Dieser zweite Band des Handbuchs Theologie
 und populärer Film schließt konzeptionell nahtlos an den
 Band 1 an, den ich hier 2008 rezensiert habe. Auch der Band 2 ist wieder
für jede Menge Überraschungen und Einsichten gut, die zeigen, wie
das populäre Kino nur so strotzt von Religion, insbesondere christlicher
Religion. Bei dem "noch immer" zu verzeichnenden "Rückgang institutioneller
(kirchlicher) Religiosität ... scheint doch das Bedürfnis nach
religiöser  Sinnorientierung in unserem Alltag entgegen aller modernen
'Entzauberungstendenzen'  nach wie vor lebendig" (9). 
   
   Auch der 2. Band enthält in seinen Analaysen Untersuchungen zu Genres,
 zu Regisseuren, zu Figuren und diesmal zu Motiven statt wie in Band 1 zu
Themen. Zierte Neo aus The Matrix das Cover von Band 1, begegnet uns diesmal
Spider-Man auf dem Sprung. Etwa ein Drittel der Autorinnen und Autoren aus
Band 1 schreiben auch wieder in Band 2, so dass sowohl für Kontinuität
als auch für Abwechslung gesorgt ist. Auch diesmal sind katholische
und evangelische Autorinnen und Autoren  gleichermaßen vertreten.
   
   Die Genres-Analysen beginnen mit einem Beitrag Wolfgang Luleys zum Western. Luley zeigt,
 wie der fremde Erlöser im Sattel, aber auch der Gründungsmythos
 der USA film- und religionsproduktiv sind. Er verzeichnet zudem eine Menge
 biblischer Assoziationshöfe in verschiedenen Western. Schließlich
 rücken ethische Fragen in den Vordergrund wie etwa nach der interkulturellen
 Begegnung, nach dem Töten und Sterben aber auch nach der Homosexualität.
 Thomas Hausmanninger folgt den
Mythen  von Religion in Comicverfilmungen der USA, wobei er Superman, Sin City, Hellboy und Constantine hervorhebt. Dabei zeigt er,
 dass das spezifisch Jüdisch-Christliche, "dass Gott die Schöpfung
 aus seiner überbordenden Fülle und Liebe heraus geschaffen hat",
 aufgrund einer moralisierten Lesart des Christentums bzw. der Kirche hier
 kaum zur Geltung kommen kann. Die aufklärerische Auseinandersetzung
mit diesen popkulturellen Mythen steht für ihn erst noch an. Peter Hahnen begibt sich auf die Suche
 nach Theologie in Filmmusical und findet sie bei Moulin Rouge, Yentl, Jesus Christ Superstar,
 Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat und beim Prinz von Ägypten. Sehr aufschlussreich
 ist der Vergleich der beiden letztgenanten Filme. "Wo Webbers JOSEPH den
Gottglauben verschweigt, ist DreamWorks' Moses von einem geradezu verblüffungsfesten 
 Glaubensglühen durchdrungen." (63) Dennoch bezeichnet Hahnen "Bibelmusicals
 als misslingende Katechese ... Keine noch so raffinierte Verpackung der
christlichen  Botschaft wird sie ihrer Widerständigkeit zum Mainstream
berauben. Streng  genommen ist die Sache Jesu pures Kassengift." (63f.) Dieses
Urteil ist mir  jedoch zu streng, weil es die Zwischentöne sowohl in
den Filmen als auch in der Sache Jesu zu wenig zum Klingen bringt. Werner Veith analysiert Sportfilme. Damit
 leistet er zum einen einen grundlegenden Beitrag zur theologischen Wahrnehmung
 des Sports. Zum anderen faszinieren seine Analysen von Chariots of Fire sowie von Goal! und Goal II. Thomas Bohrmann und Matthias Reichelt beenden ihren Beitrag
 zur Filmkomödie mit den Worten "Happyend. Das ist ein verheißungsvoller
 Ausblick." (98) Dem ist nichts hinzuzufügen! Zuvor haben sie vor allem
 Bruce Almighty und Sister Act intensiver besprochen und
anhand der fünf Kategorien des Lachens bei Peter L. Berger berühmte
Filmbeispiele näher betrachtet. 
   
