spekulationen über die Ursachen: Leugers, Sinti (wie Anm. 1). Zur Nichte des Nuntius Eugenio Pacelli, Elena Rossigniani, deren Mutter, Schwester von Pacelli, nach München kam, um dem Kind in der dortigen „Taubstummenanstalt“ Unterricht erteilen zu lassen von August 1922 bis März 1923 vgl. AF, 5., 13.8., 12., 21.11., 4.12.1922, 15.3.1923. EAM, NLF, 10007 und 10008.
[92] Ich danke der Medizinhistorikerin Tanja Kipfelsperger für den Literaturhinweis zu Ignaz Faulhaber. Vgl. „Exkurs: Ignaz Faulhaber, ein prominenter Pflegling“, in: Barmherzige Brüder Straubing 1884-2009, Straubing 2009, S. 77-79: Ignaz Faulhaber (31.1.1871-12.7.1943), gelernter Bäcker, geschieden, seit 1930 „vermutlich wegen psychischer Probleme“ in der staatlichen Heil- und Pflegeanstalt in Lohr a.M. Als ab Oktober 1940 die Patienten im Rahmen der T4-Aktion in Tötungsanstalten transportiert wurden, sei Ignaz am 17.11.1940 in die Pflegeanstalt Straubing der Barmherzigen Brüder verlegt worden, Aufnahme 18.11.1940. Bei der Ankunft sei er blass gewesen mit reduziertem Kräfte- und Ernährungszustand. Er habe eine „verkrüppelte Hand“ gehabt. Er habe an Wahnideen gelitten. Ignaz war Selbstzahler, „Couvert ohne Firmenaufdruck“ an Frl. Katharina Faulhaber, Promenadestr. 7. Ende August 1941 habe man sich vom Ministerium telefonisch erkundigt nach Ignaz. Prior Fleischmann nahm an, man werde alle Pfleglinge holen und bat um Äußerung Katharinas. Am 4.9.1941 wurde Ignaz in die Anstalt für unheilbar Kranke nach Römershag bei Bad Brückenau entlassen, die vom Bezirk Unterfranken getragen und von der Kongregation der Töchter vom Allerheiligsten Erlöser betreut wurde. Am 12.7.1943 starb Ignaz Faulhaber dort. Vgl. auch den Brief Faulhabers an den Reichsjustizminister Gürtner, 6.11.1940, in: Volk, Akten II (wie Anm. 88), S. 689-694; Faulhaber an Wienken, 18.11.1940, in: Volk, Akten II (wie Anm. 88), S. 696-698, hier: S. 698: „Wir halten es für eine Schmähung unseres Volkes, wenn man behauptet, die Angehörigen der Geisteskranken begrüßten zu einem Großteil deren Beseitigung.“ Laut AF, 26.2.1921. EAM, NLF, 10005, war Ignaz schon bei der Bischofsernennung (also vermutlich 1911 für Speyer, weil er 1917 als Soldat diente, vgl. Anm. 99) nach Werneck gekommen, die „Kreisirrenanstalt“ der Töchter des Allerheiligsten Erlösers.
[93] AF, 3.4.[irrtümlich 3.].1935. EAM, NLF, 10016: „Kath[arina] muss ins Bett mit Fieber und kleinem Anfall wie früher.“ Sie musste weiterhin das Bett hüten, vgl. AF, 8.4.1935. EAM, NLF, 10016.
[94] AF, 26. u. 27.2. u. nach 27.2.1921. EAM, NLF,10005: „Robert gestorben“ nach Blindarmoperation. Faulhaber kam eine halbe Stunde nach dem Tod in Hesselbach an und reiste nach Mitternacht gleich wieder ab, um den letzten Zug nach Rom zu seiner Kardinalserhebung nehmen zu können: „o es war herzzerreißend“. AF, 23.u.27.8.1925. EAM, NLF, 10010: Peter sei schwer krank, sei „versehen“ am 26.8. gestorben. Faulhaber erfährt es während der Priesterexerzitien: „beim Kreuzwegbeten am Abend versagt mir bei der 12. Station die Stimme“.
[95] AF, 14.7.1943. EAM, NLF, 10021. Faulhaber notiert von Ignaz’ Gebetshaltung, Lungenentzündung, Bewusstlosigkeit, in der Katharina ihn noch antraf, er sei „ruhig heimgegangen“, noch „versehen“ und am 14. Juli beerdigt worden in Römershag.