   In der Rubrik Regisseure werden in Band 2 Stanley Kubrick (Charles Martig), Ridley Scott (Inge Kirsner), Guillermo del Toro (Gerhard Hroß), Luc Besson (Andrea Bieler) und Sam Raimi (Matthias Wörther) unter die Lupe
 genommen. Ob Kubricks "Theologie des erkalteten Blicks" (108), Scotts "Geburt
 des Ungeheuren" (113), del Toros "Insekten und Erzengel" (132), Lucs "Unter-Welten"
 (143) oder Raimis "schrecklicher Klamauk" (151) – immer steht die conditio
 humana in bedrückender Weise auf dem Spiel, immer geht es um Entscheidungssituationen
 angesichts einer Übermacht des Undurchschaubaren, Schrecklichen und 
Totalitären. Beim Lesen könnte man fast depressiv werden – aber 
im Film gibt es immer wieder doch auch Hoffnungsschimmer für den zeitgenössischen 
Menschen in aussichtsloser Lage.
   
   Als Figuren untersucht Martin Löwenstein
 den göttlichen König, Joachim  Valentin das Kind, Werner Schneider-Quindeau  den Reformator
Luther, Thomas Bohrmann  die Superhelden
und Manfred Tiemann die  protestantische
Pfarrfamilie im Film – sehr unterschiedliche Figurenkonstellationen,  jedoch
immer wieder mit sehr eindrücklichen Entdeckungen.
   
   Als Motive bringt Ulrike Vollmer 
 Familienbilder zur Geltung, Peter Hasenberg
 Schuld und Sühne, Daria Pezzoli-Oligati
 die Apokalypse, Hans-Martin Gutmann 
 die Auferstehung und Karl Matthias Schmidt
 Rezeptionen der jesuanischen Passionsgeschichte.
   
   Überblickt man die Analysen insgesamt, so ergibt sich eine Fülle
 interessanter Beobachtungen zu Themen, die in der Theologie meist nur randständig
 begegnen, und zu Phänomenen, die von der Theologie nur selten wahrgenommen
 werden. Insofern ist auch der Band 2 wieder eine Lektüre wert, sowohl
 als Ganzes als auch als Handbuch zu bestimmten Fragestellungen. Es bleibt
 nicht aus, dass es hier und da zu Doppelungen kommt, sowohl bei den Filmbesprechungen
 als auch bei den Motiven und Themen. Der Band 2 bringt auf hohem Niveau
eine  Fortsetzung des ersten Bandes. Ein dritter Band ist in Planung mit
einem etwas anderen Themenaufriss. Dennoch stellt sich mir die Frage, ob
es nicht besser gewesen wäre, Genres, Regisseure, Figuren und Themen/Motive
beider Bände der Übersichtlichkeit wegen in 4 Bänden untergebracht
zu haben. Was mir fehlt ist eine ausdrückliche Reflexion der Wahrnehmung
nicht-christlicher Religionen im Film. Das Handbuch definiert Mainstreamkino
als Hollywood und nicht als Bollywood. Das mag für den deutschen Kontext
in Ordnung sein, zeigt aber, dass es auf diesem Gebiet auch noch jede Menge
zu tun gibt.
   
   Abgeschlossen wird Band 2 durch einen religionspädagogischen Grundlagenartikel
 zum Medium Film im Religionsunterricht unter dem schönen Titel "Können
 wir nicht mal wieder einen Film gucken?" Thomas vom Scheidt nimmt diese Frage
als religionspädagogische Ernst und unterstreicht dabei die Prägekraft
 von Filmen im Religionsunterricht anhand seiner eigenen Biographie. Er zeigt
 anhand ausgewählter Beispiele, wie Filmarbeit in bestimmten Schulstufen 
 gelingen kann. Dabei kommen sowohl Hollywood-Filme als auch Kurzfilme und
 sog. nicht-fiktionale Filme wie z.B. die Dokumentarfilme des Grimme-Preisträgers
 Martin Buchholz zur Geltung. Der 2. Band endet schließlich mit vom
Scheidts 10 Geboten zum Einsatz von Filmen im Religionsunterricht, die auch
für andere pädagogische Handlungsfelder nützlich sind.