[96] AF, 11.8.1943. EAM, NLF, 10021: Während Faulhaber vom 26.7.-13.8.1943 in Adelholzen zur Erholung weilt, war Max Rütgers, Sippenforscher, Sachbearbeiter im Reichssippenamt in Berlin beim Palais, er habe über Faulhaber geforscht.
[97] AF, 29.8.1925. EAM, NLF, 10010: Bei den Exerzitien in Freising habe er in den Nächten schweres Herzklopfen gehabt; „die Todesnachricht von Bruder Peter am 27. August – immer und immer wieder: Sei bereit.“ In den Tagebüchern finden sich zahlreiche Notizen zu „Ölbergstunden“, zum Gefühl, der Herr selbst habe an seine „Türe geklopft“, er sei „zum Sterben bereit“.
[98] Michael Kardinal Faulhaber, Autobiographie, 1944 (Manuskript, S. 61). Archiv des Erzbistums München und Freising [AEM], Dokumentation, Personen 4401/4. Dieses Schreibmaschinen-Exemplar der Autobiographie stamme aus dem Nachlass von Adolf Wilhelm Ziegler, so die mündliche Mitteilung von Thomas Schütte (EAM) vom 25.11.2014.
[99] Foto von 1892/1895 mit Eltern Faulhaber, Michael Faulhaber 1831-1900, Margareta geb. Schmitt 1839-1911, mit den Kindern: Anna Maria 1865-1900, Peter 1867-1925, Michael 1869-1952, Robert 1874-1921, Katharina 1879-1957; Ignaz 1871-1943 wurde einretouchiert. In: Faulhaber, Katalog (wie Anm. 38), S. 112, zur Familie S. 113. Foto auch in: Exkurs (wie Anm. 92), S. 79. Ignaz Faulhaber war am 14.10.1893 zum 5. IR als Rekrut eingerückt, am 26.9.1895 zur Reserve entlassen worden; für 1899 ist eine 14tägige Übung vermerkt. Am 26.2.1917 zur 2. Train-Ers.Abt., 1. Ers.-Eskradron eingerückt; Feldzug gegen Russland mitgemacht; 30.12.1917 entlassen. Als Berufsangabe und Status: Fuhrmann, ledig. Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Abt. IV Kriegsarchiv. Kriegsstammrollen 1914-1918: Band 6074, Kriegsstammrolle Bd. 14; Band 19699, Bd. 14; Band 6053, Bd. 12; Band 14749. Kriegsstammrolle. Zur Bedeutung von „Körper“ und „Nation“ vgl. Sabine Kienitz, Beschädigte Helden. Kriegsinvalidität und Körperbilder 1914-1923, Paderborn u.a. 2008.
[100] Leugers, Krisendeutung, S. 102-103 (wie Anm. 1).
[101] AF, 6., 11. u. 13.11.1933. EAM, NLF, 10015: „Wir sind im Kulturkampf“; „Wir stehen vor einem Kulturkampf“; „kommenden Kulturkampf“.
[102] Faulhaber an Klein, 4.12.1933, in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 817.
[103] Kardinal Faulhaber, Judentum, Christentum, Germanentum. Adventspredigten gehalten in St. Michael zu München 1933, Druck und Verlag der Graphischen Kunstanstalt A. Huber, München [1934]. Vgl. Petra Ritter-Müller, Armin Wouters, Die Adventspredigten Kardinal Michael von Faulhabers im Jahre 1933. Eine kritische Betrachtung, in: Joachim Mehlhausen (Hg.), ... und über Barmen hinaus. Studien zur kirchlichen Zeitgeschichte, Göttingen 1995, S. 234-252.
[104] Vgl. z. B. Dankbrief von Julius Schulhoff an Faulhaber, 19.1.1934. Faksimile in: Faulhaber, Katalog (wie Anm. 38), S. 332.
[105] Faulhaber, Judentum (wie Anm. 103), S. 116.
[106] AF, 26.1.1934. EAM, NLF, 10015: „Abendmeldungen. Die Rede von Staatsminister Esser: Die Schwarzen als Staatsgefahr. Persönliche Angriffe gegen mich.“ AF, 26.1.1934. EAM, NLF, 10015; Michael Kardinal Faulhaber, Sieben Briefe an den unbekannten Deutschen. Ein Nachwort zu den Adventspredigten. 1.10.1935. (Manuskript, Vorbemerkung und S. 2). EAM, NLF, 9128; Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 154-160. Verlautbarung des Erzbischöflichen Sekretariats, [28.1.1934], in: Volk, Akten I (wie Anm. 16), S. 848-849.
[107] Vgl. Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 154-160.
[108] Vgl. Leugers, Krisendeutung, S. 103-104 (wie Anm. 1). Vgl. auch Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 126-138.
[109] Volk, Weimarer (wie Anm. 77), S. 184.
[110] Faulhaber, Sieben (wie Anm. 106), Vorbemerkung und S. 2.
[111] AF, 30.1.1934. EAM, NLF, 10015. Faulhaber notierte später eigens, wann er erstmals seit dem Reichsflaggengesetz die Hakenkreuzfahne zum Erntedankfest heraushängte: AF, 6.10.1935. EAM, NLF, 10016.
[112] „Kardinal Faulhaber dankt Hitler, dem Friedensbringer“, Weihnachten 1934 in diversen Zeitungen erschienen; vgl. Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17), S. 197-198. AF, 27.12.1934, 9.1.1935. EAM, NLF, 10016. Am 22.3.1935 (EAM, NLF, 10016) erzählte Baron Ifflinger, Faulhaber sei „sehr übel genommen worden“, dass er „das Friedenswerk von Hi[tler] gelobt“ habe.
[113] Morsey, Rudolf (Bearb.), Fritz Gerlich – Ein Publizist gegen Hitler. Briefe und Akten 1930-1934, Paderborn, München, Wien, Zürich 2010; Morsey, Rudolf, Der gerade Weg. Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht, in: Historisches Lexikon Bayerns. URL: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44690 (Aufruf 26.3.2012); Prophetien wider das Dritte Reich. Aus den Schriften des Dr. Fritz Gerlich und des Paters Ingbert Naab O.F.M.CAP. Gesammelt von Dr. Johannes Steiner, München 1946; Michael Schäfer, Fritz Gerlich 1883-1934. Publizistik als Auseinandersetzung mit den ‚Politischen Religionen’ des 20. Jahrhunderts, phil. Diss. (Ms.) München 1998.
[114] Vgl. zu den Unterschieden eines naturrechtlich universalistischen Ansatzes im Gegensatz zu völkischen und rassistischen Positionen: Lucia Scherzberg, Widerstand und Theologie. Zum 100. Geburtstag von Alfred Delp, in: theologie.geschichte Bd. 2 (2007). URL: /ojs2/index.php/tg/article/view/482 Faulhabers Theologie wird noch intensiv zu untersuchen sein nach Bearbeitung und Auswertung seines gesamten Nachlasses durch die geplanten Tagebuch-Editionen. Vgl. zu Münchner reformkatholischen Kreisen: Hastings, Catholicism (wie Anm.6); vgl. zum Dogmatiker Karl Adam: Lucia Scherzberg, Kirchenreform mit Hilfe des Nationalsozialismus. Karl Adam als kontextueller Theologe, Darmstadt 2001; zum Priester Josef Roth: Thomas Forstner, Priester in Zeiten des Umbruchs. Identität und Lebenswelt des katholischen Pfarrklerus in Oberbayern 1918 bis 1945, Göttingen 2014, S. 436-439; Leugers, Kriegsfriedensdiskurse, S. 168-170 (wie Anm. 1).
[115] Faulhaber, Autobiographie (wie Anm. 98), S. 173. Vgl. Otto Weiß, Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995, S. 133-150: Herman Schell, S. 170-180: Albert Ehrhardt.
[116] Faulhaber, Autobiographie (wie Anm. 98), S. 217, 865.
[117] Vgl. Ulrich Dittmann, „Das Bethlehem der Hitlerbewegung.“ Wie christliche Motive in Sprache und Werk der NS-Literaten das Jahr 1933 vorbereiteten, in: theologie.geschichte 9 (2014). URL: /ojs2/index.php/tg/article/view/638
[118] Preysing an die Fuldaer Bischofskonferenz, 31.5.1933, in: Bernhard Stasiewski (Bearb.), Akten Deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-1945, Bd. I: 1933-1934, Mainz 1968, S. 238.
[119] Erasmus: „Papst oder Kardinal? Nachwort zum Münchner Katholikentag“, in: Allgemeine Zeitung [= AZ] v. 3.9.1922.
[120] Erasmus: Papst oder Kardinal? Nachwort zum Münchner Katholikentag, in: AZ v. 3.9.1922.
[121] Vgl. Leugers, Kriegsfriedensdiskurse, S. 148-164 (wie Anm. 1).
[122] Faulhaber, Ehrgefühl (wie Anm. 48), S. 42.
[123] „Hosanna“: Matthäus 21, 9 und 15; „Ans Kreuz mit ihm!“: Matthäus, 27, 22-23.
[124] Faulhaber nahm einen „Mauser-Revolver zur Verteidigung“ an: AF, 6.4.1927. EAM, NLF, 10012.
[125] „Ekel“ z.B. in: AF, 18.2.1934. EAM, NLF, 10015: Nach der Papstpredigt in St. Michael: „Mir sind die Ovationen zum Ekel, weil in der gleichen Promenadestraße 8 Tage lang die Schmähartikel von Xylander im Herold aufdringlich angeboten und gelesen wurden und ein ewiges Schimpfen auslöste und die ‚Treuen’ hatten kein Wort dagegen. [...] weil ich nicht durch das Seitentor heraus kam, haben sie dem Kronprinzen zugejubelt, das Hos(anna, Cruci)fige Volk.“ Vgl. auch Faulhaber, Ehrgefühl (wie Anm. 48), S. 23; Faulhaber, Sieben (wie Anm. 106), Vorbemerkung und S. 8.
[126] So hatte Faulhaber am 8.3. noch eine Operation und war am 9.3.1934 wegen des Medikaments bei der Ordinariatssitzung beeinträchtigt: AF, 9.3.1933. EAM, NLF, 10015: „Auf der Sitzung und den ganzen Tag schwerer Kopf und sehr müde von dem Cocain.“ In seiner Autobiographie (wie Anm. 98), S. 839-842 führt er als Krankheiten auf: Römisches Fieber, Rheuma, Herzleiden, Asthma. In den Tagebüchern finden sich Nasen-, Zahnoperationen, Kniegeschwulst, Brechdurchfall, Knickzehenbehandlung, Zucker, unregelmäßiger Puls usw.
[127] Faulhaber wünschte als Berufsangabe in seinem Pass „Professor a. D.“, also nicht „Kardinal“, weil er sonst in Italien eine Ehrenwache ab der Grenze bekomme, die er selbst zahlen müsse. Passausfertigung mit Foto und Unterschrift, 8.8.1935. Staatsarchiv München, Pol.Dir. 10044.
[128] Am 3.3.1923 bekam er den Anzug. In Adelholzen fällte er z.B. Bäume und hackte Holz in der Zeit vom 13.7.-4.8.1922 und 7.-23.10.1922.
[129] Vgl. Faulhaber, Autobiographie (wie Anm. 98); Faulhaber, Sieben (wie Anm. 106); Faulhaber, Myrrhen (wie Anm. 17). Im EAM, NLF gibt es zu den drei autobiographischen Werken Faulhabers erste stenographische Ausarbeitungen, korrigierte Manuskripte, z.T. mit Überklebungen, mit Original-Fotos, Zeitungsartikeln, Dokumenten usw., bis hin zur vermutlich letzten Manuskriptfassung. Es fanden sich 2010 bei meiner ersten Durchsicht: Textfassungen für die „Myrrhen“: EAM, NLF, 9268/1 u. 2, 9270, 9269; für die „Sieben Briefe“: EAM, NLF, 9268/2, 9128; für die Autobiographie: EAM, NLF, 9274/1 u. 2, 9275/1 u. 2, 9271/1 u. 2, 9272/1 u. 2, 9273/1 u. 2 u. 3, 9276/1 u. 2 u. 3, 9277/1 u. 2 u. 3, 9278. Das in Faulhaber, Katalog (wie Anm. 38) u. a. von Walter Ziegler und Susanne Kornacker zitierte Exemplar EAM, NLF, 9280 existiert nicht. Die im Findbuch Rep. 26/2 als zur Autobiographie zugehörig bezeichneten 9263/1 u. 2 sind eher zu den stenographischen Chronik-Aufzeichnungen zu zählen, die Faulhaber mit auswertete, so auch weitere Chronik- und thematische Aufzeichnungen: 9082, 9260, 9261, 9262, 9264, 9265/1 u. 2, 9266, 9267. Die unterschiedlichen Fassungen der biographischen Werke bieten eine gute Quelle für eine kritische Werkanalyse.
[130] Faulhaber, Autobiographie (wie Anm. 98), S. 861.


Zur Autorin:
Antonia Leugers, Katholizismusforscherin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Eberhard Karls Universität Tübingen.